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Zweiundzwanzigstes Kapitel.
Verfolgung


Eulerkapper schrieb nun keine Hefte mehr, und kam nicht mehr in die Studentengelage. Dieß befremdete die Herren, sie spürten der Ursache nach, und fanden, daß der Grund dieser Zurückhaltung von Seiten des Magisters in dessen verbesserten Umständen lag. Aha, sagten sie, lautet das Ding so? Unsre Scandale waren dem Bucker gut genug, da er noch pauvre war, wie eine Kirchenmaus, jetzt da er sich besser sieht, verachtet er uns. Aber wart, Bürschchen, wir wollen dir's anstreichen.

 

Wenn Studenten sich einmal im Ernste vorgenommen haben, einem etwas anzustreichen, so streichen sie es ihm ganz gewiß an: es würde ihnen ja zum Schimpfe gereichen, einen so edlen Vorsatz gefaßt zu haben, ohne ihn auszuführen. Die Gelegenheit der Anstreicherey beym Eulerkapper fand sich bald. Er wohnte an dem engen Wagengäßchen, in welches eins seiner Putzstubenfenster ging. In eben dieses Wagengäßchen ging das Kammerfenster eines Studenten. Dieser bemerkte einst, daß Eulerkappers Putzstubenfenster offen stand, und schnell fuhr ihm ein Gedanke durch den Kopf, der seiner Erfindungskraft Ehre machte. Er band seinen Nachttopf an eine lange Stange, füllte ihn mit Unrath verschiedener Art, und transportierte diesen in die Putzstube des Eulerkappers, und zwar zu wiederholten Malen. Freund Eulerkapper war mit seiner Familie in der Kirche, und erschrak nicht wenig, als er bey seiner Zuhausekunft sein Putzzimmer so fürchterlich zugerichtet fand. Natürlich fiel er auf den gegenüber wohnenden Studenten, daß dieser der Urheber der Unfläterey sey, und verklagte ihn beym Rector. Der Rector, ein jovialischer Mann, lachte sich halb krank über den schnurrigen Einfall, einen Nachttopf in ein fremdes Zimmer auszuleeren; doch ließ er den Studenten citiren, und befragte ihn. Dieser leugnete, das Spectacel gemacht zu haben; es müßte einer seiner Freunde auf seiner Stube in seiner Abwesenheit gewesen seyn. Der Rector war mit dieser Entschuldigung zufrieden, wies den Eulerkapper ab, und gab ihm den Rath, in Zukunft seine Fenster hübsch zuzuhalten.

Indessen war der Jux von dem in Eulerkappers Putzstube gegoßnen Nachttopf unter allen Burschen bekannt geworden, und jeder applaudirte, jeder wünschte, daß die Comödie möchte wiederholt werden, jeder wollte dazu helfen. Man drang von allen Seiten her in Herrn Schacht, so hieß der studiosus quaestionis, daß er zu dem appetitlichen Schauspiel Anstalt machen sollte, und Schacht ließ sichs gefallen. Er lud den nächsten Sonntag über dreyßig Bekannte zu sich, und als Eulerkapper mit seinen Leuten zur Kirche gegangen war, wurde das Fenster erst mit der Stange eingestoßen, und hernach ungefähr zwanzig Ladungen hinüber transportirt.

Dießmal half keine Entschuldigung, und so froh der Rector war, daß sich wieder ein solcher Spaß se Rectore zugetragen hatte, mußte doch Schacht aufs Carcer, und einen Gulden für das zerbrochene Fenster und für die Reinigung des Eulerkapperschen Putzzimmers hergeben. Nun ward die Burschenschaft wüthend. Was, sagten die Herren, der verfluchte Kerl, der sonst mit uns fraß und soff, der sonst uns das Geld zu Kreuzern abbettelte, der sonst froh war, wenn wir ihn zum Papst oder zum Fürsten von Thoren machten, der gerne zwanzig Gläser hintereinander pro poena soff, wenn ers nur umsonst haben konnte; ein solcher verdammter Kerl will uns futtiren, und brave Bursche auf den Mist bringen, daß sie zur Cardanopolis müssen sitzen! So ein infamer Kerl! pereat!

So räsonnirten die Herren, und hielten ein besonderes Parlament im Rappen, wo denn ausgemacht wurde, daß jeder brave Bursche jeden Abend oder jede Nacht den Eulerkapper pereiren, und ihm wo möglich die Fenster einwerfen sollte. Die Formel der Pereification, welche das Parlament vorschrieb, war folgende: Es leben Ihre Magnificenz der Herr Johann Henrich Eulerkapper, Ritter von Fellago, des heiligen römischen Reichs Groß-Kron-Eselsohrträger, Hunzfott und Schwerdtfeger, hoch! pereat! Eulerkapper, kapper, kapper!

Von diesem Tage an rissen die sogenannten Eulerkappereyen nicht mehr ab: alle Nacht wurde der arme Teufel hundert Mal pereirt; die Fenster wurden ihm beständig eingeworfen, und die schändlichsten Lieder wurden auf ihn componirt, und auf den Straßen herumgegröhlt. Eulerkapper vermehrte sein Unglück noch dadurch, daß er immer fürchterlich schimpfte, und dadurch die lustigen Brüder noch mehr zu Insulten reizte.

Ein lustiger Bruder machte einen Eulerkapperischen Katechismus, ließ ihn von einigen andern auswendig lernen, und katechisirte Abends unter des armen Mannes Fenstern: wobey er denn den Schulmeister, die andern aber die Scholaren machten. Ich muß doch einige Fragen aus diesem Fragebuch zur Erbauung meiner Leser hersetzen.

Frage. Was ist der Eulerkappersche Katechismus?

Antwort. Es ist ein deutlicher in Frag und Antwort verfaßter Unterricht über des Eulerkappers Wesen, Eigenschaften, Meynungen und Werke.

Frage. Ist der Eulerkapper ein Mensch?

Antwort. Nein: er hat zwar einen menschlichen Körper, aber eine dämonische Seele.

Frage. Wer ist des Eulerkappers Vater?

Antwort. Adramelech und Asmodi zugleich.

Frage. Wer ist seine Mutter?

Antwort. Die Hexe von Endor.

Frage. Ist Eulerkapper orthodox?

Antwort. Nein, er ist ein großer garstiger Irrlehrer und Ketzer.

Frage. Worin lehrt Eulerkapper vorzüglich irrig und falsch?

Antwort. In der Lehre von der Entstehung der Welt, dem Ursprung des Menschen, und den Geheimnissen der Frauenzimmer.

Frage. Was lehrt Eulerkapper vom Ursprung der Welt?

Antwort. Er leugnet ihre Erschaffung, und lehrt, daß sie von Ewigkeit her aus Tabacksdampf entstanden sey.

Frage. Was lehrt der Eulerkapper vom Ursprung des Menschen?

Antwort. Er leugnet den Einfluß des Beyschlafs auf die Entstehung des Menschen, und will, daß gewisse Schnacken in der Luft herumfliegen, welche von den Weibern im Kaffee hineingetrunken würden: diese Schnacken hält er für den Keim der Menschen, und widerräth daher ledigen Frauenzimmern den Kaffee, empfiehlt ihnen aber dagegen zur Entschädigung den nähern Umgang mit den Männern.

Solche Fratzen mußte sich Eulerkapper unter seinem Fenster herkatechisiren lassen. An Pasquillen und abscheulichen Gemälden, worauf er unter allerhand burlesken Formen vorgestellt war, und die durch die ganze Stadt angeklebt wurden, fehlte es auch nicht; in allen Studentenstuben, Schenken und andern öffentlichen Oertern waren die Wände mit hundertfachem » pereat Eulerkapper« angefüllt; im Carcer stand er in Lebensgröße abgemalt, wie er mit dem Satan Brüderschaft trank.

Das Carcer ward zwar nie leer von solchen, welche den Eulerkapper pereirt, ihm die Fenster zerschlagen, eine Katzenmusik gebracht, oder sonst einen Streich gespielt hatten: aber dieß half dem guten Mann doch nichts: er hatte alle Bursche wider sich, und alle konnte man doch nicht auf einmal ins Carcer setzen.

Diese ewigen Neckereyen und Verfolgungen hatten auch sonst einen übeln Einfluß auf Eulerkappers Oekonomie. Sein Freund der Bürgermeister Rumpf starb, und nun hieß es, ein Mann, der der Gegenstand des allgemeinen Gespöttes der ganzen Stadt wäre, dürfe nicht mehr an heiliger Stätte erscheinen, und so nahm man ihm das Pöstchen eines Lesers am Zuchthaus, und den Klingelsack: auch nahmen die Einkünfte seiner Schule dadurch merklich ab, daß viele Eltern ihre Kinder nicht mehr zu einem Mann schicken wollten, der selbst alle Abend einen so artigen Katechismus anhören mußte.

Nun mußte Eulerkapper wieder sehr kümmerlich leben, und da kümmerliche ökonomische Umstände auch häuslichen Zank und Streit erzeugen, so hatte nun auch Eulerkapper am Tage keine Ruhe: denn seine Xantippe machte ihm steten Kummer durch ihr ewiges Nörgeln, indeß ihm die Studenten die Nächte durch Pereiren und Katechisiren zur Hölle machten.


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