Joseph von Lauff
Die Martinsgans
Joseph von Lauff

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Die sechste Dithyrambe

            Ja, so ein Dichter! – schmerzlich grollend,
Dann wieder seelisch aufgehellt,
Den Blick in schönem Wahnsinn rollend,
Umfaßt er die gesamte Welt.
Er liebt den Waffenlärm der Schlachten,
Des Mondes keusches Silberlicht;
Er läßt verliebte Menschen schmachten
Bei Stippmilch und Vergißmeinnicht.
Sein Auge schweift in alle Fernen,
Er greift durch Firmament und Raum
Und brämt mit einem Heer von Sternen
Sich Überrock und Mantelsaum.
Was starr und tot, macht er lebendig,
Und was lebendig, macht er tot;
Dazu streicht er sich zauberhändig
Noch Kaviar aufs Butterbrot.
Die ganze Welt wird ihm zur Szene,
Die Kraft sein blühender Genoß,
Und an den Ranft der Hippokrene
Geleitet er sein Flügelroß.
Der Liebe köstliche Idyllen,
Er fängt sie ein mit vieler List;
Zuweilen auch nur graue Grillen,
Wenn weiter nichts zu saugen ist.
Er sucht die Höhen, liebt die Tiefen,
Auf zu den Göttern geht sein Lauf;
Er löst die feinsten Hieroglyphen
Verliebter Weiberseelen auf.
Kein Wunder, daß man ihn beneidet,
Daß er, durch Kiel und Tintenfaß
Befleckt, beschmutzt und angefeindet,
Geschunden wird wie Marsyas.
Was kümmert's ihn! – er kennt die Schreier,
Er weiß, woher der üble Wind
Und daß sie selbst auf ihrer Leier
Nur stammelnde Eunuchen sind.
Doch um so stolzer wird sein Tönen,
Wird seine göttergleiche Ruh;
Selbst mit den lieblichen Kamönen,
Da steht er bald auf du und du.
Sie sind ihm gut, die holden Musen,
Sie nehmen ihm den Erdenstaub
Und einen dem enthüllten Busen
Das flammenlohe Dichterhaupt.
So dem Profanen jetzt entronnen,
Auf diesem minniglichen Pfühl,
Da sprudelt ihm der Dichterbronnen
Nochmal so freudig und so kühl.
Und wäre er in Schrimm und Nakel,
Im letzten Eifeldorf zu Haus,
Er puffte Zeichen und Mirakel
Aus seinem Feuertrichter aus.
Er würde so'ne Art Proviser
Vom großen Zauberer Merlin
Und könnte ähnlich so wie dieser
Am gleichen Wunderkarren ziehn.
Ja, so ein Dichter! – Gunst und Gelder
Sind ihm ein Nichts, ein leerer Tand;
Ihm wachsen goldne Weizenfelder
Wie Schwielen auf der flachen Hand.
Er folgt dem Blitz auf seinem Pfade,
Er packt ihn, wie er loht und brennt,
Und wirft in prächtiger Kaskade
Ihn lachend fort durchs Firmament.
Der größte von den Titaniden,
Vom Licht des Ewigen umhellt,
Er wird zum donnernden Kroniden,
Zum Heliand, zum Herrn der Welt.
Der Lorbeer rauscht, die Sterne funkeln,
Ringsum ein einziger Akkord . . .
Und so, vom süßen Weine trunken,
Ergreift er selber jetzt das Wort:
»Was nicht die schwarze Kunst vermochte,
So derb sie auch mit aller Kraft
An die verstörten Sinne pochte,
Das wird anjetzt durch mich geschafft.
Durch mich und meinen Zauberbesen
Wird schmackhaft der verdorb'ne Brei . . .
Drum ihr im Glas gebannten Wesen,
Macht euch von eurer Fessel frei!
Gleichviel, ob ihr mit weichem Flügel
Den Valwigberger Grund umwebt,
Ob ihr um die besonnten Hügel
Vom schönen Trittenheim geschwebt,
Ob ihr in Ürzig seid zu Hause.
Wo braun im Herbst die Traube lacht,
Ob bimmelnd, bammelnd die Kartause
Euch Klostergrüße zugebracht,
Gleichviel, ob euch ein alter Knaster
Von Pilz und Sauerwurm befreit,
Ob euch ein kugelrunder Paster
Gekeltert hat und benedeit,
Ob ihr, den Silberpfeil im Nacken,
Als Landmamsell euch habt geschmückt,
Ob Kesselstadt euch seine Zacken
Auf Kork und Kapsel hat gedrückt,
Ob ihr gebannt in Fudersärge,
Ob ihr bewohnt ein gläsern Haus –
Ihr Geisterlein der Moselberge,
Heraus, heraus, heraus, heraus!
Heraus, heraus in Lust und Minne,
Ein Trost dem irdischen Geschlecht,
Und legt um die verstörten Sinne
Der Freude rosiges Geflecht!«

Und da – ein köstlich Überraschen!
Das große Wunder, es geschah.
Der Zauber fuhr in alle Flaschen
Mit Kling und Klang und Gloria.
Und rings ein Bammeln und Gebimmel
Von Stengelgläsern, groß und klein;
Es geisterte vom hohen Himmel
Der Mond ins Stammlokal herein.
Verschwendrisch wob er seine Netze
Von Wand zu Wand und kreuz und quer
Und zog um die geliebten Plätze
Ein Lichtgeschnür von Perlen her.
Dann trat er selbst mit Glast und Glimmer
In unser molliges Quartier . . .
Herein, herein! – herein nur immer,
Du silberlichter Kavalier!
Er kam mit glitzernden Gamaschen,
Perlmutternd wie ein Pilz im Tann,
Und sah verliebt die vollen Flaschen
Mit matten Schellfischaugen an.
Er schmunzelte mit sanftem Scheine,
War selenitisch voll durchglüht
Und dachte, mit sich ganz im reinen:
›Hier ist es, wo mein Weizen blüht.
Warum denn sonst der Duft nach Rosen,
Mit dem die Stunde mich umwob,
Das Seufzen, Flüstern, Kichern, Kosen,
Das in den Flaschen sich erhob?!
Warum denn sonst . . .‹ Der Zauber wirkte,
War wie mit Maiengrün umlaubt
Und kräuselte und wand und zirkte
Uns Reben ums beglückte Haupt.
Warum denn sonst . . . Aus Glas und Glimmer,
Aus Kork und Kapsel, Duft und Wein,
Da traten schmucke Frauenzimmer
Ins Menschenleben plötzlich ein.
Ach! die gekommen und noch kamen
Auf den geheimnisvollen Ruf,
Es waren just dieselben Damen,
Wie sie die Brixiade schuf.
Derselbe Duft, dieselbe Rasse,
Von Kopf zu Füßen kerngesund;
Die Brust wie immer erster Klasse
Und selbstverständlich kugelrund.
Nur handlich groß, nicht übertrieben,
Nicht so, daß alles überquillt;
Nein so, wie es die Männer lieben,
Bei denen noch die Anmut gilt.
»Habemus!« schrie denn auch der Dicke,
Der Richter eins, begeistert los
Und zog mit einem feuchten Blicke
Die Maid von Valwig auf den Schoß.
Der Doktor feierte die Feste,
So wie sie fielen, mit Gewinn,
Und glücklich lag ihm an der Weste
Die schmucke Trittenheimerin.
Und die von Ürzig, dieses Äschen,
Sie witterte durch Dampf und Dunst
Und drückte dann ihr Schnuppernäschen
Ans warme Herz der schwarzen Kunst.
Herr Wieprecht seufzte, feixte. balzte,
Er suchte dies und suchte das,
Er tippte hier und da und schnalzte
Beseligt: »Deo gratias!«
Denn alles, was ihm einst beschieden:
Die niedlichen Allotria,
Die Äpfelchen der Hesperiden –
Es war noch alles, alles da.
Die Freude schwamm in purem Golde,
Bekränzte Giebel, Dach und Fach . . .
Wo aber blieb sie nur die holde,
Die schöne Frau von Eitelsbach?!
Was war denn nur aus ihr geworden,
Aus ihr, dem Wesen ohnegleich?!
Da – unter schwellenden Akkorden
Erschien sie still und geisterbleich.
Die Augen, zwei verträumte Sterne,
Sie gingen wie auf Sammetschuhn,
Sie gingen suchend in die Ferne,
Um dann auf Hubaleck zu ruhn.
Auf ihren Lippen erst ein Lallen,
Ein Säuseln nur gleichwie im Ried,
Dann seufzten diese Prachtkorallen,
Und also sprachen sie im Lied:

    »Muß ich den so finden,
    Den ich froh gewähnt?!
    Fast bis zum Erblinden
    Ist dein Blick umtränt.

    Aus der Klosterpforte
    Tritt sie vor dich hin,
    Webt sie goldne Worte –
    Die Kartäuserin.

    Bist du frostumgletschert
    Nur auf dich gestellt,
    Hat dich kalt umplätschert
    Die verderbte Welt,

    Beut dir Hof und Scheuer
    Nichts, was lebenswert,
    Flammt ein köstlich Feuer
    Nicht auf deinem Herd,

    Fühlt sich leidumflossen
    Dein gequältes Herz –
    Greife kurz entschlossen
    Nur das Glück beim Sterz!

    Süße Blicke winken,
    Rosig blüht mein Mund;
    Wolle trinken, trinken,
    Trinke dich gesund!

    Sieh, schon auf und nieder
    Und in Leid und Lust
    Hebt sich unterm Mieder
    Schwellend mir die Brust.

    Was ich bin und habe,
    Gut und Blut und Wein,
    Alles, lieber Knabe,
    Alles nur ist dein.

    Schon aus lichten Sphären
    Tönt Musik und Tanz . . .
    So – und nun verzehren
    Wir die Martinsgans.«

So ging das Wort des schönen Weibes,
Und minniglich und weich und warm
Schob sie den Reiz des eignen Leibes
Dem Amtsgerichtsrat in den Arm.
Und er, von ihrem Arm umschlungen,
Beseligt durch ihr junges Blut,
Er redete mit Feuerzungen,
Und was er redete, war gut.
Doch erst im folgenden Gesange
Wird euch das Weitere gezeigt.
Habt acht! – mit feierlichem Klange
Die siebte Dithyrambe steigt.


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