Joseph von Lauff
Die Martinsgans
Joseph von Lauff

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Die fünfte Dithyrambe

                Kein Zweifel! – löblich, sozusagen,
Ist's für den Jüngling, Mann und Greis,
Wenn er aus alt' und neuen Tagen
Noch leidlich die Geschichte weiß;
Wenn ihm bekannt die Landschaft Jemen,
Was ihr historisch ward beschert
Und wie die römischen Triremen
Das blaue Mittelmeer durchquert;
Wenn ihm noch klar, wie auf dem Forum
Einst Mark Anton auf Cäsar sah
Und ohne jegliches Dekorum
Gesündigt mit Kleopatra;
Wie schwer Augustus manche Stunde
Durchlebt, durchlitt und nicht mehr schlief,
Als er, ein Stückchen Pfau im Schlunde,
Nach seinen Legionen rief;
Was Nero tat, was er gedichtet,
Was er schlampampt beim Bacchanal,
Wie schaudernd Sueton berichtet
In seinem täglichen Journal . . .
Desgleichen: hoch ist der zu achten,
Der, emsig forschend Glied für Glied,
Aus Hannibals und Hermanns Schlachten
Die Strategie und Taktik zieht.
Noch schöner, wer mit zarten Händen
In alten Pergamenten sucht,
Beherzt die heidnischen Legenden
Auf ihre Echtheit prüft und bucht –
Zum Beispiel die verliebten Schrullen
Von Leda mit dem kühnen Schwan,
Die von Europa mit dem Bullen
Und die von Syrinx und von Pan –
Wer aufgefordert zum Berichte,
Zwar schonend, aber äußerst fest,
Vom Kapital die Gansgeschichte
Bestätigt oder fallen läßt.
Ja, so ein Mann ist hoch zu preisen,
Ist viel bewundert, viel begehrt,
Weil er, der Weiseste der Weisen,
Die Welt und auch sich selbst belehrt.
Und so ein Mann wie selten einer,
Ein Forscher noch in voller Brunst,
War Meister Wieprecht, der Lateiner,
Der Förderer der schwarzen Kunst.

Im Nordlicht seiner Brillengläser,
Erregt noch von der Narretei,
Ein wütender Posaunenbläser,
Trat er zum Richter Numero zwei.
Und hier, vom Zorne hingerissen
Und aller Rücksicht bar und bloß,
Ließ er, ein Mann von echtem Wissen,
Das Rüstzeug der Geschichte los.
Er sprach beredt, er sprach gediegen,
Er fauchte, knurrte, pfiff und schnob,
Wenn auch, und das sei nicht verschwiegen,
Der Wein die Dinge leicht verschob;
Denn so ein Weinchen, brav getrunken,
Macht oft das Denken etwas schwer
Und wirft die schönsten Geistesfunken
Gleichwie ein Feuerwerk umher.
Doch nebenbei – auf diesem Flecke,
In diesem hochwohlweisen Rat
Verulkte uns der brave Recke,
Wie er es oft und gerne tat.
Uns war's egal! – Vom Licht umflossen,
Vom Wein gesalbt, der Gottheit nah,
Er hielt dem trauernden Genossen
Jetzt folgende Philippika.
Zuvor jedoch – er griff behende
Zur Dose und beklopfte sie
Und warf beherzt die »Hizzaspende«
Ins zarte Nasenetui.
Dann aber . . . und er sprach ironisch,
Im Satzbau leichthin angezecht:
»Du scheinst mir etwas melankonisch,
Du abgefeimter Weiberknecht.
Ja, Weiberknecht am ganzen Leibe!
Nur da allein drückt dich der Schuh,
Und nur aus Sklaverei zum Weibe
Zur schlappen »Bangbux« wurdest du.
Herr Peter Zenz hat klar bewiesen,
Verständlich auch dem dummsten Rind,
Daß jene Schlamperschlumperliesen
Nur eitle Wahngebilde sind.
Dort leistete das Volk am meisten,
Entwachsen war's dem Prügelstock,
Wo sich die Männer nicht verschweißten
Mit Weiberkram und Unterrock.
Die Frau als solche sei dir schnuppe,
Dem Griesgram sei nicht untertan;
Vielmehr in fröhlicher Schaluppe
Befahre stolz den Ozean.
Ja, lebe, lud're, tanze, liebe
Und pichle, wenn du brav bei Geld,
Nur schreite nicht durchs Weltgetriebe
Als trauriger Pantoffelheld.
Schau rückwärts, folge der Geschichte,
Sei ganz historisch, lieber Mann,
Und sieh dir mal, wie ich berichte,
Das Leben großer Helden an.
Da steht Exempel bei Exempel,
Auf Schritt und Tritt wirst du belehrt;
Gleichwie in einem Siegestempel
Sieht sich die Männlichkeit geehrt.
Ein Romulus war gut beraten,
War superklug noch überdies,
Als er von seinem Satansbraten,
Sich von Xanthippe scheiden ließ.
Was tat ein Cäsar?! – Gottes Wunder,
In seiner größten Qual und Not,
Er pfiff auf allen Weiberplunder
Und dolchte sich höchsteigen tot.
Trug Bonaparte nicht die Hose,
War er nicht seines Glückes Schmied,
Als er sich von der Tugendrose,
Der dicken Isabella, schied?
Er tat's – er tat's in weiser Stunde,
Er wurde wieder frisch und froh,
Und er gewann aus diesem Grunde
Die große Schlacht von Waterloo.
Du, wolle mir ins Auge schauen,
Den andern auch sieh ins Gesicht . . .
Wir ehren zwar die deutschen Frauen,
Doch Frauenknechte sind wir nicht.
Gewiß, wir schätzen stramme Waden,
Des Busens holden Überfluß,
Auch lassen wir uns gerne laden
Zu einem minniglichen Kuß,
Doch wollen wir beim Dämmerschoppen
Auch Herren sein im eignen Staat;
Wir wollen unsre Karten kloppen
Im Königsspiel, dem feinen Skat.
Ja, Freude, schöner Götterfunken . . .!
Das ist das Wahre, so soll's sein!
Wir wollen unsre Nase tunken
In Gänseschmalz und Moselwein.
Wir wollen unsre Frau verehren,
Wie Götz es tat beim Apfelschuß,
Doch ohne sie die Gans verzehren
Bei Hermann Joseph Brixius.
Wir wollen solo uns bezechen
Und, fußend auf der eignen Spur,
Die Tyrannei der Weiber brechen,
Wie es geschah beim Rüttlischwur.
Das ist mein Wunsch, das ist mein Wollen!
Sei wieder gut, sei mein Gespann
Und komme jetzt an meinen vollen,
Beherzten Busen, lieber Mann.
Sei nicht mehr länger melankonisch;
'nen Ganzen trinke hier vom Fleck,
Sonst wird die Sache nur noch chronisch . . .
Drum prosit, hurra, Hubaleck!«

So predigte und sprach der Kleine.
Das war ein Wort, potz Blitz und Blei!
Und lustig tanzten seine Beine
An der Frau, an der Magd, an der Bank vorbei.
Ein Toter wäre wach geworden
Bei diesem herrlichen Sermon,
Zum Süden hätte sich der Norden.
Ein Schrill verkehrt zum süßen Ton.
Doch Hubaleck . . .! – Es steht geschrieben,
Ihm selbst zur Qual und zum Verdruß:
Das Phlegma war bei ihm geblieben,
Zum Teufel war der Spiritus.
Er schien ein abgeknallter Pfropfen,
Ein Tonbild ohne Melodien,
Ein Braunbier ohne Malz und Hopfen,
Ein Herzog ohne Hermelin.
Dahin die richterliche Größe,
Die sonst ihm aus den Augen sah;
Er stand in seiner ganzen Blöße
Als ein Pantoffelkönig da.
Doch wie gequält von der Tarantel,
Er stöhnte plötzlich: »Laßt mich aus!«
Und griff nach Stock und Hut und Mantel . . .
»Ich muß nach Haus!– ich muß nach Haus!«

Da, welch ein Ton! – in Durakkorden
Ein Lied, das immer näher schwimmt!
Wie wenn ein Schwan im hohen Norden
Das Lied der Liebe angestimmt.
Ein glücklich Schwärmen in Ekstasen,
Ein Ruf in wechselnder Gestalt,
Als hätte Oberon geblasen
Sein Wunderhorn im Wunderwald.
Dann Stimmen, süß wie Balsaminen,
Wie himbeersaftumtunkter Grieß . . .
So nur in weißen Krinolinen,
So sangen sie im Paradies.
So sangen die, die voller Gnaden,
Die nur, den Himmlischen verwandt,
Im ew'gen Sonnenlicht sich baden,
Den Lilienstengel in der Hand.
Und als sich hoch auf goldnen Stufen
Das selige Getön verlor,
Da trat, vom innern Drang gerufen,
Der Dichter in persona vor.
Er kam nicht im papiernen Kragen,
Mit himmelblauem Flattertuch,
Er kam nicht, um es kurz zu sagen,
Wie sich der Dichter Bählamm trug –
Nein, glorreich trat er vor die Runde,
Ein Heros und des Gottes voll,
Und rettete die ernste Stunde
Als wahrer Sänger in Apoll.
Von seiner Mission durchdrungen,
Von des Parnasses steilstem Bord,
Er riß mit lohen Feuerzungen
Die hier Vereinten mächtig fort.
Doch wie er Wort und Spiel gemeistert,
Wie er den Störrischen erweicht,
Das sagt der sechste Sang begeistert . . .
Habt acht! – die Dithyrambe steigt.


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