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Zweites Kapitel.
Der Hinterhalt.

. Amalrich ging aus dem Saal, Groll und Ingrimm im Herzen. Er kam in sein Haus und sann nur auf Rache. Nun höret, was dieser arge Verräter ausdachte! Eines Abends nach dem Essen suchte er den jungen König Karl auf und fiel ihm zu Füßen. Dieser hob ihn auf und fragte ihn ganz bewegt: Was hast Du, Freund? Oeffne mir Dein Herz.

Ach, sagte Amalrich, ich habe einen großen Schmerz und Ihr mögt ihn teilen, denn Euch bedroht die gleiche Gefahr.

Gott im Himmel, wie das? fragte der junge König.

Höret mich an, sagte Amalrich. Diese beiden Buben von Burdigal werden an den Hof kommen, mit des alten Naims' Hilfe werden sie sich beim Kaiser einnisten, niemand wird mehr ohne ihre Vermittlung etwas ausrichten können. Sie werden Euer Erbe vermindern, sie werden Euch ein Vierteil des Reiches stehlen. Schon ihr Vater Siegwin hat mir groß Unrecht angethan: er hat mir eins meiner besten Schlösser entrissen. Teurer Herr, helft mir, ich beschwöre Euch, uns beide zu rächen und ihren bösen Absichten zuvorzukommen. Ich bin Euch ja durch Euere Mutter nahe verwandt: Ihr schuldet mir Hilfe und Beistand.

Aber was kann ich da thun? fragte der junge König.

Ich will Euch's sagen. Ich werde meine Lehensleute aufbieten, Ihr werdet auch sechzig wohlgerüstete Ritter nehmen. Wir werden uns in einem kleinen Walde hier ganz in der Nähe in den Hinterhalt legen. Der Weg von Aquitanien geht nahe daran vorbei; wir werden dort jene Unverschämten erwarten, mit ihnen anbinden, ihnen die Köpfe abschneiden: niemand wird wissen, wer sie getötet hat.

Ich bins zufrieden, sagte der König.

So machten also die Verräter ihre Vorbereitungen, legten ihre Halsberge an, setzten die Helme auf, gürteten die Schwerter um, bestiegen ihre schnellen Zelter, hängten sich feste Schilde um ihren Hals, nahmen spitze Speere in ihre Faust. O Gott, welch ein Unglück, daß der große Kaiser nichts von dieser Verräterei weiß!

So warteten sie bis zur Nacht, denn sie wagten es nicht, aus Furcht vor dem Kaiser, sich des Tages zu zeigen. Des Nachts, da alles ruhig war, verließen die Verräter, mindestens hundert an der Zahl, die Stadt. Sie kamen bis zum Gehölz und hielten sich da verborgen.

Indessen bereitete Hugo seine Reise vor. Er ließ den Vogt Wilrat kommen, der seinem Vater mehr als dreißig Jahre hindurch treu gedient hatte und dem er ganz vertraute. Er übergab ihm das Land zur Verwaltung während seiner Abwesenheit, dann machte er alles zur Reise zurecht. Dreißig Säumer ließ er mit Silber und feinem Golde beladen, mit reichen Schüsseln und Humpen, mit kostbaren Stoffen aus Seide und Wolle. Er ließ Doggen und Windhunde ankoppeln, er ließ Habichte, Sperber und Falken herbeitragen. Von seinen edelsten Rittern wählte er zehn aus, die ihm als Ratgeber dienen sollten; er nahm Knappen mit, die ihnen in den Herbergen zu dienen, und Stallknechte, welche die Rosse zu betreuen hatten.

Die beiden Brüder stiegen nun die Burgtreppe ihres Schlosses herab; ihre Mutter gab ihnen das Geleite, küßte sie zärtlich und sprach:

Kinder, Ihr geht nun an den Hof. Denket daran, Euch daselbst als echte Söhne Eures Vaters zu bewähren. Mißtrauet den Schmeichlern und den Verrätern; suchet die Gesellschaft der Biedermänner; besuchet regelmäßig die heilige Kirche; liebet und ehret die Priester; thut den Armen Gutes; seid höflich und großmütig: so werdet Ihr Euch beliebt machen.

Frau Mutter, sagte Hugo, wir werden Eure Worte nicht vergessen.

So nahmen sie Abschied, und die Herzogin umarmte sie innig. Als sie fort waren, da fing sie an zu weinen. Ach leider! sie weiß nichts von der Gefahr, die ihre beiden Jungherrlein bedroht: sie sollte ihren ältesten Sohn nicht wiedersehn.

Die beiden edlen Waisen machen sich also auf den Weg: Gott möge sie geleiten! Sie führen mit sich ein schönes Gefolge.

Auf dem Wege sprach Hugo zu seinem Bruder: Lieber Gerhard, wir müssen fröhlich sein: wir gehen ja an den Hof des größten und besten Kaisers, um ihm zu dienen. Das ist für uns eine große Ehre. So singe denn, guter Bruder, unsere Herzen zu erfreuen!

Ach nein, Bruder, antwortete Gerhard: diese Nacht, als ich schlief, träumte ich einen schweren Traum, der mir das Herz voll Sorgen ließ. Mir war, als ob drei Leoparden uns angriffen und mir das Herz aus der Brust rissen. Du entkamst, aber liefst große Gefahr. Um Gottes Willen, kehren wir doch um nach Burdigal zu unserer Mutter.

Behüte Gott, antwortete Hugo, daß ich in meine Stadt Burdigal zurückkehre, bevor ich den römischen Kaiser gesehen habe. Laß Dich, Gerhard, nicht durch einen Traum erschrecken. Reiten wir kühn vorwärts, und Gott mög' uns geleiten!

So beeilten sich die Jungherren und ritten ihrer Straße. Da sahen sie vor sich eine große Schar von Mönchen: das war der gute Abt von Kluny, der mit achtzig seiner Klosterbrüder auf dem Wege nach Aachen war, wohin ihn der Kaiser entboten hatte.

Bruder, sprach Hugo, ich sehe vor mir viele Mönche auf dem Wege nach Aachen zu geben: lasset uns ihnen unsere Gesellschaft anbieten, denn unsere Mutter hat uns wohl ans Herz gelegt, die Geistlichen zu ehren und die Freundschaft der Biedermänner aufzusuchen.

Sie ritten so rasch, daß sie bald den Abt einholten. Dieser hielt an, grüßte den jungen Mann und sprach: Herr Junker, aus welchem Lande seid Ihr wohl? und wer ist Euer Vater?

Ehrwürdiger Herr, sagte Hugo, wir sind aus Aquitanien; mein Bruder da und ich, wir sind die Söhne des mächtigen Herzogs Siegwin. Er ist vor sieben Jahren gestorben, und wir gehen nach Aachen zum Kaiser, der nach uns verlangt hat, daß wir ihm Lehensdienste leisten. Unser Herz ist voll Sorgen, da wir wissen, daß am Hofe mancher Verräter uns übel will.

O meine Kinder, sprach der Abt, ich bin der Abt von Kluny; Euer Vater war mein leiblicher Vetter; Ihr seid also meine Freunde, und in meiner Gegenwart habt Ihr nichts zu fürchten. Reitet denn mit mir und habt keine Sorge. Wenn der König einen Rat beruft, wo er nur zwei Männer zuläßt, da muß ich deren einer sein. Mein Fürwort wird Euch nicht ermangeln. Wehe dem, der an Euch ein Unrecht thun wollte! Indessen nehmet hier die Schlüssel meiner Reisetruhen: nehmt daraus nach Belieben Marderfelle, Hermelin und Grauwerk, und alle Schätze des heiligen Petrus von Kluny.

Gott mög' euch lohnen, ehrwürdiger Herr, sagte Hugo.

Die Junker und die Mönche ritten so miteinander und waren bald nicht mehr weit von Aachen, und in der Nähe jenes Gehölzes, in dem die Verräter verborgen lagen. Amalrich bemerkte sie zuerst und rief den König:

Wohlan, Herr, da sind die beiden verfluchten Waisenknaben, die Euch bestehlen wollen. Euer ist das Reich, darum müßt Ihr sie zuerst angreifen.

.

Gerhard wird vom Prinzen Karl angegriffen.

Ich eile, sagte König Karl; er spornte sein Roß, den Schild um den Hals, den Helm auf dem Haupt, das Schwert an der Lende, und in der Faust den Speer mit buntem Wimpel. Als er bis zur Heide gekommen war, die das Gehölz von der Straße trennte, sprach Amalrich zu seinen Gesellen:

Laßt ihn gehen, und mög' er in sein Unheil rennen. Wenn er heute in diesem Kampfe fällt, so hat das Reich keinen Erben mehr, und die Lande werden mein sein. Der Kaiser wird das Jahr nicht überleben: ich will wohl dafür sorgen.

Der junge Karl kam so den Reisenden zu Gesichte. Der Abt bemerkte ihn zuerst und sprach zu Hugo:

He guter Neffe, ich sehe da über die Heide einen Ritter kommen, den Schild am Hals, den Helm auf dem Haupt, das Schwert an der Lende, den Speer in der Faust, und in dem Gehölz, aus dem er hervorkam, sehe ich Helme blinken. Um Gottes Willen, lieber Neffe, hast Du irgend einem ein Unrecht angethan und Dir einen Feind in diesem Lande gemacht, so eile und biete ihm alle Genugthuung an, die er verlangen mag. Ich schwöre Dir bei allen Heiligen des Paradieses, jeden Pfenning, den er verlangt, will ich Dir mit einer Mark feinen Goldes ersetzen.

Ich danke Euch, mein Vater, sagte Hugo, aber ich habe keiner lebenden Seele Unrecht gethan und bin niemandem etwas schuldig. Gerhard, lieber Bruder, frage den Ritter, was er will.

Gerhard spornte sein Roß, lenkte es dem Anrennenden entgegen und sprach ihn höflich also an:

Willkommen, franker Ritter! Habt Ihr etwa das Land und diese Straße hier zu hüten? Ist ein Zoll zu zahlen, so werden wirs aus freien Stücken leisten.

Wer seid Ihr? fragte jener hochmütig.

Ich bin aus Aquitanien, Sohn des mächtigen Herzogs Siegwin; mein Bruder, der ältere, folgt hinter mir. Wir ziehen an den Hof, dem Kaiser zu dienen. Hat jemand einen Anspruch an uns zu machen, so werden wir ihm am Hofe Rede stehen, vor dem Gerichte der Fürsten und Herren.

So lange braucht Ihr nicht zu warten, antwortete der junge König; ich habe große Freude Euch hier zu finden. Dein Vater hat mir drei Burgen entrissen; leider hab' ich nie Gelegenheit gefunden, mich an ihm selber zu rächen, aber Du wirst mir jetzt für ihn zahlen und sollst mir nicht mehr entkommen. Nun hüte Dich: es geht Dir an's Leben!

Gerhard vernahm dies mit Zittern und wandte sich mit sanften Worten zum Wütenden: Edler Ritter, nein, so werdet Ihr nicht handeln. Ihr seid bewaffnet, habt ein gutes Panzerhemd, und mich deckt nur das Seidengewand; Ihr habt Schwert und Speer, und ich habe keine Waffe. Schonet mein! Wir ziehen an den Hof, wo der Kaiser uns erwartet, und wenn Ihr Ansprüche habt, so soll Euch Euer Recht werden nach dem Urteil der Standesgenossen.

Bei Gottes Zorn, schrie der König, ich will keinen Bissen essen, so lange Du am Leben bist.

Jung Gerhard wollte eben sein Roß umlenken und zu Hugo zurückkehren, aber sein Feind ließ ihm keine Zeit dazu. Er senkte den Speer und spornte das Roß, er traf Gerhard, durchstach seinen Hermelinmantel, das Seidengewand und das Leinenhemd. Das Eisen fuhr durch die Brust und einen guten Fuß weit durch den Rücken. Gott erlaubte ihm wohl nicht, ihn zu töten, aber blutüberströmt sank Gerhard zur Erde. Vor übergroßen Schmerzen ward der Jüngling ohnmächtig.

Der Abt von Kluny sieht ihn fallen; ein Schmerzensschrei entfährt ihm und er ruft weinend: O mein Neffe, Dein Bruder ist tot!

O welcher Schmerz, klagt Hugo. Ach süße Mutter, die Du ihn so zärtlich erzogen hast, welche Trauer für Dich! Heilige Maria, hilf! Steht mir bei, ehrwürdiger Abt, mein Recht zu verteidigen; denn bei Gott im Himmel, ich will wissen, wer ihn getötet hat. Ich will ihn töten oder auch fallen.

Ach guter Neffe, sprach der Abt, wir sind geweihte Priester, wir dürfen nicht Blut vergießen.

O wehe, rief Hugo, welch arme Verwandtschaft! Und Ihr, meine zehn Ritter, die ich von Burdigal mit mir geführt, werdet Ihr mir beistehen?

Und alle schrieen: Ja, bis zum Tod!

Das wolle Gott Euch lohnen, sagte Hugo.

Der Abt aber, heiße Thränen weinend, setzte seinen Weg mit den Mönchen fort. Doch verzögerten sie den Schritt, um das Ende der Streitsache besorgt.

Hugo spornte sein Roß: er kam bis zu der Stelle, wo sein Bruder auf der Heide lag.

Bruder, spricht er, wie ist Dir?

Ich weiß nicht, antwortet der Jüngling; ich fühle mich dem Tode gar nahe. Denk an Dich selber, denn für mich ist es nicht mehr der Mühe wert. Fliehe, eile: ich sehe die Helme im Gehölze blinken.

Mein Bruder, spricht Hugo, Gott verhüte, daß ich entkomme, wenn Du bleiben mußt! Ich will wissen, wer Dich angegriffen hat: ich will ihn töten oder er mich.

Ohne auf seine Mannen zu warten, spornte er sein Roß und stürmte auf den Prinzen an, der sich nach dem Walde zurückzog. Als er aber merkte, daß ihn einer verfolge, hielt er an und wandte sich um.

Wer bist Du, Ritter? schrie Hugo. Aus welchem Lande bist Du?

Ich bin von Schwaben und heiße Dietrich, antwortete Karl.

Hugo glaubte diese Lüge, denn der König trug nicht das fränkische Wappen.

Gott möge Dich verdammen! rief Hugo. Warum hast Du meinen Bruder Gerhard getötet?

Euer Vater hat mir drei Burgen geraubt, antwortete der junge Karl, und ich habe mich nie an ihm rächen können: darum habe ich Deinen Bruder getötet, und ich will mit Dir ebenso verfahren.

Das hängt von Gott ab, antwortete Hugo.

Ich fordere Dich auf Tod und Leben heraus, rief Karl. Hüte Dich, ich will Dich treffen.

Und mit gesenktem Speer, den Schild am Arm, stürzt er sich auf Hugo. Dieser war in übler Lage, denn er hatte weder Halsberg noch Schild, aber er hatte sein blankes Schwert. Nun höret, was er that: er nahm seinen guten Scharlachmantel und rollte ihn um seinen linken Arm, dann zog er das Schwert seines Vaters Siegwin. Sein Gegner erreicht ihn, sein Speer dringt unter dem Arm, den der Mantel beschützt, durch den Hermelin, das Seidengewand und das Leinenhemd; aber Gott wollte nicht, daß er die Haut berührte, er glitt zwischen den Rippen und die feine Leinewand hinweg. Das Roß trägt aber den Prinzen in vollem Lauf bis an Hugo's Seite und dieser führt einen also furchtbaren Streich auf seinen Helm, daß weder der Stahl des Helmes, noch die weiße Haube darunter, noch das dreifach geflochtene Panzerhemd widerstehen konnte. Hugo hat ihn bis auf die Brust entzweigespalten. Tot fällt er zu Boden auf den Rücken hin.

Amalrich war dessen gar fröhlich, als er ihn aus seinem sicheren Versteck so sinken sah, und sprach zu seinen Mannen: Welch großes Glück, daß der junge König tot ist! Das Reich hat nun keinen Erben mehr, ich werde König sein; und vor Jahresfrist ist auch der Kaiser tot.

Hugo nahm das Roß des Getöteten, näherte sich seinem Bruder und suchte ihn emporzuheben. Gerhard, sprach er, wirst Du Dich zu Rosse halten können?

Ich weiß nicht, Bruder; binde mir meine Wunde, und ich wills versuchen.

Hugo steigt ab; er schneidet ein Stück seines Hemdes heraus und verbindet mit Hilfe seiner Ritter sorgfältig die Wunde, dann heben sie Gerhard langsam aufs Roß. Er konnte sich nur mit Mühe halten und wurde nochmals vor Schmerz ohnmächtig. Als er wieder zu sich kam, sprach er zu Hugo:

Bruder, kehren wir nach Hause zurück zu unserer Mutter, ich fürchte mich hier zu sehr! Wir haben einen Mann getötet, und ich sehe das Gebölz voll von blinkenden Helmen. Mich wundert, daß diese Ritter nicht herauskommen, ihren Gesellen zu rächen. Es scheint, daß man ihn ebenso verrät wie uns. Kehren wir um, Bruder, kehren wir um zu unserer Mutter!

Nicht früher, antwortete Hugo, eh' ich den Kaiser aufgesucht habe. Ich will ihm seine Verräterei vorwerfen, daß er Leute morden läßt, die in seinem Geleit ziehen.

So spornten sie denn ihre Rosse und setzten ihren Weg fort.

Wohlan, sagten die Genossen Amalrichs zu diesem, wollen wir diese Leute also ziehen lassen, die vor unseren Augen den König getötet haben?

Lassen wir sie, sprach Amalrich; wir werden sie am Hofe wieder antreffen; dort will ich dem Kaiser den Leichnam seines Sohnes zeigen. Saget alle das Gleiche aus wie ich, und ich will Euch für Euer ganzes Leben reich machen.

Sie kamen an die Stelle, wo der Tote lag: sie hoben ihn auf und legten ihn auf einen großen Schild, dann folgten sie in geringer Entfernung ihren Gegnern nach. Gott schütze Hugo und Gerhard! denn sie gehen großen Gefahren entgegen.

Die beiden Jungherren ritten so lange, bis sie den Abt von Kluny einholten.

Der Abt sah sie kommen, hielt an und sprach: Wohlan, guter Neffe, was hast Du ausgerichtet?

Ehrwürdiger Vater, sprach Hugo, wir haben einen Mann getötet.

Das ist großer Schade, lieber Neffe, sprach der Abt; aber da die Sache einmal geschehen ist, werde ich Euch nicht im Stich lassen. Rechnet auf meinen Beistand beim Kaiser.

Die Reisenden beschleunigen die Schritte; bald gelangen sie nach Aachen, der wunderbaren Stadt; sie halten erst an der kaiserlichen Pfalz: sie steigen ab an den Marmorstufen und gehen hinauf in die große Halle. Jung Gerhard hat viele Mühe, die Stufen emporzusteigen, Hugo unterstützt ihn von der einen, der gute Abt von der anderen Seite. Alle drei treten so vor den Kaiser. Hugo, der wohl beredt war, nahm das Wort. Nun hört, wie er den Kaiser grüßte:

Möge Gott, der für uns gekreuzigt wurde, den guten alten Herzog Naims und alle Herren, die ich hier sehe, beschützen und erhalten! Dich aber, Kaiser Karl, möge er als einen Verräter und schlechten Herrscher verfluchen, weil Du uns herberufen hast durch gesiegelte Briefe, uns freies Geleite versprochen hast, und uns nun morden lassen willst, da wir kommen, Dir unsere Huldigung zu leisten!

Vasall, sprach der Kaiser, hüte Deine Zunge! Seit ich geboren, habe ich keinen Verrat getrieben. Hüte Deine Zunge, denn bei Gott, dem Könige des Paradieses, bei dem heiligen Dionysius und bei meinem weißen Bart, wenn Du Deine Worte nicht beweisen kannst, so sollst Du eines schimpflichen Todes sterben.

Herr Kaiser, sprach Hugo, so höret: ich bin Hugo, der Sohn des Herzogs Siegwin von Aquitanien, und das ist mein Bruder Gerhard.

Er schiebt seinen Bruder vor, den der Abt in seinen Armen unterstützt, er nimmt ihm den Mantel von Zobel ab, er legt das Seidengewand zur Seite, er bindet die Wunde auf, sie öffnet sich und das Blut strömt daraus hervor. Der Jüngling wird ohnmächtig, Kaiser Karl ist außer sich vor Leide.

Wehe, ruft er, er stirbt! O heilige Maria, was wird man von mir denken? Man wird es in aller Welt sagen, daß ich in meinem Alter und schon dem Tode nahe diese Verräterei angezettelt habe; aber Gott weiß, daß ich daran unschuldig bin. Wehe dem, der es gethan!

Er ruft einen weisen Arzt und spricht zu ihm: Untersuche die Wunde dieses Knaben und sieh zu, ob Du ihn noch retten kannst.

Der Arzt beugt sich herab, besieht, untersucht und spricht zum Kaiser: Seid getrost; noch vor einem Monat werde ich ihn Euch wiederherstellen.

Mit großer Freude hörte dies Kaiser Karl. Er ließ eine Kammer herrichten, wo man Gerhard auf einem guten Lager bettete.

Hugo, sprach nun der Kaiser, erzähle mir, wie hat sich das begeben?

Und nun erzählte ihm Hugo alles und schloß dann folgendermaßen: Was soll ich Euch sagen, Herr? Es war in der Notwehr, daß ich den tötete, der meinen Bruder angegriffen hatte; ich rufe den Abt und die Mönche alle, die ihn begleiten, zu Zeugen an. Ich bin an Euren Hof gekommen, um da Gerechtigkeit zu finden; ich bin einer Eurer Herzoge und ich unterwerfe mich dem Urteile von meinesgleichen.

Wohlan, Hugo, sprach Kaiser Karl, setze Dich auf eine dieser Bänke und trinke meinen weißen Wein aus goldenem Becher. Beim heiligen Vincentius, wer immer Dir diese Schlinge gelegt hat, ich will ihn, wenn er in meine Gewalt kommt, elend sterben lassen, verbrennen oder henken oder vierteilen. Selbst wenn Du meinen Sohn Karl, den ich so sehr liebe, getötet hättest, so dürftest Du nichts fürchten … Aber er sollte hier sein. Engelram und Walther, geht, meinen Sohn aufzusuchen.

Und sie gingen, in der ganzen Stadt nach ihm zu suchen.



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