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Wolfdietrich. Nach Hugdietrich und Ortnid nimmt die dritte Stelle im deutschen Heldenbuch Wolfdietrich ein. Wenn der Hugdietrich der Sage der historische Theodosius der Große ist, so hätten wir in Wolfdietrich seinen Sohn Arkadius zu sehen. Der Name Arkadius mag an den nordischen Ausdruck »vargr« für Wolf erinnert haben. Die Sage läßt ihn zweimal mit Wölfen zu thun haben, gleich nach seiner Geburt, worüber der »Hugdietrich« berichtet, und als Kind von vierthalb Jahren, wo er ausgesetzt, aber von Wölfen verschont wird. Alles das spielt im oströmischen Reich bis hin zu den Bulgaren und wilden Reußen. Auch die Wölfe sind römisches Sagengut. Vielleicht hängt »Wolf« aber auch mit »Flavius«, dem Beinamen des Theodosius, zusammen. In den mannigfach verschlungenen Sagen von Wolfdietrich tritt als Hauptzug das Treueverhältnis zu seinen Mannen hervor. Darin mag noch ein Nachhall des Verhältnisses zu spüren sein, in dem die eingewanderten Germanen zu ihren römischen und byzantinischen Oberherren standen.

Das Heldengedicht von Wolfdietrich ist in vier verschiedenen mittelhochdeutschen Fassungen erhalten, welche hier möglichst also zusammengefaßt wurden, daß kein wertvoller Sagenzug fehlt.

Wolfdietrichs Kindheit und Jugend ist schon oben S. 35 ff., sein Verhältnis zu Kaiser Ortnid S. 99 ff. erzählt worden. – Das Land bei der Ipper, Ipperland, liegt nach der Vorrede des alten Heldenbuchs in Ungarn.

Wolfdietrichs Flucht

Hugdietrich stirbt. Wolfdietrich wird um sein Erbe betrogen. Er kämpft mit seinen Brüdern, verliert sechs Dienstmannen, wird mit den andern belagert und macht sich auf, Hilfe von Ortnid zu erbitten.

 

Als Hugdietrich der reiche an seinem Ende lag,
Seiner lieben Kinder er wohl mit Treuen pflag.
Das Land dort bei der Ipper gab er in Wachsmuts Hand,
Dem Boge Siebenbürgen, das schöne reiche Land.
Drauf rief er Herzog Berchtung und sprach zu ihm alsdann:
»Ich empfehle dir Wolfdietrich, du bist ein treuer Mann.
Konstantinopel werde sein Erbe, muß ich sterben,
Und was dazu gehöret vor meinen andern Erben.«
Darnach am andern Morgen der Herr sein Ende nahm.
Bestattet ward zu Erde der König lobesam.
Gar bald war Herr Hugdietrich verklagt und auch verschwiegen;
Des mußten viel der Lande nach ihm verwüstet liegen.

Der treue Herzog Berchtung nahm sich Wolfdietrichs an,
Er führte ihn gar balde in seine Stadt Meran.
Da zog er seinen Herren bis in das dritte Jahr,
Er lehrte ihn noch manches Ritterspiel alldar.

Doch da der Trost des Landes verschied und auch verstarb,
Der ungetreue Saben um Hildburgs Hulden warb.
Da ward dem Lande Jammer und Mord allerst gefrommt.
O weh, daß man die Frauen so leichtlich überkommt!
Als nun der Ungetreue Frau Hildburgs Huld gewann,
Begann er falsche Räte auf Berchtung von Meran,
Begann auch drauf zu denken, wie er die Königin
Verstieße und Wolfdietrich, sich selber zum Gewinn.
Zuerst verdrängte Saben Herrn Berchtung allzuhand,
Der Frau und ihres Sohnes er selbst sich unterwand.
Zu Boge und zu Wachsmut sprach er dann allezeit:
»Ihr sollt mit Rechte wissen, ihr Herren, wer ihr seid.
Durch eurer Mutter Falschheit ist Wolfdietrich ein Wicht.
Den sie euch zählt zu Bruder, der ist euer Bruder nicht.
Sie schadet eurer Ehre sowohl bei Nacht wie Tag,
Und sinnet stets auf Räte, wie sie euch verderben mag.
Verstoßt sie von dem Schlosse, in Treuen rat' ich dies,
Und nehmt ihr all das Erbe, das ihr euer Vater ließ!
Gott gebe, daß ihr schaffet, daß es ihr übel geh',
Dieweil sie hat zerstöret eures Vaters Eh'.«

Die beiden Jungherrn wähnten, es spräche Saben wahr;
Des ward das Weib verderbet von seinen Lügen gar.
Die Jungherrn beide sprachen zu ihrer Mutter so:
»Frau, wir sind eines Dinges geworden gar unfroh.
Soll jener Balg Wolfdietrich denn unser Bruder sein?«
»Er ist's, auf meine Treue!« so sprach die Fraue rein.
»Nein, vaterhalb nicht ist er, Mutter, des Vaters Kind,
Das sagen uns die Leute, die des wohl weise sind.
Wir mögen uns in Treuen vor dir auch nicht bewahren;
Drum mußt du von der Feste und von dem Hause fahren!
Was soll dir Königserbe? Du bist nicht Königin!
Daß du den lieben Vater mit unverschämtem Sinn
Und uns so hast geschändet, das soll dir wenig frommen.
Nun heb' dich zu dem Manne, den du dir hast genommen!«

Mit Jammer sprach die Fraue: »Nun sei es Gott geklagt,
Daß ihr mich des sollt zeihen! Wer hat euch das gesagt?
O wehe mir, daß Saben je meine Huld gewann,
Und daß ich nicht gefolget Berchtungen von Meran!
Laßt mich bei euch hier bleiben, da keine Schuld ich hab'!
Laßt mich bei meinem Erbe, das mir euer Vater gab!«
Was sie auch bitten wollte, das war doch gar verlorn;
Die beiden Jungherrn wollten nicht lassen ihren Zorn.
Man ließ viel kaum der Fraue ihr Roß und ihr Gewand.
Was sonst man in der Kammer des reichen Schatzes fand,
Davon bot man der Fraue nicht einer Mark wert an.
Sie mußt' als Arme reiten zu Berchtung nach Meran.

So ritt sie gar erbärmlich bis zu der Pforte hin;
Da sagte man Berchtungen, es käm' die Königin.
Berchtung der Frau entgegen mit seinen Helden ging
Und auch mit seinem Weibe; die Königin er empfing.
Berchtung mit schönen Züchten da zu der Frauen sprach:
»Was sucht ihr, Königinne, mein armes Obedach?«
Sie sprach: »Wir müssen suchen die Freunde, die wir haben.
Meine Kinder han mich verstoßen, das riet der falsche Saben.«
Sprach Berchtung: »Gott vom Himmel lohn' diesem solche That!
Doch ist dir recht geschehen, du schmähtest meinen Rat.
Wer treuem Freunde folget, des Folgen wird viel gut;
Wer soll sich auf den verlassen, der nie trug treuen Mut?
Du wolltest mir nicht folgen, nun hab' dir auch den Schaden!
Der mir je war zu Feinde, den hast du heimgeladen!«
Da sagte gar erbärmlich die Königinne hehr:
»Nun thu' mir, wie du wollest! Ich hab' sonst niemand mehr.«

Mit Züchten sprach der Alte: »Nun sei mir Gott willkommen!
In meinem Lande bist du als Königin aufgenommen.«
Da sprach auch Jung Wolfdietrich: »Frau, sei auch mir willkommen
In meines Vaters Hause! Was ich dir nur mag frommen
Und was ich dir mag dienen, das thu' ich alle Zeit.
Ich dien' dir desto gerner, weil du nun bist im Leid.«
Die Königin schwieg vor Jammer, daß sie kein Wort mehr sprach;
Da tröstete sie der Alte und führte sie ins Gemach.
Mit allen guten Züchten man da der Fraue pflag.

Wolfdietrich aber harrte kaum, bis es wurde Tag,
Hin ging er in das Münster, wo er die Mutter fand.
Er trug in schweren Sorgen ein Schwert in seiner Hand
Und sprach: »Nun sag' mir, Fraue, die du sollst Königin sein,
Sag' mir, ob du erkennest den lieben Vater mein!
Bist du nun meine Mutter und bin ich auch dein Kind?
Du sollst mich dahin weisen, wo meine Freunde sind.«
Sie sprach: »Ich kann dir weisen nicht mehr der Freunde dein;
Doch ich bin deine Mutter und du mein Kindelein.
Den Vater, den du hattest, den hast du leider verloren,
Ihm hab' ich dich vor Zeiten in Salneck dort geboren.«

»So sag' mir, wie er gestorben, oder wo er sei gewesen!
Und sagst du nicht die Wahrheit, laß ich dich nicht genesen.«
Sie sprach: »Viel lieber Herre, es ist dir nicht zum Hohn;
Du bist von allen vier Enden eines Königes Sohn.
Dein Vater und deine Mutter waren Könige rein,
Drum sollst du auch von Rechten ein gewaltiger König sein.
Dein Vater war zu Griechen ein König sicherlich,
Er saß auf Konstantinopel und hieß Hugdieterich.
Nun bist du wohl belehret, nimm diesen Brief zur Hand!«
Sein Leben und sein Sterben er dran geschrieben fand;
Wie Berchtung ihn ernährte, er an dem Briefe las,
Wovon er ward verraten und wovon er genas.
Da neigte er der Mutter das Haupt in ihren Schoß,
Es ward ihr beider Weinen und auch ihr Jammer groß.

Die Mutter stieß die Tafel in ihren Busen wieder.
Er suchte Meister Berchtung, sein Schwert das warf er nieder.
Da bot er seinem Meister viel sehnelichen Gruß,
Er küßte ihm die Hände und neigt' sich ihm zu Fuß:
»Gott müsse dir vergelten, o Fürste von Meran,
Mein Meister, lieber Herre, was du mir hast gethan!
Ich hab' von deinen Gnaden die Ehre und das Leben,
Ich will mich, lieber Meister, in deine Gnade geben.
Ich hab' nun recht erfraget, von wannen ich gekommen;
Mir ward fürwahr unbillig mein Erbeteil genommen.
Es müssen meine Brüder mir immer Feinde sein,
Sie lassen denn mein Erbe mir und der Mutter mein!«

Mit Jammer sprach der Alte, der reine Fürste klar:
»Von Urlog und von Kriege ruht' ich nun vierzig Jahr.
Ich muß in meinem Alter nun haben Ungemach.
Nun müss' es Gott erbarmen, was Saben je verbrach!
Auf den will ich dir helfen und auf die Brüder dein,
Daß sie dein Recht dir thuen und auch der Frauen mein.
Uns dien' das Land zu Griechen oder ich lasse mein Leben!
Ich will dir meine Söhne dazu zur Steuer geben,
Die sechzehn kühnen Jungherrn, die liebsten, die ich han,
Meine Söhne sind sie alle, dir sei'n sie unterthan.
Sie müssen mit dir alle im lichten Streitgewand,
Jeder mit tausend Rittern, die Fahne an der Hand.
Auch ich will, lieber Herre, dir mehren deine Schar,
In schneeweißen Ringen komm' ich mit Tausend dar.
Ich gebe dir die Helden, dazu ein Banner licht,
Die sind so ausgesuchet, sie weichen nimmer nicht.
Wohl in der zwölften Woche so sind sie dir bereit,
So rächen wir mit Zorne allbeide unser Leid!«

Da mußten sich bereiten die Recken in die Not,
Sie kamen auf Lilienporten des Tags, als er gebot,
Die edlen und die kühnen, die Berchtung gerne sprach.
Ihrer keinem eines Ringes noch eines Riemens gebrach.
Mit Freuden sprach Wolfdietrich, als er sie sah herkommen:
»Und werd' ich je zu Herren, es soll euch allen frommen!
Was euer einer verlanget, das will ich nicht versagen.
Nun welches ist die Brünne, die ich soll selber tragen?«
Er sprach: »Ich gäb' dir gerne deines Vaters Schwert,
Da wärest du zu Streite viel wohl damit bewehrt.
Doch sollst du mich's erlassen, es mag doch jetzt nicht sein.
Gott möchte sonst dich fällen, schlügst du die Brüder dein.«
»Ich bin,« so sprach Wolfdietrich, »auch meines Vaters Sohn,
Doch will ich mit dem Schwerte nicht ihnen Schaden drohn.«
Da hieß er ihm gewinnen eine andere Klinge licht
Und einen guten Halsberg, doch war so fest er nicht.
Da ihm der Herzog Berchtung das Schwert gegeben hätte,
All' seine sechzehn Söhne schwuren ihm an der Stätte,
Das waren vier Herzogen, zwölf Grafen lobesam,
Jeder mit tausend Rittern, wie ich fürwahr vernahm.

Da urlaubte Wolfdietrich sich von der Mutter sein.
Es sprach die Königinne: »Nun schone der Brüder dein!
Laß sie des nicht entgelten, daß ungetreu sie sind!
Ihr seid doch alle dreie nur zweier Leute Kind.«
Die Helden zogen gewaltig hin aus Meran zumal.
Da kamen sie viel balde zu Sippan Sebenico? in das Thal.
Auf banden sie die Segel die Mannen lobesan,
Und fuhren nun mit Freuden über des Meeres Bahn.
Sie fuhren auf dem Meere wohl gegen zwanzig Tagen
Und wurden in den Hafen zu Konstantinopel getragen.
Dort stiegen sie viel balde hernieder auf das Land;
Da sprach der Herzog Berchtung der biedere Weigand:
»Ihr sollet hier verbleiben, viel liebe Herren mein.
Ich und mein Herr Wolfdietrich sollen heut zu Hofe sein.
Wir wollen Märe erfahren von Boge und Wachsmut,
Was ihnen sei zu Willen, den edlen Fürsten gut.
Wenn sie an unserm Herren nicht Gnade lassen geschehen,
Muß man in kurzen Zeiten viel mannigen Toten sehen.
Du Hache und du Herbrand, ihr bleibt allhier beim Heer!
Vernehmet ihr mein Hörnlein, so kommt mit aller Wehr!
So geht's uns an die Ehre und daß man streiten soll.
Dann kommet uns zu Hilfe! Des trauen wir euch wohl!«

Da gingen sie viel balde hin in den Königssaal.
Gar wohl empfing den Alten das Gesinde überall.
Da sprach zu beiden Königen Berchtung, der treue Mann:
»Was hat euch denn mein Herre zu Leide je gethan?«
Da sprach der König Wachsmut: »Der bleibe von uns fern!
Nun sage, Meister Berchtung, wen willst du haben zu Herrn?«
»Zum Herrn will ich Wolfdietrich, dieweil vor seinem Sterben
Ihn mir befahl sein Vater, drum laßt ihn mit euch erben!«
Da sprach Jungherr Wolfdietrich zu seinen Brüdern zwein:
»Thut es durch Gott den guten, und laßt mich bei euch sein!
Habt euch das Land zur Hälfte, das mir beschieden ist,
Und lasset mir die Hälfte und diese Stadt zur Frist!«
Da sprach der König Boge: »Berchtung, du falscher Mann,
Wolfdietrich ist ein Kebskind und mag nicht Erbe han.
Man fand ihn einst zu Walde bei jungen Wölfelein.
Du sollt ihn fahren lassen und unser Eigen sein!«
Da sprach der Herzog Berchtung: »Das wär' mir immer Leid;
Sollt' ich also verlieren meine große Arebeit,
Die an dem jungen Fürsten solange ist geschehn?
Er muß noch in der Krone hier vor euch allen stehn.«
Da sprach der König Boge: »Du alter Ziegenbart!
Daß du auf unsrem Hofe solange wurdest gespart!
Willst du nicht von ihm lassen, wirst anderes du gewahr,
Ich heiß' dir wahrlich zerren von deinem Mund das Haar!«
Da sprach Jungherr Wolfdietrich zu seinen Brüdern zwein:
»Wer anrührt meinen Meister, der muß verschroten sein
Von meinem guten Schwerte, oder ich liege tot!«
Die Herren wichen beide, nun nahte große Not.

Da sprang der Herzog Berchtung zur Thür, der kühne Mann.
Ein Hörnlein rot von Golde blies der Held lobesan.
Das hörten seine Söhne, sie eilten bald hervor,
Mit allen ihren Recken kamen sie an das Thor.
Da sprach mit frommem Mute Herr Berchtung von Meran:
»Nun sollen wir die Griechen bestehn, so kommt heran!
Nun laßt die Fahnen fliegen mit Freuden über Feld!
Es wird uns an den Toten der Untreu Widergeld.
Des soll sich heute trösten der Ritter und der Knecht,
Daß uns Gott immer danket; wir streiten um das Recht!«
Auf ihren schönen Rossen einher die Helden zogen,
Die Fahnen gar gewaltig über die Heide flogen.
Da hub sich in der Feste ein ungefüger Schall,
Da all' die Ritter drangen zur Burg allüberall.

Da sagte zu den Königen der ungetreue Saben:
»Seht ihr, was wir an Berchtung bisher geheget haben?
Mit solchen Scharen diente er nie eurem Vater mehr.
Wenn er noch länger lebte, es schmerzte mich zu sehr.«
Die Scharen beidenthalben zusammen kehrten so.
Die sich des Streites freuten, die wurden alle froh.
Zusammen sie da drangen, die Schäfte brachen gar,
Sie sangen ihre Weise dazu in beider Schar.
Da hub sich allenthalben viel Angst und große Not,
Da mußten lichte Ringe von Blute werden rot.
Als so zusammendrangen die Scharen ritterlich,
Da stritt vor allen andern der kühne Wolfdietrich.
Die Spreizen gen den Wolken von ihren Handen flogen.
Da sie die Schäfte brachen, die Schwerter sie nun zogen,
Und saßen von den Rossen hernieder auf das Gras.
Sie mußten alle weichen, wo Herr Wolfdietrich was.
Er haute beidenthalben Lucken und manchen Pfad;
Sie nahmen all' ihr Ende, wohin der Junge trat.
Die Schar durchbrach Wolfdietrich und Berchtung all' zur Stund,
Wen er nicht schlug zu Tode, der ward doch mächtig wund.
Da ward von lebenden Leuten die Heide schleunig bloß,
Das Blut durch lichte Ringe hin auf die Erde floß.
Ueber den jungen Griechen ward da viel manniger Schrei,
Des Tages schlug Wolfdietrich manchem sein Haupt entzwei.
Was sie der Flieh'nden funden, ihr keiner da genas,
Sie düngten mit den Toten das Feld und auch das Gras.

Als sie nun beidenthalben fest miteinander stritten,
Da war auch mit den Königen Saben aufs Feld geritten.
Sie harrten, wie's erginge dem kräftiglichen Heer.
Bald sah'n sie beide, daß es hinfloh ohn' alle Wehr.
Mit Zorn rief da Wolfdietrich: »Saben, wer gab dir Heil,
Daß du mir sollst verirren mein rechtes Erbeteil?
Oder wer hat dir erlaubet ob meiner Mutter Zucht?
Das mußt du immer büßen, und hilft dir nicht die Flucht.«
So ward ein mächtig Schelten mit Zorn und grimmem Sinn;
Da kehrten diese wieder und jene ritten hin.
Als er nicht konnt' erreiten die Brüder eiliglich,
Da weint' allerst vor Zorne der kühne Wolfdietrich.
Die Heergesellen ritten nun wieder auf das Wal,
Was sie der Feinde funden, die schlugen sie zu Thal.
Sie stritten einen langen Tag, wie wir noch hören sagen,
Da wurden Herzog Berchtung der Söhne sechs erschlagen.
Wenn er sah einen fallen, blickt' er Wolfdietrich an
Und lachte laut und innig, daß nicht verzagte der Mann.
Da lief heran ein Degen, der war viel hochgemut,
Der haute auf Wolfdietrich durch seinen Eisenhut,
Davon Wolfdietrich strauchelte und fiel hin auf den Plan;
Da lag in großer Unkraft der tugendhafte Mann.
Wie balde Herzog Berchtung ob seinem Herren sprang!
Er zog ihn auf gar eilig, die Weile war nicht lang.
»Nun sollen wir von hinnen, das will ich, Herr, dir sagen,
Da unsre Helden alle fast sind zu Tod erschlagen.
Wenn uns die Griechen finden, so sind wir alle tot.«
Sie eilten zu den Rossen; zu fliehn war ihnen not.

Da kehrten sie von dannen, die kühnen Degen bald,
So eilig sie vermochten, gen einen grünen Wald.
Fünftausend ihrer Feinde die jagten ihnen nach,
Wolfdietrich und den Seinen war nach dem Walde jach.
Die Griechen folgten ihnen den Tag bis an die Nacht,
Sie ritten fort, solange die Rosse hatten Macht,
Bis von Konstantinopel sie keine Spur mehr sah'n.
Da überfiel die Nacht sie in einem finstern Tann.
Sie kamen von der Straße hin in ein wildes Thal
Auf einen grünen Anger; es legte sich der Schall.
Sie sahen einen Bronnen, der in dem Walde floß.
Dort legten sie sich nieder, ihr Trauern war gar groß.
Sie wollten ohne Sorge allda geruhet han
Und legten ihr Geschmeide nieder auf den Plan.
Nur einer ganz alleine, der Held Wolfdietrich,
Behielt an seinem Leibe die Rüstung wonniglich
Und strich auf Abenteuer hin in den finstern Tann,
Indes mit seinen Recken Berchtung viel Leid gewann.

Zwölf große Riesen wurden der Helden dort gewahr,
Des Waldes Eidgenossen; sie huben schnell sich dar
Mit starken Eisenstangen und Schwertern schwer und breit,
Sie fingen ohne Mühe die Helden in der Zeit,
Die ohne Waffen waren und führten gleich sie hin
Wohl auf die Burg zu Troimund, das war der Riesen Sinn. Diese Riesen sind Diener des heidnischen Fürsten Baruk von Palacker, Limher ist dessen Bruder. Sie gehören zum Reiche des Heidenkönigs Tarias; vgl. S. 51 Wolfdietrichs Ende.
Belmund, der starke Heide, ihnen entgegen ging,
Die seinen Waldesrecken er fröhlich da empfing.
In einen schweren Kerker legte man die Helden dort,
Sie litten große Schwere und Arbeit an dem Ort.
Belmund, der starke Heide, sprach zu den Recken schier:
»Ihr müsset es nun ernten, daß ihr so große Gier
Einst hattet und mir schufet viel Leid und Kummer groß,
Dieweil mein Bruder Olfan durch euch ward siegelos!«

Nun lassen wir die Helden in großen Nöten hier.
Wolfdieterich der kühne ging aus dem Wald herfür,
Und da er an den Brunnen unter die Linde kam,
Und er von seinen Mannen nichts sah und nichts vernahm,
Da ward sein bittres Klagen gar mächtig und gar groß.
Er schrie mit lauter Stimme, daß das Gebirg' erdoß.
Das hörte auf der Feste der Heide Herr Belmund
Und alle seine Riesen daselbst zur selben Stund'.
Da liefen sie alsbalde den Burgberg hin zu Thal,
Sie eilten zu der Fährte die Starken allzumal.
Wilher war er geheißen, der da ihr Meister was,
Er trat hin zu dem Jungen hernieder auf das Gras.
Wolfdieterich der kühne lief gleich den Riesen an,
Er schlug ihn zu der Stunde alldort im grünen Tann
Mit jenem Schwerte, das ihm sein Meister Berchtung gab;
Noch manchen Recken bracht' er mit diesem in sein Grab.
Er schlug der Riesen zwölfe, der werte Ritter bald,
Unter der grünen Linde über dem Brunnen kalt.
Der Wirt von jenem Hause hörte der Riesen Klage
Auf seiner festen Klause, er hub sich vom Gelage
Und ging zur Kemenate. Der freisliche Weigand
Gürtete sich mit Eile dort in sein Stahlgewand.

Da kam ein Zwerg gegangen vor Wolfdietrich und sprach:
»Bibung bin ich geheißen, ich schaffe dir Gemach,
Weil mir dein Vater manches zu Gute hat gethan.
Die Heidenrecken sollst du besiegen hier im Tann,
Du werter Held, in Treuen nimm hin dies Ringelein,
Und sei in hohem Mute; dir soll's zur Freude sein.
Nun hab' ich deine Nöten schon wohl vorher bedacht,
Und habe dir vom Brunnen zween Trünke hergebracht.
Wohl fünfzehn Männer Stärke wird dir davon zuhand,
Trinkst du von diesem Brunnen, viel biederer Weigand.«
Da Wolfdietrich der müde des Brunnens Wasser trank,
Hei, wie er da geschwinde kräftig vom Boden sprang!
»Nun lohn' dir Gott vom Himmel, du kleines Zwergelein!
Ich trau nun wohl zu siegen über die Feinde mein.«

Zuhanden kam gelaufen der Heide auf den Plan.
Wie schnell entwich da Bibung der kleine in den Tann!
Da wurde Herr Wolfdietrich bestanden von dem Heiden,
Es ward nach Rittersitten gethan von diesen beiden.
Dem Heiden schlug vom Leibe Wolfdieterich der Held
Sein lichtes Kampfgeschmeide; da fiel er auf das Feld.
Ein Hemde reich von Seide sah er am Heiden so,
Des ward der Held Wolfdietrich aus ganzem Herzen froh.
Das Hemd war einst Sanct Jörgen St. Georg., des edlen Ritters gewesen,
Wie wir noch heute hören, singen und auch lesen.
Mit beiden seinen Händen das Hemde lobelich
Zog ihm von seinem Leibe der edle Wolfdietrich.
Er legt es an viel schnelle, der junge Degen gut;
Vor aller Gattung Waffen war sein Leib wohl in Hut.
Das Rößlein bei dem Brunnen ließ er nun dorten stehn
Und eilte, zu der Pforte des Schlosses hinzugehn.

Mit zorniglichem Sinne kam der starke Olfan;
Der lief gleich vor der Pforte den jungen Fürsten an.
Sie liefen aneinander und fochten mutesreich;
Dem wilden Salamander war Herr Wolfdietrich gleich.
Der Riese mit der Stange der lief ihn mächtig an,
Da säumte sich nicht lange der auserwählte Mann,
Er gab dem Ungefügen den allerschwersten Schlag,
So daß sein großes Dreuen viel bald vor ihm erlag.
Doch hielt der große Riese sich noch in festem Streit;
Da wurde er des Todes Genoß in kurzer Zeit.
Das Haupt von seinem Leibe schwang er ihm Zornes voll,
Davon noch seinem Weibe das Herz in Leide schwoll.
Dannoch ward niemand inne geworden seiner That,
Die in der Feste waren. Er lief zur Pforte grad',
Die fand er dannoch offen. Da eilte er hinein.
Die Riesen waren alle beim Mahle und beim Wein
In einem weiten Pallas, da man sich nichts versah.
Wolfdietrich trat zu ihnen; wie mächtig rief er da:
»Nun wohlauf, all' ihr Herren, der Kurzweil ist genug!«
Limher, den starken Riesen, däucht es ein Ungefug,
Mit Stühlen und mit Bänken brachten sie ihn in Not.
Die Tische wurden alle gefärbt mit Blute rot.
Wohl dreizehn Fürstenhäupter des Tags er niederschwang.
Den Sieg hatt' er erfochten, darauf stund sein Gedank'.
Nun ging der kühne Ritter, er säumte sich nicht mehr,
Zum Kerker seiner Freunde, zum starken Turme her.
Wie bald der kühne Helde die Pforte da erschloß!
Da rief Wolfdietrich mächtig nach seinem Eidgenoß.

Als nun der Herzog Berchtung des Helden Ruf vernahm,
Da sprach aus seinem Kerker der Greise lobesam:
»Bist du es, Herr Wolfdietrich, unser ersehnter Trost,
Der uns von dieser Arbeit so balde hat erlost?«
Wolfdietrich fand einen Riemen, wohl zwanzig Klafter lang,
Der gehörte zu dem Turme. Hei, wie er dazu sprang!
Ein Scheit von einer Buche strickte er daran,
Sein Heil wollt' er versuchen, der tugendhafte Mann.
»Nun, Berchtung, lieber Meister, nun setze dich daran,
So will ich dir aushelfen, wie ich am besten kann!«
So zog er aus dem Turme all seine eilf Dienstmannen
Und führte sie gar freudig dahin mit sich von dannen,
Allwo er eine Tafel in diesem Hause fand;
Da hieß er bald sich setzen die Recken allzuhand.
Was da die starken Riesen gegessen sollten haben,
Derselben reichen Speise konnten sie sich nun laben.
Die gab er seinen Dienern, der edle Ritter fein,
Er diente ihnen zu Tische und schenkte klaren Wein.

Sie aßen dort ein wenig, dann schieden sie von dannen
An einem kühlen Morgen. Viel Sorge sie gewannen,
Daß sie bestanden würden. Sie kamen in den Wald.
Da mußten sie verbleiben, ihr Leid war mannigfalt.
Sie machten sich ein Feuer dort in dem finstern Tann,
Viel Stöcke und auch Rohnen trugen sie daran.
Sie saßen zu dem Feuer, die Müde that ihnen weh.
Der Herren waren zwölfe und anders niemand meh.
Da sprach der Herr Wolfdietrich, der edle Fürste hehr:
»Mein Berchtung, lieber Meister, wo sind der Söhne mehr?
Ich seh' nicht mehr denn zehne, doch sollten sechzehn sein!
Das mocht' ich dich nicht fragen vor Unmuße, Meister mein.«
Da antwortet' ihm Berchtung mit großem Jammer so:
»Ich weiß nicht, lieber Herre, sie sind vielleicht etwo
Aus jenem Streit entronnen.« Da sprach Wolfdieterich:
»Bei jenem jüngsten Urteil, das Gott hält über dich,
Wenn deine Seele scheiden einst soll von deinem Mund,
Mahn' ich dich, daß du sagest die Wahrheit hier zur Stund',
Ob sie wohl sind gefangen oder zu Tod erschlagen!
Mein Berchtung, lieber Meister, du sollst mir alles sagen!«
»Willst du mir's nicht erlassen, ich muß die Wahrheit sagen:
Dort zu Konstantinopel da wurden sie erschlagen.
Wenn ich mit lachendem Munde dich, Herre, blickte an,
So sah ich einen fallen, das wisse, kühner Mann!«
»Nicht wolle Gott vom Himmel,« sprach Wolfdietrich sogleich,
»Daß sie so hoch erkauften mein armes Königreich!
Mir soll nicht an den Meinen so großer Schade geschehen.
Ich glaub' nicht ihres Todes, du lassest mich's eh' sehen.«

Da führte so der Weise den Jungen an der Hand,
Wo er ersah die Toten. Die hatt' er bald erkannt.
Als er ihr bleiches Antlitz so sehr verschroten sah,
Fiel er auf sie, vor Leide sprach er kein Wort allda.
Er brach ihnen ab die Helme; sie waren todeswund.
Da ließ er ihrer keinen, er küßt' ihn an den Mund.
Sein Herze war betrübet, die Augen wurden naß.
Berchtung durch seinen Herren der Kinder gar vergaß.

Mit Jammer sprach Wolfdietrich: »Es reuet mich mein Leben!
Wer kann mir die Gesellen, die toten, wiedergeben?
Wohl alle Königreiche hingäb' ich sicherlich,
Wenn meine Freunde lebten, ich armer Wolfdietrich!
Weil aber du die Kinder durch mich nur hast verlorn,
Mein Berchtung, lieber Meister, räch' an mir deinen Zorn!
Verloren sind die Kinder allein durch meine Schuld.
So schlag' mir das Haupt herunter, thu' es mit Gottes Huld!«
Von Sinnen kam vor Leide der Fürste lobesan,
Das Schwert zog er aus der Scheide, den Knopf warf er hindann.
Er hätte sich nun selber geworfen in sein Schwert,
Wenn nicht sein Meister Berchtung es treulich hätte gewehrt.
Gar schnell ersah der Alte, daß es sein Ernst ihm was,
Da zuckt' er ihm die Klinge und warf sie auf das Gras.
Er zog den jungen Herren von seinen Kindern hin
Und sprach: »Mein Herr Wolfdietrich, wohin ist nun dein Sinn?
Willst du die Recken beweinen, dir mir da sind erschlagen?
Sie waren meine Kinder, laß mich sie selber klagen!
Nur mein und meines Weibes waren die Kindelein.
Wolfdieterich, mein Herre, laß du die Klage sein!
Laß sie die Frau beweinen, die sie im Leibe trug!
Sie wird es doch nicht lassen; des Jammers ist genug.
Hilf mir nun selber raten, und lassen wir den Zorn;
Was wir auch darum thäten, sie wären doch verlorn.
Es kann uns doch nichts helfen, bewein' ich jedes Kind,
Sie werden nicht lebendig, die doch gestorben sind.
Ist unser beider Hilfe auch hier verdorben gar,
Uns wachsen andre Leute, uns kommt ein andres Jahr.«
Sie überkamen kaum ihn, daß er die Klage ließ sein.
Herr Herbrand nahm beim Saume sein Hemd von Seide fein,
Das zerrte er in Stücke, daß er die Wunde band
Des Königs. An dem Male ward später er erkannt.
So blieben da die Herren, bis sie beschlich die Nacht;
Die ward in schweren Sorgen und Leide zugebracht.
Da sprach der alte Berchtung: »Willst du nun folgen mir,
So folge mir mit Willen, das Beste rat' ich dir;
Wir müssen die Walstatt räumen, wie es auch sei gethan;
Du hast auf dieser Erde sonst keinen einz'gen Mann.
Ich führte dir zu Streite mein ganzes Ingesind;
Sechs Söhne sind mir gefallen, daß nur mehr zehne sind.
Willst du denn selber zwölfte ein ganzes Heer bestehn?
Du hast nur mehr eilf Mannen, du mußt von hinnen gehn.
Wir sollen schnell entweichen, es ist nun Fliehens Zeit,
Dort kommen tausend Ritter, wir sind zu schwach zum Streit.
Ich sage dir auf Treuen, erharrst du hier den Tag,
Daß von uns allen keiner dem Feind entrinnen mag.
Wir haben an den Griechen begangen großen Mord;
So sollen wir, mein Herre, auf die Burg zu Lilienport.
Ich sage dir in Wahrheit, dort hab' ich des genug,
Was man wohl hundert Rittern je auf die Tafel trug.
Davon hab' ich genügend bis in das fünfte Jahr.
Willst aber du noch mehres, das bringe selber dar!
Dieweil uns währt die Speise, die Nahrung und der Wein,
So sollen wir vor Stürmen der Feinde sicher sein.«

Sie gingen heimliche Gänge die Nacht bis an den Tag.
Voraus ritt Meister Berchtung, der seiner Kinder pflag.
Sie strichen durchs Gebirge, das war wohl hoch genug;
Berchtunge mühten sehre die Ringe, die er trug.
Ihnen waren verlegt die Wege, doch fanden sie Lilienport.
Gar bald vernahm der Wächter dort seines Meisters Wort,
Auch hörte auf der Zinne ihn seine Fraue rein,
Sie zählte durch die Pforte nur zehen Kindelein.
Den eilften sie da fragte: »Berchtung, wo ist dein Heer?«
Mit Jammer sprach der Alte: »Wir haben jetzt nicht mehr.
Was all' uns ist erstorben, das ist zu klägelich;
Gehab' dich wohl, o Fraue: noch lebt Wolfdieterich!«
Da sprach die Frau mit Klagen: »Wo sind nun meine Kind?«
Mit Zorne sprach der Alte: »Ich weiß wohl, wo sie sind.
Sie haben wohl vergolten ihren Tod mit Wunden schwer;
Ich werf' dich über die Mauer, gedenkst du ihrer mehr.
Was wir zwei klagen sollten, das will allein er klagen;
Nun tröste meinen Herren, dem müssen wir's vertragen,
Daß er der Kinder Sterben vergesse durch uns zwei.
Mich müht sein Jammer immer, sein lautes Wehgeschrei.«
So folgte ihm die Fraue, der Kinder sie vergaß;
Verborgenlich und heimlich wurd' ihr das Auge naß.
Da wurde in der Feste das Leid gar jämmerlich,
Doch niemand klagte lauter als Herr Wolfdieterich.
So währt' ihr aller Jammer; bis an den fünften Tag
Verklagten sie die Toten, die niemand wecken mag.

Wohl an dem fünften Morgen erhub sich großer Schall;
Von ihren argen Feinden ward voll so Berg wie Thal.
Die Wächter riefen laut hin: »Nun wacht und hütet wohl!
Das Feld und das Gebirge ist all von Feinden voll!«
Da erschrak an seinem Bette der Fürste von Meran;
Schnell trat er in das Fenster, er kannte manchen Mann
Der unerbetnen Gäste im Kriegsgeschmeide da;
Sein Herz erschrak ihm sehre, da er so viele sah.
Da ging er übers Bette, auf dem sein Herre lag;
Den weckte er gar sänftlich: »Nun wohlauf, es ist Tag!
Wir sind ringsher umsessen, nun kommt uns Arbeit schwer.
Es liegen vor der Feste fünftausend oder mehr.«
Da warf er um die Schultern schnell seinen Mantel bloß,
Sie traten in das Fenster und sahn die Menge groß.
Die in der Feste waren, richteten sich zum Streit,
Es blieb doch unversperret ihr Thor zu aller Zeit.
Sie ließen die Brücke nieder und gingen vor das Thor;
Wonach ihr Mut gelüstete, das fanden sie davor.
Wie groß die Menge wäre, doch wehrten sie das Feld,
Es siegte auch viel häufig Wolfdieterich der Held.
Von seinem starken Streiten hub sich den Feinden Not,
Von seinen Händen blieben des Tages zwanzig tot.
So wehrten ihre Feste die Wirte wohl fürwahr;
Es kam durch Sturmes willen der Fremden keiner dar.

Da ward gemacht ein Friede und ein Gesprächestag.
Der Teidinge Herr Saben und Meister Berchtung pflag.
So sprach zu Meister Berchtung der ungetreue Saben:
»Berchtung, du sollst mir folgen, willst du den Leib behaben!
Berchtung, ich will dir raten, und willst du gerne leben,
So sollst du uns die Feste und deinen Jungherrn geben.
Zween Eide haben meine zween Könige geschworen,
Daß sie das Feld nicht räumen, die Burg werd' eh verloren.
Traun, dich und deinen Herren und alle deine Kind,
Die henkt man an die Zinnen, und die sonst bei dir sind.«
Mit Jammer sprach der Alte: »Drein muß ich mich ergeben;
So bin ich doch in Treuen und Ehren tot gelegen.
Mein Herr hat sich verlassen zu fest auf seinen Mann;
Nicht woll' das Gott im Himmel von Berchtung von Meran!«
Nicht länger währte der Friede; da ritt er wieder ein
Und sagte diese Märe dem lieben Herren sein.
Was da die Könige schwuren, das wurde alles wahr,
Sie lagen vor der Feste bis in das vierte Jahr.

Da ward des Jungen Reue und auch sein Jammer groß,
Daß er so sterben sollte; des Verliegens ihn verdroß.
Von Sorge ward er weise, daß er sich Rat erfand;
Viel früh an einem Morgen er vor Berchtungen stand.
Da sprach zu ihm erbärmlich Wolfdieterich sogleich:
»Mit Ruh erwirbet niemand Ehre noch Königreich.
Mein lieber Meister Berchtung, Gott müsse dich bewahren,
Es geh' nun wie Gott wolle, ich muß von hinnen fahren.
Ich wollte gern erlösen dich selbst und dein Gesind,
Die durch mich in die Sorge und Angst gekommen sind.
Ich will die Welt durchreiten und dazu alles Land,
Ob mir auf dieser Erde ein König werde bekannt,
Der so gewaltig heiße; des Dienstmann will ich sein,
Daß er zum Recht mir helfe an meinen Brüdern zwein.
Wenn du nun einen wissest, so sag mir, wo der sei!
Was taugte mir das Leben, wär' ich nicht Mutes frei?«
Da sprach zu seinem Herren Herr Berchtung von Meran:
»Willst du uns Hilfe suchen, so weiß ich einen Mann.
Wär' er uns nicht zu ferne, so löste uns sein Heer;
Denselben mögst du suchen, wär' er nicht über Meer.
Den will ich dir wohl zeigen, auch wo da liegt sein Land:
Das heißet Langobarden, er ist Ortnid genannt.
Kein König kann ihm gleichen, so mächtig ist sein Heer.
Die Frau nahm er im Streite einem König über Meer.
Zu dieser Königinne half ihm ein reicher Zwerg,
Dem ist das alles kündig, was decket Thal und Berg.
Was diesen König gelüstet, das muß fürwahr ergehn;
Wogegen er sich neiget, das kann nicht mehr bestehn.
Doch sag' ich dir, mein Herre, die Fahrt ist dir zu groß,
Du findest nirgend Straße, auch keine Steige bloß.
Du kommst zu manchen Stätten, davor dir sicher graut,
Man muß sechs Wochen reiten, daß man nicht Leute schaut.
Die wüste Romaneie nicht Land noch Leute hat,
Du findest nirgend Hube, noch Acker, noch auch Saat.
So muß ich dir, mein Herre, darum die Reise wehren;
Du magst dich auf der Straße vor Hunger nicht ernähren.
Gleich andern Viehes Heerden gehn da die wilden Leu'n,
Ich mag dir noch mit manchen wilden Weiben dreu'n.
Doch willst du hier nicht bleiben und drängst nach deinem Grabe,
So geb' ich dir viel gerne, was ich dir behalten habe:
Falke, das Roß, das gute, das einst dein Vater ritt,
In manchem Völkerwige zu Sieg er darauf stritt;
Sein Helm und seine Brünne, den Schild und auch sein Schwert,
Das hab' ich dir behalten, ob des dein Mut nun gehrt?« –
»Den Schild kies ich mir selber,« so sprach der junge Mann,
»Ich will mit wilden Tieren dort streiten in dem Tann!
Man misset sein doch wenig, wieviel da wird erschlagen:
Was sich am längsten währet, des Siegel will ich tragen.«

Hin gingen sie da beide, wo er die Mutter fand.
Mit Jammer sprach der Alte: »Dein Sohn will über Land.«
Sie sprach: »Mein Sohn und Herre, wem willst du lassen mich?«
»Sieh, meinem Meister Berchtung will ich befehlen dich.«
»Gott müsse dir erhalten, viel liebes Kind, dein Leben!
Was ich dir habe behalten, das will ich dir nun geben.«
Ihr Herze ward durchbrünstig, da sie die Kleider fand;
Sie sprach zu ihrem Kinde: »Nun hab' dir dies Gewand!
Wohin es immer reichet, da wirst du nimmer wund
Und bist vor allen Waffen drin sicher und gesund.
Dir kann Feuer und Wasser, noch anderes nicht schaden.
Es war seit deiner Taufe gelegen in meinem Laden.«
Da folgte er der Mutter und nahm es in die Hand.
Er meinte, daß ihm wäre zu enge das Gewand.
Da er es an sich legte, da ward es ihm so weit:
So war er wohl behütet, der Held, in jedem Streit.
Da hieß er ihm auch bringen des Vaters Sturmgewand.
Wie laut die Mutter weinte, da sie die Riemen band!
Sie waren all' verzweifelt am Degen kühn und hehr
Und wollten sicher wähnen, sie säh'n ihn nimmermehr.

Als man mit großem Jammer in der Burg inne ward,
Daß Herr Wolfdietrich wollte auf diese schwere Fahrt,
Den Alten wie den Jungen die Thränen niederrannen,
Doch niemand klagte lauter als seine eilf Dienstmannen.
Berchtung sprach zu Wolfdietrich: »Nun denk' an uns fürwahr!
Kommst du zu fremden Leuten, vergiß nicht unser gar!
In der blüh'nden Jugend geliebt dir leicht ein Weib;
Wir kümmern dich dann wenig und verlieren den Leib.«
Da sprach zu Meister Berchtung der junge Heldengleiche:
»Wer mir die Schönste gäbe und tausend Königreiche
Und alle Länder und Burgen, die auf der Erde sind,
Ich will nie Weib gewinnen, eh' ich löse mein Gesind!«
Sie warfen auf die Pforte, ihr Jammern war gar groß;
So fuhr er über die Brücke, allein, ohn' allen Troß.
Ihm sahen nach die Seinen, groß war ihr Herzeleid,
Als er von Lilienporten ritt in die Lande weit.
Er kehrte gegen die Feinde zuerst sich wütiglich:
Allerst wollt' in die Sorge der kühne Wolfdietrich.
Doch ritt er durch die Feinde, sodaß ihn niemand fing.
Wer aber ihm zu nahe an seinem Wege ging,
Den letzte er so unschön, daß er ihn nichts mehr bat:
Man trug ihn tot von dannen, er kam nicht von der Statt.
So ritt er vor dem Walde die Nacht bis an den Tag,
Der Hut gegen die Feinde er ganz alleine pflag.
Des Tags wohl zwanzig Tote sandt' er da in das Heer.
Als sie des inne wurden, da floh'n sie ohne Wehr.

Da sprach zu seinen Königen der ungetreue Saben:
»Weh, wie wir uns zum Laster allhier gehütet haben!
Entronnen ist Wolfdietrich, das ist ein böser Streich,
Vielleicht gewinnt er wieder allein sein Königreich.«


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