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Einundzwanzigstes Kapitel.
Glück über Glück


Der Herr Bürgermeister Rumpf zu Gießen, ein Mann, dem es jeder am Bauch ansehen konnte, daß dieser sein Gott war, kam eines Abends von einem Hochzeitschmause, wo er noch etwas mehr getrunken hatte, als er sonst zu thun täglich gewohnt war: denn er hatte sich nicht nur heroisch getrunken, sondern um alle seine Sinne gebracht. So taumelte er denn wie ein Nachtwandler fort, und fiel gerade vor Eulerkappers Thüre in den Schnee. Zum Glück kam Eulerkapper eben von einem Kommersch aus dem Rappen: es war um zwölf Uhr des Nachts, und niemand mehr auf der Straße. Ohne Hülfe war der Bürgermeister verloren; denn es war mortalisch kalt; aber Eulerkapper war sein Schutzengel. Ob er gleich selbst im Kopfe sehr heroisch war, erkannte er doch beym Mondenschein den Herrn Bürgermeister Rumpf an dessen dickem Bauche, und beschloß zu helfen. Schnell rief er seiner Frau, und beyde schleppten den völlig sinnlosen Bürgermeister in die warme Stube: die Frau Eulerkappern kochte Tee, und nachdem der Hochweise einige Tassen hinein hatte, fing er an, den Wein, den Braten, die Fische, die Krebse, kurz alles, was er auf dem Hochzeitsschmause zu sich genommen hatte, wieder zu extradiren, wodurch denn Eulerkappers Zimmer ein gar liebliches Ansehn bekam, auch aufs angenehmste parfumirt wurde.

Die Frau Magisterin radotirte da etwas von Schweinigeln, aber der Herr Magister belehrte sie, daß ein hochweiser Bürgermeister ja doch kein Schweinigel seyn könne; übrigens aber müsse man die ganze Sache dahin gestellt seyn lassen, da der Herr gewiß die Kosten der Reinigung gut bezahlen, auch für die gehabte Bemühung noch etwas zulegen würde. Diese gegründeten Vorstellungen beruhigten die Frau Magisterin vollkommen, und sie gab sogar zu, daß der Bürgermeister in ihr Bett gelegt wurde, indeß sie und ihr lieber Mann den übrigen kurzen Theil der Nacht auf Stühlen zubrachten.

Früh gegen neun Uhr erwachte der Hochweise, und wunderte sich sehr, sich in einem schlechten Zimmer in einem elenden Bette zu befinden: denn seine Zimmer zu Hause, und seine Betten waren eines Gießer Bürgermeisters vollkommen würdig.

Eulerkapper trat nun, als er merkte, daß der Herr erwacht war, vors Bette: Schönen guten Morgen, Ihro Hochweisheit; haben Dieselben wohl geruhet?

Bürgermeister ( sich die Augen reibend). Ih, bon jour, Herr Magister! Mein Gott, wo bin ich denn?

Eulerkapper. In Ihres gehorsamsten Dieners Behausung.

Bürgermeister. Wie bin ich denn hierher gekommen?

Eulerkapper erzählte nun mit aller nur möglichen Schonung die ganze scandalöse Historie.

Hm, hm, sagte der Bürgermeister, indem er aus dem Bett aufstand, das ist ja ein verfluchter Streich!

Eulerkapper. Was hat denn das zu bedeuten, Ihro Hochweisheit?

Bürgermeister. Der verdammte Burgunder!

Eulerkapper. Ih nun, das passirt ja einem ehrlichen Mann wohl öfter. Mir gehts ja selbst mitunter so.

Bürgermeister. Das ist ein anders. Sie sind ein Privatus: aber ich, ein Mann in einem öffentlichen, ja im ersten Amte der Stadt!

Eulerkapper. Es weiß ja kein Christenmensch von der Sache.

Bürgermeister ( heiter). Das ist auch noch das Beste. Aber wird's auch niemand erfahren?

Eulerkapper. So wahr Gott lebt, ich bin stumm, wie ein Mülleresel.

Bürgermeister. Aber die Frau Magisterin! die Weibsleute sind ein wenig plapperig.

Magisterin. Ey seht doch, Ihro Hochweisheit, für wen halten mich denn Dieselben? Mein Vater war ein Nepp, und da hab ich Manches gesehen und gehört, aber der soll aufstehen, der da sagen kann, ich hätte ihm ein stummes Wörtchen gesagt.

Bürgermeister. Bon, bon, ich will Ihnen trauen. Hier haben Sie für Ihre freundschaftliche Bemühung ( giebt zwey Goldstücke hin). Ich werde noch weiter erkenntlich seyn. Guten Morgen!

Magisterin. Schönen guten Morgen, Ihro Hochweisheit; wünsch' wohl nach Hause zu kommen. Mein gehorsamstes Empfehl zu Hause an die Frau Liebste und an die Mamsell Tochter!

Der Bürgermeister ging gerade vom Eulerkapper aufs Rathaus: denn es schlug eilf Uhr, setzte sich nieder, und schlief ein: denn er war noch müde. Man weckte ihn auf, und fragte, wie die Mädchenschule besetzt werden sollte, deren Lehrer abgegangen war. Ha, dachte der Bürgermeister, hier kannst du den guten Eulerkapper anbringen, und perorirte folgender Maßen:

Meine Herren, da ist der arme Magister Eulerkapper; der Mann hat hübsche Studia, und wäre gar wohl eines bessern Schicksals würdig; meine Meynung wäre, wir gäben ihm das erledigte Pöstchen. Er wirds schon ordentlich verwalten.

Ih nun, erwiderten die Herren, wie Ihro Hochweisheit denken und dafür halten, so ist's uns auch recht. Man muß wissen, daß keiner von den Herren einen Clienten in petto hatte; denn sonst wäre die Sache gewiß zu Debatten gekommen. Das Decret wurde sofort ausgefertigt, und dem Eulerkapper zugeschickt. Dieser gerieth vor Freuden ausser sich, und hieß von dem Tage an Herr Mingister und seine Ehehälfte Frau Mingisterin: denn, wie schon erinnert worden ist, in Gießen heißen die deutschen Schulmeister Mingister, im Gegensatz der Lehrer am Pädagogium, sonst Pijoh genannt, welche Magister heißen.

Der Bürgermeister blieb nicht bey dieser einzigen Gunstgnade stehen; er wollte einmal den Eulerkapper heben, und sich gegen ihn dankbar erweisen. Als daher die Stelle eines Klingelsackträgers in der Pancratiuskirche aufging, verschaffte er ihm dieselbe auch, ja er sorgte sogar dafür, daß Herr Eulerkapper Leser im Zuchthaus wurde, und die Erlaubniß erhielt, nicht nur aus einer Postille den Züchtlingen Gottes Wort herzuleiern, sondern auch seinen eigenen Senf ihnen aufzutischen. Jetzt war Eulerkapper, wie man sagt, recht in der Wolle: als Mädchenschulmeister erhielt er 150 Gulden, dreyßig trug ihm der Klingelsack, und fünfzig das Zuchthaus ein. Was wollte er weiter? So gut hatte er sich ja nicht einmal als Conrector in Butzbach gestanden.


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