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Wolfdietrich und Siegeminne

Wolfdietrich verirrt sich und kommt in die Gewalt der rauhen Else. Indes muß sich Berchtung mit den Seinen den feindlichen Brüdern ergeben. Die rauhe Else verwandelt sich in die schöne Siegeminne und fesselt den Helden. Sie wird durch den Riesen Drasian entführt, von Wolfdietrich wieder befreit. Endlich entläßt sie ihn.

 

Er kehrte auf die Straße des andern Morgens früh,
Er wollte gen Lambarden, das schuf ihm noch viel Müh'.
Den Tag bis an den Abend ritt er so fest für sich.
Gar bald ward er da irre, das war ihm ärgerlich.
Da zwang ihn auch der Abend, er konnte nicht fürbaß.
Von der mitgebrachten Speise ein wenig er da aß.
Er konnte kaum vor Müde, wie manchem noch geschicht;
Wie not der Schlaf ihm thäte, doch schlief er alles nicht.
Da machte er ein Feuer, daß weithin strahlte der Schein;
Die ungefügen Rohnen hintrug er ganz allein.
Er versuchte viel des Wildes in seinem kühnen Sinn,
Wie gern er's hätt' bestanden, keines bestand doch ihn.
Am dritten Morgen zog da Wolfdieterich fürbaß;
Wie weh die Fahrt' ihm thäte, des Ziels er nicht vergaß.
Er dacht' an Meister Berchtung, die Thränen ihm entrannen;
Gar oft befahl er Gotte seine eilf treuen Mannen.
Bis an den fünften Morgen der kühne Degen ritt,
Die Straße und die Steige er allezeit vermied.
Allerhande Wildes sah er gar mannige Schar;
Sein Roß begann zu müden, des ward er traurig gar.
Die überstarke Arbeit verdroß ihn schon zu sehr,
Von seinen großen Leiden ward ihm sein Herze schwer.
Fern war ihm alle Freude, das konnt' er nicht bewahren,
Daß er in dieser Wildnis mußt' ohne Straße fahren.
Da zog er ab die Brünne, warf sie auf eine Rohn,
Mit trauriglichem Mute schied der Held davon.
Er floh von seiner Rüstung so gar erbärmiglich;
Ueber Rohnen und über Steine zog er sein Roß mit sich.
Mit Stecken und mit Ruten schlug er ihm manchen Schlag,
Bis ihm das Roß vor Müde und Hunger fast erlag.
Ihm mochte nichts mehr helfen, was er ihm Schläge schlug;
So lieb war ihm sein Falke, daß er den Sattel trug.
Den band sich selbst Wolfdietrich fest auf den Rücken sein.

Er kam auf ein Gebirge, ihm schien der Sonne Schein.
Da hört er eine Stimme mit überlautem Schall,
Daß ihr allda antwortete der Berg und auch das Thal.
So ungeheurem Rufe nichts auf der Erde glich.
»Ich wähn', dies sei die Hölle,« sprach Herr Wolfdieterich.
Sein Roß das trieb er nieder die Leiten hin zu Thal,
Vor Hunger und vor Durste sie thaten manchen Fall.
Mit Fallen und mit Straucheln so kam er an den Sand
Hin auf die ebne Erde hernieder an das Land.
Die ungefüge Hölle, die Wolfdietrich da fand,
Das war des Meeres Wogen, es schlug an die Steinwand.
Dort stand eine grüne Linde, ein Anger drunter was,
Ihm gingen bis an den Gürtel die Blumen und das Gras.
Es gaben süße Gerüche die Rosen und der Klee.
Da sprach der kühne Grieche: »Wie mir es halt ergeh',
Gott hat nun meinem Rosse Weide allhier bescheert;
Mir ist desto viel sanfter, dieweil es sich ernährt.
Es wird hier von dem Anger fürbaß nicht abgezogen,
Nun will ich auch hie schlafen auf meinem Sattelbogen.
Soll ich vor Hunger sterben, hier lieg' ich lieber tot
Denn auf der bösen Erde; dies Gras ist rosenrot.
Wo möcht' ich schöner sterben? Hier ist es wonniglich!«

In seinen sehnenden Sorgen entschlief Wolfdieterich.
Der Durst und auch der Hunger nahmen ihm fast den Leib.
Da ging aus Meeresgrunde ein ungeheures Weib;
Sie trug an ihrem Leibe von Schuppen eine Haut,
Sie sah dem gleich, als wäre sie wohl des Teufels Braut.
Mit langem Wassermoose sie ganz bewachsen was,
Wie in dem Wasser wachset viel ungefüges Gras.
Ihr war die Augengrube wohl eine Spanne weit,
Zwei Finger tief lag wahrlich das Auge dieser Maid.
Ihr Mund war wie ein Scheffel, die Zähne spannenlang,
Der Schaufel gleich die Füße, unselig war ihr Gang.
Sie war an allen Enden viel schleimig und auch naß,
Ihr Haar ging auf die Fersen und weiter noch fürbaß.
Ihr hingen von dem Kinne die Haare bis zum Fuß.
Wie ungestalt sie wäre, doch hätt' sie sanften Gruß.
Es glänzte ihre Stirne, die war wohl Ellen breit.
Als sie den Degen weckte, das war ihm wahrlich leid.
So sprach die rauhe Else zum Könige fürwahr:
»Nun minne mich, Wolfdietrich, so wirst du sorgenbar!
Ein Königreich dir geb' ich, dazu ein weites Land,
Daß es für eigen dienet, o Herre, deiner Hand.
Ich bin dir nachgegangen bis in das dritte Jahr,
Ich hätte dich gern zum Manne, das sag' ich dir fürwahr.«
Als Wolfdietrich dies hörte und sah, sprach er zu ihr:
»Hinweg, du Teufelinne, nun weiche weit von mir!«
Da nahm die Frau einen Zauber und warf ihn auf den Mann,
Davon der kühne Recke sich nicht mehr wohl versann.
Die Frau das Schwert dem Helden und auch den Fohlen nahm,
Und schafft es fort, noch eh' er ganz zu sich selber kam.
Sein Schwert und Roß verbarg sie, das konnte sie gar wohl,
Und sie verbarg sich selber in einem Baume hohl.
Als Wolfdietrich erwachte und sein Schwert nicht ersah,
Da wand er seine Hände, erbärmlich sprach er da:
»O weiß Gott, mir sind Räuber nun nahebei gewesen!
Fänd' ich etwas Geheures, so könnt' ich noch genesen.«

Sein gutes Schwert zu suchen eilt' er nun in den Wald.
Sie zauberte eine Straße, drauf ging der Held alsbald.
Es lief die Nacht die lange zwölf Meilen der Weigand;
Unter einem schönen Baume die rauhe Els er fand.
Er sprach: »Du gieb mir wieder mein Schwert und meinen Fohlen,
Das du mir, Ungeheuer, so böslich hast gestohlen!«
Mit grämelichem Mute die rauhe Königin sprach:
»Wer hat dir hier erlaubet zu ruhen mit Gemach?«
Wolfdietrich sprach mit Fürchten: »Was mag dir dieses schaden?
Ich bin mit Ungemache an diese Statt geladen.
Mein Vater war ein Grieche und König sicherlich,
Er saß auf Konstantinopel und hieß Hugdieterich.
Nun haben mich verstoßen die Brüder mit falschem Sinn;
Das hast du wohl vernommen, viel edle Königin.
Saben hat sie beraten, daß sie mir Uebles sannen;
Sie halten auch umsessen jetzt meine eilf Dienstmannen.
Will's Gott, daß ich soll sterben, so laß es balde sein!
Jedoch genäs ich leichtlich, hätt' ich nur Speise und Wein.
Zu meiner Arzeneie gehört wenig Meisterschaft,
Der Durst und auch der Hunger benimmt mir meine Kraft.
Ist aber die grüne Linde und dieser Anger dein,
Und mag dies Land dein Eigen, viel edle Königin, sein,
Daß ich hier hab' geschlafen, das lasse ohne Zorn!
Hilf mir zu meinem Rechte: ich hab' mein Schwert verlorn;
Das ward mir aus der Scheide gezogen, da ich lag.«
Sie sprach: »Ich helf' dir gerne, was ich dir helfen mag.
Es ist doch wahrlich übel, ob du verderben sollt.
Ich hälfe dir noch lieber, wärst du mir anders hold.
Ich kenne wohl die Salben, die dein Herz haben soll,
Dreißig tausend Ritter ernährt' ich damit wohl.
Willst du nun gern genesen, so thu', was ich dich bitte!
So bleibst du unverdorben. Leg' ab die rauhe Sitte
Und nimm mich dir zum Weibe, denn lange minn' ich dich!«
»Nein, nein, auf meine Treue,« sprach Herr Wolfdieterich.
»Daß ich dir das versage, des lasse deinen Zorn!
Ich hab' doch alle Frauen bis an den Tod verschwor'n.«
Sie sprach: »Nun leg' dich schlafen, du bist ein müder Mann,
Und lasse mich dir scheiteln deine Locken wonnesam!
Willst du mich noch nicht minnen, mein Held Wolfdieterich?«
»Nein, nein, du Valandinne, auf meine Treu', nicht ich!«
Da nahm sie einen Zauber und warf ihn auf den Mann,
Der hing ihm an dem Herzen, zu schlafen er begann.
Sie nahm von seinen Schläfen zwei Locken also fort
Und machte ihn zum Thoren mit ihrem Zauberwort.
Da lief er ohne Sinne zu Wald ein halbes Jahr
Und nährte sich von der Erde gleich einem Tier fürwahr.

Indessen harrte Berchtung, der Herzog lobesam,
In Lilienport, der Feste, ob nicht sein Herre kam.
»O weh,« sprach er, »Wolfdietrich, wohin bist du gekommen!
Ich fürcht', die rauhe Else habe dich hingenommen.
Wir haben unsren Herren elendiglich verloren;
Nun müss' es Gott erbarmen, daß ich je ward geboren!
Nun müssen wir eine Weile das Unrecht greifen an,
Die Burg aufgeben und werden der zweier Könige Mann.
Denen müssen wir Eide schwören, es hebt sich Arbeit viel.
Wie wir die Eide halten, ich euch bescheiden will:
Wenn wir den Herrn Wolfdietrich einst sollten wiederseh'n,
So wollen wir bedingen, der Eide ledig zu steh'n.«
Viel klagend und auch weinend Berchtung von dannen schied,
Er that mit seinen Kindern, was ihm die Not da riet.
Die Jungen thaten ungern, was ihnen der Alte gebot;
Sie kamen zu den Königen, des zwang sie große Not.
Die Könige empfingen den Meister Berchtung gern:
»Nun sage, lieber Meister, wo hast du deinen Herrn?«
Da antwortet' mit Züchten Berchtung, der alte Greise:
»Euch dieses anzusagen, ihr Herrn, bin ich nicht weise.
Ich habe meinen Herren so wunderlich verloren.
Nun müss' es Gott erbarmen, daß ich je ward geboren!«
Da sprach der König Boge zum altersgrauen Degen:
»Willst du nun unser beider mit solchen Treuen pflegen,
Wie deinem Herrn Wolfdietrich du hast bisher gethan,
Die Burg mit samt dem Lande, sie bleib' dir unterthan!«
Da sprach zu den zwei Königen der alte Held Berchtung:
»So will ich euch denn dienen mit meinen Söhnen jung
Im Recht sowie im Unrecht, das schwör' ich sicherlich,
Es sei denn, daß noch lebe mein Herr Wolfdieterich.
Kommt er uns her zu Lande, ihr lieben Herren mein,
So woll'n wir ohne Schande der Eide ledig sein,
Und wollen unserm Herren bewahren unsre Pflicht.
An meinem lieben Herren brech' ich die Treue nicht.«
So wurde Herzog Berchtung der Könige Dienstmann
Und that es doch nicht gerne, der Degen lobesan.

Indessen lief Wolfdietrich wohl noch ein halbes Jahr
Als Wilder da zu Walde, das sag' ich euch fürwahr,
Bis Gott nicht länger wollte die Ungebühr ertragen;
Er sandte einen Engel der Frau in diesen Tagen.
Der Engel sprach zur Fraue: »Was hast du da gethan,
Daß du mit Macht verderben willst einen biedern Mann?
Du widerthu' es balde, du ungeschlachtes Weib,
Oder dir nimmt der Donner in drei Tagen den Leib!«
Als nun die Königinne des Engels Ruf vernahm,
Der ihr von Gott gekommen, viel eilig sie da kam
Dahin zum finstern Walde, wo sie ihn hatt' verlassen.
Dort fand sie bald den Treuen; auf wunderbaren Straßen
Führte sie über Meere den edlen Fürsten dar
Hin zu der alten Troje Troia in Kleinasien; vergl. Ilias 22, 147 ff., wo ein Jungbrunnen war.
Der war auf einer Seite kalt, auf der andern warm;
Drein tauchte sie den Helden und löst' ihm allen Harm.
Auch ihre Haut, die rauhe, ließ sie im Brunnen dort,
Zur allerschönsten Fraue ward sie da allsofort.
Da ward sie wohl getaufet: Rauh-Else sonst genannt,
Hieß sie nun Siegeminne, die schönst' ob allem Land.
Sie schloff aus ihren Schuppen und warf sie auf das Gras.
Wie da Wolfdietrich staunte, daß sie so schöne was!
Sie leuchtete vor den Weiben als wie die Sonne licht;
Aller Mägde Schöne war gegen sie zunicht'.
»Willst du mich nunmehr minnen,« sprach sie, »Wolfdieterich?«
Da antwortete von Griechen der Held gar festiglich:
»Ich habe geschworen Eide, o Fraue wohlgethan,
Daß ich nie Weib gewinne, ich lös' eh' meinen Mann.
Mir stehen meine Sinne, o Fraue, weit von dannen;
Statt Frauenminne sorg' ich um meine eilf Dienstmannen.
Darum ist mir in Trauer mein Herz und auch mein Mut;
Die kann ich nicht vergessen, o Fraue schön und gut.«
Da sprach Frau Siegeminne zum Fürsten wohlgethan:
»Von deinen eilf Dienstmannen ich dir verkünden kann;
Sie gingen zu den Brüdern und haben denen geschwor'n.
Dort sind sie nun bei ihnen; doch laß darob den Zorn!
Das wisse, guter Degen, daß ich verflucht mußt' sein
Von einer Stiefmutter, bis daß die Sinne sein
An mich der Beste wendet, der in der Welt mag leben.
Das bist du, lieber Herre; willst du deine Huld mir geben?
Wenn du mit mir willst leben, wird dir ein ganzes Land,
Dein Roß wird dir gegeben, dein Schwert und Sturmgewand,
Das ich dir in dem Walde mit meinen Listen nahm.
Wohlauf, wohlauf nach Hause mein Liebster wonnesam?«
Da hielt Wolfdietrich Hochzeit mit jener Frauen hehr;
An seine eilf Dienstmannen gedacht' er nimmermehr.
Ihm wurden viel der Freuden und Wonnen da bekannt,
Dort bei der alten Troje in Siegeminnes Land.

Sie blieben da mit Freuden zwölf Wochen oder mehr.
Wolfdietrich eines Tages ritt an ein großes Meer,
Alldort nach Wild zu jagen mit seinen Hündelein;
Mit sich führt er die Fraue in jenen Wald hinein.
Da kam ein Hirsch gelaufen, den hatte hingesandt
Aus List ein starker Heide, war Drasian genannt.
Wolfdietrich jagte balde dem Hirschen nach ins Feld,
Die Frau ward ganz alleine gelassen im Gezelt.
Da kam der alte Riese zur Fraue wohlgethan
Und führte sie von dannen über des Meeres Bahn
Auf eine schöne Feste, die war gar wonniglich;
Davon gewann viel Leide der arme Wolfdietrich.
Dort war Frau Siegeminne mehr als ein halbes Jahr,
Daß niemand wußte, wo sie, die wohlgethane, war.
Als Wolfdietrich die Fraue nirgend mehr finden kunnt',
Wie groß ward seine Klage! Er nahm zur selben Stund'
Nur einen rauhen Kotzen und legt' ihn an den Leib,
Sein Schwert in einen Palmbaum verbarg er und suchte das Weib.
In einem Greifenschiffe, das ihm die Frau verließ,
Fuhr er nun übers Wasser, so wie sein Mut ihn hieß.
Da wallete Wolfdietrich nun um des Meeres Strand
Ein halbes Jahr und drüber, doch ohne daß er fand,
Wo seine schöne Fraue nur wäre hingekommen,
Oder wer der Riese wäre, der sie ihm hätte genommen.

Zu eines Waldners Hause kam er da hingegangen;
Er wurde von dem Klausner gar tugendlich empfangen.
Wolfdietrich bot dem Waldner da seinen werten Gruß:
»Mein edler Wirt, nun merke, was ich dich bitten muß!
Hast du hier in dem Walde kein Abenteu'r gesehn?
Thu' es durch deine Tugend, das sollst du mir gestehn!«
Da sprach der alte Waldner: »Auf einer Feste gut
Ist eine schöne Fraue allhier in starker Hut.
Die nahm jenhalb des Meeres ein Riese ohne Scheu
Einem lobesamen Könige; die giebt er nimmer frei.
Willst du es gerne wissen, ich thu' es dir bekannt:
Die Burg ist Altenfelse, der Wirt Drasian genannt.«
Da ging der gute Waldner mit jenem in den Tann
Und weiste ihm die Straße, dem auserwählten Mann.
Er ging durch Holz und Heide wohl volle sieben Tage
Ganz ohne Trank und Speise, die Wahrheit ich euch sage,
Bis daß der kühne Degen zu müden sehr begann;
Bei einer hohen Steinwand entschlief der kühne Mann.
Vor diesem Steine fand man dort eine Linde stehn,
Darunter war ein Ursprung, gar wonnig anzusehn;
Dabei lag auch ein Marmel, der war breit überaus.
Frau Siegeminne schaute aus einem Fenster heraus,
Das ging aus jenem Berge, drein sie geführet war;
Das fügte sich zum Heile dem Helden offenbar.
Es schaute Siegeminne den Brunnen in dem Tann,
Da sah sie auf dem Steine liegen den wallenden Mann.
Nun hatte Siegeminne diese Gewohnheit erwählt,
Daß sie an jedem Morgen, wie uns die Mär' erzählt,
Hieß eine ihrer Jungfrau'n an jenen Brunnen gehn
Nach einer edlen Wurzel, die sie da wußte stehn.
Sie bat die schöne Fromut zu gehen in den Tann;
Da fand sie an dem Brunnen den elendigen Mann.
Da sie den Mann erblickte, erschrak das Mägdelein;
Da erwachte aus dem Schlafe der Pilger auf dem Stein.
Da sprach von Griechenlanden Wolfdietrich sorgenvoll:
»Du wunderschönes Mägdlein, wie magst du heißen wohl?«
Sie sprach: »Viel lieber Herre, das sag' ich gern dir an:
Ich bin Fromut geheißen, du tugendhafter Mann.«
»Das ist ein seliger Name,« sprach da der König rein,
»Bist du Fromut geheißen, mußt du mit Freuden sein!«
Sie sprach: »Ich bin nicht fröhlich, wenn auch Fromut genannt,
Die Freude und die Wonne, die ist mir unbekannt.
Wir haben hier zu Hause nur täglich Leid gehegt,
Das meine Frau Siegminne in ihrem Herzen trägt.
Sie gelobte dem alten Drasian, den Willen ihm zu thun,
Wenn er sie miede ein Halbjahr, in Sorgen ist sie nun.
Das Ziel hat heut ein Ende, er harrt nur diesen Tag,
So will er Hochzeit halten, wenn er's vollenden mag.«
Da zog er von den Händen ein goldnes Fingerlein:
»Das trag' durch meinen Willen, mein schönes Mägdelein,
Und sage deiner Frauen, du Jungfrau wohlbedacht,
Ob einen armen Pilger sie aufnähm' diese Nacht!«
Urlaub die schöne Jungfrau da von dem Herren nahm;
Sie sagte seine Botschaft der Frauen lobesam.

Da kam zu ihr gegangen der alte Drasian.
Sie sprach: »Willst meine Hulde du haben, reicher Mann,
So bringe mir den Waller, der auf dem Stein dort ruht,
So will ich es dir lohnen mit minniglichem Mut.«
Da ging er aus der Feste, der alte Drasian,
Fand dort Wolfdieterichen und hieß aufstehn den Mann.
Er führte ihn alsbalde in seine Burg hinein
Zu einem warmen Feuer, das gab gar schönen Schein.
Wolfdietrich bei dem Feuer die Weile däuchte lang,
Bis daß man mit der Speise zu Tische endlich drang.

Man fing an laut zu rufen, daß man das Wasser nahm;
Da kam zur Burg gegangen manch Zwerglein wonnesam;
Da richtete die Tische gar mancher kluge Zwerg;
Sie hatten einst erbauet die Burg und auch den Berg.
Darnach kam hergegangen die Königin minniglich;
Sie hieß da Gott willkommen den edlen Wolfdietrich.
Man ließ ihm einen Sessel bald für den Tisch herrücken;
Die Königin begann ihn viel häufig anzublicken.
Die Frau begann zu weinen, die Augen wurden ihr rot
Und überliefen ihr häufig; wie groß war ihre Not!
Sie saßen an dem Tische und hatten Kurzweil viel
Von Trinken und von Speise und süßem Saitenspiel.
Da sprach der alte Drasian, froh nun am Ziel zu stehn:
»Wohlan, Frau Siegeminne, wir sollen schlafen gehn.«
Die Zwerge gingen von dannen, er nahm sie bei der Hand.
Hei, wie bald da Wolfdietrich sich aus dem Kotzen wand!
Ein Becher stand auf dem Tische, der war von Golde klar;
Wolfdietrich, der Getreue, erblickte ihn alldar,
Er hub ihn auf vom Tische, sein Zorn war groß genug,
Als er ihn seinem Wirte fest an das Haupt hinschlug.
Sein Schwert brach aus dem Palmbaum der Held Wolfdietrich schier:
»Sie ist meine Frau gewesen, sie muß bestehn bei mir!«
Da sprangen sie zusammen, die zwei in kühnem Wahn;
Es ward viel mannig Wunder von ihnen beiden gethan.
Es schlug je einer den andern wohl fünfmal auf den Sand;
Zum sechstenmale stürzte Wolfdietrich allzuhand.
Da waren wilde Zwerge viel auf den Saal gekommen,
Sie hätten Wolfdietrichen sein Leben gern genommen.
Sie warfen und sie schossen auf Wolfdietrich den Recken,
Und wollten ihn gar gerne tot auf den Boden strecken.
Er sprach: »Gott Herr vom Himmel, nun sollst du bei mir stehn!
Soll ich die eilf Dienstmannen zu Griechen nimmer sehn?«
Wie bald der Held Wolfdietrich wieder vom Boden sprang!
Das gute Schwert des Vaters ihm in der Hand erklang.
Er spaltete den Riesen bis auf den Gürtel hinab,
Daß er zur Erde stürzte und keinen Laut mehr gab.
Da so des Hauses Herre lag in dem Blute tot,
Da flohn die Zwerge von dannen, groß war nun ihre Not.
Wolfdietrich nahm ein Feuer nunmehr in seine Hand;
In einer kurzen Weile war da die Burg verbrannt.
Er wollte nun von dannen mit der Frau wonnesam,
Als eine wilde Fraue zu ihm gelaufen kam;
Das war des Riesen Schwester, ein ungeheures Weib,
Berille war sie geheißen, gar freislich war ihr Leib.
Da sie die Burg sah brennen, ahnt' sie des Bruders Tod.
Da hub sich vor der Linde noch viel der Angst und Not.
Es eilte nun Wolfdietrich, die Riesin zu bestehn,
Und hieß Frau Siegeminne schnell in die Vorburg gehn.
Berille trug in Händen einen Speer von Stahle scharf,
Den auf den edlen Fürsten sie gar behende warf,
Daß er da straucheln mußte und niederfiel aufs Land.
Schnell sprang dazu die Riesin, den Herren fest sie band
An Händen und an Füßen; dann nahm sie ihm das Schwert
Und trug es rasch von dannen dem Helden kühn und wert.
So lief die arge Riesin fort von dem kühnen Mann;
Sie ließ allein ihn liegen dort auf dem grünen Plan.
Doch sandte Gott ihm Gnade; ein starker Regen kam,
Da lösten sich die Riemen dem Helden lobesam.
Doch klagte er noch sehre die gute Waffe sein.
Die Klage hörte Ortolf, ein kleines Zwergelein;
Schnell eine Nebelkappe legt' er dem Helden an,
Er nahm ihn bei den Händen und führte ihn hindann
Zu steiler Felsenwandung, darin die Waffe war.
Wie freute sich Wolfdietrich, als er des ward gewahr!

Berille, die ungeheure, kam zu der Linde breit
Mit einer Weide gelaufen; sie war ihn zu henken bereit
An eines Baumes Aste; als sie ihn dort nicht sah,
Hei, was sie weite Sprünge that von der Linde da!
Sie eilte ohne Säumen nun zu der Steinewand.
Als sie der Held erblickte, da lachte er zuhand;
Da warf er gleich zu Boden die Nebelkappe hin,
Daß ihn erblicken mußte die üble Valandin.
Sie lief ihn auf der Stelle als wie ein Sturmwind an.
Wolfdietrich war nicht träge; ihr ward ein Schlag gethan
Wohl zu der linken Seite, daß sie ihr Ende kos.
Da kehrte aus dem Walde der Tugend Eidgenoß;
Er kam in die Burg gegangen, mit ihm das Zwergelein;
Sie wurden wohl empfangen dort von der Frauen rein.

Mit Fromut und Siegminne schied Wolfdietrich alsdann;
Da weiste ihm die Straße Ortolf, der kleine Mann.
Er ging in dreien Tagen zurück den Waldespfad,
Den er vor vierzehn Tagen vom Waldner her betrat.
Da ihn der gute Waldner von ferne kommen sah,
Empfing er wohl den Fürsten; nun hört, so sprach er da:
»Dir ist viel wohl gelungen am alten Drasian!
Du fuhrst nach Einer Fraue, nun bringst du zwo heran.«
Er sprach: »Tot liegt der Riese und auch die Schwester sein.
Wenn du in diesem Walde nicht länger wolltest sein,
So fahr' gen Altenfelse zu Ortolf dem Gezwerg!
Dort sollst als Herr du wohnen über die Burg und den Berg.«
Sie schieden von einander dort in dem grünen Wald.
Wolfdietrich mit den Frauen kam da zum Meere bald.
Da fuhren sie mit Freuden über die tiefe See
Hin zu der alten Troje; verschwunden war ihr Weh'.
Dort blieb bei Siegeminne wohl noch ein halbes Jahr
Der edle Held Wolfdietrich in Freuden immerdar.

Da kam ihm eines Nachtes in seinen Sinn und Mut,
Daß er ja suchen sollte Ortnid, den König gut.
Sie sprach: »Viel lieber Herre, was kommt dir in den Sinn,
Daß du von mir willst ziehen zu König Ortnid hin?«
Er sprach: »Viel liebe Fraue, das will ich gern dir sagen;
Ich war ein kleines Kindel bei meines Vaters Tagen,
Da sandte Ortnid Boten in meines Vaters Land,
Daß er ihm sollte zinsen die Burgen und das Land.
Ich entbot ihm hinwieder, sobald es möcht' ergehn,
So wollt' ich ihn zu Garden wohl um sein Land bestehn.
Als ich nun war erwachsen und ward zu einem Mann,
Focht ich mit ihm zu Garden auf einem grünen Plan.
Da wurden wir Gesellen. So große Kraft ist sein,
Daß er mir wohl mag helfen nun zu dem Erbe mein,
Und meine eilf Dienstmannen mir wieder mag gewinnen.
So hab' ich es geschworen, darnach steht all mein Sinnen.«
Sie sprach: »Wenn ich dich bäte um deinen eignen Leib,
Das will mir Gott nicht gönnen; du nimmst ein andres Weib.
Doch wenn du bei mir bliebest, am tiefen Meeresgrund
Macht' ich dir täglich wahrlich wohl tausend Wunder kund.
Was all das Meer bedecket, das steht in meiner Hand,
Dazu ober dem Wage hab' ich wohl dreißig Land.
Dir wollt' ich die Schrawazen zu eigen alle geben
Und alle Meereswunder; wer möchte schöner leben?«

Mit Züchten sprach Wolfdietrich: »Nein, Frau, thu' mir bekannt,
Welchen Weg man reitet in der Lambarden Land!«
»Du findest keine Straße,« sprach sie, »reit' nur beim Meer',
So kommst du nach Lambarden; Gott dir viel Glück bescheer'!
Ich geb' dir eine Speise, die ist dir nütz und gut,
Die dir wohl an dem Leibe und sanft dem Herzen thut,
Die du gar leicht magst führen mit in der Tasche dein;
Sie müht dich auch nicht sehre, 's ist weder Speise noch Wein.
Du gieb die Speise niemand, als der getreue sei!
Willst du mir dies geloben, so bleibst du sorgenfrei.
Ich sage dir der Wurzel geheime Meisterschaft:
Wenn ihrer du genießest, so hast du Löwenkraft.«

Sie führt ihn zu einem Baume, die Wurzel fand er da.
Sie lehrt ihn, daß er sie kannte, wo immer er sie sah.
Von dannen er da kehrte wohl durch den finstern Wald,
Wie ihn die Fraue lehrte die Steige mannigfalt.


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