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VI.

Brutus der Jüngere.

Als hingeworfen starb im Thrakerstaube
Ital'sche Heldenkraft, ein unabsehbar
Schauspiel von Sturz und Tod, wo zur Bedrängniß
Der Au'n Hesperias und der Gestade
Des Tibris das Verhängniß
Schon vorbereitet der Barbarenrosse
Gestampf, und aus den Wäldern,
Vom Sterngebild des Bären
Beglänzt, die röm'schen Vesten zu zertrümmern,
Beruft das Schwert des Gothen:
Da, schweißbedeckt und noch durchweicht vom Blute
Des Bruderkampfs, saß Brutus in der Stille
Der Nacht, und eh' er sich gesellt den Todten,
Die Götter und den Hades
Anklagt' er, und mit trotz'gem Klageliede
Erschüttert er die Luft, die schlummermüde.

Thörichte Tugend, jene Nebelfelder
Der ruhelosen Larven
Sind zur Belehrung dir; an deine Spuren
Geheftet ist die Reu'. Marmorne Götter,
(Ob ihr den Wohnsitz habt auf styg'schen Fluren,
Ob über Wolken), nur zu Spott und Hohne
Dient euch das unglücksel'ge
Geschlecht, das euch mit Tempeln ehrt, und tückisch
Spielt mit den Sterblichen das Schicksal. Grollen
So unversöhnt von ird'scher Seelen Frommheit
Die Himmlischen? Ruchlosen also thronst du
Zum Schutz, o Zeus? Wenn deine Donner rollen
Im Aether und du zückest
Den Blitzstrahl in der Rechten,
Gilt er den Edlen stets und nicht den Schlechten?

Des Schicksals Noth drückt unbezwinglich, eisern,
Ach, uns ohnmächt'ge Sklaven
Des Tods, und scheint dem Volk das Leid unmöglich
Zu bannen, tröstets noch sich mit des Leides
Notwendigkeit. Ist leichter zu ertragen
Ein Uebel, das nicht Heilung kennt? Empfindet
Den Schmerz nicht mehr, wer hoffnungslos erkranket?
Auf Tod und Leben ewig kämpft, o Schicksal,
Der Tapfre, als ein Krieger,
Der nimmer weicht, und wenn ihn deine Rechte,
Die grausame, belastend überwältigt,
So strahlt er unverzagt, im Sturz noch Sieger,
Indeß er in den Busen
Den Stahl sich stößt, den herben,
Und wie zum Hohne lächelt noch im Sterben.

Nicht wohlgefällt den Göttern, wer gewaltsam
Einbricht ins Todesreich. Die Götter freilich,
Sie selbst – nie wären sie so hochgemuthet!
Hat etwa unser Ungemach der Himmel,
Und unsre Brust, die unter Schlägen blutet,
Zum angenehmen Schauspiel sich erkoren?
Nicht voller Schuld und Leiden,
Nein, rein und frei das Dasein
Auf freier Flur hat uns Natur gegeben,
Einst Göttin, Königin. Doch nun auf Erden
Ruchlos gestürzt ihr sel'ges Reich, und andern
Gesetzen unterthan das karge Leben,
Wenn eine starke Seele
Abschütteln will ihr Joch, was schilt verschwendet
Natur den Pfeil, den nicht sie selbst gesendet?

Schuldunbewußt, unkundig eignen Leides,
Hinleben stets die Thiere,
Die glücklichen; zum ungeahnten Ziele
Führt sie gemach die Zeit. Doch wenn es einem
Von ihnen je, von Schmerz bedrängt, gefiele,
Freiwillig zu zerschmettern sich die Glieder,
Kein innrer Zwiespalt würde, kein geheimes
Gesetz Einspruch erheben
Je gegen solchen Drang. Euch nur von allen
Geschlechtern, die da leben, euch, den Söhnen
Prometheus', wird zum Ueberdruß das Leben,
Und euch allein auch immer
Verbeut ein Götterwille
Im Leid den Pfad zu heilger Todesstille.

Vom Meer, das strömend unser Blut besudelt,
Aufsteigst du, reines Mondlicht,
Die ruhelose Nacht und die Gefilde,
Verhängnißvoll ital'scher Kraft, durchspähst du.
Verwandte Brust der Sieger stampft, der wilde,
Die Hügel dröhnen, niederstürzt vom Gipfel
Der Macht die alte Roma –
Du bist so still? Du sahst erstehn die Sprossen
Lavinias; die Zeiten,
Die goldnen, sahst du und die Lorbeerkronen,
Und unverändert wirst du deine Strahlen
Ausgießen über Höhn, wenn diese Weiten,
Die einsamen, zum Schimpf ital'schen Namens,
Auf's neu in künftigen Jahren
Verfallen sind dem Schritte der Barbaren.

Sieh unter nacktem Fels das Thier des Waldes,
Den Vogel auf den Zweigen,
Im Herzen hegend des Vergessens Wonne,
Des angebornen: Sturz und Schicksalswechsel
Nicht kennen sie, und röthet in der Sonne
Des Morgens sich des Landmanns Dach, wird dieser
Mit seinem Morgenliede
Die Thäler wecken, jener unterm steilen
Geklipp die Schaar, die zage,
Der kleinern Thiere jagen.
O Elend! ein vergeßner Theil der Dinge
Sind wir, – und unsre bange Schicksalsfrage
Bekümmert kein Orakel
In Höhlen, wo die Eule krächzt, und nimmer
Erbleicht aus Mitgefühl der Sterne Schimmer!

Nicht des Olymps und des Cocytus Götter,
Die tauben, nicht die Erde
Ruf ich, und nicht die Nacht, sobald ich sterbe,
Nicht dich, o letzter Hoffnungsstrahl des Todes,
O Ruhm der Zukunft! Meine Gruft, die herbe,
Darein ich zürnend sank, soll Wort und Seufzer
Des schnöden Haufens ehren?
Die Zeit wird schlimmer; übel anvertrauet
Ist trägen Enkelsöhnen
Der Ruhm erles'ner Geister und die Rache
Des Elends. Kreise denn, du brauner Vogel,
Du gieriger, um mich, von Raubthierzähnen
Benagt und Regengüssen,
Mein irdscher Rest verschwinde,
Und meines Namens Spur verweh' im Winde!

*


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