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Zehntes Kapitel.
Klarmunde.

. Indessen fand die Tochter des Emirs auf ihrem köstlichen Lager keinen Schlaf; die Liebe ließ ihr keine Ruhe. Sie stand auf, nahm eine der Kerzen, die in ihrer Kammer angezündet standen, und schlich hinunter vor das Gefängnis. Sie fand den Kerkermeister schlafen, raubte ihm die Schlüssel und öffnete die Pforte.

Da dachte Hugo: O Gott, wer kommt mich zu besuchen? Ist es vielleicht schon Tag?

Fürchte nichts, sprach die Jungfrau. O Hugo, denn so hörte ich Dich nennen, ich bin die Tochter des Emirs Galdis, dieselbe, der Du diesen Morgen drei Küsse gegeben hast. Dein süßer Atem hat mein Herz durchdrungen; ich liebe Dich, und wenn Du mich wieder lieben willst, so will ich alles versuchen, Dich zu befreien.

Edles Jungfräulein, sprach Hugo, Dein Reden ist umsonst, denn Du bist eine Heidin, und ich darf Dich deshalb nicht lieben. Wenn ich Dir jene Küsse gab, so geschah es aus Gehorsam gegen meinen Kaiser und um mein Versprechen zu erfüllen. Aber wenn ich auch mein ganzes Leben in diesem Kerker schmachten sollte, so werde ich Dich doch nie mehr berühren.

Ist dies Dein letztes Wort? sprach sie.

Ja.

Wohlan! Das wirst Du teuer büßen.

Darauf verließ sie das Gefängnis, rief den Kerkermeister und sprach zu ihm:

Höre mich; ich verbiete Dir bei Strafe der Augenausstechung, diesem Franken etwas zu essen zu geben.

So ließ sie also während dreier Tage den armen Hugo fasten; am vierten Tag war er der Verzweiflung nahe und klagte:

Wehe mir! ich werde hier Hungers sterben. O böser Zwerg Oberon, Gott strafe Dich! Du hast Deinen Haß einer Kleinigkeit wegen auf mich geworfen; ich hätte nie so gegen Dich gehandelt. Weiß Gott, wenn ich gelogen habe, so that ichs nur aus Unachtsamkeit

Klarmunde hörte draußen alles, was Hugo im Kerker sagte, sie trat herein und sprach zu ihm:

Wohlan, hast Du Dich eines besseren besonnen? Versprich mir nur, daß Du mich mit Dir in Dein Land führen willst, wenn Du von hier entkommen kannst. Ich verlange nichts anderes von Dir, und ich will Dir so viel zu essen geben, als Du verlangst.

Da sagte Hugo: Ich werde thun, wie Du willst, sollte ich dafür auch ewig in der Hölle brennen müssen.

Wohlan, sagte sie, das nenne ich wohl gesprochen, und siehe, aus Liebe zu Dir will ich auch an Deinen Gott glauben.

Darauf ließ sie ihm zu essen bringen, und Hugo speiste mit großer Freude.

Nun rief Klarmunde den Kerkermeister und sprach zu ihm:

Geh hinauf zu meinem Vater und sag ihm, daß der Franke, den er in den Kerker werfen ließ, vor Hunger und Elend gestorben ist.

Der Kerkermeister gehorchte, ging zur großen Halle hinauf und sprach zum Emir:

Herr, weißt Du es noch nicht? Dieser Franke, den Du mir zu bewachen gabst, hat Speise und Trank verweigert und ist Hungers gestorben. Diesen Morgen habe ich ihn leblos gefunden.

Der Elende, rief der Emir; aber weil er einmal tot ist, denken wir nicht mehr daran; Mahomed mag sich seiner Seele erbarmen!

So entkam Hugo dem Tode. Klarmunde kam jeden Tag, ihn zu besuchen, und ließ ihm Fleisch, Wein und Met reichlich auftragen.

 

Indessen wartete der alte Gerhelm mit Hugos anderen Genossen vergebens in der Burg zu Dunoster. Vier Monate waren bereits verflossen ohne irgend eine Nachricht und ihre Herzen wurden immer mehr von Unruhe ergriffen. Eines Tages, als sie eben in vollen Waffen an dem Ufer des Meeres sich ergingen, sahen sie ein Fahrzeug nahen und bald in den kleinen Hafen einlaufen.

Da sagte Gerhelm: Laßt uns diesen Leuten entgegen gehen; vielleicht wissen sie etwas über unseren Freund.

Sie waren bald am Hafen angelangt und Gerhelm rief den Schiffsleuten zu:

Wer seid ihr? Und was wollet ihr?

Jene antworteten: Wir kommen von Mekka und bringen unsern Tribut dem großen Orgelus. Wo befindet er sich?

Er ist tot, sagte Gerhelm, und Ihr werdet ihm bald Gesellschaft leisten. Schlagt zu, meine Freunde!

Die Ritter traten in das Schiff, töteten die dreißig Sarazenen, die dessen Bemannung bildeten, warfen ihre Leichen in das Meer und nahmen das Gold und Silber, das sie hergebracht hatten.

Als man an diesem Tage zu Abend gegessen hatte, nahm der alte Gerhelm das Wort und sprach:

Höret mich, tapfere Ritter. Wenn wir jetzt heimkehrten und Kaiser Karl der Große uns um Nachrichten von Hugo fragte, so könnten wir ihm nicht sagen, ob er tot sei oder lebe. Und wenn er selber eines Tages heimkommen sollte, so könnte er uns mit Recht des Verrates beschuldigen. Wir haben jetzt ein Schiff, wir besitzen Silber und Gold genug; wenn Ihr mir folgt, so werden wir dies Meer durchschiffen und nach Babylon gehen, um dort Nachrichten über unsern Junker einzuziehen.

Du hast wohl gesprochen, sagten alle Mannen.

Und am nächsten Morgen bestiegen sie das Fahrzeug, legten ihr Silber und ihr Gold, Brot und Zwieback, eingesalzenes Fleisch und weißen Wein in den Kielraum, dann schafften sie noch ihre guten Rosse hinein. Das Edelfräulein nahmen sie mit sich. Gott gab ihnen günstigen Wind und führte sie gerade ihrem Ziele zu. Als sie über die See gekommen waren, stiegen sie ans Land, bepackten vier Säumer mit ihren Gütern und schwangen sich auf ihre Zelter. Darauf ritten sie gerade der Stadt zu. Als sie den Mauern nahe waren, sprach der alte Gerhelm:

Meine Freunde, wir wollen nun zum Palast hinaufgehen, um zu sehen, ob wir irgend eine Kunde von Hugo erfahren können. Laßt mich allein sprechen; hört wohl darauf und handelt gemäß meinen Worten.

Alle erwiderten, er möge ihrer Mithilfe sicher sein.

Sie betraten darauf die Stadt und es gelang ihnen, dank den Reden, die Gerhelm mit den Thorhütern führte, die vier Zugbrücken zu überschreiten; endlich stiegen sie auch die Marmorstufen zur großen Halle empor, sie alle dreizehn mit dem Edelfräulein. Gerhelm trat vor und begrüßte den Emir in sarazenischer Sprache:

Möge Mahomed und der Gott, der die Welt geschaffen hat, den Emir Galdis schützen und segnen und ihm vor allem das Paradies vorbereiten!

Ich erwidere Deinen Gruß, o Bruder, antwortete der Emir. Von welchem Lande bist Du?

Herr, ich bin zu Monbrank geboren und bin der Sohn des Königs Ivorin.

Der Sohn meines Bruders? rief der Emir; sei willkommen! Wie befindet er sich?

Sehr wohl, Herr. Er läßt Dich durch mich grüßen und schickt Dir dies Geschenk, das Du hier schaust. Es sind zwölf Franken, die er neulich gefangen genommen hat, als er von Jerusalem zurückkam. Er schickt sie Dir zu Deinem Ergötzen: laß sie einkerkern bis zum nächsten Sommersonnenwendfest; an diesem Tage magst Du sie auf der großen Wiese Deinen Bogenschützen zu Zielscheiben aufstellen, und der am besten nach ihnen schießt, mag einen Preis gewinnen. Dieses Edelfräulein aber magst Du Deiner Tochter schenken, sie wird von ihr das beste Deutsch lernen.

Sehr wohl, sagte der Emir. Und wie heißest Du, lieber Neffe?

Thiaker, antwortete Gerhelm.

Wohlan, Thiaker, ich gebe Dir hier die Schlüssel meines großen Kerkers; schließe dort diese Franken ein, aber sorge wohl dafür, daß sie gut zu essen bekommen und nicht vor Hunger und Elend sterben, wie neulich ein junger Ritter, den mir der Kaiser Karl der Große geschickt hatte. Er hieß, wie ich glaube, Hugo.

Als Gerhelm dies vernahm, da schoß ihm das Blut ins Gesicht: es war ihm notwendig, seinen Schmerz und seinen Zorn an irgend etwas auszulassen. Daher erhob er seinen Stock, den er in der Hand hielt, und schlug mit schweren Hieben auf seine Franken. Diese wagten nichts zu sagen aus Furcht vor dem Emir, aber insgeheim fluchten sie wacker auf den alten Gerhelm.

Auch der Emir sprach: Aber Neffe, Du behandelst sie sehr rauh.

Herr, sagte er, ich hasse sie so, daß ich sie kaum ansehen kann; ich behandle sie immer so.

Und immer darauf losschlagend, führte er sie zum Kerker.

Klarmunde begegnete ihnen auf dem Wege. Sie hielt den Gerhelm an und sprach zu ihm:

Thiaker, Du bist mein Vetter; wir müssen uns lieb haben: wenn ich Dir trauen könnte, möchte ich Dir gern ein Geheimnis sagen.

Sprich nur, Base.

Wohlan, in diesem Kerker wirst Du einen Franken finden; ich habe meinen Vater glauben machen, daß er Hungers gestorben sei; aber damit Du die Wahrheit weißt, kein Gericht wird auf die Tafel meines Vaters gestellt, von dem dieser Gefangene nicht reichlich bekommt. Nun verrate mich nicht, da ich mich Dir anvertraut habe.

Gerhelm glaubte, daß sie dies nur sage, um ihn zu täuschen; darum antwortete er kein Wort, sondern setzte seinen Weg fort, stieß die Franken in den finsteren Kerker und kehrte darauf wieder in die hohe Halle zurück.

 

Hugo saß traurig in seinem Kerker, als er hörte, wie die Pforte geöffnet und mehrere Männer herein gelassen wurden. Er war am anderen Ende des großen, düsteren Gewölbes, darum erkannte er sie nicht, sondern rief:

Wer kommt da? Sind es neue Genossen?

Die Ritter, die ihn auch nicht sahen, fingen also zu klagen an:

Wehe uns! Wir müssen hier sterben. Ach, Hugo teurer Herr, für Dich leiden wir dies alles. Doch Du bist nun tot: Gott erbarme sich Deiner Seele!

Als Hugo dies hörte, trat er nahe herzu und sprach:

Wer seid Ihr, und von welchem Lande?

Wir sind aus dem fränkischen Reiche, die Genossen eines jungen Ritters, namens Hugo; Kaiser Karl hatte ihn verbannt und mit einer Botschaft hierher geschickt. Ohne Zweifel ist er gestorben, und dasselbe Schicksal erwartet nun auch uns. Einer unserer Gefährten hat uns verraten und in diesen Kerker geworfen.

Da rief Hugo: O meine Freunde, kommt, küßt und umarmt mich: hier bin ich, Hugo den ihr so liebt. Ich erkenne Euch wohl an Eurer Stimme; aber ich kann Euch nicht sehen, denn es ist hier Nacht; aber diesen Abend soll es uns nicht an Licht fehlen.

Da war große Freude, als die Ritter dies hörten; sie tappten sich nach Hugo hin, umarmten ihn alle, weinten und sprachen:

Wie, Hugo, Du bist am Leben und in voller Gesundheit?

Ja, Gott hat mir Barmherzigkeit erwiesen. Die Tochter des Emirs ist mir hold, sie giebt mir alles, wessen ich bedarf. Ihr werdet sie sehen; sie wird bald uns zu besuchen kommen.

Hugo, sprachen da die Ritter, nimm Dich in acht; laß Dich zu keiner Sünde verführen.

O fürchtet nichts, sprach Hugo. Aber sagt mir, wo ist Gerhelm?

Gerhelm, dieser Verräter, hat den Glauben verleugnet, er selber ist es, der uns hierher geschleppt hat, nachdem er uns fast zu Tode geprügelt hatte. Weil er das Sarazenische sprechen kann, hat er sich beim Emir eingeschmeichelt und ist nun noch ärger geworden als diese Heiden.

Als Hugo dies vernahm, brach er in helles Lachen aus und sprach:

Ach, daran erkenne ich ihn wohl! Dies alles hat er nur zu unserem Wohle gethan.

 

Der alte Gerhelm hatte in der That seine lieben Gefangenen nicht vergessen. Er ließ Brot, Fleisch und Wein herbeischaffen, dazu große Kerzen, und wandte sich damit wieder dem Kerker zu.

Wieder stellte sich ihm Klarmunde entgegen, rief ihn beiseite und sprach zu ihm:

Ach, lieber Vetter, wolltest Du mir nicht einen Gefallen erweisen?

Und was wünschest Du?

Wenn Du Mahomed auch abschwören wolltest, so könnten wir nach Franken auswandern. Der Christ, den Du hier innen finden wirst, hat mir versprochen, mich mitzunehmen.

Als Gerhelm dies hörte, fühlte er eine große Freude in seinem Herzen. Aber aus Klugheit ließ er es nicht merken, sondern antwortete in grausamem Tone:

Wie, Du glaubst an den Gott der Christen? Bei Mahomed! Das will ich Deinem Vater sagen, der wird Dich lebendig verbrennen lassen, und alle Franken sollen hängen.

Klarmunde war ob dieser Antwort sehr bestürzt und sprach:

Gewähre mir mindestens eine letzte Gnade; laß mich mit Dir gehen, auf daß ich von meinem Freunde Abschied nehme.

Das will ich Dir nicht verweigern, sagte Gerhelm.

So gingen sie denn alle beide in den Kerker. Als Hugo beim hellen Lichte der Kerzen Gerhelm erkannte, lief er auf ihn zu, und beide umarmten sich vollen Herzens. Klarmunde, die ihre Freude sah, verstand nun alles und sprach zu Hugo:

O mein Freund, sind dies Deine Mannen, die Dich gefunden haben?

Ja, Du Gute, und Du magst ihnen alles Vertrauen schenken.

Ach, sprach sie, ich liebe sie aus Liebe zu Dir.

Meine Freunde, sprach Hugo, ehret diese edle Jungfrau und danket ihr: sie allein hat mir das Leben gerettet.

Da riefen alle: Gott belohne sie dafür!

Darauf aßen sie fröhlich zu Nacht und verschoben es auf später, einen Plan zu ihrer Befreiung auszudenken.

 

Bald war Gerhelm am Hofe des Emirs im höchsten Ansehen. Man folgte allen seinen Befehlen. Er und Klarmunde besuchten oft die Gefangenen und gaben ihnen alles, was sie nur wünschen mochten.



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