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Amelung

An die Sage von Wolfdietrich schließt sich die von seinem Sohne Hugdietrich, von dem »Dietrichs Flucht« berichtet, und die große von seinem Enkel Amelung, den die nordischen Quellen, die Thidreksaga und die dänischen Volkslieder Samson oder Samsing nennen. Unsere süddeutschen Ueberlieferungen über Dietrichs Ahnen werden hier aufs wünschenswerteste durch die skandinavischen Berichte ergänzt. Amelung Samsing gewinnt Hildeswind, die Tochter des Herzogs von Salern, worunter doch wohl nicht das tirolische Salurn zu verstehen ist, sondern die unteritalienische Provinz, berühmt unter Langobarden und Normannen, mit der Stadt und dem auf einer Anhöhe liegenden Kastell. Amelungs Söhne sind Ermanrich, der nach ihm Kaiser zu Rom wird, Dietmar, der Elsungs Tochter Otilia und dessen Stadt Verona (Bern) erhält, und Diether. Dietmars Sohn ist der berühmte Dietrich von Bern. Zu ihm kommt Hildebrand, der Sohn des Herebrand von Venedig, als Freund und Erzieher. Die Sagen von dieser Generation werden den Hauptkern der folgenden Lieder bilden.

 

Nun ist denn tot gelegen Wolfdietrich lobelich;
So kam sein Sohn zum Reiche der junge Hugdietrich.
Der nahm von Alten Troje die reiche Königinne
Zu seinem Eheweibe, die schöne Siegeminne. Siehe Wolfdietrich und Siegeminne. Seite 146.
In ihres Vaters Lande er Arbeit um sie litt,
Mit auserwählter Mannheit er sie von ihm erstritt,
Bis er die edle Fraue hinbrachte in sein Reich.
Wohl fünfundvierzig Jahre lebt' er mit ihr zugleich.
Er hinterließ im Tode nur einen Sohn allein:
Jung Amelung so hieß er, der ward biderb und rein.
Sein Haar und Bart war dunkel wie Pech und überlang,
Er war an Wuchs ein Riese und auch an Kraft und Gang.
Lang war und breit sein Antlitz, gar grimmig sein Gesicht,
Die Brauen waren lange, so groß und schwarz und dicht,
Als ob zwei Raben säßen auf seinen Augen breit;
Sein Hals war dick, die Schultern die waren stark und weit.
Sein Arm war anzufühlen so hart wie Stock und Stein,
Die Hand war wohlgewachsen, weichfingrig, schön und fein.
Und zu den großen Kräften hatt' er Behendigkeit;
Zu guten Ritterspielen da war er stets bereit.
Er war gar mild und höflich mit allen, arm und reich,
Zum mindsten Manne sprach er so wie zum höchsten gleich.
Gar weise und scharfsinnig war er, vorsichtig auch,
Und mild und gar freigebig. Es war niemals sein Brauch,
Beistand und Gut zu sparen gegen die Freunde gar,
Wenn mächtige Not auch drohte und drängende Gefahr.
Er war so kühn und tapfer, daß er in keiner Not
Sich jemals fürchten mußte; er scheute nicht den Tod.
Er kämpfte oft mit vielen, doch nimmer kam's zum Streit,
Daß er die bess'ren Lose nicht hatte allezeit.
Fest waren sein Worte, und was er auch verhieß,
Ob gut es war, ob Böses, davon er nimmer ließ.
Von dem, was er sich vornahm, da ließ er nimmermehr,
Bevor es ganz vollführt war; er wär gestorben eh'r.
Durch alles dies zusammen ward schon sein Ruhm so hoch,
Daß ihn die Freunde lobten, die Feinde scheuten ihn doch.
Nimmer aber rühmte der Held sich einer That,
Und hörte schweigend, wenn man belobte, was er that.

Nun hebt hier an die Sage und sagt von einem Herrn,
Der Rodger war geheißen und herrschte in Salern.
Der hatte eine Tochter, die schöne Hildeswind;
Sie war der Maide schönste, die auf der Erde sind.
Sie war auch wohlerfahren in jeder Kunst und List,
Die besser zu besitzen als zu vermissen ist.
Gar hold war ihr der Vater, sie hatte aller Gunst
Ob ihrer Schönheit, Milde und allerhande Kunst.
Auch Amlung faßte Liebe zur Maid in seinem Mut,
Daß er sie haben wollte, es geh' bös oder gut.
So diente er dem Fürsten gar heimlich manches Jahr
Und stand in großer Ehre, wie zu erwarten war.
Drum daß ihn niemand kenne alldorten in Salern,
Ließ er sich Samsing nennen vom Volk und von dem Herrn.

Nun wars, daß eines Tages Rodger zu Tische saß,
Und vor ihm stand Herr Samsing; der Fürst des nicht vergaß,
Die besten Leckerbissen von seinem Tisch geschwind
Sandt er auf goldnen Schüsseln der schönen Hildeswind.
Samsing nahm diese Schüsseln, eine in jede Hand,
Trug sie davon und sagte zum Knappen hingewandt:
»Geh, nimm mein Roß und Waffen, und halte sie bereit,
Wenn ich aus diesem Hofe fortgeh, zur rechten Zeit!«
Nun ging der Ritter Samsing; man öffnet ihm das Thor,
Er ging hinaus die Feste zum höchsten Turm empor.
Da saß die schöne Jungfrau mit wenigen Frauen im Saal,
Er ging zu ihr, verneigte sich hold und sprach zumal:
»Heil, Jungfrau, dir und allen euch, die hier innen sind!«
Da grüßten ihn die Frauen. Die schöne Hildeswind
Bat ihn, mit ihr zu essen und auch zu trinken sodann.
Er that also und brachte bald seine Werbung an.
»Hör an, du edle Hildeswind, du bist so schön und fein,
Sag an, ob du willst werden die Allerliebste mein?«
Sie sprach: »Wie kann ich werden die Allerliebste dein?
Mein edler Vater gab mir schon einen Bräutigam fein.«
Er sprach: »Nein Jungfrau, sammle dein Gold in einen Schrein!
Du mußt mit mir; gesattelt ist schon das Grauroß mein.«

Und als das Mal vorüber, da nahm sie ihren Hort,
Und sprach zu ihren Frauen mit weinenden Augen das Wort:
»Hier ist nun Ritter Samsing gekommen mit dem Mut,
Daß er mich will entführen, es geh' bös oder gut.
Wie sollen wir das wehren, was er ausführen will?
Wär'n hier auch hundert Ritter, er scheute sie nicht viel.
Drum nahm ich die Kleinode und meinen Hort mit mir,
Wiewohl es eine Schande, mit einem Mann von hier
Mich also fortzustehlen, vom Vater und von euch
Und von den lieben Freunden, von aller Ehr zugleich.
Auch will ich euch nun bitten; daß ihr die That mit Fleiß
So lang als möglich hehlet dem Vater, denn ich weiß,
Daß er uns bald ereilet; und traf er uns im Feld,
So ist der Ritter Samsing ein so gewalt'ger Held,
Eh er sein Leben ließe, so müßt es wohl geschehn,
Daß ich viel liebe Freunde zur Erd' mag stürzen sehn.«

Da setzte Ritter Samsing die Maid auf seinen Arm
Und trug sie aus der Feste zu der Jungfrauen Harm.
Und als er aus dem Hofe heraus kam vor das Thor,
Da stund auch schon sein Knappe mit zweien Rossen davor,
Das eine mit dem Sattel, das andre für den Schatz.
Nun wappnete sich der Ritter, sprang auf mit einem Satz,
Und nahm dann seine Fraue vor sich auf seinen Schoß.
So ritt er rasch von dannen, denn die Gefahr war groß.

Sie ritten über die Gasse mit also leisem Schritt,
Daß man nicht hören konnte des guten Rosses Tritt.
Sie ritten über die Brücke so listig überall,
Daß niemand hören konnte der Rosseshufe Schall.
Und als sie drüben waren wohl oberhalb der Stadt,
Begegnet ihnen ein Ritter, der dort die Wache hat.
Herr Amlung schwang in die Höhe sein gutes Schwert mit Macht:
»Nun sag' dem Herzog Rodger, du Ritter, gute Nacht!«
Der Ritter hüllte vor Trauer das Haupt in sein Gewand,
So ging er vor den König zum Saal hin allzuhand,
Da sagte er dem König die neue Trauermär:
»Wohin hast du den Samfing geschickt, o König hehr?
Ihr sitzet hier im Saale und trinket Meth und Wein;
Fort ritt der Ritter Samsing mit deinem Töchterlein!«

Der König ließ gebieten allübrall seinen Bann:
»Wohlauf, ihr kühnen Helden, nun legt die Brünne an!
Wohlauf, ihr meine Mannen! Wer hätte das geglaubt?
Hildeswind, meine Tochter, ist mit Gewalt geraubt!
Wohlauf, ihr guten Mannen, nun gilt es jedenfalls,
Denn Samsing, ihr Verführer, hat einen harten Hals.
Ihr sollt im Lande reiten und scheuen keine Not,
Bis ihr mir Samsing bringet lebendig oder tot!«
Die Bocksfellstiefel legten die guten Helden an;
Von rotem Gold die Sporen, die schnallten sie daran.
Als auf die grüne Wiese sie kamen alsobald,
Wie ließen sie da springen die Rosse hin zum Wald!

Bald waren sie im Walde, der war ganz unbewohnt.
Da Amelung sich dachte, er bliebe dort verschont,
So hatte er ein Häuslein im Dickicht sich erbaut,
Dort dachte er zu wohnen in Frieden mit der Braut.
Nur seine alte Mutter, Frau Siegeminne, war
Am Orte, zu empfangen das junge Liebespaar.
Herr Amelung, der koste mit seinem Weibe eben:
»Nun schläfst du oder wachst du, mein schönes, junges Leben?«
Sie sprach: »Gar keine Ruhe kann ich bei dir gewinnen,
Die Furcht vor meinem Vater kommt mir nie aus den Sinnen.«

Das Wort der schönen Jungfrau war noch nicht halb gesagt,
Als schon des Königs Mannen zum Hofe kamen gejagt.
Und als die Reiter kamen beim Thor des Hauses an,
Stand außen seine Mutter und ruhte sich daran.
»Nun hör', du liebes Mütterchen, du bist so schön und fein,
Wo mag wohl Ritter Samsing allda zu finden sein?«
Sie sprach: »Samsing zog gestern aus dieser Burg fürwahr
Und wird nicht wieder kommen vor Julzeit dieses Jahr.«
Sie sprachen: »Willst du weisen uns Ritter Samsing hold,
So wollen wir dir geben das allerroteste Gold.«
Sie breiteten zur Erde einen blauen Mantel fein
Und legten ohne Säumen das rote Gold hinein.
Siegminne, seine Mutter, war nicht dem Helden hold;
Die Ueble, sie verkaufte ihn um das rote Gold.
Sie sprach: »Dein Gold, das rote, ist gut in meinem Schrein
Und Amelung der wilde ist schlimm dem Mütterlein.
Kann ich von euch empfangen das feuerrote Gold,
So will ich euch Hinweisen zum Ritter Samsing hold.
In unserm Hofe zu Norden da ist ein Haus gebaut,
Da liegt der Ritter Samsing mit seiner jungen Braut.«

Des Königs Mannen ritten in Samsings Hof sogleich,
Sie meinten zu gewinnen den Sieg mit einem Streich.
Sie stießen an die Thüre mit Spieß und Schwert und Schild.
»Bist du hier innen, Samsing, so geh heraus; es gilt!«
Er sprach: »Ich bin nicht Samsing, ich bin sein Gast im Schloß;
Im Stalle hängt mein Scharlach, steht mein gesattelt Roß.«
»Und gehst du, Ritter Samsing, nicht gleich zu uns heraus,
So brechen wir die Thüre, so brennen wir das Haus!«
Herr Amelung, der schaute zum Fenster da heraus:
»Wie sind doch euer viele, ich bin allein zum Strauß
Ihr guten Königsmannen, noch harret kurze Zeit,
Bis ich mich kleiden möge, bald bin euch bereit.«
Die junge Braut des Ritters, sie war ihm ohne Falsch,
Sie schnallte ihm die Brünne um seinen weißen Hals.

Herr Amlung sprang zum Fenster hinaus in das Gedräng,
Er machte weite Straße, wo's noch zuvor war eng,
Zuerst erschlug er viere, dann schlug er fünf zumal,
Darauf erschlug er dreißig, die andern flohen all.
Er hieb in sie so lange, bis müd schon war sein Mut;
Da stund der kühne Recke in fünfzig Ritter Blut.
Herr Amelung der gürtete sein Schwert sich an die Seiten,
Er wollte aus dem Hofe zu König Rodger reiten.
Und als er bei der Pforte des Hofes langte an,
Da stand noch seine Mutter und ruhte sich daran.
Er sprach: »O meine Mutter, du warst mir wenig hold,
Du wolltest mich verkaufen wohl für das rote Gold.«
Da langte Ritter Amelung sein gutes Schwert hervor,
Die eigne Mutter hieb er zu Stücken vor dem Thor.

Als nun Fürst Rodger hörte, wie dies vollendet ward,
Was Samsing unternommen, dazu auf welche Art,
Da härmte er sich lange und gar nicht wußte er,
Wie nun für diese Schande Rache zu nehmen wär'.
Er legte auf den Ritter den allerschwersten Bann,
Und hieß ihn gleich erschlagen, wo man ihn träfe an.

Als Amlung, der im Walde dort wohnte nahebei,
Erfuhr, daß er verwiesen und friedlos worden sei,
Da ritt er aus dem Walde zu Rodgers Höfen hie
Und schlug und brannte nieder alles, Mensch und Vieh;
Und was ihm in den Weg kam, das flüchtete sich bald.
Doch als er wieder kehrte zu seinem Haus im Wald,
Da kam mit sechzig Mannen Herr Rodger auf ihn los.
Sobald dies Amlung schaute, da wandte er sein Roß.
Er schlug es mit den Sporen und ritt gar kühnlich drein,
Er spannte Helm und Brünne und legte die Lanze ein.
Und mit dem ersten Stoße stieß einen Feind der Held
Durch Harnisch, Brust und Schultern und warf ihn auf das Feld.
Nun zog er aus der Scheide sein Schwert gar breit und lang,
Das beste aller Schwerter und schlug im ersten Schwang
Den Helden, der das Banner des Herzogs Rodger trug,
So daß er Bauch und Panzer ganz auseinander schlug;
Und auch die Bannerstange zerhieb er wie im Spiel,
So daß das schöne Banner hin auf die Erde fiel.
Und auf der andern Seite da hieb er einen gar
lieber den Sattelbogen durch seinen Harnisch dar,
So daß er in zwei Stücken hin zu der Erde fiel.
Nun machte er den Fürsten selber sich zum Ziel;
Er hieb ihm nach dem Halse durch Helm und Harnisch, schlug
Im selben Hieb des Rosses Kopf ab mitsamt dem Bug,
So daß zugleich hinsanken der Fürst und auch sein Roß.
In kurzem machte Amelung noch fünfzehn siegeslos,
Und hatte keine Wunde. Da floh die ganze Schar,
Der dünkte sich am wohlsten, der ihm am weitesten war.
Darauf ritt Ritter Amelung zu seiner Frauen bald;
Gar manchen Tag verweilte er dort im finstern Wald.

Die Ritter aber kamen wieder nach Salem
Und sagten von dem Falle der Mannen und des Herrn.
So war nun ohne Häuptling die Burg und auch das Reich.
Da ließ Herrn Rodgers Bruder, Herr Brunstein alsogleich
Ein Thing ansagen und wurde als König anerkannt.
Er ritt mit manchem Manne an manchem Tag durchs Land,
Herrn Samsing aufzusuchen, doch unerschrocken fuhr
Der Held in Brunsteins Höfe und schlug und raubte nur.

Schon hatte durch zwei Winter gedauert dieser Strauß,
Da ritt nach Samfing wieder der König Brunstein aus,
Und mit ihm hundert Ritter. Doch fand er ihn nicht bald.
Am Abend ritt der König zu einem Schloß am Wald
Und blieb die Nacht; doch Amelung kam hin um Mitternacht.
Nun war die Burg verschlossen, von Wächtern wohl bewacht.
Ein Dorf war bei dem Schlosse, dorthin ging Amlung schnelle,
Nahm Feuer mit und legte es an ein Haus zur Stelle.
Drauf nahm er lodernde Brände und schleuderte sie ins Schloß,
Bald brannten alle Gebäude; da war der Jammer groß.
Damit erwachten die Wächter; sie sprangen eilig auf
Und bliesen in die Hörner und riefen die Helden zuhauf.
Doch jeder, der erwachte, ergriff nur sein Gewand
Und einer trieb den andern zu flüchten ohn' Widerstand.
Der Ruf kam auch zum König; der kleidete sich bald,
Sprang auf sein Roß und jagte von dannen durch den Wald,
Und mit ihm noch sechs Ritter. Da rannte jeder Mann
So schnell er nur vermochte; sie wandten sich zum Tann.
Sie flohen fort zu Rosse oder auch ohne Roß,
Etliche wohl gewappnet, etliche kleiderlos.
Gar großen Schimpf und Schaden da König Brunstein nahm,
Amlung schlug viel zu Tode, bevor der Tag herkam.
Nun ritt der König Brunstein gar lang durch Wald und Au,
Er fand ein Haus und außen vorm Thor stund eine Frau.
Der König gleich erkannte, es wäre Hildeswind,
Die eigne Blutsverwandte; er fragte sie geschwind,
Warum im Wald sie wäre und wo ihr Liebster sei,
Und ob sie mit ihm wolle. Sie antwortet ihm frei:
»Herr, hier ist meine Herberg in diesem kleinen Haus,
Aber mein Herre Amelung ritt gestern abends aus,
Und wenn du ihn nicht sähest, so weiß ich nicht fürwahr,
Wohin er sei geritten. Wie aber kommst du dar
Zu diesem dunklen Walde? Was reitest du bei Nacht?
Dein Nachtlager, wo war es? Was hat dich hergebracht
So zeitig? Denn die Sonne ging eben erst herauf;
Man braucht nach diesem Walde wohl einen Tageslauf.«

Da antwortete König Brunstein von Salem:
»Frau, du hast wahr gesprochen; der Weg ist lang und fern.
Ich ritt zu diesem Walde wohl einen ganzen Tag.
Ein Schloß ist da mein eigen, wo ich zur Nachtzeit lag,
Und ich erwachte nicht eher, als bis das ganze Haus
In Feuer stand und Hörner mich mächtig riefen heraus.
Und da wir schliefen, waren wir hundert Männer doch,
Nun hab' ich in dem Walde nur die sechs Ritter noch.
Ich kann fürwahr nicht wissen, woher das Heer uns kam.
Da sprach die schöne Hildeswind zum König lobesam:
»Ist's also, wie ich wähne, hat Amelunges Hand
Die Mannen dir erschlagen, dazu dein Schloß verbrannt.«
Da sprach der König Brunstein zu Hildeswind der schönen:
»Fürwahr, du bist recht thöricht und unklug, so zu wähnen,
Daß Amlung hundert Hörner geblasen habe zugleich,
Und unser Schloß verbrannt hab. Nimm deine Schätze reich
Und fahr mit uns nach Hause! Zu lange warst du hier
Zur großen Schmach den Deinen, den Freunden, so wie dir!«
Da antwortet dem König die schöne Hildeswind:
»Ich denke nicht zu fahren mit dir so gar geschwind!
Du wirst zu thun bekommen noch mehr zu dieser Frist.
Sprich nur zuerst mit jenem, der da gekommen ist!«

Und jetzo sah der König, wie Amlung ritt herzu.
Sie sprengten aufeinander und zogen die Schwerter im Nu,
Da hieb Amlung dem König durch Helm zugleich und Haupt,
Daß er vom Rosse stürzte, des Lebens schier beraubt.
Und mit dem nächsten Schlage traf er den zweiten auch.
Den dritten Ritter rannte er mitten durch den Bauch.
Da flohn die andern. Amelung verfolgte sie im Flug
Und ließ nicht eher von ihnen, bis er noch zwei erschlug.
Nur einer sollte entkommen mit einer Wunde schwer,
Der kam heim in die Halle und sagte diese Mär,
Wie Amlung mit dem König pflag der Zusammenfahrt,
Und auch auf welche Weise der Streit geschlichtet ward.
Und alle, die das hörten, die sagten, daß kein Mann
Mit Amelung, dem Ritter, sich je vergleichen kann.

Nun kam zurück Herr Amelung und sprach zu seiner Frau:
»Schon allzulange sind wir allhier in dieser Au.
Nicht länger hier im Walde verweil' und berg ich mich;
Nimm alle deine Schätze, mein Lieb, bereite dich!«
Und also that die Fraue, drei Rosse nahm er gleich,
Die er belud mit Golde und manchem Kleinod reich.
Dann brachte er ein viertes zur Fahrt für Hildeswind,
Er selbst bestieg ein fünftes und ritt dahin geschwind.

Nun ist davon zu sagen, daß dieses kühne Paar
Hinritt, bis daß es nimmer weit aus dem Walde war.
Da sahn sie im Gereute zwölf Männer licht und groß
Ihnen entgegenreiten, jeden auf hohem Roß,
Mit manchem breiten Schilde, mit Helm und dickem Speer;
Sie selber waren herrlich und ritten schnell einher.
Da sprach der Degen Amelung zu seiner Frauen zart:
»Wer sind wohl diese Ritter, die reiten solche Fahrt?«
Da sprach zu ihrem Manne die schöne Hildeswind:
»Gemahl und Herr, ich weiß nicht, wer diese Männer sind.
Fürwahr, sie reiten stattlich einher auf dieser Fahrt.
Solltest du nicht erkennen, ihr Wappen, ihre Art?«
Da antwortete Amelung der Frauen minniglich:
»Sie kenn ich nicht, jedennoch die Wappen kenne ich.
Der vorderste der Männer hat einen roten Schild,
Drauf einen goldnen Löwen, und dieses Wappenbild
Das führte stets mein Vater und sein Bruder Dietmar.
Dasselbe Wappen führet auch mein Schild immerdar.
Daran mag ich erkennen, daß die mir Freunde sind.«

Indessen kamen jene noch näher gar geschwind.
Da fragt' er, wer sie wären, die Männer, und woher,
Wohin sie fahren wollten. Da sprach ihr Hauptmann hehr:
»Wir sind schon weit geritten, viel langen Weg hieher,
Und gut ist's, daß wir rückwärts nicht kehrten schon vorher,
Dieweil wir nun erreichen unser gewünschtes Ziel.
Wir haben längst erfahren von deiner Arbeit viel,
Mit welchen starken Gegnern dir hier zu schaffen sei,
Wie wenige deiner Freunde dir dazu standen bei.
Doch du bist unser Blutsfreund, mein Amelung, fürwahr
Wenn ich dich recht erkenne, und ich bin dein Dietmar,
Dein Vaterbruder; dies sind die beiden Söhne mein:
All deine Freunde mögen wir fern und nahe sein.
Wir suchten nach dir lange, weil wir dir hülfen gern.«
Da dankte Ritter Amelung gar freundlich diesen Herrn.

Nun ritten sie zusammen nach einer Stadt alsbald,
Die hatte König Rodger vorher in der Gewalt.
Die Bürger sahn sie nicht eher, als bis sie waren im Thor,
Da merkten erst die Leute, Herr Amlung sei davor,
Der König Rodgern, Brunstein und manchen andern Mann
Im Kampf erschlagen hatte, und sie bedachten dann,
Wie große Heldenwerke er wirkte immerdar
Und welch gewaltger Recke der Held in allem war,
Und wie sie ohne Herren wären zu dieser Zeit;
Da gingen ihre Weisen zu Rate allbereit.
Und ehe sie sich trennten, faßten sie den Beschluß,
Daß man mit diesem Helden sich wohl vergleichen muß.
Drauf gingen mit Gefolge sie stattlich zu ihm hin
Und fanden ihn mit den Seinen in einem Saale drin;
Da hatte er Herberge. Da boten sich alsbald
Die Bürger auf den Knien dem Herrn in seine Gewalt,
Daß sie Dienstmannen würden und er ihr Häuptling sei,
Auch wollten sie ihm geben die Burg und Macht dabei.
Die Rede nahm Herr Amelung gar günstig auf, der Held.
Drauf ward ein Thing gehalten und er zum Herzog erwählt.

Bald drauf ritt Herzog Amelung heraus aus seinem Schloß
Und mit ihm noch fünf Ritter und anderer großer Troß.
Er ritt zu einer Burg hin, die noch viel reicher war.
Da schickte er zur Feste einige seiner Schar,
Daß sie sich sollten ergeben oder wehren der Gewalt.
Als dies die Bürger hörten, berieten sie sich bald,
Und hielten eine Versammlung. Vor allem Volke dann
Hielt eine lange Rede ein wohlberedter Mann:
»Wie manche Heldenthaten Herr Amelung vollbracht,
Wie Burgen er und Länder gewonnen habe mit Macht,
Wie milde und leutselig und gegen Freunde gut
Er sei, doch gegen Feinde gar grimm und hartgemut.
Wie standmutig er wäre in Thaten manigfalt,
Wie übel er dem Rodger und Brunstein habe bezahlt.
Dasselbe hätten die Bürger von ihm jetzt zu erfahren,
Denn sie vermöchten nimmer sich gegen ihn zu wahren.
Drum rat' ich, daß aufs beste man ihn empfangen soll.«
Damit schloß er die Rede. Das dünkte die andern wohl.
Daß er dagegen spräche, so kühn war keiner da.
Und als man Herzog Amelung zur Burg Herkommen sah,
Da waren die Thore offen und er ritt mit dem Heer in die Stadt.
Da ward ein Thing gehalten und ihm im vollen Rat
Die Herrschaft überlassen und alles Land fortan,
Auch boten ihm die Bürger den Königsnamen an.
Doch wollte er nicht heißen nur König in der Ferne,
Bevor er aufgerichtet sein Banner in Salerne.

In jener Burg verweilte fünf Tage Amelung,
Und als er nun Herausritt, der Degen kühn und jung,
Hatt' er zweitausend Ritter und einen großen Troß.
Die führt' er gen Salerne; da war nicht Burg noch Schloß
Auf seinem Weg, daß sich nicht ergeben hätte gern.
Nun sankt' er seine Boten voraus hin nach Salern,
Und ließ den Bürgern künden die Botschaft also frei,
Er wolle die Burg besitzen, wie es auch immer sei,
Wohlfeil oder teuer, und daß er fallen wollte
Mit seinem Heere eher, als daß er weichen sollte.

Ob dieser Zeitung waren die Bürger sehr betroffen,
Und hielten miteinander Ratschläge viel, teils offen,
Teils heimlich und im stillen; und so auf diese Art
Ward manchen Tag geraten, eh' was beschlossen ward.
Als nun die Bürger hörten, daß er schon nahe weile,
Da ritten sie zusammen hin vor die Burg in Eile
In Waffen und Kriegsgewanden, mit ihren Fahnen all,
In ihrer besten Rüstung, mit Prangen und mit Schall
Und allerlei Ergötzung, auch manchem Saitenspiel,
Mit Harfen, Fiedeln, Geigen, und dazu Trommeln viel.
Und als dem Herzog Amelung sie nahten vor dem Thor,
Stiegen sie von den Rossen, die Vornehmsten zuvor,
Demnächst auch alle Ritter und gaben alsobald
Die Burg und auch sich selber in Amelungs Gewalt.
Der Herzog dankte ihnen für ihren Willen so
Dann stiegen alle wieder auf ihre Rosse froh
Und folgten ihrem Herzog zur Burg und Königshalle,
Setzten ihn auf den Hochsitz und gaben ihm dann alle
Den rechten Königsnamen, und öffneten ihm den Hort,
Den Rodger einst besessen und Brunstein an dem Ort.
Drauf sandte der König Boten wohl über all das Reich,
Das Brunstein hatte besessen, daß alle Mannen sogleich
Nun vor ihn kommen sollten, dem Königsdienste nach;
Und keiner war so kühne, daß er dagegen sprach.

So herrschte König Amelung im Reiche weit und breit.
Davon wird noch gesungen, daß er in dieser Zeit
Ein Söhnelein erzeugte mit der Frau Hildeswind,
Das Ermanrich genannt ward. Es wuchs das edle Kind
Und ward gar stark und wacker; der König liebt' es sehr.
Herr Amelung vergrößerte sein Reich noch immermehr.
Er fuhr weit über die Lande, besiegte Westerland Portugal.
Und viele andre Reiche, der er sich unterwand.

Es zeugte König Amelung noch einen andern Sohn
Von einem Kebsweib; Dietmar hieß er, wie einst sein Ohm.
Und als der Knabe aufwuchs, da ward er klug und groß
Und männlich wie sein Vater, ein guter Heldengenoß

Nun ward der König Amelung zu einem alten Mann,
Und Ermanrich erwachsen, ein Jüngling lobesan.
Dietmar war fünfzehn Winter. Und eines Tags geschahs,
Daß Amelung der König auf seinem Hochsitz saß,
Und vor ihm stand und diente sein Sohn Ermanarich;
Da sprach der König Amelung zum Sohne lobelich:
»Mein Sohn, ich will nicht länger, daß du hier dienst im Land,
Ich will ein Reich dir geben westwärts in Spanienland
Ueber zwölf starke Burgen, die ich gewonnen habe.
Erobre dir noch mehre; auch mir wards nicht zur Gabe.«
Als dies der junge Dietmar vernahm, trat er darnach
Vor seinen Vater, neigte sich gegen ihn und sprach:
»Nun giebst du deinem Sohne Ermanarich ein Reich;
Sonst ward doch stets geteilet zwischen uns beiden gleich.
Drum mögst du dieses bessern noch jetzo alsobald
Und mir auch höhern Namen verleihn und mehr Gewalt!«
Der König Amlung hörte des Jünglings Rede an;
Er sprach kein Wort, nein, blickte den Knaben zornig an.
Als Dietmar keine Antwort erhielt vom König dort,
Da ging er schweigend wieder an seinen frühern Ort.

Herr Amelung saß einmal in seinem prächtigsten Saal
Auf seinem Hochsitz, alle die Ritter mit beim Mal,
Der Saal war schön umhangen, die Tische reich an Kost,
Da gabs zu trinken weißen Wein und dazu roten Most.
Auf seinem eignen Tische war alles von Silber und Gold,
Vor ihm mit großen Gefäßen standen drei Schenken hold.
Mittag war's und die Sonne schien durch die Fenster ein,
Und breitete über die Halle, die ganze, lichten Schein.
Auch war da alle Kurzweil, so man erdenken mag.
Da streckte König Amelung die Hände aus und sprach:
»Nun fast ich zwanzig Winter im Reiche ruhig schier,
Und alle meine Mannen die halten Frieden hier.
Ich habe nicht erweitert in dieser Zeit das Reich,
Nicht steht mehr unsre Ehre, den hohen Ahnen gleich.
In unserm Saale waltet wohl Herrlichkeit und Pracht,
Er strahlt von wackren Degen und teurer Mannen Macht.
Auch ist er wohlgeschmücket, manch' Spiel ist hier bereit,
Doch viel hat sich verändert seit jener früheren Zeit.
So schwarz als wie ein Rabe war sonst mein Bart und Haar,
Und weist ist jetzo beides, wie eine Taube gar.
Mein Arm war rot und blau sonst, und jetzo ist er weiß.
Was mag davon die Schuld sein? Mein Harnisch, kam mit Fleiß
Mir sonst ein Vierteljahr lang nicht von dem Leibe ja,
Desgleichen meinen Rittern, die Schwerter waren da
Von starken Hieben schartig, von frischem Blute rot,
Jetzt scheinen sie vom Roste nur schartig mehr und rot.
Nun ist mein Helm verrostet, zerborsten ist mein Schild.
Wo sind nun unsre Hengste, die durch das Feuer wild
Einst liefen? Einen Zelter nun jeder reiten will,
So sanft, daß jede Feder bleib' auf dem Helme still.
Doch was bedeutet anders dies weiße Taubenhaar,
Als daß, wie wohl ich sitze auf meinem Hochsitz klar,
Und nicht heraus will kommen aus meiner Burg Salern,
Ich doch von hier muß fahren, wie all die andern Herrn.
Dann aber wenn ich tot bin, ist auch die Ehre tot
Durch unser Ruheleben. Nur Heldenkämpfe und Not
Sind immer frisch und dauernd, ob tausend Winter vergehn.
Drum will ich keinen Tag mehr hier in Salern bestehn.
Auch laß ich laut verkünden wohl über all mein Reich,
Königen, Herzogen, Grafen und allem Volk zugleich,
Daß sie sich in drei Monden bereiten zu der Fahrt.
Auch will ich noch drei Männer bestellen edler Art
In jeder Stadt, die sollen mit eiferlichem Mut
Die Rosse wohl zureiten, die Sättel rüsten gut,
Die Waffen blank auch machen, so wie sie vormals waren,
Und wenn die Zeit verstrichen, sollen alle zu mir fahren.«

Nun ließ auch Briefe schreiben der König Amelung
Und gab sie gleich sechs Rittern, wohl gerüstet und jung;
Im Briefe stand geschrieben: »Der König Amelung
Schickt Botschaft an den mächtigen langbärtigen Elsung;
Du hast zu lang versäumet, uns Ehre zu bezeigen
Durch Schatzung und Gesandtschaft, drum sollst du uns zu eigen
Dein Töchterlein herschicken, die soll mein jüngrer Sohn
Zum Kebsweib dann bekommen, daß sie stets bei ihm wohn'.
Auch sende sechzig Mägde, edel und wohlgethan
Und sechzig Rittersleute gar schön und lobesan
Mit ihrer besten Rüstung; und jeder Ritter soll
Zwei gute Rosse haben und einen Knappen wohl.
Auch sechzig gute Sperber sollst du noch senden mir,
Alle wohl abgerichtet, und sechzig Hunde schier,
Und der beste dieser Hunde, der trag' ein Goldband zart,
Das Seil dran sei geflochten aus deinem langen Bart,
Auf daß du wissest, mächtiger sei Amelung als du.
Und willst du's nicht, so rüste im dritten Mond dich zu
Mit deinen festen Burgen, dazu mit Mann und Pferd,
Damit man sehen möge, wie ihr euch tapfer wehrt!«

Mit diesem Briefe fuhren des Weges jene Herrn.
Bis daß zur Burg sie kamen, die heißt das wälsche Bern. Verona.
Dort herrschte König Elsung. Die Ritter kamen dar.
Der König saß bei Tische; da brachte ihm die Schar
Den Brief mit Amlungs Siegel; sie überreichten ihn.
Da nahm den Brief der König und las selber darin.
Doch als er gelesen hatte, da ward er rot wie Blut,
Und sprach zu seinen Mannen also mit Heldenmut:
»Uns hat Botschaft gesendet der König Amlung hier,
Daß ich ihm Schatzung gebe; er fordert jetzo schier
Von uns so üble Dinge, da wir nun sind bei Jahren,
Die wir doch nie gewährten, als wir noch jünger waren.
Ich soll mit Schmach ihm dienen und seine Feindschaft haben!
Doch eh' ich ihm das gebe, was er verlangt zu Gaben,
Soll jede Burg zerbrochen werden in meinem Reich
Und mancher Ritter hauptlos: eh' sterb' ich selber gleich!«
Da ließ er die Ritter sahen und gleich den Führer der Schal
Am höchsten Baum aufhängen, der da zu finden war.
Viere verloren die Köpfe, der sechste die rechte Hand,
Das war von ihnen der kleinste, der wurde heimgesandt.
Drauf ließ er seine Burgen mit Wall und Graben versehn,
Und über allen Thoren mußt gutes Wurfzeug stehn.
Die Ritter ließ er rüsten mit Heergerät und Roß;
Da war in seinem Reiche der Mut und Eifer groß.

Der Ritter aber kehrte heimwärts nach Salern
Und sagte von der Botschaft Amelung, seinem Herrn.
Als Amelung dies hörte, that er in seinem Mut,
Als hab' er nichts vernommen, es wäre bös oder gut.
Und als nun die drei Monde nicht mehr dem Ende fern.
Da zog ein mächtig Kriegsheer zusammen in Salern.
Darauf ritt König Amelung aus seiner Burg von dannen,
Drei Könige, viel Herzöge und andre Lehensmannen.
Wohl fünfzehntausend Ritter folgten ihm allzuhand.
Dies Heer nun führte Amelung in König Elsungs Land.
Als er im Land zwei Tage herumgefahren war,
Da kam ihm auch entgegen Herrn Elsungs Heeresschar.
Der hatte zehntausend Ritter und sonst ein großes Heer;
Viel Helden waren mit ihm und Volk von weit umher,
Von Norden über den Bergen aus Schwaben und Ungerland.
Als sie zusammentrafen, ein harter Sturm entstand.
Voran ritt König Amelung und seine Söhne beide,
Ermanarich und Dietmar ritten an seiner Seite.
Und Amlung schlug der Rosse und Mannen alsoviel,
Daß ihm zu beiden Seiten eins übers andre fiel.
So ritt er vorwärts mitten in seines Feindes Heer;
Blutig war seine Rüstung, sein Roß war's noch viel mehr
Sein Schwert schwang er so mächtig, daß laut die Klinge klang,
Und man im ganzen Heere nur hörte ihren Sang.
Da rief der König Amlung über die Feinde her:
»Wenn ich auch ganz alleinig ins Heer geritten wär'
Und hätte keine Mannen, doch müßte meine Hand
Herrn Elsungs Mannen schlagen allsamt in seinem Land!«
Seine Stimme scholl entsetzlich, erschreckend war sein Ruf.

Als aber Elsung schaute den Schaden, den er schuf,
Und daß er nichts ausrichte, da rief er laut hinein:
»Dringt tapfer, meine Mannen, dringt in die Feinde ein!
Dann ist der Sieg wohl unser und ihrer ist der Tod!
Denn unsre Streiter fechten viel besser in der Not.
Und dieser harte Drache empfange den Todesstreich,
Oder ich selbst will fallen. Entscheide sich's sogleich!«
Da schlug der König Elsung sein Roß wohl mit dem Sporn
Und ritt hin gegen Amelung allein in grimmem Zorn
Er hieb den Schild des Feindes entzwei von oben an,
Im zweiten Hiebe traf er die linke Achsel dann,
So daß die Ringe rissen und wund ward Amelung.
Doch schnell traf dieser wieder den Hals des Herrn Elsung,
So daß der Kopf hinabfiel. Da nahm Amlung den Kopf
Und hub ihn in die Höhe bei seinem weißen Schopf
Und fragte Elsungs Mannen: »Erkennt ihr wohl dies Haupt?
So stehet ab vom Streite, denn es ist Elsungs Haupt!«
Da endete das Streiten nach Elsungs Fall alsbald,
Und Elsungs Mannen kehrten in Amelungs Gewalt.
Darauf ritt König Amelung mit seinem Heer gen Bern.
Und niemand war so kühne weder nah noch fern,
Die Burgen oder Schlösser zu wehren in dem Land.
Und als er kam vor Berne, da waren schon zuhand
Die Thore aufgeschlossen, und sieh, der Bürger viel
Gingen ihm entgegen mit Sang und Saitenspiel.
Die Schätze König Elsungs, die zeigten sie ihm bald
Und übergaben alles in Amelungs Gewalt.

Nun ließ der König Amelung in Bern ein Mahl bereiten
Und bei dem Mahle gab er vor allen seinen Leuten
Otilia, Elsungs Tochter, als Weib in Dietmars Hand,
Gab ihm den Königsnamen mit Bern und Elsungs Land,
Dazu noch Langobarden und auch das Oesterreich,
Friaul und römische Erde, das Innthal auch zugleich.
Ermanarich dem König, dem gab der Herre stark
Apulien und Kalaber und dazu Wernhers Mark.
Dem dritten Sohne Diether, des Mutter unedel war,
Dem gab er Baiern, Breisach und Herzogsnamen klar.

Wierauf fuhr König Amelung mit König Ermanrich
Nach Romburg gegen Süden. Der König lobelich,
Der starb aus diesem Zuge. Ermanarich, sein Sohn,
Besaß nun alle Lande. Er zog darauf gen Rom.
Der beste Teil von Romburg der wurde sein Gewinn
Und andre starke Burgen bis gen Apulien hin.
Er gewann auch viel des Reiches von Griechenlandes Meer
Bis nordwärts ans Gebirge und viele Inseln umher.
Er ward der größte König seit langem weit und breit
Und war beliebt und friedsam in seiner ersten Zeit.

Der König Dietmar herrschte auch mächtig über Bern;
Er war ein kühner Degen und ruhmreich nah und fern,
Weise und klug im Herrschen, ein tapfrer Kriegesheld
Und mild und gar freigebig, beliebt bei aller Welt.
Otilia, seine Gattin, war freundlich und auch weis',
Die trefflichste der Frauen, man gab ihr stets den Preis.
Ein Sohn ward ihr geboren, den hieß man Dieterich;
Als dieser Knabe heranwuchs, da ward er sicherlich
Der größte aller Recken im Land zu seiner Zeit,
Und doch war er kein Riese. Sein Antlitz war lang und breit,
Scharf waren seine Augen und waren dunkelbraun,
Sein Haar war stark und schöner als geschlagnes Gold zu schaun,
Und wallte herab in Locken allseits in schöner Art;
So alt er je auch wurde, er hatte keinen Bart.
Seine Schultern maßen zwei Ellen, die Arme waren so hart
Wie Stein und dick wie ein Baumstamm, die Hand war schön und zart.
Er war um seine Mitte gar wohl gewachsen und schmal,
Doch seine Hüften und Schenkel waren so dick zumal,
Daß es ein Wunder däuchte; schön war auch sein Fuß,
Stark seine Waden und Knöchel, wie ein Held haben muß.
So groß war seine Stärke, daß sie noch niemand, traun,
Hat ganz ermessen können; er wußt' es selber kaum.
Er war auch heiter und freundlich, freigiebig und mild,
Daß er an seinen Freunden nichts sparte noch behielt,
Nicht Schätze noch Kleinode, nicht Silber und nicht Gold
Noch andres gegen niemand, der es nur haben wollt'.
Das sagten alle Männer, die Amelung hatten gesehn,
Daß an Gestalt und Tugend ihm Dietrich gleich macht' stehn.
Die aber König Amelung niemals hatten gekannt,
Meinten, daß so wie Dietrich noch nie ein Mann erstand.
Dietmar schlug ihn zum Ritter, da er zwölf Winter war,
Und setzte ihn zum Häuptling über der Ritter Schar.

Da war auch Herzog Berchtung von Venedig und Meran,
Der Tapfere und Strenge, Wolfdieterichs Dienstmann.
Zwei seiner Söhne waren Berchther und Herebrand,
Die wurden dann Herzöge von Venedig und Schwabenland. Vergl. S. 275; die Sage schaltet damit freier.
Berchters Sohn war Reginbald, Sintram war dessen Sohn;
Es wird noch in der Folge die Rede sein davon.
Der Herzog Herbrand hatte zum Sohn den Hildebrand;
Als dieser fünfzehn Winter alt war, trat er zuhand
Vor den Hochsitz seines Vaters, der ihn zum Ritter schlug
Und über alle andern zum Häuptling setzte mit Fug.
Der wackerste der Männer war Ritter Hildebrand,
In ritterlichen Künsten geübt mit starker Hand.
Er war groß, lang und mächtig, gar schön und wohlgemut,
Breit war und licht sein Antlitz, die Augen wundergut,
Die Nase wohlgebildet, sein Haar und Bart durchaus
Goldgelb wie reine Seide, wie Hobelspähne kraus.
Er war von allen Männern der ansehnlichste Mann,
Dabei bescheiden, weise, ein guter Rather dann.
Er war fest in der Freundschaft, so daß er nimmermehr
Den Freund verlassen wollte, auch mild und freundlich sehr.

Als aber dreißig Jahre war Ritter Hildebrand,
Sprach er zu seinem Vater, dem Herzog Herebrand:
»Nun will ich großer Männer berühmte Sitten lernen;
Nicht kann ich Ruhm erwerben, wollt ich mich nie entfernen
Aus unsrer Stadt Venedig, oder nach Schwabenland
Zu meinem Oheim Berchther sollt werden hingesandt.«
Da fragte Herzog Herbrand, wohin er fahren wollt'.
Da antwortete Hildebrand dem edlen Vater hold:
»Ich hörte von einem König, der Weg hin ist nicht lang;
Das ist Dietmar von Berne, dahin sei erst mein Gang.«

Dann rüstete er sich selber, mit ihm zwölf Rittersmann,
Die waren alle wacker und herrlich angethan.
Nun ritt er seines Weges, der kühne Hildebrand,
Bis daß er kam nach Berne und König Dietmarn fand.
Der nahm ihn auf mit Ehren und setzt ihn neben sich;
So war er lang beim König Herrn Dietmar lobelich.

Als Dietrich, Sohn des Dietmar, ward sieben Winter alt,
Da setzte ihn Herr Hildebrand zu sich und alsobald
Pflegte er sein in Treuen, bis er zwölf Winter war,
Da wurde er am Hofe gemacht zum Ritter klar.
Und jeder war dem andern in Liebe zugewandt,
Daß nie sich Männer liebten wie Dietrich und Hildebrand.


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