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Drittes Kapitel.
Das Gottesgericht.

. In diesem Augenblicke kam auch Amalrich vor den Thoren der kaiserlichen Pfalz an. Vor ihm gingen vier Knappen, die auf einem großen Schilde die Leiche des Prinzen Karl trugen. Ueberall wo sie vorbeigingen, erhub sich Jammer und Wehklage. Die Ritter, die Knechte, die Bürger, die Frauen, alle wanden die Hände, zerrauften das Haar und stießen Schmerzenslaute aus.

Der Kaiser hörte diesen wirren Lärm und sprach zu Herzog Naims von Baiern: Sehet doch nach, was dies zu bedeuten hat; mir ist, als hörte ich den Namen meines Sohnes nennen.

Naims beeilte sich, die Marmorstufen der Palasttreppe hinabzusteigen. Auf dem untersten Absatz sah er die gräßlich verwundete Leiche in ihrem Blut, ausgestreckt auf dem Schilde liegen. Mit Amalrich stieg er wieder die Stufen hinauf. Dieser trug den Schild auf einer Seite, der Herzog Naims auf der anderen Seite, stumm und zitternd. So traten sie in die Halle ein.

Edler Kaiser, schrie Amalrich, hier siehe Deinen Sohn Karl, den Du so sehr geliebt hast!

Der Kaiser stieg von seinem Hochsitz, er näherte sich dem Leichnam und erkannte Karl. Da fiel er in Ohnmacht mitten unter dem Schluchzen und dem Geschrei der ganzen Versammlung.

Der gute Herzog Naims hob ihn wieder auf und sagte: Herr Kaiser, seid ein Mann und trauert nicht so übermäßig, sondern befragt erst Amalrich, wer den Prinzen getötet hat.

Wer das gethan hat? sagte Amalrich. Das ist der Junker dort auf der Bank, der Euren weisen Wein aus goldenem Becher trinkt.

Als Kaiser Karl dies vernahm, da überkam ihn die Wut. Er rollte die Augen, knirschte mit den Zähnen, nahm ein Messer vom Tisch und wollte Hugo damit treffen, aber der Herzog Naims entriß es noch schnell seinen Händen.

Ach, Herr Kaiser, rief er, kommt Ihr denn von Sinnen? Als Hugo hierherkam, da habt Ihr ihm selber vollen Schutz in allem zugesichert. Wenn Ihr ihn jetzt töten wolltet, so wäre das Mord und Verrat.

O wehe, Naims, sprach der Kaiser, wenn ich mein totes Kind sehe, dann übermannt mich der gräßliche Schmerz.

Ihr dürft Euch nun nicht wundern, daß Hugo in gar große Verwirrung geriet, als es ihm auf einmal klar wurde, daß er den Sohn des Kaisers getötet hatte. Dennoch faßte er sich bald, erhob sich von der Bank, trat bescheiden abseits vom Kaiser und richtete an ihn diese klugen Worte:

Ja, Herr Kaiser, ich leugne es nicht, ich habe diesen getötet, den ich da liegen sehe, aber ich habe das in der Notwehr gethan und ohne daß ich wußte, daß es Euer Sohn sei. Hätte ichs gewußt, so müßt Ihr mich doch nicht für den Thoren halten, daß ich nichts Besseres wußte, als mich an Euren Hof zu flüchten. Droht mir nicht mit einem Tischmesser, kündigt mir nicht deshalb Fehde an, verbrennt nicht meine Schlösser und Burgen, verwüstet nicht mein Land und verderbt nicht meine armen Leute, die nichts dafür können. Hier steh' ich ja selber vor Euch, und ich bin nicht gesonnen zu entfliehen, was mir auch geschehe. Ich unterwerfe mich dem Urteile meiner fränkischen Mitfürsten.

Er spricht recht! sagten alle Ritter. Laßt hören, was Amalrich darauf antwortet.

Der Kaiser aber sagte: Herzog Naims von Baiern, rate mir Du; was soll ich thun?

Herr Kaiser, erwiderte Naims, Amalrich soll uns erklären, wieso Euer Sohn dazu gekommen ist, bewaffnet und gepanzert den Junkern aufzulauern. Was wollte er von ihnen?

Das will ich Euch wohl sagen, versetzte Amalrich, und Gott verdamme mich, wenn ich nur mit einem Worte lüge. Gestern abends forderte mich Euer Sohn Karl auf, mit ihm auf die Jagd zu geben. Ich war es einverstanden; ach leider, jetzo bereu' ich's sehr. Nun wißt Ihr, daß unser Gegner Dietrich von Ardennen seine Streifzüge oft bis in die Nähe der Stadt ausdehnt. Darum wappneten wir uns der größeren Sicherheit wegen. Heute morgens nun ließen wir unsere Falken in jenem Gehölze dort steigen; einer davon verirrte sich auf der Heide, und als der Prinz ihn holen wollte, da fand er die beiden Siegwinsöhne, die sich des Falken bemächtigt hatten. Er forderte ihn höflich zurück, aber sie weigerten sich. Es kam zum Streit, der Prinz verwundete Gerhard, Hugo zog das Schwert und hieb ihn bis zur Brust entzwei, dann entfloh er mit seinem Bruder so schnell, daß ich sie nicht einholen konnte. Er hat wohl gewußt, daß er den Sohn des Kaisers vor sich hatte. Wenn er mich Lügen strafen will, so ist hier mein Pfand! Damit warf er seinen Handschuh hin.

O heilige Maria! rief da der fromme Abt von Kluny, hat man schon jemals solche Lügen gehört? Ich bin bereit, auf die Reliquien aller Heiligen zu schwören, mit allen meinen achtzig Brüdern, daß alles, was er Euch gesagt hat, rein erfunden ist.

Nun, sagte Karl, was antwortet Ihr darauf, Graf Amalrich?

Ei, Herr Kaiser, der ehrwürdige Abt mag sagen, was ihm gefällt: ich werde ihn in Eurer Gegenwart nicht Lügen strafen; was aber Hugo betrifft, so will ich ihn mit dem Schwert in der Hand zum Bekenntnis zwingen.

Als der Abt solches vernahm, rief er: Nun, Hugo, was wartest Du? Gieb Dein Pfand: das Recht ist auf Deiner Seite, und wenn Gott und der heilige Petrus Dir nicht den Sieg geben, so werfe ich mein Kreuz in den Wind und ein anderer mag Abt von Kluny sein.

Hier ist mein Pfand, sagte Hugo. Ich werde diesen Verräter zum Geständnis zwingen, daß er nichts als Lügen gesagt hat, daß der Prinz uns zuerst angegriffen hat und daß ich nicht wußte, wer er sei.

Wohlan, sagte der Kaiser, so stellt Eure Geiseln.

Ich kann Euch nur meinen Bruder Gerhard als Geisel geben, sprach Hugo; denn ich habe hier weder Verwandte noch Freunde, die ich darum angehen könnte.

Ich biete mich selber als Geisel an, sprach der Abt von Kluny, mit meinen achtzig Mönchen, und wenn Du besiegt wirst, wenn Gott ein solches Unrecht zugeben könnte, so mag Kaiser Karl mich noch denselben Abend henken lassen und alle meine achtzig Klosterbrüder mit mir.

Und wen stellst du, Amalrich, als Geisel, fragte der Kaiser.

Reinfried und Heinrich, mein Oheim und mein Vetter, die beiden sollen für mich bürgen.

Ich nehme sie an, sagte Kaiser Karl, unter der Bedingung, daß sie gevierteilt werden sollen, wenn Du besiegt wirst.

Wie, was, Herr Kaiser! rief Reinfried; wer mag solche Bedingungen annehmen?

Nun, welche wollt Ihr denn sonst? fragte der Kaiser.

Wohlan, unsere Leben mögt Ihr uns nehmen, sagte Reinfried.

Es sei, erwiderte der Kaiser. Aber wisset, daß ich Euch keinen Fuß breit Erde lassen werde, wenn Amalrich besiegt wird, und Ihr müßt beide in die Verbannung geben.

.

Hugos Gebet vor dem Zweikampf.

Hugo und Amalrich gaben also ihre Pfänder und die Geiseln wurden dem Kaiser übergeben. Er ließ ihnen gute Eisenringe um die Füße legen und sie wohl bewachen. Dann sagte er:

Laßt uns keine Zeit verlieren und den Zweikampf sogleich anordnen, denn bevor mein Sohn bestattet ist, soll der Besiegte gehenkt und am Schweif eines Pferdes geschleift werden. Naims, Dir befehle ich die Hut des Kampfplatzes. Führe die beiden Streiter hin, nimm mit Dir hundert wohlgerüstete Ritter und wache darob, daß keine Verräterei dabei geschehe.

Der Herzog von Baiern nahm seine Waffen und stieg mit hundert gewappneten Rittern zu Roß. und der Kaiser Karl der Große ließ seinen Bann ausrufen, daß keiner es wage, mit Wort oder That einem der Kämpfer zu nützen oder zu schaden, bei Strafe der Zerstückelung all seiner Glieder.

Die beiden Kämpfer gingen nunmehr in den Münster, die Messe zu hören; alle Fürsten begleiteten sie. Nun höret, was Hugo that: er ließ einen großen Scheffel ganz mit Pariser Pfennigen anfüllen, und seine Knappen warfen das Geld unter die Armen.

Gott beschütze Dich! schrie das Volk, und lasse Dich als Sieger hervorgehen!

Als die Messe zu Ende gesungen war, legte sich Hugo mit ausgestreckten Armen in Kreuzesgestalt auf eine Seite des Altars, Amalrich auf die andere. Man stellte brennende Kerzen um sie herum. Auf Amalrichs Seite fielen alle um, auf Hugos Seite blieben sie stehen. Da murmelte das Volk: Der da mag wohl Vertrauen auf den Sieg haben: es wird ihm nicht mißlingen.

Hugo aber richtete dies heiße Gebet an Gott: O mein Herr und mein Gott, so wahr ich an Dich glaube und der Verräter Amalrich mich fälschlich beschuldigt, gieb mir den Sieg, auf daß ich ihn strafen könne.

Alle zwei erhoben sich dann und legten ihr Opfer auf den Altar. Man brachte ihnen den Wein in Bechern und breite Stücke Brotes; die Becher setzte man auf den Altar. Hugo aß auf der einen Seite, Amalrich auf der anderen. Darauf verließen sie den Dom. Tief verneigte sich Hugo vor dem Altare, indessen Amalrich weder Altar noch Kruzifix eines Grußes würdigte.

Man führte sie auf den großen Saal zurück; jeder war von seinen Freunden umgeben.

Nun rief der Kaiser: Ihr Ritter, geht Euch zu wappnen, denn dem Besiegten soll sein Recht werden, ehe mein Sohn zur Erde bestattet sei. Der Herr der Herrlichkeit lasse das Recht triumphieren und zerschmettere den Meineid!

So sei es! riefen alle Ritter.

Man brachte ihnen ihre Waffen. Hugo legte die weißen Panzerhosen an, hüllte sich in das stählerne Ringelhemd, gürtete sein blankes Schwert um. Amalrich wappnete sich seinerseits.

Als sie beide so gerüstet waren, brachte man den Reliquienschrein: einer von beiden mußte nun meineidig werden.

Die Fürsten fragten: Wer soll zuerst schwören?

Der Ankläger soll es, sprach Herzog Naims.

So will ich schwören, sagte Amalrich.

Man stellte den Reliquienschrein auf einen reichen Teppich. Amalrich kniete und sprach folgendes mit lauter Stimme:

Höret mich, franke Ritter: vor Euch allen schwöre ich bei den Heiligen, deren Gebeine hier liegen, und bei allen anderen, die im Paradiese wohnen, daß Hugo von Aquitanien verräterischerweise Karl, den jungen Sohn des Kaisers, gemordet hat und daß er wußte, wer dieser war. So schwöre ich und will ihn noch vor Abend zwingen, es mit eigener Kehle zu bekennen.

Er wollte darauf die Reliquien küssen, allein er wankte, drohte zu fallen und erreichte sie nicht mit den Lippen. Da murmelten alle Anwesenden: Er ist meineidig!

Nun trat Hugo vor; er faßte den Verräter mit der rechten Faust und rief: Ich aber erkläre Dich für einen Meineidigen. Dann kniete er nieder und sprach also mit erhobener Stimme:

Höret mich, Ihr Herren: bei allen Heiligen schwöre ich, daß alles, was der Falsche gesagt hat, erlogen ist. Wohl bekenne ich, den Prinzen erschlagen zu haben, aber ich thats aus Notwehr, und da ich hier den kaiserlichen Hof betrat, wußte ich nicht, wer der Mann war, den ich getötet.

Da fiel auch der Abt ein: Ja, bei Gott, das ist ein wahrhaftiger Schwur!

Hugo erhob sich, nahm und küßte die Reliquien und legte dann auf den Teppich vier Mark seinen Goldes, die von den Kirchendienern sogleich aufgehoben wurden.

Nun beeilt Euch, rief Kaiser Karl, und möge Gott ein Wunder thun, um den von Euch zu strafen, der falsch geschworen hat.

Man brachte Hugos Roß und er bestieg es, indem der Abt von Kluny trotz seines Sträubens ihm den Steigbügel hielt. Ach, wie weinte da der Abt, als sie sich umarmten, als sie sich trennten!

Ehrwürdiger Abt, bat Hugo, betet für mich zu Gott!

Gerne, mein Freund, sprach der Abt, verlasse Dieb darauf. Der Herr der Gerechtigkeit beschütze Dich, so wahr ich sicher weiß, daß man Dich fälschlich beschuldigt.

Darauf kehrte der Abt in die Kirche zurück und warf sich mit ausgebreiteten Armen in Kreuzes Weise vor dem Altar nieder, um für Hugo zu beten.

Die beiden Streiter kamen indessen auf dem Kampfplatz an, der vor den Wällen der Kaiserpfalz lag.

Kaiser Karl und die Fürsten nahmen ihre Plätze auf der Zinne des Palastes ein. Ach, wie betete da der verblendete Kaiser für den falschen Amalrich und welche Gelübde that er gegen den guten Hugo!

Der Herzog Naims als Kampfhüter sprach zu den beiden Kämpen, als sie auf der blumenreichen Wiese hielten: Tretet in die Schranken, Ihr Herren. Man hat Euch gleichmäßig die Sonne geteilt, daß ihre Strahlen keinen mehr als den andern blenden. Sehet, der Kaiser und die Fürsten blicken auf Euch herab.

Aber als sie eben eintreten wollten, rief der Kaiser von oben: Herzog Naims, führe sie zurück, denn ich habe noch ein Wort zu sagen.

Beide traten denn vor den Kaiser, der also zu ihnen sprach: Ich will Euch ein anderes als das gewöhnliche Gesetz vorschreiben: gebt beide wohl acht. Wenn einer von Euch seinen Gegner tötet, bevor er ihn zum Geständnis seiner Lüge zwang, so soll er für immer all seine Länder verloren haben.

Da sagte aber Naims: Herr Kaiser, bei allen Heiligen, ihr thut groß Unrecht mit dieser unerhörten Neuerung. Oft geschieht es ja, daß ein Kämpe getötet wird, ohne daß er ein Wort von sich geben kann.

Das kümmert mich wenig! erwiderte der Kaiser: wie ich gesagt, so bleibt es. Und nun ans Werk; es eilt mir sehr, daß alles zum Ende komme.

Die beiden Kämpen machten ihre letzten Vorbereitungen: sie hängten die azurnen Schilde an ihren Hals, setzten die strahlenden Helme auf und ergriffen die Speere mit den bunten Wimpeln.

Amalrich trat zuerst in die Schranken, ließ sein Pferd galloppieren und kam wieder an seinen Platz zurück. Er war groß und wohl gewachsen, mutig und kühn. Ein furchtbarer Gegner, wenn er nicht verräterisch und treulos gewesen wäre! Aber er glaubte an Gott nicht mehr als ein Heide.

Dann kam Hugo, bescheiden, aber ohne Furcht, indem er Gott im Himmel anrief. Er war schön von Wuchs und Angesicht. Alle betrachteten ihn mit Wohlwollen.

So stehen die beiden einander gegenüber: auf der einen Seite Amalrich, um mehr als einen Fuß größer denn Hugo und im kräftigsten Mannesalter; auf der anderen Seite Hugo, noch ganz jung, kaum zwanzig Jahre alt, aber kühn und voll Vertrauen auf sein gutes Recht.

Da rief Herzog Naims, der Kampfwart: Wohlauf, Ihr Herren, und Gott möge den Meineidigen zu Schanden machen!

Amen, so sei es! riefen alle Ritter.

Die beiden Kämpen nahmen erst Abstand von einander, dann stürmten sie mit voller Kraft ihrer Rosse los, die Speere stießen auf die Schilde, die Schilde wurden durchbohrt, die Panzer aber widerstanden, so daß die Splitter der Gere über die Wiese hinflogen. Der Stoß von Schild gegen Schild, von Roß gegen Roß, von Rüstung gegen Rüstung war so furchtbar, daß ihnen das Blut aus den Nasenlöchern stürzte und die Funken aus den Augen stoben. Die Sattelbogen zerbrachen, die Gurten zerbarsten, und übers Kreuz ihrer Rosse schossen beide so derb zu Boden, daß ihre Helmspitzen sich in die Erde einbohrten, und ihre Fersen zum Himmel geschleudert wurden.

Aber gar schnell erheben sie sich wieder. Hugo rennt den Amalrich an, in der Faust das schneidige Schwert, das den Prinzen zerschroten hat. Er zückt es auf Amalrichs Helm: der Verräter deckt sich mit dem Schild; Hugo zerspaltet diesen in zwei Hälften, aber der Hieb kann nicht mehr den Stahlhelm zerschmettern. Nun hebt Amalrich seinerseits das Schwert und haut dem Hugo ein gutes Vierteil seines Schildes weg, trifft auch noch den Helm, so daß Hugo zwar nicht verwundet, aber doch betäubt wird. Aber schnell faßt er sich und thut seinen Widerschlag, trifft Amalrichs Achsel, zerschneidet das Panzerhemd und die Steppdecke und dringt eine gute Handbreite ins Fleisch ein.

Verräter! Elender! ruft er, Du bist getroffen, ich sehe Dein Blut fließen: Du wirst mir nicht entrinnen.

Aber da rafft sich Amalrich zu einem so schrecklichen Streich zusammen, daß er Hugos Helm gespalten hätte, wenn das Schwert nicht ausgeglitten wäre; aber es haut ein Stück des Halsbergs ab, mit einem Fetzen Fleisch aus der Hüfte, fährt übers Bein herab, indem es einen Sporn zerspellt und dringt noch einen Fuß tief in die Erde. Hugo schwankt, fällt auf die Knie und verliert fast die Besinnung.

Da stürzt sich ein Knappe in die Kapelle, wo der Abt noch immer vor dem Altare liegt, und ruft:

Herr Abt, es ist wohl höchste Not, für Hugo zu beten: er ist fast verloren!

Da springt der Abt auf und schreit zum Himmel mit klagender Stimme:

O Gott, der Du nie gelogen hast! Wenn ich sechzig Jahre hindurch, seit ich ins Kloster getreten bin Dir zu gefallen, keines meiner Gelübde je übertreten habe, so verlange ich heute die Belohnung für alles Gute, was ich seit meiner Geburt gethan, für all meine Fasten und Kasteiungen. O Vater, wenn es sein muß, will ich lieber auf meinen Anteil am Paradiese verzichten, damit nur alles dem Heile jenes Kindes zu gute komme!

Hugo hört das, er fühlt sich wieder gekräftigt, er erbebt sich und geht auf Amalrich los; er schwingt sein Schwert und scheint Amalrichs Helm treffen zu wollen: Amalrich deckt den Hieb mit dem Schild; aber es war nur eine Finte Hugos, schnell haut er unter den Schild in Amalrichs linke Achsel, daß Arm und Schild ins Gras fallen, und ruft: Verräter, Du wirst keinem mehr schaden!

Ach Hugo, jammert Amalrich, habe Mitleid mit mir! Wohl hab' ich den Tod verdient, denn ich selber habe den Prinzen zum Hinterhalt verleitet, ich selber hab' ihn in den Tod gejagt, und hätte ich heute gesiegt, so würde ich auch den Kaiser getötet haben.

O Gott, warum hat Kaiser Karl oder Herzog Naims oder einer der anderen Fürsten nicht auch dies Geständnis gehört? Aber sie waren zu weit; nur Hugo allein konnte die Worte des Verwundeten vernehmen.

Dieser fuhr fort: Ja, Hugo, erbarme Dich meiner; überliefere mich lebend dem Kaiser: meine Verwandten, meine Freunde und alle Fürsten des Reiches werden für mich bitten; und der Kaiser muß mir verleihen, wenn er mich auch nur zum Pförtner seines Palastes machen wollte; denn freilich, meine Lehen wird er mir nicht mehr lassen. Komm, nimm mein Schwert: ich übergebe Dir's.

Hugo nahte sich arglos und streckte die Hand aus; aber plötzlich hieb der arge Verräter nach seinem Arm, sodaß die Maschen seines Panzerhemdes zerrissen; es fehlte nur wenig, so hätte er ihm den Arm abgeschlagen. Aber Gott beschützte den edlen Helden, und Hugo, außer sich vor Zorn, schrie ihn also an:

O Du elender Verräter bis an Dein Lebensende! Gott der Herr hat Deinen Verrätereien heute ein Ziel gesetzt! Damit hob er sein Schwert und traf den Amalrich so gut zwischen Helm und Schultern, daß sein Kopf auf die Wiese rollte.

Mit einem Sprung griff er nach dem blutigen Haupt, trug es zu seinem Roß, schwang sich in den Sattel, jagte bis zu der Stelle, wo Herzog Naims stand und sagte:

Wohlan, Herr Herzog, laßt uns den Kaiser aufsuchen.



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