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XXIX.

Aspasia.

Zurück vor meine Seele kehrt zuweilen
Dein Angesicht, Aspasia. Bald flüchtig
Strahlt mir's entgegen, wo die Menschen weilen,
In fremden Zügen, bald auf stillen Feldern,
Am heitern Tag wie bei der Sterne Schweigen,
Wie aufgeweckt von sanften Harmonie'n,
Ersteht mir in der Seele so lebendig,
Daß ich erschrecke, dieses Zauberbild.
Wie angebetet war sie mir, ihr Götter!
Mein Glück, mein Fluch zugleich! Und nie empfind' ich,
Wie Düfte lieblich wehn von Wiesenblumen
Und Blüten an den Wegen um die Stadt,
Daß nicht noch einmal so du mir erscheinst.
Wie an dem Tage, wo im holdgeschmückten
Gemach, durchhaucht von Frühlingsblumenpracht,
In lieblich Braun gekleidet, sich dein Bild,
Das engelschöne, mir gezeigt, gelehnt
Auf schimmernd lichte Vließe, hold vom Hauch
Geheimer Luft umströmt; und wie als kluge
Erzieherin auf die gekrümmten Lippen
Der Kinder du dann Küsse drücktest, warm
Und schallend; wie den Hals, den blendendweißen,
Du lieblich strecktest, und die Ahnungslosen
Mit deiner Hand, der reizvoll zarten, drücktest
An den verborgnen, stillersehnten Busen.
Ein neuer Himmel, eine neue Erde,
Erschien mir da, ein Götterstrahl von oben:
Und mir ins Herz, das doch nicht wehrlos war,
Mit ganzer Kraft einsenktest du den Pfeil,
Den ich wehklagend trug dann in der Brust,
Bis sich zum zweiten Mal zurückgewandt
Zu jenem Tag des Jahrs der Sonnenlauf.
Ja, wie ein Strahl des Himmels, hohes Weib,
Erschien mir deine Schönheit. Gleiches wirken
Die Schönheit und die Klänge der Musik,
Daß ungeahnter Paradiese hohes
Geheimniß sie erschließen. Kosend hegt
Der Mensch, der vielgequälte, dann das Kind
Der eignen Seele, jenen liebenden
Gedanken, der den Himmel in sich schließt,
An Miene, Haltung, Rede gleichend ganz
Dem Weibe, das entzückt und lustverwirrt
Der Liebende zu kosen meint, zu lieben.
Doch ists nicht diese, jener ists, den er,
Selbst in der Leiber Glutumarmung, liebt.
Und sieht er dann den Irrthum, sieht den Tausch
Der Gegenstände seiner Liebe, zürnt er,
Und klagt das Weib oft an mit Unrecht. Selten
Erhebt das Weib zum hohen Bild sich, das
Von ihr sich macht der edle Liebende,
Und was ihm einflößt ihre eigne Schönheit,
Das weiß sie nicht, begreift sie nicht. Es faßt
Des Weibes enge Stirn nicht den Gedanken;
Und thöricht hofft beim Leuchten ihrer Blicke
Der holdgetäuschte Mann, und fordert tiefes
Empfinden, fremdes, mehr als männliches,
Von ihr, die doch in Allem von Natur
Steht unter ihm. Wenn zarter ihre Glieder
Und weicher sind, gab ihr den Geist auch minder
Umfassend die Natur und minder stark.

Nie konntest du bis jetzt das, was du selbst
Mir eingeflößt für eine Zeit, dir denken,
Aspasia! Nicht weißt du, welche Liebe,
Maßlos, welch tiefes Leid, und welche Unruh,
Unsäglich groß, und welchen Wahnwitz du
In mir erregt, und nimmer kommt die Zeit,
Wo du's erfährst. So weiß auch nicht der Meister
Der Töne, was er wirkt, mit seines Fingers,
Mit seiner Stimme Kunst im Hörer. Todt
Ist nun, die ich so heiß geliebt, – todt jene
Aspasia. Dahingesunken ist sie
Für immer, die mein ganzes Leben war!
Nur manchmal, wie ein theures Schattenbild,
Nahst du gemach und schwindest wieder. Ach,
Du selbst, Aspasia, du lebst, noch schön,
So schön noch, daß sich Keine dir vergleicht:
Doch jene Glut, die du entfacht, erlosch!
Denn dich nicht liebt' ich ja, nur jene Göttin,
Die einst gelebt in meiner Brust und nun
Bestattet ist darin. Anbetung weiht' ich
Ihr lange Zeit, und so bestrickte mich
Ihr Reiz, daß, kannt' ich auch von Anbeginn
Dein Wesen, deine Künste, deinen Trug,
Ich ihre Augen in den deinen sah,
Und sehnend folgte dir, so lang sie lebte,
Nicht unbewußt getäuscht, nein, von dem Reiz
So holder Ähnlichkeit gespornt, zu tragen
Das Joch von langer harter Sklaverei!

Nun rühme dich, wenn du's vermagst. Erzähle,
Daß du des Frau'ngeschlechtes Einz'ge bist,
Der ich gebeugt das stolze Haupt, und der
Ich weihte dieses unbezwungne Herz.
Erzähle, daß die Erste du, die Letzte,
Sahst flehentlich gesenkt mein Augenlid,
Mich vor dir sähest, schüchtern, zitternd (ha!
Von Zorn und Scham erglüh' ich, denk' ich dran!)
Nicht mächtig meiner selbst, nur jede Regung
Und jedes Wort und jeden Wunsch demüthig
An dir erspähend, und vor deinem stolzen
Verschmähn erblassend, und dann wieder strahlend,
Wenn du mir freundlich; Farb' und Miene wechselnd
Bei jedem deiner Blicke. Doch gebrochen
Ist nun der Zauber, und gebrochen ist
Mit ihm das Joch, zu Boden hingeschleudert.
Und dessen freut mein Herz sich. Sind sie auch
Zum Ueberdruß mir, nach so langem Dienst,
So langem Wahn, willkommen heiß' ich wieder
Vernunft und Freiheit. Mag das Menschenleben,
Von Leidenschaft und holdem Wahne frei,
Nur eine Winternacht sein ohne Sterne –
Zum Trost, zur Rache meines ird'schen Looses
Genügt es mir, daß ich, ins weiche Gras
Mich streckend hier und unbeweglich ruhend,
Betrachte Himmel, Erd' und Meer und lächle!

*


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