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Zwölftes Kapitel.
Die Verschuldung.

. Hugo und die Seinen blieben noch einige Tage in Babylon. Er vermählte seine Base mit einem reichen Fürsten des Landes, der die Taufe angenommen hatte, und gab ihm das Reich des Galdis zur Verwaltung. Darauf nahmen die Franken Abschied und schifften sich auf dem Fahrzeug ein, das Oberon ihnen zurückgelassen hatte. Niemals sah man ein schöneres Schiff; es hatte große Zimmer und reichgeschmückte Kammern. Man sah darin in schönen Gemälden die ganze fränkische Geschichte von Chlodwig an, dem ersten christlichen Könige. Sie schafften große Vorräte an Brot und Fleisch hinein, dazu Wein und Zwieback und aller Arten Reichtümer. Nachdem sie auch ihre Rosse hineingebracht hatten, zogen sie die Segel auf. Der Wind war günstig und sie waren bald auf hoher See.

Sie setzten sich fröhlich zum Mahle, denn es fehlte ihnen nicht an guten Speisen, und der Humpen bot ihnen reichlich zu trinken.

O Gott! rief Hugo aus, ich bin wahrlich ein glücklicher Mensch! Ich besitze einen Humpen, der das Gold einer ganzen Stadt aufwiegt; ich habe eine unvergleichliche Rüstung; dieses Elfenbeinhorn verschafft mir jederzeit das allergrößte Heer, und, was das Allerbeste ist, ich habe die Tochter des Emirs Galdis, Klarmunde, die schönste Braut der Welt; sie ist mir hold und ich bin ihr von Herzen ergeben, und bei Gott! das will ich ihr auch sagen und sie umarmen. Dieser Zwerg neckt mich nur, da er mirs verbieten will; aber was braucht mich sein Verbot zu kümmern.

Als Gerhelm dies hörte, erhob er sich zitternd und rief:

Bist Du von Sinnen? Du weißt wohl, daß seine Worte sich immer bewährt haben; so wirst Du auch jetzt fürchterlich bestraft werden, wenn Du seine Warnung mißachtest.

Ich werde thun, was mir beliebt, antwortete Hugo Was aber Euch betrifft, so könnt Ihr ja diese Barke besteigen und mich verlassen, wenn Ihr so große Furcht habt.

Ja, sagte Gerhelm, das werde ich auch sicherlich thun. Ihr Herren, verlassen wir diesen Thoren da; er mag in sein Verderben stürzen!

Sie stiegen auch wirklich vom Schiff in die mitgeführte Barke hinüber, schafften Lebensmittel hinein und zerschnitten den Strick, der sie am Schiff festhielt.

Als Hugo mit seiner Braut allein war, da warf sich Klarmunde in Furcht und Verzweiflung zu Hugos Füßen und rief: Um Gottes Willen, Geliebter! Habe Mitleid mit Dir und mir! Verachte nicht das Wort Deines mächtigen Freundes.

Er aber sprach: Geliebte, ich werde nur das thun, was mein Herz spricht.

Als er sie aber in seine Arme nahm und ihr einen Kuß gab, da brach in einem Augenblick ein Gewitter, das sich schon einige Zeit vorher vorbereitet hatte, mit solcher Gewalt los, daß Wogen und Blitze das Fahrzeug zerschmetterten. Hugo konnte nur eben seine Braut fassen und mit ihr eine Planke ergreifen. Zu gleicher Zeit entschwand auch die Barke mit ihren Gefährten, vom Sturmwinde fortgerissen. Nach vielen Stunden der Todesangst wurde die Planke an das Ufer einer Insel geworfen; die beiden Liebenden fielen erschöpft von der Mühe auf den Strand; sie konnten nur einige Schritte machen und ließen sich dann auf den Rasen nieder.

Wehe! jammerte Klarmunde, das ist unser letzter Tag.

Hugo aber sagte tröstend: Die Verzweiflung führt zu nichts. Wir bleiben ungetrennt und werden mitsammen um so süßer sterben. Auch Tristan und Isolde starben so süßen Liebestod.

Da hörte Hugo einen Lärm nicht weit von dem Orte, wo sie waren. Es waren Seeräuber, die an der Insel gelandet hatten, um eine Zuflucht gegen den Sturm zu suchen. Sie hatten Lebensmittel bei sich und waren eben im Begriffe zu speisen. Hugo erhob sich und beobachtete sie aus der Entfernung.

Dann sagte er zu Klarmunde:

Bleibe ruhig hier! Ich werde hingehen und sie um Brot bitten.

Schnell eilte er auf sie zu und sprach sie also an:

Ihr Herren, Gott beschütze Euch! Gebt mir, ich bitte Euch, von Eurem Brot!

Jene antworteten: Das sollst Du haben; aber sag' uns, was Dich herführt.

Was sonst als der Sturm, erwiderte er.

Sie gaben ihm also von ihrem Brot und Hugo lief damit so schnell er konnte zu seiner Braut zurück, um ihr davon zu geben.

Die Seeräuber sprachen indessen zu einander:

Bei Mahomed! Wo mag der Junker herkommen? Er kann nicht allein sein. Wir sollten doch nachsehen, wer noch sonst mit ihm ist.

Sie folgten ihm heimlich und erreichten bald das Paar. Als der Führer der Bande Klarmunden erblickte, erkannte er sie sogleich, trat auf sie zu und rief:

Ha, Jungfräulein Klarmunde, bist Du's? Du, die ihren eigenen Vater hat umbringen lassen? Wir wollen Dich jetzt zu Deinem Oheim, dem König Ivorin bringen, der wird Dich nach Verdienst bestrafen. Und was diesen Schelm da betrifft, so wollen wir ihm gleich den Kopf abschneiden.

Jammernd rief Klarmunde: Ach, Ihr Herren, macht mit mir alles, was Ihr wollt, aber schonet sein!

Wohlan! sagten die Räuber, man wird ihn nicht töten, aber das ist auch alles, was wir Dir zuliebe thun können.

Sie ergriffen den Wehrlosen, rissen ihm alle Kleider vom Leibe, verbanden ihm die Augen, fesselten ihm die Fäuste und ließen ihn so hilflos am Strande zurück.

Die weinende und händeringende Klarmunde führten sie aber mit sich zum Schiff, das ihrer wartete, und bald waren sie in der Ferne verschwunden.

Der Wind verschlug sie von der Richtung, die sie einhalten wollten und zwang sie, im Hafen von Alfalerne Halt zu machen, im Reich des Emirs Galafer; sie warfen Anker gerade unter seinem großen Turm. Der Emir stand am Fenster, als er das Schiff landen sah; rasch stieg er hinab, um es zu besehen. Ihn begleiteten bewaffnete Ritter. Als er beim Schiff angekommen war, fragte er die Seeräuber, was für Handelsgüter sie hergebracht hätten.

Jene antworteten: Wir führen reiches Pelzwerk und reich gewirkte Seidenstoffe.

Und wer ist dies Weib, fragte der Emir weiter, und warum weint sie?

Herr, gaben die Räuber zur Antwort, das ist eine Sklavin, die wir gekauft haben.

Als Klarmunde dies hörte, rief sie laut: Herr, das ist nicht wahr; habe Mitleiden mit mir! Ich bin die Tochter des Emirs Galdis; ein Franke hat meinen Vater getötet und mich entführt, diese Leute aber wollen mich zu meinem Oheim schleppen, dem König Ivorin von Monbrank, und wenn ich in dessen Gewalt komme, so wird er mich töten lassen.

Fürchte nichts, sagte Galafer, Du wirst hier bleiben. Und im Tone des Befehls sagte er zu den Seeräubern: Gebt sogleich dieses Edelfräulein heraus!

Jene aber sagten: Nein, niemals!

Das wollen wir doch sehen, rief der Emir. Man ergreife diese Schurken!

Seine Mannen stiegen auf das Schiff; die Piraten verteidigten sich mit wütigem Grimme. Aber sie mußten der Ueberzahl erliegen; sie fielen alle, einen ausgenommen, der ans Land sprang und die Flucht ergriff.

Der Emir Galafer ließ Klarmunde zum Palaste führen und sprach zu ihr: Deine Schönheit, edle Prinzessin, hat mein Herz gewonnen. Du hast Deinen Vater verloren, der Emir war, wie ich selber; morgen will ich Dich heiraten.

Ach, Herr, sagte Klarmunde, das kann nicht sein. Als ich in Gefahr war, machte ich dem Mahomed das Gelübde, mich nicht vor zwei Jahren zu vermählen. Ich bereue es nun Deinetwegen, aber Du wirst mich nicht zur Verletzung dieses Gelübdes zwingen wollen.

Nein, sagte Galafer, bleibe hier in Sicherheit; wenn die Frist vorüber sein wird, sollst Du mein Weib werden.

O mein Jesus, seufzte Klarmunde ganz leise bei sich, hilf mir in dieser Prüfung! Aber ich will gern jede Marter erdulden, um meinem Freunde die Treue zu bewahren.

 

Indessen war der Seeräuber, der dem Blutbad seiner Genossen entronnen war, nach Monbrank geeilt. Er traf den König Ivorin in seiner Burg und erzählte ihm alles, was sich ereignet hatte: wie sein Bruder durch einen jungen Franken war getötet worden, der dann Klarmunden entführt hatte; wie die Piraten die beiden auf der Insel gefunden hatten; wie sie Klarmunden zu ihm nach Monbrank hatten bringen wollen; wie aber das Unwetter sie nach Alfalerne verschlagen hatte, und wie sich Galafer des Mädchens bemächtigte.

Ach, rief Ivorin, als er dies hörte, wie viel Unglück! Mein Bruder ermordet, meine Nichte gefangen! Aber Galafer ist mein Unterthan; er muß sie mir ausliefern.

Und sogleich befahl er einem Boten, zu Galafer hinzuziehen und seine Nichte von ihm zu verlangen.

Der Abgesandte kam nach Alfalerne, traf den Emir Galafer inmitten seines Hofes und sprach also zu ihm:

O Herr, der König Ivorin, Dein Lehensherr, befiehlt Dir, ihm seine Nichte auszuliefern, die Du in Deiner Gewalt halt. Wenn Du Dich dessen weigerst, so wird er alle seine Mannen versammeln und Dein Land verwüsten.

Mein Freund, sagte Galafer, höre mich wohl an! Der König Ivorin mag thun, wie ihm beliebt, aber um nichts in der Welt werde ich ihm jenes Jungfräulein zurückgeben.

Ist dies Dein letztes Wort?

Ja, bei Mahomed!

Der Abgesandte brachte diese Antwort dem Ivorin; dieser geriet darüber in helle Wut und schwor bei seinem Barte, daß er dem Galafer Reich und Leben nehmen werde. Wir werden ein wenig später von diesem Krieg sprechen; jetzt aber will ich Euch erst erzählen, was sich mit Hugo begab, den wir dort am Strande der Insel zurückgelassen haben, nackt und in großem Elend, mit gefesselten Händen und verbundenen Augen.

 

Oberon wußte das alles; er befand sich in seinem Forste mitten unter seinen reisigen Elfenscharen, und er begann bitterlich zu weinen.

Was hast Du, König? fragten ihn seine Holden.

Ich denke, sagte Oberon, an diesen armen Thoren, den sein Fehler so unglücklich gemacht hat, an diesen Hugo, den ich so sehr liebte. Mit meiner Hilfe hat er seinen Auftrag ausgeführt, er hat den Emir Galdis getötet und dessen Tochter Klarmunde errungen. Ich hatte ihm aber verboten, sich seiner Braut vor der Hochzeit zu nähern, und er hat mir nicht gehorcht; darum ist er in so tiefes Elend gesunken, daß er alles verloren hat, was ich ihm gegeben hatte, den guten Panzer, den goldenen Humpen, das Horn von Elfenbein und endlich Klarmunde selber. Er schmachtet jetzt auf ferner Insel, nackt mit gefesselten Händen und verbundenen Augen. Aber Gott möge ihn nur bestrafen! Er hat es wohl verdient; ich werde ihn nicht mehr erretten.

Als Malabrun, derselbe, der den Hugo über das Rote Meer hinüber gebracht hatte, dies hörte, ließ er sich vor seinem Herrn auf ein Knie nieder und sprach:

König Oberon, Du thust unrecht. Denn siehe: Gott hatte Adam und sein Weib Eva geschaffen, er hatte ihnen das ganze Paradies übergeben und nur eine einzige Frucht verboten. Dennoch aß Eva davon, durch den Teufel verleitet, und ließ auch Adam essen. Wenn nun Gott diesem Adam, den er selbst mit eigenen Händen schuf und ungehorsam erfand, verziehen hat, so sei doch Du nicht unbarmherziger; befreie den Jüngling!

Nein, sprach Oberon, ich werde es nicht thun.

So werde ich selber gehen, sagte Malabrun, wenn Du gestattest.

Oberon antwortete: Du kannst gehen, wenn Du willst, aber nur unter dieser Bedingung: Du bist seit dreißig Jahren ein Meerungeheuer, die Zeit Deiner Strafe sollte bald ablaufen; nun aber wirst Du es noch während dreißig folgender Jahre bleiben. Um diesen Preis magst Du ihn retten, da Du ihn so sehr liebst. Du sollst mir aber auch meine Rüstung, mein Horn und meinen Humpen zurückbringen; was Hugo betrifft, so magst Du ihn irgend wohin schaffen, Du mußt ihn aber dort so nackt lassen, wie Du ihn gefunden hast.

Ich willige in alles, sagte Malabrun. Doch wo finde ich den Jüngling?

Auf der Moses-Insel, drei kleine Meilen von der Hölle entfernt.

Wohlan, Herr, so gieb mir Urlaub! Nur sobald ich seine Rettung ausgerichtet haben werde, will ich zurückkehren.

Hugo lag ausgestreckt am Strand der Insel, Verzweiflung im Herzen, als er eine Stimme vernahm, die ihm zurief:

Wachst Du, Hugo, oder schläfst Du?

O, mein Gott! schrie er, wer spricht zu mir?

Einer, der Dich so sehr liebt, wie eine Mutter ihr Kind. Ich bin Malabrun, das Meerwunder, das Dich einst nach Babylon gebracht hat.

O, mein Bruder, sagte Hugo, komm herzu, löse meine Hände und meine Augen.

Malabrun that also. Als Hugo sich befreit sah, umarmte er zärtlich seinen Retter und sprach: Ach, süßer Freund, wer hat Dich hierher geschickt?

Oberon hat mir gestattet zu kommen, aber nur unter der Bedingung, daß ich noch dreißig Jahre lang ein Meerungetüm sein soll. Dir zu Liebe habe ich diese Verdopplung meiner Strafe auf mich genommen. Aber nun muß ich sogleich den Panzer, das Horn und den Humpen meinem Herrn zurückbringen. Er hat mirs geboten.

Gott verdamme ihn! sagte Hugo.

Sprich nicht also; er hört alles, was Du sagst.

Pfui über ihn! sagte Hugo; er hat mir zu viel des Leides angethan! Aber sage mir Bruder, willst Du mich hier lassen?

Nein; ich werde Dich an ein bewohntes Ufer bringen, und dann muß ich Dich verlassen.

Er schloff wieder in seine Fischhaut hinein, und Hugo setzte sich mit gekreuzten Beinen auf seinen Rücken.

In weniger Zeit, als ein Vogel braucht, um den Himmel zu durchkreuzen, setzte Malabrun den Hugo an einem einsamen Ufer ab und sprach zu ihm:

Gott befohlen! Mehr kann ich nicht für Dich thun; ich muß nun in der Meerestiefe nach der Rüstung, dem Horn und dem Humpen suchen.

Er tauchte wieder in die Fluten zurück, und Hugo blieb dort ganz allein.



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