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XVII.

Consalvo.

Consalvo lag auf seinem Sterbelager
Am letzten seiner Tage – grollend einst
Dem Schicksal, nun nicht mehr, denn, in der Mitte
Des fünften Lustrums, schwebt ihm überm Haupt
Vergessenheit, die süße. Wie seit langem,
Dalag er nun an seinem Sterbetage,
Von seinen liebsten Freunden all verlassen.
Denn immer bleibt zuletzt kein Freund auf Erden
Dem Manne, der des Ird'schen überdrüssig!
Doch ihm zur Seite war, bewegt von Mitleid,
Zum Trost der traurigen Verlassenheit,
Sie, die allein und immer sein Gedanke,
Elvira, durch der Schönheit Reiz berühmt.
Der eignen Macht bewußt, wohl wissend, daß
Ein Blick von ihr, ein Wort, von holdem Trost
Nur angehaucht ein weniges, ach, tausend
Und tausend Mal getreulich wiederholt
In eingedenker Seele, Nahrung, Stütze
Dem Herzen war des armen Liebenden,
Obgleich kein Wort der Liebe je von ihm
Ihr Ohr vernommen. Stets in seiner Seele
War stärker als der Sehnsucht tiefer Drang
Die nie bezwungne Scheu. Zum Kind, zum Sklaven
Hatt' ihn gemacht das Uebermaß der Liebe!

Doch endlich riß der Tod die Bande, die
Gefesselt seine Zunge. Nah schon fühlend
Den Augenblick, wo sich das Ird'sche lös't,
Faßt an der Hand er die Entwandelnde,
Und, drückend diese liljenweiße Hand,
Spricht er: »Du gehst, es zwingt die Stunde dich:
Leb' wohl, Elvira. Nimmermehr erblick' ich
Dich wieder. – Lebe wohl! Ich sage dir
So heißen Dank für deine treuen Sorgen,
Als meine Lippe sagen kann. Belohne
Dich, wer's vermag, wenn Lohn bestimmt den Edlen!« –
Das schöne Weib erblaßt' und ihrer Brust
Entrang ein Seufzer sich, denn stets bedrückt
Das Menschenherz leidvoll der Augenblick,
Wenn scheidend sagt ein Mensch – und wär' er fremd auch
Auf ewig Lebewohl! Zu widersprechen
Ermannt sie sich verstellt der Todesahnung
Des Sterbenden. Doch noch zuvor kam Jener
Dem Wort und sprach: »Ersehnt, ja, viel ersehnt,
Und viel ersteht – du weißt's – kommt mir der Tod,
Und nicht gefürchtet. Heiter mir erscheint
Der letzte Tag! Wohl drückt es mich, daß ich
Für immer dich verliere. Weh! für immer
Zu scheiden ziemt's. Mir spaltet sich das Herz
Bei diesem Wort. Nie mehr dein Antlitz schau' ich,
Noch hör' ich deinen Laut! O sprich – Bevor
Wir scheiden, o Elvira, willst du nicht
Mir geben – einen Kuß, nur Einen Kuß
Für dieß mein ganzes Leben? Wer verweigert
Dem Sterbenden die Gnade, die er fleht?
Und nie ja kann ich des Geschenks mich rühmen,
Der ich schon halb entseelt, und dem noch heut,
In wenig Augenblicken, fremde Hand
Die Lippe schließt auf ewig.« Also sprach er
Mit Seufzen, drückte stehend auf die Hand
Der Angebeteten die kalte Lippe.

Unschlüssig stand, versunken in Gedanken,
Das schöne Weib. Gewendet war ihr Antlitz,
Von tausend Reizen strahlend, nach dem Antlitz
Des Unglückseligen, auf dem erglänzte
Die letzte Thräne. Nicht vermocht' ihr Herz
Die Bitte zu verschmähn, den düstren Abschied
Durch Weigrung zu verbittern: und es siegte
Das Mitleid mit der wohlbekannten Glut!
Und dieses Himmelsantlitz, dieser Mund,
So heiß ersehnt, durch vieler Jahre Lauf
Ein Gegenstand der Seufzer und der Träume,
Sanft naht' es sich dem düstren Angesicht
Dem schon erblassenden in Todesnoth,
Und heilger Güte voll, erhabnen Mitleids,
Bedeckt die Lippe sie, die wie im Krampf
Erzitternde, des Liebenden mit Küssen.

Was ward aus dir alsdann? Was waren Leben
Und Tod und Mißgeschick vor deinen Augen,
O scheidender Consalvo? Noch die Hand,
Die er in seiner hielt, der Heißgeliebten,
Legt' er aufs Herz sich, drin die letzten Schläge
Des Todes und der Liebe still verbebten,
Und sprach: »Elvira, o Elvira – wohl
Bin ich auf Erden noch; wohl lag dein Mund
Auf meinem und ich drücke deine Hand!
Unglaublich scheint es mir – ein Traum, ein Spiel
Der Phantasie. O wie so viel, Elvira,
Dank' ich dem Tod! Verborgen war vorher
Dir meine Liebe nicht auch kurze Zeit,
Nicht dir, nicht Andern; nicht verbirgt auf Erden
Sich wahre Liebe je. Nein, offenbar
Verrieth dir's Haltung, Aug', befangne Miene –
Doch nicht die Lippe. – Jetzt und immerdar
Wär' stumm geblieben das unendliche
Gefühl, das ganz mein Herz beherrscht, wenn nicht
Ermuthigt mich der Tod. Mit meinem Loose
Zufrieden sterb' ich nun – nicht mehr beklag' ichs,
Daß sich dem Licht erschloß mein Aug'. Ich lebte
Vergebens nicht, nun mirs vergönnt, zu drücken
An diesen Mund den meinen. Glücklich preis' ich
Mein Loos! Zwei holde Dinge hat die Welt:
Die Liebe und den Tod. Den einen sendet
Der Himmel in des Lebens Blüte mir,
Und durch die andre fühl' ich mich beseligt.
O hättest früher du ein einzig Mal
Gestillt mein Liebessehnen – sieh, für immer
Zum Paradiese hätte sich gewandelt
Vor meinem Aug' die Erde. Selbst das Alter,
Das vielverhaßte, gern hätt' ichs ertragen,
Zufriednen Sinnes, denn es zu ertragen
Genügte mir für immer die Erinnrung
Des einen Augenblicks, wo ich beglückt,
Ja über Alle war beglückt! Doch ach,
So hohes Glück gewährt das Schicksal nicht
Der irdischen Natur. So heiß zu lieben
Und glücklich – Keinem ists vergönnt. Und doch,
In Henkershände, unter Geißelschlägen,
Auf Rad und Holzstoß wär' ich froh gegangen
Aus deinen Armen, froh hinabgestiegen
Ins allgefürchtet ew'ge Todesgraun!

Heil ihm, Elvira, Heil ihm über alle
Unsterblichen, dem du das holde Lächeln
Der Liebe zeigst! Heil ihm nicht minder auch,
Der für dich geben dürfte Blut und Leben!
Vergönnt ists Sterblichen, – kein leerer Traum ists,
Wie ich so lang gewähnt – vergönnt ists, glücklich
Zu sein auf Erden. Ich erkannt's am Tage,
Als ich zuerst dich sah. Ich wußte, daß
Mir tödtlich jener Tag. Und doch vermocht' ich
Mit festem Sinne nie, trotz allen Leides,
Dem Tag zu grollen, dem verhängnißvollen!

Nun lebe glücklich, und die Welt verschöne
Mit deinem Angesicht, Elvira! Keiner
Wird je dich lieben, wie Consalvo liebte!
Solch Glutgefühl ersteht kein zweites Mal!
Ach, in so langer Zeit, wie heiß, wie heiß
Rief dich mein Sehnen weinend stets und klagend!
Vernahm ich deines Namens Laut, Elvira,
Das Herz erstarrte mir und ich erblaßte;
Bei deiner Tritte Nahn, wie zittert' ich,
Und ach, bei deiner Engelsstimme Klang,
Und bei dem Anblick deines Angesichts, –
Ich, der ich doch vorm Tode nicht erzittre! –
Doch, Kraft und Odem hab' ich länger nicht
Für Liebesworte! Meine Zeit ist um,
Und dieses Tags mich zu erinnern, ach,
Ist mir versagt. So lebe Wohl, Elvira,
Mit meinem letzten Lebensfunken schwindet
Dein liebes Bild aus meinem Herzen – endlich!
Fahr Wohl! War nicht zur Last dir meine Liebe,
So schenke morgen, wenn der Tag sich neigt,
Auch einen Seufzer meinem Sarge du

Er sprachs, und schwieg, und mit der Rede Laut
Entwich der Geist, und vor dem Abend schwand
Ihm aus dem Blick sein erster sel'ger Tag!

*


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