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Dreizehntes Kapitel.
In höchster Not.

. Der arme Hugo, so am Meeresstrand allein gelassen, fing laut zu jammern an: Wehe mir! Was soll aus mir werden? Wenn ich doch wenigstens etwas hätte, den bloßen Leib zu bedecken!

Er machte sich auf und irrte durch die Landschaft. Nun aber höret das schöne Abenteuer, das ihm Gott zuschickte.

Er fand unter einem Baume einen Greis, der sich eben auf dem Rasen niedergelassen hatte; zu seiner Seite lehnte eine Harfe und eine Fiedel, deren er sich offenbar gut zu bedienen wußte. Es gab nämlich in der ganzen Heidenschaft keinen besseren Spielmann und fahrenden Sänger, als dieser Mann war. Er hatte vor sich ein Tischtuch ausgebreitet und vier weiße Brote daraufgelegt, dazu einen Schlauch voll von Wein und einen hölzernen Becher. Er hatte sich eben Wein in den Becher geschenkt; aber er vermochte nicht zu trinken, so sehr weinte er, und seine Thränen fielen in den Wein.

Plötzlich sah er vor sich den unbekleideten Jüngling, der ihn betrachtete. Er erschrak heftig und rief aus:

O, Du wilder Mensch, thu mir nichts zu Leide!

Ich bin kein Wilder, sagte Hugo, wenn ich auch wahrlich so aussehe; aber ich habe nicht die Absicht, Dir etwas anzuthun. Gieb mir nur ein wenig von Deinem Brot!

Das sollst Du haben, sagte der Spielmann, aber sage mir zuerst, an welchen Gott Du glaubst.

Meiner Treu! sagte Hugo, an welchen Du willst!

Du erbarmst mir, Freund, sagte jener. Nimm aus meinem Reisesack da etwas, Deinen Körper zu bedecken, dann komm und setze Dich an meine Seite; Du magst mein Brot essen und meinen klaren Wein trinken, denn ich selber habe keine Lust, davon zu kosten; meine Seele ist zu voll von Gram.

Meiner Treu! sagte Hugo, da hast Du einen passenden Gesellen gefunden. Wenn Du Aerger hast, so hab' auch ich keinen Mangel daran. Aber für den Augenblick thut mir ein Gewand und Ellen Not. Gott lohne Dir die Güte, die Du mir erweisest!

Darauf öffnete er den Reisesack, nahm ein weißes Hemd, leinene Hosen, einen Hermelinpelz und einen Scharlachmantel heraus. Dann setzte er sich und aß und trank mit bestem Appetit. Der alte Spielmann sah ihm dabei zu und fragte:

Von welchem Lande bist Du, Freund?

O Gott, dachte der Jüngling, soll ich nun lügen oder die Wahrheit sagen? Sage ich die Wahrheit, so bin ich verloren; wenn ich lüge, so erzürne ich Oberon. Ach was Oberon! Du hast mich zu übel behandelt, und das um einer Kleinigkeit wegen; zum Entgelt will ich Dich recht ärgern: ich will aus Herzenslust lügen, weil Dir das mißfällt. Damit wandte er sich wieder an den Spielmann und sagte: Was hast Du mich gefragt? Verzeihe mir, ich dachte an andere Dinge.

Ich fragte nach Deiner Heimat.

Ich bin ein Afrikaner, antwortete Hugo. Ich wollte nach Monbrank in Gesellschaft von Kaufleuten schiffen; ein großer Sturm hat unser Fahrzeug vernichtet; meine Gefährten sind alle ertrunken, Mahomed oder wer immer hat mich gerettet. Aber Du, lieber Herr, was hast Du für einen Gram?

Du sollst es gleich erfahren, Bruder. Ich heiße Traugemund, und es giebt in der ganzen Heidenschaft keinen besseren Spielmann, als ich bin; hier siehst Du meine Harfe und meine Fiedel, deren ich mich wohl zu bedienen weiß; ich verstehe auch das Glockenspiel und den künstlichen Tanz vor den Fürsten auszuführen. Ich hatte einen Herrn, den ich liebte und der mich mit Wohltaten überhäufte: es war Galdis, der Emir von Babylon; ich wollte ihn gerade aufsuchen, als ich seinen schrecklichen Tod erfuhr. Er ist nämlich in seinem eigenen Palast durch einen greulichen Schurken aus dem Frankenreich erschlagen worden; Hugo soll er heißen. O Mahomed, wenn Du ihn doch verderben wolltest! Er ist es, der meine ganze Zukunft zerstört hat.

Als Hugo dies hörte, senkte er das Haupt. De Spielmann aber fragte ihn weiter: Wie heißest Du?

Ich nenne mich Garinet, sagte Hugo.

Wohlan, mein Garinet, verzweifle nur nicht! Du warst eben erst bettelarm, aber jetzt bist Du schon in besseren Umständen. Du hast ein Hemd und Hosen, einen guten Hermelinpelz und einen Scharlachmantel. Du bist jung, bist schön, hast noch gute Aussichten für Dein Leben. Ich aber bin alt, und habe meinen Herrn verloren, der mir zu leben gab und den ich liebte. O Mahomed, räche ihn an dem, der ihn ermordet bat!

Hugo antwortete wieder nichts, sondern senkte sein Haupt noch tiefer.

Der Spielmann fuhr fort: Bruder Garinet, weil ich denn meinen guten Herrn verloren habe, so muß ich mich wohl um einen anderen umsehen. Ich will nach der Stadt Monbrank reisen und dort den König Ivorin, den Bruder des Galdis, aufsuchen; vielleicht weiß er noch nicht einmal diese Neuigkeiten. Wenn Du bei mir bleiben und mir mein Gepäck tragen willst, so verspreche ich Dir, daß ich keinen Heller gewinnen will, davon Du nicht die Hälfte haben sollst, und Du wirst Dich nicht darüber zu beklagen haben, denn wisse wohl, wo ich in eine Stadt oder in eine Burg komme und alle meine Künste zeige, da giebt man mir so viele Mäntel und dergleichen zum Lohne, daß Du Mühe haben wirst alles mitzuschleppen.

Abgemacht, sagte Hugo, ich trete in Deinen Dienst.

Er nahm den Reisesack und schwang ihn auf seinen Rücken, befestigte auch noch Harfe und Fiedel darauf, und alle beide machten sich auf den Weg nach Monbrank.

Auf dem Marsche dachte Hugo seufzend bei sich: Wehe mir! Gestern hatte ich meine Braut zur Seite, dreizehn treue Genossen umgaben mich; ich hatte meinen guten Humpen, mein Horn von Elfenbein und meine Rüstung, ich war reich und glücklich, und heute bin ich gezwungen, einen Spielmann zu bedienen!

 

Sie gelangten endlich nach Monbrank; es war die Zeit des Mittagessens; sie stiegen zur großen Halle hinauf und fanden Ivorin an der Tafel sitzen.

Der gute Spielmann Traugemund redete ihn also an: Herr, möge Mahomed Dich behüten! Ich habe böse Kunde Dir zu sagen, wenn Du sie nicht bereits kennst. Dein Bruder ist tot.

Ich weiß es, sagte Ivorin, und trage großes Leid darum; aber was mich noch mehr betrübt, das ist meine Nichte Klarmunde. Der Emir Galafer hat sich ihrer bemächtigt, und er will sie mir nicht ausliefern, obwohl er mir Lehenspflicht schuldet. Aber bei Mahomed! Ich will ihn henken lassen und Klarmunden verbrennen.

O Gott! wie fühlte Hugo sein Herz überwalten, als er so von seiner Braut sprechen hörte! Er schwor sich in seinem Herzen zu, daß er sie aufsuchen müsse, und wenn er darüber zu Grunde geben sollte.

Als das Mahl beendigt war, rief Ivorin den Spielmann und sprach zu ihm:

Freund, nimm Deine Instrumente und gieb uns etwas zu hören. Nach der Trauer soll die Freude kommen.

Der Spielmann stimmte seine Harfe, und ließ dann alle dreißig Saiten so süß und voll ertönen, daß die ganze große Halle davon wiederhallte, und alle Anwesenden von Freude erfüllt wurden. Sogar Hugo fühlte sein Herz erleichtert.

Das ist wahrlich ein guter Harfner, sagten alle Heiden. Man muß ihn reich belohnen!

Sie machten darauf ihre Mäntel los und warfen sie in die Mitte der Halle zu den Füßen des Spielmannes hin. Hugo lief hinzu und raffte sie eilig auf.

Da sagte der Emir: Du hast da einen schönen Knappen, Traugemund. Schade, daß er einem fahrenden Spielmann dienen muß! Wie bist Du zu ihm gekommen?

Herr Emir, ich begegnete ihm nicht weit von hier, als ich von Babylon kam. Er war damals so hilflos und nackt, wie ein neugeborenes Kind; er bat mich um Brot und ich gab es ihm, dazu noch ein Hemd, Hosen, diesen Pelz und diesen Mantel. Ich bot ihm an, in meinen Dienst zu treten: er trägt mein Gepäck und meine Instrumente, und wenn irgendwo eine böse Stelle zu passieren ist, so nimmt er mich sogar selber noch auf seinen starken Rücken.

Du bist sehr vertrauensselig, alter Traugemund, sagte der Emir. Fürchtest Du nicht, daß er eines Tages, wenn Du recht viel Geld eingesammelt hast, sich Deiner entledigt bei irgend einer dieser gefährlichen Stellen? Aber laß ihn herkommen.

Hugo trat vor den Hochsitz des Emir, und dieser sprach zu ihm:

Junger Mensch, schämst Du Dich nicht, diesem fahrenden Spielmann zu dienen, der sein Brot zusammenbettelt? Weißt Du denn kein ehrlicheres Handwerk?

Ein Handwerk? erwiderte Hugo. Daran fehlt es mir nicht. Wenn Du willst, so werde ich Dir alle Handwerke aufzählen, die ich verstehe.

Das will ich wohl, sagte der Emir; aber nimm Dich wohl in Acht, Dich einer Sache zu rühmen, die Du nicht verstehst, denn sei darauf gefaßt, daß ich Dich auf die Probe stellen werde.

Herr, sagte Hugo, damit bin ich einverstanden; so vernimm denn alle Handwerke, die ich verstehe. Ich weiß fürs erste wohl einen Sperber zu pflegen und zur Reiherbeize abzurichten; ich verstehe wohl den Hirsch und den Eber zu jagen, und wenn ich dem Tier den Fang gegeben, so verstehe ich kunstgerecht auf dem Jagdhorn die Fanfare zu blasen und den Hunden das zu geben, was ihnen nach Jägerbrauch gebührt; ich verstehe auch bei einer Königstafel zu bedienen; ich kann das Damenspiel und das Schachspiel so gut, daß mirs niemand abgewinnen kann.

Halte ein, rief der Emir: Ich will Dich im Schachspiel auf die Probe stellen.

Herr, sagte Hugo, laß mich meine Aufzählung erst beendigen, dann kannst Du mich prüfen, so viel Du willst.

Wohlan, so fahre fort.

Ich verstehe ferner ein Panzerhemd anzulegen, den Speer in der Faust und den Schild am Halse zu tragen; ich verstehe es, ein Roß im Trab und Galopp zu reiten; ich verstehe es, in die Schlachtreihe einsprengen, und wenn es sich um scharfe Hiebe handelt, sie zu geben und zu parieren. Endlich verstehe ich mich darauf, im Frauensaal die schönen Damen zu unterhalten.

Das sind freilich genug Handwerke, sagte der Emir; aber ich will Dich nur im Schachspiel erproben. Ich habe eine Tochter, die sich darauf besser als irgend jemand in der Welt versteht: noch keiner hat sie matt gesetzt. Wenn Du verlierst, wird man Dir den Kopf abschneiden; wenn Du aber gewinnst, so sollst Du sie heiraten und die Hälfte meines Königreiches haben.

Herr, sagte Hugo, das ist eine Partie, die sehr gewagt erscheint; aber es sei, wie Du willst.

Es wird nicht anders sein, bekräftigte Ivorin.

Ein junger Knappe, der dies hörte, lief da schnell zur Prinzessin und sprach also zu ihr:

Weißt Du das Neueste, daß ein fahrender Spielmann angekommen ist, der einen Knappen mit sich führt, den schönsten, den man jemals sah, und Dein Vater will, daß er mit Dir eine Partie Schach spiele unter der Bedingung, daß, wenn er gewinnt, Du sein Weib wirst, wenn er aber verliert, so soll er auch den Kopf verlieren.

Da sagte das Jungfräulein: Das wird freilich großer Schade sein, wenn ein so schöner Mensch seinen Kopf verlieren muß; aber niemand hat mich jemals matt gesetzt.

In diesem Augenblicke kam auch schon der Bote des Königs, der sie in den Saal holte.

Sie betrat die Halle, von zwei Königen rechts und links geleitet.

Der Emir sprach zu ihr: Meine Tochter, höre mich an. Du siehst diesen jungen Menschen da: Du wirst mit ihm eine Partie Schach spielen.

Ich kenne wohl die Bedingungen, sprach sie, und ich will Dir gehorchen, wie ich soll.

Dabei betrachtete sie Hugo und dachte bei sich: Wie schön er ist! Er ist geschaffen, nur geliebt zu werden. Es ist jammerschade, daß er meinetwegen sterben muß.

.

Hugo spielt Schach mit der Prinzessin.

Man brachte nun einen reichen Teppich herbei und stellte das Schachspiel darauf, dessen Felder von Silber und Gold und dessen Figuren auch von Gold und Silber waren. Hugo und das Jungfräulein setzten sich einander gegenüber; um sie herum standen alle Heiden und sahen im tiefsten Stillschweigen zu, denn der Emir hatte strenge verboten, daß einer ein Wort dareinrede.

Das Spiel begann, und Hugo verlor bald mehr als einen seiner Bauern und manchen Offizier dazu; er verwirrte sich und wechselte die Farbe; da sprach das Fräulein mit spöttischem Tone:

Du bist nicht bei der Sache, Knecht; Dein Spiel gebt schlecht: man wird Dir den Kopf abschneiden.

Das Spiel ist noch nicht zu Ende, versetzte Hugo, und Du wirst Deine spöttischen Reden bereuen, wenn Du den Knappen eines armen Spielmannes wirst zum Manne nehmen müssen.

Die Jungfrau betrachtete ihren Partner, und die Liebe schlich sich in ihr Herz ein; sei es nun, weil sie zu sehr an ihn dachte, sei es, daß sie absichtlich Fehler machte, ihre Stellung wurde immer schlechter, und bald war Hugo nahe daran zu gewinnen.

Da sagte er zum Emir: Du siehst nun wohl, o Herr, wie ich spiele; es hängt nur mehr von mir ab, Deiner Tochter das Matt anzusagen.

Da rief der Emir voll Zorn: O meine Tochter, steh auf und geh! Verflucht sei die Stunde, in der Du mir geboren wardst! Du hast so viele große Herren matt gesetzt und lässest Dich jetzt von diesem hergelaufenen Jungen schlagen!

Aber Herr, sagte Hugo, rege Dich nicht also auf; ich bestehe nicht auf dem Einsatz, den Du mir angeboten hast. Behalte Deine Tochter und hebe sie für einen anderen Schwiegersohn auf; ich will wieder zu meinem guten alten Meister zurückkehren.

Da sagte Ivorin erleichtert: Wenn Du dazu bereit bist, so will ich Dir hundert Mark Silber auszahlen lassen.

Ich bin damit einverstanden, sagte Hugo.

Aber das Jungfräulein entfernte sich schweren Herzens und dachte bei sich:

Schmach diesem Frechen! Meiner Treu, wenn ich gewußt hätte, daß er sich also benehmen würde, bei Mahomed! Ich hätte ihn matt gesetzt!

Hugo suchte wieder seinen Meister auf und bald darauf gingen alle schlafen.



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