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Ortnids Meerfahrt

Alberich der Zwergkönig hilft dem Kaiser Ortnid die Tochter des Heidenfürsten in Montabor zum Weibe gewinnen.

 

So harrte König Ortnid, bis daß umkam das Jahr.
Die mit ihm fahren sollten, die kamen alle dar.
Dem Burggrafen empfahl nun der König Mutter und Land.
Die Herren schwuren ihm Hulde. Urlaub nahm er zuhand
Mit seinen Schargenossen von der edlen Königin
Und fuhr mit seinen Holden zum Hafen von Messin Messina..
Gar minniglich empfing ihn dort Zachareis, sein Mann.
Die Kiele waren bereitet; da hub die Fahrt sich an.
Ihm waren auf drei Jahre die Kiele wohl geladen.
Die Anker sie da lösten und flossen von den Gestaden.
So fuhren sie mit Freuden, Herr Ortnid und sein Heer,
Am zwölften Morgen kam er hinüber übers Meer.
Hoch an des Mastbaums Ende ein Marner oben trat,
Er sah die Burg zu Suders Tyrus (Sur) oder Sidon?, des Heidenkönigs Stadt.

Da sprach der König Ortnid: »Uns fehlet Kunde wohl;
Wie gern ich fürbaß führe, ich weiß nicht, wo ich soll.
Der mir da helfen sollte von allen Sorgen mein,
Der ist mir allzu ferne, ich hab' vergessen sein.«

Er sah umher mit Jammer und klagte bitterlich;
Da stand bei ihm sein Vater, der König Alberich.
Nun ward der König Ortnid so heiter und so froh,
Daß er vergaß der Sorgen. Voll Freude rief er so:
»Mein Vater und mein Herre, wer hat dich hergebracht?
Nun will allerst ich lachen; das war mir ungedacht.«
Er hub ihn auf die Arme und küßt ihn tausendmal.
Mit Züchten sprach da Albrich mit Küssen ohne Zahl:
»Dir ist nicht kund die Treue, die ich zu dir muß fassen!
Du lässest mich gar leichtlich, so will ich dich nicht lassen.
Du hattest mein vergessen, doch dein vergaß ich nie.
Empfang mich, wie du wollest, ich bin doch bei dir hie!
Ihr sollt mir alle folgen, das ist euch wahrlich gut,
Wenn ihr nach Freundes Rate und meinem Willen thut.
Ein König mag wohl lügen in seines Leibes Not,
Gefüge Rede gehöret viel häufig für den Tod.
Wer dich der Märe frage, von wannen die Kiele kommen,
Dem sag, du seist ein Kaufmann; das wird dir sicher frommen.«

Da sprach der König Ortnid: »Mein Vater hold und licht,
Ich spräch mit ihnen gerne, kann doch die Sprache nicht.«
Da sprach das wilde Zwerglein, Herr Alberich sogleich:
»So muß ich dich sie lehren, mein guter König reich.
Willst du mirs immer danken, geb' ich dir diesen Stein,
Der dich die Sprache lehre, sie mag wie immer sein.
Wenn deine Zunge beschließet den Stein in deinem Mund,
Was man wider dich sprichet, das ist dir alles kund.«
Den Mund hielt auf Herr Ortnid, bis er den Stein verbarg,
Und wollte nun versuchen des Steines Kräfte stark.
Er ging in froher Eile oben an Schiffes Bord,
Da glaubt' er zu vernehmen aller Leute Wort.

ierzig Raubgaleeren flossen auf der See.
Die Segel rauschten mächtig, sie waren weiß wie Schnee
Beidenthalb der Kiele. Da rief der Barkner dort:
»Wer seid ihr und von wannen? Das sagt mir alsofort!«
Da winkte, daß sich bergten die Leute unters Dach
Mit Helmen und mit Schilden, der König Ortnid und sprach:
»Helft mir hin zu der Mauer, ich bin ein Kaufmann, traun,
Und führe reichen Kaufschatz, den besten, der zu schaun.
Ich führe von Kerlingen Frankreich. das allerbeste Gewand,
Das ich bei Wälschen immer in allen Städten fand.
Davon hab' ich die Kiele gefüllt und wohlgeladen.
Nun bringet mir Geleite und helft mir zu den Gestaden!«
Da sprachen die fremden Schiffer: »So fahret denn herein!
Wer solche Waren bringet, der soll willkommen sein.
Wollt ihr landen, so fahret in Barken an das Land!«

Sie empfingen schön die Gäste und leiteten sie zum Strand.
Da sprach der König Ortnid: »Nun rate, Alberich,
Wie wir die Stadt gewinnen! Ich meine sicherlich,
Die Pforten stehen offen und niemand steht zur Wehr.
Wenn alle schlafen, dring ich hinein mit meinem Heer.«
Da sprach der kleine Weise ohne Falsch und List:
»So stünde das viel übel, daß du ein König bist,
Wenn du erzürnen wolltest deinen Hausgenoß
Und ihm nicht widersagtest, das wär' ein Laster groß!
Für immer, guter König, wär' dieses Laster dein.
Drum eh' daß man dich schelte, will ich der Bote sein.
Ich will mit Ehren werben die Botschaft unverzagt.
Ich komm dir morgen wieder, hab' ich ihm widersagt.«

Da fuhr von dannen Albrich, der hochgemute Zwerg.
Dem Wilden war wohl kundig beides Thal und Berg,
Er kannte, was an Burgen dort bei den Heiden lag.
Er kam zu Montabure Berg Tabor oder vielleicht Thadmor (Palmyra)., eh daß es wurde Tag.
Da saß er neben der Mauer nieder auf einen Stein
Und konnte kaum erwarten, daß der Tag erschein',
Daß er die Botschaft würbe, die man ihn werben bat.
Der Heide auf die Zinne der Mauer ob ihm trat.
Wohl durch die süßen Winde so ging er an die Luft,
Er hatte ob der Hitze geräumet seine Gruft.

Mit Züchten sprach da Albrich zu ihm, der kleine Bote,
Unsichtbar an der Mauer, indem er also drohte:
»Mich hat hieher gesendet Ortnid, der Meister mein,
Daß du dem Kühnen gebest dein schönes Töchterlein.
Ich sag' dir's wahr und offen, giebst du ihm nicht die Magd,
Daß er mit seinem Heere dich sucht und dir widersagt.
Eh' denn du selbst es ahnest, so siehst du ihn hievor;
Er nimmt mit Macht die Jungfrau und hängt dich vor das Thor!«

Als Godian dies hörte, wie schrie und klagt' er da:
»Daß mir bei meinen Zeiten das Laster je geschah!
Mir durft bei meinen Jahren niemand widersagen.
Daß ich es nun muß hören, will ich den Göttern klagen.
Du sollst mir's glauben, hätt' ich dich nur in meiner Hand,
Und wär der Himmel dein Eigen, ich schlüg dich um die Wand!«

Einen ungefügen Wurfstein, den stieß er in den Graben
Und wollte so den Kleinen zu Tod geworfen haben.
Herr Godian, der Heide, schrie laut, daß Berg und Thal
Und auch die Burg, die ganze, erhallte von dem Schall.
Die in der Burg da schliefen, erwachten alle traun,
Sie hoben sich zur Mauer, das Wunder groß zu schaun.
Sie sprangen nach dem Boten und töteten ihn gern.
Sie schlugen drein und stachen, doch Albrich war schon fern.

Als er die Botschaft hatte geworben also gut,
Da kehrt' er von der Mauer zurück mit hohem Mut.
So kam er zu den Kielen, eh daß es wurde Nacht;
Da ward dem König Ortnid die Märe hinterbracht:
»Ich bring' dir böse Märe von deinem Liebchen fein.
Du gewinnst sie nur mit Streite, sonst wird sie nimmer dein.
Die Nacht ist jetzt so finster, man sieht nicht Mondeslicht,
Es hüten auf der Mauer die guten Wächter nicht.
Sie fürchten auf dem Wage wohl keines Feindes Schaden,
So laß uns heimlich eilen in Barken zu den Gestaden.«

Der König Ortnid folgte nur mehr dem kleinen Mann.
Fünfhundert Barken bei der Burgmauer er gewann.
Sie sprangen von den Kielen all' in die Barken nieder,
Die flossen an das Ufer und kamen leer dann wieder.
Als all' die kühnen Helden ins Freie kamen so,
Daß sie entbunden waren, des waren alle froh.
Ortnid und der von Reußen, sein Oheim Ilias,
Gingen von den Barken nieder auf das Gras.

Da riet dem König Ortnid Zwerg Alberich zugleich:
»Die Stadt sollt ihr nun nehmen, zu Leide dem Könige reich!
Die Pforten stehen offen, nun müßt ihr vorwärts streben!
Ich kann zu eurem Streite sonst keinen Rat euch geben.«
Da sprach der König Ortnid: »Du brauchst uns nicht zu mahnen.
Auf, Ilias von Reußen, nimm meine Sturmesfahnen!
Das tauget keinem andern als deiner kühnen Hand.
Wem ich sie anders gäbe, das wär' nicht wohl bewandt.«
Da gab Ortnid dem Reußen die Stange an die Hand.
Eine schwere Fahne der Recke daran band,
Drauf leuchtete ein Löwe von schönem Golde rot.
Die zweene Könige führten wohl manchen in den Tod.

Sie waren gar bereitet, als nun der Tag aufbrach.
Ein Wächter auf der Mauer, der sah sie nun und sprach:
»Wohlauf! Nun wachet alle! Uns ist ein Kaufschatz kommen;
Wer zu dem Kaufe eilet, dem wird der Leib benommen,
Es mag des wohl entgelten mancher Frauen Kind;
Wohl dreißigtausend Ritter hier auf der Mauer sind
In lichten Stahlesringen, so weiß wie frischer Schnee;
Von ihren Handelsschätzen geschieht uns allen weh!«

Davon viel mancher Heide in Suders schwer erschrak.
Es kam ihnen mit Leide die Sonne und der Tag.
Von ihrem Handelschatze ward manniger verlorn.
Ortnid drang in die Pforte und blies sein Heereshorn.
Die Heiden wichen alle, als sie dies mußten sehn,
Es wagte in der Enge ihn keiner zu bestehn.
Sein gutes Schwert, die Rose, ihm in der Hand erklang,
Viel manig Schildgespänge von seinen Schlägen zersprang.
Viel manchem kühnen Heiden benahm er da das Leben.
Ihm folgten nach die Seinen mit heldenhaftem Streben.
Viel manche weite Lücken er in die Feinde schlug,
Der Reuße in seinem Rücken die Fahne nach ihm trug.

Da kam zu König Ortnid Zwerg Alberich sogleich:
»Es wollen dir die Heiden entrinnen, König reich!
Es sind die Pforten alle leider unbewehrt,
Die eh geschlossen waren, die sind nun aufgesperrt.
Sieh, ob du's wenden mögest, sonst wirst du leicht besiegt,
Sie brennen dir die Kiele und nehmen, was drauf liegt!«
Doch seine schnellen Traber der König Ortnid zwang,
Mit allen seinen Helden zu einem Thor er drang.
Da wichen ihm die Heiden, so kräftig war sein Heer.
Er schlug gar viel zu Tode und ertränkte sie im Meer.

Als so der König Ortnid dem Reußen dort entwich,
Bedrängten erst die Heiden den Reußen grimmiglich.
Da nahm er großen Schaden, den er noch mußte klagen,
Verlor fünftausend Helden, ward selber niedergeschlagen.
Da kam auf einem Renner Zwerg Alberich geritten
Und sprach zu König Ortnid: »Du hast zuviel gestritten!
Nun kehre um bei Zeiten und räche deinen Zorn,
Du hast den König von Reußen und seine Helden verlorn!«
Da kehrte König Ortnid zurück von seinen Siegen
Und sah den Reußen mitten unter den Feinden liegen.
Der hatte noch umfangen die Fahne mit der Hand,
Sein Schwert war in der andern, als er ihn liegen fand.
Da sprach Ortnid der König: »Mein Oheim gut und lieb,
Nun müss' es Gott erbarmen, daß ich nicht bei dir blieb!
Ich muß nach deinem Tode nun immer traurig sein.
O könntest du genesen, wie freute ich mich dein!«

Gar jämmerlich sprach Ilias, der kühne Reuße da,
Als er durch Helmesfenster den Neffen ob ihm sah:
»Nun müss´ es Gott erbarmen, daß ich je ward geborn!
Denn alle meine Mannen, die hab' ich heut' verlorn.
Hätt' ich sie nicht verloren, genäse ich noch wohl.
Nun weiß ich nicht, Unselger, was mir mein Leben soll!«

Da freute sich Herr Ortnid, als er ihn lebend fand.
Auf zog er ihn behende vom Boden mit der Hand:
»Der Mann muß sich getrösten, mein Oheim, jederzeit
Des Leibes und der Leute, wer geht in einen Streit!
Was er darin verlieret, des muß er sich entschlagen.
Ich wähne, du magst nicht streiten? Laß mich die Fahne tragen!«
Das weigerte der Reuße: »Die Fahne laß ich nit!
Sie werden wohl vergolten, die man hie liegen sieht.
Ich will dir wieder helfen, laß mir die Fahne heute!
Du siehst mich sterben oder ich räche meine Leute!«

Da stund und kämpfte gegen die zwei die Heidenschaft,
Als sie wieder versuchten ihre Manneskraft.
Da sah man manchen Heiden vor König Ortnid liegen.
Die Gäste wußten wieder den Wirten obzusiegen,
Sie hatten zu der Erde manchen Toten gebracht.
Die Heiden mußten sich bergen vor ihrer Uebermacht.
Da führte der Zwerg den Reußen an eine Steinewand,
Wo er wohl tausend Heiden innen verborgen fand.
Zu Tod schlug er sie alle, bis niemand widerstand.
Er hätt' noch mehr erschlagen, wenn er noch mehr da fand.

Da sprach zu König Ortnid Zwergkönig Alberich:
»Nun suchen wir die Toten und jene sorgsamlich,
Die noch genesen können unter diesem Heer,
Die senden wir in Barken auf unsre Kiele im Meer.
Ich sag dir, König Ortnid, du hast genommen Schaden,
Es ward viel mancher leider her auf den Tod geladen.
Willst du von dannen, König, so blas dein Heerhorn.
Nun lache oder weine, du hast neuntausend verlorn!«
Da sprach der König Ortnid: »Wie schwer hab ich gesiegt!
Weh, daß so mancher Tote in meinem Dienste liegt!
Der Abend ist schon nahe, daß ich nicht mehr vermag.
Wir müssen hier verbleiben bis morgen auf den Tag.«

Die Feste ward besetzet die Nacht in guter Hut.
Das deuchte die Lambarden und auch die Reußen gut.
Die Heiden thaten gerne, was sie der König bat,
Sie gaben ihm auf Gnade Leib, Gut und auch die Stadt.
So lagen sie ohne Sorgen die Nacht bis an den Tag;
Da sprach Ortnid, dem lang schon die Maid im Sinne lag:
»Nicht länger mag ich bleiben; nun wohlauf, es ist Zeit!
Wir sollen gen Montabure hin zu der schönen Maid.
Nun wohlauf, kühner Reuße, und räche unsern Zorn!
Auch räche unsere Leute, die wir haben verlorn!
Auf, Ilias von Reußen, nimm meine Sturmesfahnen!
Die mir bisher gefolgt sind, die will ich alle mahnen.
Wohl sechzehntausend Helden folgen uns noch zum Schloß,
Der Heide muß verlieren die Burg mit seinem Troß!«
Die dannoch bei ihm waren, die säumten sich da nicht.
Viel manche weiße Brünne und manche Helme licht,
Viel harte Stahlesringe, die hatten sie bereit,
Sie zogen aus der Feste zur grünen Heide breit.

Da sprach der wilde Weise, Herr Alberich der Zwerg:
»Die Helden will ich weisen durch Feld und Thal und Berg.«
Der Zwerg erhub die Fahne und ritt so vor der Schar,
So weiste er ihnen die Straße, er selber unsichtbar.
Er führte alle sicher bis Montabure also.
Da sie die Burg ersahen, da waren alle froh,
Obwohl sie sahn die Höhe und auch die steile Wand.
Da gab Ortnid dem Reußen die Fahne in die Hand,
Der in die Burgleiten die Fahne wieder stieß.
Die Ritter und die Knappen er da herbergen hieß.

Ihr lichtes Sturmgewaffen, das zogen sie nun an.
Da trug man zu der Pforte des Königs Ortnid Fahn';
Es war der starke Reuße, der mit Gewalt sie trug.
Hei! was da König Ortnid der Heiden niederschlug!
Innerhalb der Mauer war auch das Rufen groß;
Der Heide begehrte Streites, die Pforte man erschloß.
Da drangen sie zusammen, die Helden, Glied an Glied.
Sie wollten sich versuchen, niemand sie da schied.

Da sich die Gäste wehrten der Wirte unverzagt,
Da schlug sich an die Brüste die minnigliche Magd.
Das Haar aus ihrem Haupte wie Seide brach sie da,
Des Vaters Tod besorgend, da sie den Streit ersah.
Die Mutter nahm die Tochter mit Jammer bei der Hand,
Sie gingen in das Bethaus, wo sie die Götter fand.
Das Haar ging ihr vom Nacken nieder für den Fuß,
Zerraufet und verworren; jämmerlich war ihr Gruß.
Ihr Mund brannt' wie ein Röslein, er schien wie ein Rubin.
Wo durch die schönen Zöpfe das Näckelein erschien,
Das brannt', als ob es wäre gar ein Karfunkelstein.
Dem vollen Mond gleich leuchtete der beiden Augen Schein.
An Armen und an Händen war ihr kein Makel da.
Ihre Nägel waren so lauter, daß man sich drin ersah.
Die Wänglein waren mit Thränen beiderthalb bestreut,
Als ob es Perlen wären. Die Maid war unerfreut.
Es ward der Jungfrau Jammer im Bethaus gräßlich stark,
Sie pflegte ihre Götter und fiel vor ihren Sarg.
Es raufte sich und schlug sich die Fraue minniglich.
Das jammerte das Zwerglein. Schnell kam Herr Alberich,
Da er sie sah zerkratzen den Leib so weiß wie Schnee.
Er fiel ihr in die Hände, ihr Jammer that ihm weh.
Unsichtbar allen Augen er ihre Hände nahm.
So sprach da zu der Schönen das Zwerglein lobesam:
»Mein Meister von den Himmeln hat mich zu dir gesandt.
Du sollst Königin werden ob aller Welschen Land.
Was dir mein Gott gebietet, läßt du das nicht geschehn,
So mußt du in dem Streite den Vater tot ersehn.
Schau nieder auf das Schlachtfeld! Siehst du, wer dorten steht?
Er, der soviel der Heiden zu Boden niedermäht,
Aus allen andern Helden leuchtet sein Gewand,
Als ob in finstrem Hause eine Kerze wäre entbrannt.
Er ficht vor ihnen allen, gar blutig ist sein Schwert!
Der Held in Treuen wäre wohl biedren Weibes wert.
Den König sollst du kiesen! Send' ihm dein Ringelein,
So will mit gutem Frieden den Streit ich lassen sein!«

Da sprach die reine Jungfrau zum Friedensboten mild:
»Daß ich den Vater rette, thu ich, was du willt.
Muß es also geschehen, so bring' ihm hin mein Gold!
Sag ihm, ich sei mit Treuen dem edlen König hold.
Bitt' ihn, daß er entweiche mit seinem Heer; zum Lohne
Thu ich, was er gebietet, daß er den Vater schone.«

Da ward der kleine Albrich der guten Rede froh.
Er griff nach ihrem Ringlein, zum König kam er so:
»O wohl dir dieser Märe, Ortnid, du hast gesiegt,
Da bald die schöne Jungfrau in deinem Arme liegt.
Die Maid läßt dir entbieten, die holde Königin rein,
Sie schenkt dir ihre Minne und dieses Ringelein.
Nun heiß' den Streit aufhören; ihr habt genug gestritten!
Die Königin, dein Liebchen, sie läßt dich darum bitten,
Daß du der Burg entweichest und lassest den Vater leben.
Ihren Leib, den schönen, will sie dir dafür geben.«

Da blies der reiche König sein kleines Heerhorn.
Da hatt' er seiner Helden ein mächtig Teil verlorn.
Von dreißigtausend blieben ihm nur fünftausend Mann,
Obwohl er ob den Heiden im Streit den Sieg gewann.
So kehrte von der Feste der König adelich.
Da sprach zu ihm das Zwerglein, der weise Alberich:
»Bei einer grünen Wiese, da weiß ich einen Bach;
Dort kann uns niemand finden, da haben wir gut Gemach.«

Da nahm wieder der Reuße die Fahne in die Hand.
Sie ritten in der Stille von jener Steinewand
In eine tiefe Wildnis auf eine Heide breit,
Wie sie der Kleine weiste; dort ruhten sie vom Streit.
Da sprach zu König Ortnid wiederum der Zwerg:
»Du sollst nun wieder reiten mit mir vor jenen Berg.
Ich will wohl Gott vertrauen und auch den Listen mein,
Daß wir nicht von dannen kehren ohne das Mägdelein.
Du sollst sich warnen heißen zu Streite all dein Heer!
Doch führe vor die Mauer sonst nicht der Leute mehr,
Daß wir nicht etwa werden gesehen und bestritten.
Nur sollst du deinen Oheim und seine Helden bitten,
Wenn ich sie rufe, daß sie dir schnell zu Hilfe kommen!
Säumen sie sich zu lange, wird uns die Maid genommen.«

Da ritten die Gesellen wider zur Steinewand.
Sie kamen unverwundet vor die Burgmauer gerannt.
Dort hieß der Zwerg den König an der Burgleiten da
Sein warten. Ungesehen kam er dem Graben nah
Und stieg gar unvermutet über die Mauer hin.
Er fand mit ihrer Mutter die junge Königin.
Da sprach der Kleine leise zur jungen Königin:
»Wann willst du das erfüllen, was du versprachst vorhin?
O schöne Jungfrau, willst du nun leisten mein Gebot,
So sprich zu deiner Mutter, dir sei erschienen ein Gott,
Sie solle dir erlauben, zum Bethaus hinzugehn,
Der Götter dort zu pflegen, daß sie dir beigestehn!«
Da sprach in lauter Stimme das schöne Mägdelein:
»Willst du mir das erlauben, o Frau und Mutter mein,
So will ich vor die Pforte und auf den Burggraben,
Weil eben unsre Götter zu mir gesprochen haben.
Ja, meine Frau und Mutter, sie haben mich gebeten,
Ich solle ganz alleine nun vor die Pforte treten,
Daß ich allein sie schaue und niemand anders mehr.«
Das ward ihr gern erlaubet. Des freute die Maid sich sehr.
Da nahm der wilde Kleine die Jungfrau bei der Hand
Und führte sie an die Leiten, wo er Herrn Ortnid fand.

Im Streite hatte Ortnid sein Schwert heut oft gezogen,
Nun war er vor Müde entschlafen auf seinem Sattelbogen.
Der Kleine rief ihm leise, jedoch sein Schlaf war tief.
Da er nicht wachen wollte, so schlug er ihn und rief:
»Du willst im Schlaf verlieren die Ehre und den Leib.
Nun wache, König Ortnid; ich bringe dir dein Weib!«

Herr Ortnid aus dem Schlafe erwachte schnell und sprach:
»Wohl mir, daß ich erlebte den Tag, der heut anbrach!
Läg' ich auch jetzt am Tode, ich würde heil zur Zeit!«
Er küßte und umfaßte wohl hundertmal die Maid.
Da sprach der wilde Kleine, Herr Alberich, zugleich:
»Du halse nur und küsse die Königin so reich!
Nur hebe dich bald von hinnen, Gesell, das rate ich!«
Ortnid sprang auf den Renner, die Maid nahm er vor sich.
Hei, wie von der Burgleiten so schnell die beiden ritten!
Ihr Renner ging im Sprunge, sie harrten keines dritten.

Gar schnell erfuhr der Heide der Tochter schlimme Fahrt.
Vor Zorne und vor Grimme zerraufte er den Bart:
»O weh mir meines Leides! Wie unselig ich bin!
Nun wohlauf zu den Rossen! Meine Tochter ist dahin.«
Da wurden schnell die Heiden gerüstet zu der Fahrt,
Wohl mit zwölftausend Mannen hatt' er sich schier geschart.
War's auch dem König Ortnid der Reise wahrlich jach,
Doch fuhr ihm bald der Heide auf seiner Fährte nach.
Auf manchen schnellen Rossen rannten die Heiden da.
Wie flog da König Ortnid! Doch kamen sie ihm nah.
Sie sahn ihn schon von ferne; der Mond leuchtete licht.
Ortnides Roß war müde, es mochte fürbaß nicht.
»Nun rat uns zweien das beste, viel lieber Alberich!
O weh, wem soll ich lassen die Jungfrau wonniglich?
Nun müssen lichte Ringe von Blute werden rot.
Eh ich mich von ihr scheide, eh lieg' ich bei ihr tot.«
Da sprach zu König Ortnid das schöne Mägdelein:
»Ich rate dir, entrinne dem argen Vater mein!
Er peinigt dich zu Tode, ereilt dich seine Hand.
Das Roß kann uns nicht tragen, setz' nieder mich aufs Land!
Ich kann dir nicht mehr folgen; erschlägt mein Vater mich,
Müßt' ich doch mehr noch klagen, ergriff er, Liebster, dich.«
Da sprach der König Ortnid: »Ich muß es dir versagen,
Eh' ich dich lasse, liege ich eh' bei dir erschlagen!«
Da sprach der kleine Albrich: »Nun merket meine Macht!
Wie ich euch hinnen bringe, hab' ich mir wohl erdacht.
Ich weiß hiebei gar nahe einen Brunnen und ein Moos,
Darüber kann nicht reiten auf keine Art ein Roß.«
Da weiste sie der Kleine zu jenem Bache nah.

Als hier der König Ortnid das Wasser sprudeln sah,
Sprang er von seinem Rosse, er hatte des Reitens genug.
Die Magd er an dem Arme über das Wasser trug.
Jenseits von dem Moose da setzt er sie auf den Sand.
Den Schild nahm er zurücke, das Schwert nahm er zur Hand.
Wie viel der Heiden kämen, er war bereit zur Wehr.
Von ihm hub sich der Kleine und bracht' ihm all sein Heer.

Indessen kamen die Heiden zu jenes Bachs Gestaden.
Sie konnten nicht mehr reiten, sie mußten zu ihm waden.
Der Heide sprang mit Zorne hinüber auf das Gras,
Mit ihm die starke Menge, die von den Rossen saß.
Da hub sich zu den Schwertern die ganze Heidenschaft.
Herr Ortnid focht dagegen mit Mut und Heldenkraft.
Hei, wie der Recke kämpft! Wie wohl er sie empfing!
Er schlug so viel der Heiden, daß man bald trocken ging.
Doch endlich bezwang ihn die Müde, er hatte zu lange gewacht,
Es wich ihm aus den Armen all seine Kraft und Macht:
»Ich kann nicht länger streiten; o weh, was wird nun sein!
Es drängen allenthalben die Heiden auf mich ein;
So will ich mich doch wehren, so lang als ich vermag.«
Da sah er Leute reiten und hörte der Hufe Schlag.
Da ward sein Herz in Hoffnung noch kräftiger fürbaß.
Nun hörte er ferne rufen den Reußen Ilias.
Die Rosse sah man springen viel schneller als erzählt.
Der Reuße ritt zu vorderst und stieg ab auf das Feld
Zu seinem Schwesterkinde, das dort in Nöten war.
»Nun hilf mir, lieber Oheim, und rette mich fürwahr!
Ich kann nicht weiter streiten. Ich taug nicht mehr zum Streit.
Ihr Helden sollt mir helfen, da ihr geruhet seid!
So große Herzensschwere gewann ich nie vorher.
Oheim, nimm du die Rose, ich kann sie nicht halten mehr.«

Des freute sich der Reuße, da er die Rose fand,
Er nahm dem König Ortnid das Schwert aus seiner Hand.
Allerst hub sich ein Kämpfen und Streiten also groß.
Gar müde fiel Herr Ortnid der Frauen in den Schoß.
Er bat die schöne Jungfrau, daß sie den Helm abband;
Das that die holde Jungfrau mit ihrer weißen Hand.
Es war dem edlen Fürsten im Streit geworden heiß.
Sie wischte von den Augen den Staub ihm und den Schweiß,
Indes die Heiden immer noch mit den Seinen stritten.
Sie kamen über die Toten gegangen und geritten.

Als nun der alte Heide Herrn Ortnid liegen sah
In seiner Tochter Schoße, vor Zorn ergrimmte er da.
Ein jeder seiner Sinne zerging ihm alsofort,
Urlaub nahm seine Güte, er sprach kein einzig Wort.
Er wütete im Kampfe; da ward mancher gefällt.
Ihm lagen vor den Füßen die Gäste ungezählt.
Da sprach der König Ortnid: »Erst hebt sich meine Not,
Mir liegen meiner Helden viertausend wieder tot.
Sie werden uns vernichten, wenn niemand ihnen wehrt.
Nun, Ilias, lieber Oheim, gieb wieder mir mein Schwert!«

Empor sprang König Ortnid, der edle, allzuhand
Mit unverzagtem Mute, den Helm aufs Haupt er band.
Er empfing das Schwert vom Reußen, und rief dann zu den Seinen:
»Man sieht mich heute sterben, ich räche denn die Meinen!
Wohlauf dem Feind entgegen mit unsrer ganzen Schar!«
Hin drangen sie da beide, wo König Godian war.
Der wollte nicht entweichen mit seiner Sturmesfahn'.
Da rief der König Ortnid die Seinen lauter an,
Bis endlich weichen mußte der Heiden ganzes Heer;
Sie konnten nicht ertragen der Helden Gegenwehr,
Sie fürchteten zu mächtig Ortnides harte Zucht.
Das Banner lag darnieder, der Heide gab die Flucht.
Ortnid begann im Zorne dem Schwäher nachzujagen.
Wenn er erreicht ihn hätte, er hätt' ihn gern erschlagen.
Er war vor Montabure gejagt bis an das Thor,
Darein entwich der Heide, Herr Ortnid blieb davor.

Indessen war der Jammer der Jungfrau allzugroß,
Ihr fielen von den Augen die Zähren in den Schoß.
Da kam der König Ortnid wieder zu ihr geritten,
Allerst hatt' er den Heiden den Sieg gar abgestritten.
Er sprach zur schönen Jungfrau: »Nun tröste endlich dich,
O Freundin mein und Fraue; steh' auf und küsse mich!«
Da sprach in ihren Sorgen die wunderschöne Magd:
»Ist mir mein Vater gestorben, so sei es Gott geklagt.
Ich will dich nimmer küssen, du wollest mir erst sagen
Auf deine Treue, König, ob du ihn hast erschlagen.«
Da sprach der König Ortnid zum schönen Jungfräulein:
»Dein Vater ist genesen, drum magst du ruhig sein!
Wär er mir nicht entronnen, ich hätt' ihm das Leben genommen.«
Da hieß die schöne Jungfrau den König erst willkommen.
Wie dankte ihm der Kunde die Königin wohlgestalt!
Vor Liebe sie ihn küßte, ihre Lust war mannigfalt.
Daß noch ihr Vater lebte, des war ihr Freuen groß,
Den edlen reichen König mit Armen sie umschloß,
Sie küßte ihren Gatten an seinen roten Mund.
Drauf huben sie von dannen sich noch zur selben Stund.
Es setzte sich zur Jungfrau nun auf sein Roß der Mann,
Sie ritten ohne Sorgen hin durch den wilden Tann.
Die Seinen machten Beute an Rossen und Sturmgewand.
Was man da noch der Wunden unter den Toten fand,
Die wohl genesen mochten, die führte man von dannen.
Gesunder und auch siecher waren noch tausend Mannen.

Zu Suders in der Feste blieb Ortnid mit den Scharen.
Dann wollt' er zu den Kielen mit seiner Frauen fahren.
Sie gönnten ihm die Reise, da fuhr er auf das Meer.
Sie hatten vor den Heiden nun keine Angst nicht mehr.
Eh sie zu Lande kamen, da ward die Magd sein Weib,
Vater und Mutter vergaß sie durch ihres Gatten Leib.
Sie fuhren am neunzehnten Morgen drauf in Messina ein.
Zachareis von Sizilien hieß sie willkommen sein.
Wie wohl ward da empfangen der König Ortnid reich!
Drauf zog er zu der Hochzeit nach Garden alsogleich.
Gar sonderlich empfing sie die liebe Mutter hier.
Nun ward sie Königinne und trug der Krone Zier.
Nach guter Christensitte man sie da taufen ließ.
Als Jungfrau hieß sie Sidrat, Frau Liebgard sie nun hieß.

Nun sandte König Ortnid die Boten in das Reich
Nach Freunden und nach Magen, daß alle kämen sogleich,
Wer da nun schauen wollte die Königin so hehr,
Die König Ortnid hatte erstritten über Meer.
Da kamen bald die Besten wohl her aus allem Land.
Die allergrößte Hochzeit, die hub sich allzuhand.
Da ließ sich vor den Leuten nun auch Zwerg Albrich schaun,
Ihn mußten staunend blicken die Mädchen und die Fraun.
Rubin und licht Karfunkel war in der Krone sein.
Als die auf seinem Haupte nun trug das Zwergelein,
Da nahm auch eine Harfe Alberich in die Hand
Und rührte gar geschwinde die Saiten allesamt
In solchem süßen Tone, daß all der Saal erdoß.
Die Leute, die ihn sahen, die hatten Freude groß.
Da sprach in hohen Züchten der kleine Alberich
Zu seinem Sohne Ortnid, dem König adelich:
»Ich rate dir in Treuen, da du hast hergeladen
So manche arme Waise, ersetze ihren Schaden!
Ich geb' dir Golds und Silbers aus meinem Hort soviel,
Daß du noch reich machst jeden, der von dir nehmen will.
Den Freunden, deren Freunde durch dich fanden den Tod,
Denen sollst du vergelten mit deinem Golde rot.
Wo Weib und Kinder leben, bereichere Kind und Weib!«
Da ward der reichen Gabe erfreut manch trauriger Leib.
Manch Roß und lichte Ringe gab da der König so,
Daß alle, die ihm klagten, der Gabe wurden froh.
Er gab soviel des Goldes und also reich Gewand,
Daß davon seine Hochzeit ward weit und breit bekannt.


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