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Wolfdietrich und Ameie

Wolfdietrich kommt zu Schiff nach Sicilien zu König Marsilian. Die Riesin Rome trägt ihn übers Gebirg. In Tervis wird er vom Bürger Wernher und seiner Tochter Ameie gut aufgenommen und erfährt dort Ortnids Tod.

 

Wolfdietrich kam zum Meere, ein Schiff ging eben fort,
Drein stieg der gute Ritter. Er kam an dessen Bord
Ueber das Meer, das breite, hin nach Sizilienland.
Da ritt er aus dem Kiele aufwärts am Meeresstrand.
Ein festes Schloß gar stattlich mit Türmen wonniglich
Sah dort auf einem Felsen der Herr Wolfdieterich.
Es war von Marmelsteine, groß Wunder nahm ihn da
Die Pracht, die er am Schlosse mit eigenen Augen sah.
Da sprach in seinem Herzen der edle Fürste klar:
»Wüßt ich des Wirtes Willen, so ritt ich zu ihm dar.
Vielleicht ist sein Gemüte an Tugend so gethan,
Daß er elende Gäste viel wohl empfangen kann.«
Von dannen er da kehrte gar einen engen Pfad,
Wie ihn die Mannheit lehrte und seine Tugend bat.
Die Nacht begann zu nahen, der Tag den Urlaub nahm,
Darum der gute Degen in große Arbeit kam.
Denn in demselben Walde, dort vor der Feste Plan
Erblickte Herr Wolfdietrich den allergrößten Mann.
Weit über alle Bäume ging seine Länge gar,
Er schaute drein gar grimmig; der Mann hieß Baldemar.
Eine Brünne ganz von Horne hatte er angelegt,
Drein stund der Auserkorne gar wild und unentwegt.
Er trug eine schwere Stange mehr als acht Klafter lang,
Einen Schild gleich einer Giebelwand er in den Händen schwang.
Da rief ihn an Wolfdietrich: »Bist du des Teufels Bruder,
Du ungefüger Riese, du greuliches Waldluder?
Es ward nie Weibes Sippe so lange noch so groß;
Die dich zur Welt gewonnen, war wohl des Todes Genoß.«
Da sprach zu Wolfdietrichen der wundergroße Mann:
»Du hast eine krumme Straße genommen in den Tann.
Eine Wahl will ich dir geben sogleich in dieser Stund;
Nimm welches du da wollest, du wirst doch ungesund.
Nun gieb mir da zu Zolle einen Fuß oder eine Hand,
Das eine oder andere, das muß hier sein mein Pfand.
Nicht wirst du, kleines Kindel, dein Leben dann ernähren.«
Da sprach der Held Wolfdietrich: »Eh' will ich fest mir wehren
Den Leib, mein Gut, die Ehre mit meines Schwertes Ort,
Eh' daß ich lasse stiften an mir so großen Mord.«
Mund wieder Mund ward also von beiden widersagt.
Sie liefen an einander; Wolfdietrich unverzagt
Griff nun in heißem Zorne den großen Riesen an.
Es ward von ihnen beiden das beste da gethan.
Gar manche harten Schläge dem wilden Donner gleich
Gab nun der große Riese auf Herrn Wolfdietereich.
Der Riese mit der Stange fest auf den Helden schlug;
Wolfdieterich der werte ihm das auch nicht vertrug.
Er schriet ihm ab die Stange gerade vor der Hand,
Daß sie zu zweien Stücken fiel nieder auf das Land.
Da zog er von den Seiten ein Schwert unmaßen breit;
Wolfdietrich der kühne war aber bald bereit,
Er schlug ihm eine Wunde, dem Riesen, daß zuhand
Ihm Lung' und Leber brachen aus seines Leibes Wand.
Als vor ihm sein Gekröse nun Baldemar sah liegen,
Da ward auch von dem Fürsten Wolfdietrich nicht geschwiegen:
»Ein Arzt von hohen Künsten thut dir nun, Riese, not,
Willst du gesund von hinnen da kommen und nicht tot!«
Als auf den Grund zu fallen Herr Baldemar begann,
Da schlug der Held Wolfdieterich, der wunderkühne Mann,
Das Haupt dem Schalk herunter. Da war er tot gelegen.
Drauf kehrte schier von dannen der auserwählte Degen.

Indes aus erstem Schlafe ein alter Herre ging
An jenes Schlosses Zinnen; des Kunst war nicht gering.
Er merkte an den Sternen soeben wunderbar,
Was für ein Kampf im Walde hiebei geschehen war.
Da rief er: »Wohlauf balde, König Marsilian! Im Orwendel sind Marsilian und Steffan, Söhne des Fischerkönigs Eise.
Hier ist ein zierer Ritter gekommen in den Tann.
Herr Baldemar der große, der fand durch ihn den Tod.
Der Ritter ist ein Grieche, der half uns aus der Not.
Nun heischt zu Zolle niemand mehr weder Fuß noch Hand;
Laßt die Kaufleute wieder nun weisen in das Land!«
Da sprach in großen Freuden König Marsilian:
»Wohlauf ihr Herren alle, die mir sind unterthan,
Nun helfet mir empfangen den auserwählten Degen,
Daß wir nach seiner Arbeit schön alle seiner pflegen!«
Da rüsteten sich hundert, es war ihnen gar jach,
In ihren lichten Ringen jagten sie alle nach
Dem wunderkühnen Helden aus fernem Griechenland.
Wolfdieterich dem Jüngling war dies noch unbekannt.
Er dachte in dem Herzen, sie wären gekommen dar,
Daß sie auf ihrer Hute des Streites nähmen wahr.
Drum ritt er kühnen Mutes die fremden Reiter an;
Da wurden große Wunder von Wolfdietrich gethan.
Mit großem Neide haute er auf die Schar und stach,
Zertrennte viel der Ringe, gar manchen Helm er brach.
Er schlug auch viel der Wunden, der herrliche Weigand,
Die nimmer heilen konnten; er brach manch Eisengewand.
In diesen Nöten eilte Marsilian herzu
Mit seinem reichen Trosse, er rief und heischte Ruh:
»Sei Gott willkommen zu Lande, du jugendlicher Degen!
Gott müsse ohne Schande stets deiner Reise pflegen!
Du bist von Gott dem milden zum Troste mir gesandt,
Willst du bei uns hier weilen, wird dir mein Lohn bekannt.«
Der König bot ihm selber das Schwert von seiner Hand;
So guter Züchte pflag er. Die Wirtin hochgenannt,
Die kam daher geritten mit manchem edlen Weib,
Mit reichem Prachtgewande war wohlgeziert ihr Leib.
Sie saß vom Roß zur Erde; mit Zucht sie vor ihn trat,
Und sie umfing den werten, wie sie die Tugend bat.
»Du aller Männer Wonne,« so sprach die Fraue rein,
»Du bist von meiner Sippe, du sollst willkommen sein!
Mir konnte, ohne Lüge, nichts Lieberes geschehn,
Als daß ich dich mit Augen doch einmal habe gesehn.«

Allerst ersah Wolfdieterich, der auserwählte Mann,
Daß ihm die ganze Handlung mit Treuen war gethan.
So brachten sie zu Hause den tapferen Schwertdegen
In jene feste Klause, wo weder Wind noch Regen
Noch keinerweise Arbeit dem Helden mochte schaden.
Da sah der gute Degen ein wunderschönes Gaden
In einem weiten Palas, auch manche schöne Magd
Sah er bei diesen Zeiten, was ihm gar wohl behagt,
Klein Hündelein im Schoße, und manches Hermelin,
In Käfigen manch Vöglein; das alles freute ihn.
Mit höfischer Rede Scherzen ward da geschallet viel;
Er nahm es auf mit Glimpfe, es war seines Herzens Spiel.
Die Frau zu Wolfdietrichen mit heitrem Scherze sprach:
»Nun hab' es, edler Ritter, da für kein Ungemach,
Doch dieser Maide eine mußt du zu Weibe han.«
Da sprach der reine Degen zur Fraue wohlgethan:
»Durch Weib nicht, noch durch Minne bin ich gekommen her.
Du sollst mir das erlassen! Mein Schild und auch mein Speer,
Das ist die beste Minne, die ich je kann erfassen;
O Königin und Muhme, des sollst du mich erlassen!«

Sie hieß da balde springen die Mägde in den Gaden,
Dem Fürsten ließ da bringen die Königin voll Gnaden
Leinwand und feines Hemde, gar ritterlich Gewand.
Ihm war da fremd das Trauern, ihm ward nur Zucht bekannt.
Sein stolzes Kampfgeschmeide zog ab Wolfdieterich,
Ein Hemde, reich von Seide, das schwang er über sich.
Einen reichen Niedergürtel er bei dem Hemde fand,
So daß dem guten Ritter nie bess'rer ward bekannt.
Ein Niederkleid gar prächtig fand er dem Gürtel bei,
Dort ward der edle Degen der großen Sorgen frei.
Als in das Kleid geschlossen der Fürst, der tadellose,
Da kam ein reines Mägdlein und bracht' ihm Schuh und Hose,
Die Schuh von Korduane, die Hosen seidenfein,
Der wandellose Ritter schuhte sich darein.
Nun erst kam seine Muhme, die edle Wirtin gut,
Sie brachte in freundlichem Sinne dem Ritter hochgemut
Ein Prachtkleid von Triande, das war von Sammet reich,
Auch Rock und Mantel brachte die Minnigliche gleich.
Viel manig Edelsteine waren gelegt darein,
Und eine breite Borte mit Perlen groß und klein
Beschloß den Mantel vorne; man sah im Golde drin
Saphir und Türkis glasten, Jachante und Rubin.
Von Seiden war die Borte, von Gold die Rinken rot,
Der Senkel von Karfunkel, wie es die Frau gebot.
Auch stund ihm vor den Brüsten ein adeliges Gold,
Gewirkt zu Alexandrien. Mit Züchten war ihm hold
Die edle Königinne, sie ließ zuletzt alldar
Eine reiche Krone bringen, die war durchleuchtet gar
Mit allerhande Gemmen, gar hell und wonniglich;
Also ward gezieret der edle Wolfdietrich.

Dann führte ihn die Fraue an seiner Hand zumal,
Wo er fünfhundert Frauen nun fand in einem Saal.
Bei ihnen war manch Ritter, jeder Fraue Mann;
Sie hielten sich umfangen und sah'n sich lieblich an.
Gar gütlich sie empfingen den hochgelobten Herrn
Mit übergroßem Schalle. Die Königin sah es gern,
Sie ließ die Knappen springen und bringen klaren Wein;
Dem lieben Gaste schenkte man nach Genügen ein.
Da baten ihn die Jungen, daß er ihnen Märe sage
Von unbekannten Sachen, wenn es dem Helden behage.
So that ihnen seine Reise kund Herr Wolfdieterich;
Das däuchte alle Hörer gar fremd und ängstiglich.
Es kündete der Degen, wie er da hätte verloren
Eilf treue Dienstgesellen, die Ritter auserkoren.
Wolfdieterich in Wahrheit zu trauern sehr begann,
Ihm überliefen die Augen, das merkte mancher Mann.
Da tröstete den Helden manch Recke lobesam
Und manche reine Fraue. Groß Wunder sie da nahm,
Daß ein so junger Herre in also kurzer Zeit
Erlitt so nah wie ferne so manchen harten Streit.

ielbald kam auch gegangen König Marsilian;
Gar schön ward er empfangen im Saal von Frau und Mann.
Der Fürst von mildem Sinne hieß da den Gästen sein
Durch Truchsessen und Schenken auftragen Brot und Wein.
Von manchem Spielmann wurde der Kurzweil viel gethan;
Die lichten Saiten klangen gar fröhlich ohne Wahn.
Es währten diese Freuden, deren der König pflag,
Bei ihnen allgemeine bis auf den zwölften Tag.
An dem dreizehnten Morgen Wolfdietrich Urlaub nahm;
Ihn drückten andere Sorgen, den Helden lobesam.
Er sprach: »Viel werte Frauen, es mag nicht anders sein,
Ich will nun einmal schauen die teuren Mannen mein,
Die ich in großen Nöten hab' hinter mir gelassen.
Drum laß mich, liebe Muhme, nun ziehen meine Straßen!«

Länger verschob die Reise nicht mehr der edle Held,
Mit Züchten schied von dannen der Recke auserwählt.
Er kehrte gen Lambarden, dahin stund all sein Mut;
In Unmut ließ er dorten manch schöne Fraue gut,
Dazu den milden König ließ er in Sorgen stehn,
Dem keine Tugend fehlte. Wolfdietrich mußte gehn
Zu einem finstern Walde, wo ein Gebirge hoch
Sich über manche Lande bis gen Lambarden zog.
Ein wildes Waldgereute erblickte da der Degen,
Wo selten zahme Leute der Arbeit mochten pflegen.
Der Ritter, kühn und edel, kam dort auf einen Plan,
Es war ein grüner Anger. Da sah er daran stahn
Ein Weib von wildem Geschlechte, das noch den höchsten Baum
An Größe überragte; dem Helden schien's ein Traum.
Zwei lange große Brüste sie an dem Leibe trug;
Ihr Leib war schwarz wie Kohle und riesenhaft genug.
Bis zu dem Kinne ging ihr der Nase reiche Zier,
Die Augen sah man brennen gleich einem Strauße schier.
Bis zu den Ohren reichte ihr Mund ohnmaßen groß.
Fürwahr, die neue Kurzweil Wolfdietrichen verdroß!
Ihr Haar hatt' Eselsfarbe und war unmäßig lang,
Daß es sich über den Gürtel bis zu der Erde schwang.
Wer sie an ihren Füßen beschuhet haben wollt,
Zwo große Rindeshäute er dazu haben sollt.
Die Ungeheure lachte den edlen Ritter an;
Die Zähne in dem Munde zu blecken sie begann.
Zuerst gedachte der Degen, die Riesin trüge Zorn,
Daß er nun kämpfen müsse, das hätt' er wohl geschworn.
Doch sie sprach: »Werter Knappe, du sollst ohn' Sorge sein!
Ich will nicht mit dir streiten, du Degen kühn und rein.
Dünk ich dir ungeheuer, das weiß ich selber wohl,
Doch dir bin ich zu Diensten, wie ich von Rechten soll.
Dein Vater, deine Mutter, die sind mir recht bekannt,
Das wisse, guter Ritter, denn alles Griechenland
Das hab' ich wahrlich häufig in frührer Zeit durchfahren;
Drum will ich deine Ehre jetzt desto lieber wahren.«

Die Riesin Rome nahm da Wolfdietrich bei der Hand,
Sie brachte ihn heim zu Hause, den Helden aus Griechenland,
In eine feste Klause; da waren bei dem Weib
Noch sieben andre Frauen von riesenhaftem Leib.
Es ließ die weise Rome auftragen Wein und Brot
Und andre gute Speise, da litt man keine Not.
Viel zahm Getier und Wildbret, Fleisch und manigen Fisch
Bracht' man mit gutem Willen dem Helden auf den Tisch.
Goldfässer und auch Schalen, die hatten sie genug.
Die Wirtin sonder Falschheit ihm holdes Herze trug.
Da blieb er ohne Sorgen bis auf den vierten Tag.
Es war an einem Morgen, als er der Rede pflag:
»O Rome, edle Fraue, möcht' es mit Hulden sein,
So wollt ich gen Lambarden, zu Hilf den Mannen mein.«
Wolfdietrichs Not erkannte die edle Königin.
»Wohlan denn,« sprach die Riesin, »so fahren wir dahin.«

Da nahm in ihre Arme die hochgelobte Magd
Den Helden samt dem Rosse, wie man noch singt und sagt.
An einem Tage trug sie das Roß sowie den Mann
Wohl zweiundzwanzig Meilen übers Gebirg hindann,
Bis sie den Helden brachte zu ebnen guten Wegen;
Des dankte viel der Riesin der auserwählte Degen.
Urlaub nahm er von Rome und schied in frohem Wahn.
Am fünften Morgen kam er vor Tervis auf den Plan.

Da fand er bei Tervise Treviso. dort außerhalb Mailan Mailand.
Und außerhalb Lambarden gar manchen werten Mann.
Achthundert teure Helden waren da hingekommen
Durch eines Bürgers Tochter, von der sie viel vernommen.
Derselbe reiche Bürger war Wernher genannt,
Ihm dienten viele Burgen, er hatte großes Land.
Die ganze Wernhers-Marke die diente ihm allein;
Er hatte sechzehn Festen, dazu ein Töchterlein:
Ameie, die war gesetzet auf einen Stuhl empor.
Achthundert Helden kämpften mit aller Macht davor.
Auf beiden Seiten war dort der Beste von Tuskan
Ein Graf gar reich und edel, der Grafe hieß Herman.
Ein Ringelein von Golde gar köstlich, reich und hehr
An einer Schnur von Seide hing dort von einem Speer
Vor all den edlen Rittern und vor den Frauen rein.
Da stachen alle Ritter um jenes Mägdelein.
Wer an denselben Stunden stach durch das Gold so rot,
Die edle Jungfrau diesem ein schönes Küssen bot.

Hiemit der Held Wolfdietrich, der Degen wonnesam
Auf jenen grünen Anger gar wohl verwaffnet kam.
Den Held begann zu schauen manch hochgelobter Mann.
Dazu die edlen Frauen sahn ihn mit Freuden an.
Da ihn die schöne Ameie auf der Heide halten sah,
Die edle tadelsfreie, nun hört, wie sprach sie da:
»Wer ist, der so vermessen dort hält auf jenem Plan?
Mich dünkt in meinem Sinne, es sei ein rechter Mann.«
Da sie des fremden Gastes noch besser ward gewahr,
Da winkte sie dem Vater und sprach die Worte klar:
»Du sollst mir als mein Bote zu jenem Gaste gehn!
Sag ihm, es schad' ihm niemand; man will ihn nicht bestehn.«

Da ritt der Bürger Wernher zu Wolfdietrich hindann;
Er ward gar wohl empfangen von manchem werten Mann.
Sie sprengten alle und stachen, die auserwählten Mannen;
Des Zieles fehlten alle und ritten wieder dannen.
Da ritt der Grafe Herman zu Herrn Wolfdieterich
Und sagte diese Worte zum Degen lobelich:
»Wohlan, du werter Ritter, durch aller Frauen Ehre,
Nimm du zu diesem Golde auch einmal eine Kehre!«

Da gürtete dem Rosse der auserwählte Mann,
So daß es in den Ringen zu zittern schier begann.
Wolfdietrich ohne Stegreif nun in den Sattel sprang,
Das Roß nahm fünfzehn Sprünge und jeden klafterlang.
In dem sechzehnten Sprunge, den nun das Rößlein nahm,
Wohl um acht Klafter weiter es als die andern kam.
So kam's, daß er im Stechen das Ringelein gewann;
Er führt' es von dem Mägdelein über den weiten Plan.
Sie warf den Speer aus den Händen und eilte bald ihm nach.
»Nun warte, lieber Herre, wohin ist dir so jach?
Du hast mein Gold genommen, viel edler Ritter rein,
Von dessen wegen mußt du nun mein Gefangner sein!«
»Viel schöne Maid, das Fangen will ich dir gern vertragen;
Doch kämen sechzig Ritter, sie würden all erschlagen.«
In die Hand nahm sie das Kinne, bot ihm ihr Mündelein,
Küßt ihn zu dreien Malen: »So sollst du gefangen sein!«
Zuhand da sprach der Grafe, Herr Herman von Tuskan:
»Willst du mit mir nun stechen um tausend Mark fortan?«
»Nein«, sprach Wolfdietrich, »weil ich nicht habe Eine Mark.
Doch sei's um Roß und Harnisch, ich fühle mich noch stark.«
Da sprach der Grafe Herman: »Bist du ein armer Mann,
Du solltest Landesherren dann wohl in Ruhe lan!
Daß du mit deinem Leibe nahmst solchen Preis allhier!
Du stächest kaum in Ehren mit meinem Dienstmann schier«.
Da sprach die Maid zum Grafen: »Nimm mich zum Bürgen hin!
Und wenn mein Kämpe verlieret, so steh ich wohl für ihn.
Mein Vater hat kein Kind sonst als einig mich allein;
Löst er mich nicht, so will ich dein Eigen immer sein!«
Da sprach der Graf: »Gar gerne wollt' ich dich so gewinnen.«
Da sprach der Held Wolfdietrich mit tugendlichen Sinnen:
»Wenn Gott mich will bewahren vor allen deinen Degen,
Laß ich dich solcher Ehre auf diesem Plan nicht pflegen.«
Nun sprach die schöne Ameie, die Jungfrau wohlgethan
Zu Herrn Wolfdietrich balde, dem wunderkühnen Mann:
»Wohlan, mein edler Ritter, hast du es nicht vernommen?
Du sollst dich nun bereiten; dein Feind ist hergekommen.
Hast du noch ein Gebresten, so sei dir dies gesagt,
Daß ich es dir will büßen, mein Ritter unverzagt.«
Da sprach zur edlen Jungfrau der kühne Wolfdietrich:
»Ja, eines guten Halsbergs bedarf ich sicherlich.«
Da ließ sie balde springen die Knappen in den Gaden
Und einen Halsberg bringen und vor den Helden tragen.
Des alten Königs Ortnid der Halsberg einstens was,
Er war von hartem Stahle und half, daß er genas.
Mit ihren Händen waffnete die Jungfrau wohlgethan
In jenen guten Halsberg den wunderkühnen Mann.
Da strickte sie die Riemen dem edlen Ritter fein;
So gab ihm Hochgemüte das schöne Mägdelein.

Als sie so ihren Kämpen bereitet hätte gar,
Da zog sie auch zu Felde mit einer großen Schar.
Nun standen schon zu Ringe die Männer und die Fraun;
Da konnte man den Grafen auch schon hersprengen schaun.
Er sprengte vor den Frauen über den Plan alsbald,
Er wollte aus dem Sattel ihn werfen mit Gewalt.
Er stach auf ihn so wütig mit großer Ungehab',
Daß von dem eigenen Stiche der Grafe fiel herab.
Auf sprang der edle Grafe und sprach in seiner Not:
»Erlasse mich des Stiches und nimm das Gold so rot!«
Da sprach der Held Wolfdieterich: »Wir sind noch nicht am Ziel,
Erst muß ich lassen schauen, was ich vermag im Spiel.«
Da war der Grafe Hermann auch auf sein Roß gesessen;
Er durfte es nicht weigern dem Degen so vermessen,
Was er ihm hatte verheißen vor manchem edlen Mann;
Vor Angst ihm durch die Ringe der Schweiß herniederrann.
Da sprengte über die Heide Wolfdietrich lobesam,
Obhalb des Sattelbogens er da den Grafen nahm,
Er führte ihn von dem Rosse acht volle Klafter weit
Und warf ihn auf die Erde; da lag der Graf voll Leid.

Als seine Mannen sahen, der Graf wär' unterlegen,
Da hub sich mächtiger Jammer, sie wollten Streites pflegen
Um ihren lieben Herren, der unterlegen was,
Das wollten sie da rächen mit ungefügem Haß.
Die Schwerter sie da fingen und ritten jenen an,
Den unverzagten Griechen; es waren dreihundert Mann.
Wolfdieterich der kühne ergriff den Speer allhie;
Zu allen Zeiten that er noch größere Dinge nie.
Er war gar kühn und milde, an Mannheit unbetrogen,
Da legte er die Lanze quer vor den Sattelbogen;
So ritt er denn entgegen all den fünfhundert Mann,
Er streifte ihrer sechzig wohl nieder auf den Plan.
Da kam der Bürger Wernher wohl mit achthundert Mann
Und suchte es zu hindern, daß Schade ward gethan.
Doch brachen ihrer manche Arm und Bein entzwei;
Des achtete der Fürste nicht mehr als um ein Ei.

Hiemit das Abenteuer ein rasches Ende nahm.
Ameie führte mit sich den Kämpen lobesam
In einen reichen Palas mit ihren Mägdelein;
Dem edlen Griechen sollte da große Ehre sein.
Es ging die schöne Ameie vor ihren Vater dann:
»Ach Vater, lieber Herre, gieb mir den werten Mann!«
Er sprach: »Viel schöne Tochter, er ist uns unbekannt;
Eh geb ich dir wohl Einen, der Burgen hat und Land.«
Da sprach die kluge Jungfrau: »So bin ich diesem hold;
Wir haben doch genügend an Silber und an Gold,
Auch ist mir seine Tugend so rechte wohl bekannt.
Gieb du uns zueinander mit Burgen und mit Land!«
Sie bat so lange, bis er sprach zu der Tochter sein:
»So will ich zu dem Gaste gar gern dein Bote sein.
Will er zum Weib dich haben, so will ich dich ihm geben.
Wer weiß, ob er will schließen mit dir sein wertes Leben?«
Da ging der Bürger Wernher hinweg, nicht eben froh,
Zu Wolfdietrich dem Fürsten sprach er mit Züchten so:
»Dir entbietet meine Tochter, wenn du willst sein ihr Mann,
So will ich Land und Burgen dir machen unterthan.
Ich geb' euch zu einander, auch Silber noch und Gold.
Ich sag's auf meine Treue, meine Tochter ist dir hold.
So werde dessen einig, du auserwählter Mann,
Ob du die reine Jungfrau zum Weibe wollest han!«
Da sprach der Held Wolfdieterich zum Bürger Wernher so:
»Des sollt ein elender Ritter billig werden froh,
Der da den Leuten wäre so fremd und unbekannt,
Und man ihm wollte geben noch Burgen, Gold und Land.
Doch darf ich hier in Wahrheit nicht länger mehr bestehn,
Ich muß dahin zu Ortnid, dem edlen Kaiser, gehn.
Der ist mein Trautgeselle; es ist jetzt manniger Tag,
Daß ich alldort zu Garden der Kurzweil mit ihm pflag.«

Da sprach der Bürger Wernher: »Du sprichst von einem Mann,
Der dich, mein edler Ritter, doch nicht mehr trösten kann.
Ach, Gott durch seine Güte, dem will ichs immer klagen!
Ihn haben wilde Würme zum Berg dahingetragen.«
Da sprach der Herr Wolfdietrich: »Wann lag der Kaiser tot?
Sag mir's durch deine Tugend! Das Fragen thut mir not.
Ich bin durch seinen Willen in dieses Land gekommen;
Wie hab' ich diese Märe ungern von dir vernommen!«
»Es ist im vierten Jahre, daß er von dannen ritt
Und dort mit einem Riesen im Wald so sehre stritt
Und auch mit seinem Weibe; ein Lindwurm darauf kam,
Davon der reiche Kaiser seither sein Ende nahm.
Die beiden hatten die Würme erzogen ihm zum Tod.
Nachdem er focht zwei Stürme, da that ihm Ruhe not;
Unter einer Zauberlinde kam er um seinen Sinn;
In seinem starken Schlafe trug ihn der Lindwurm hin.«
Da sprach der Held Wolfdietrich: »Ist Liebgard ohne Mann,
So will ich durch die Königin die Würme selbst bestahn.
Ist's, daß ich sie erschlage und Gott den Sieg mir leiht,
So wird mir Kreuz und Krone, und Berchtung wird befreit.«
Da ging Wernher der Bürger zu seiner Tochter hin;
So sprach er zu Ameien mit tugendlichem Sinn:
»Wie nun, du schöne Tochter, du stehst nun ohne Mann;
Der Gast will um die Kaiserin die Würme dort bestahn.«
Da sprach zu ihrem Vater Ameie, die schöne Magd:
»So geb ihm Gott Gelingen, dem Helden unverzagt!«

Sie ging mit ihren Mägden über den Hof hindann
In eine Kemenate, die Jungfrau wohlgethan.
Einen bunten Mantel sie in der Kammer nahm;
So ging die schöne Ameie in jungfräulicher Scham
Zu Herrn Wolfdietrich wieder und sprach mit holdem Mut:
»Wem willst du mich nun lassen, mein edler Ritter gut?«
Da sprach der Held: »O Jungfrau, das will ich gern dir sagen.
Ist's, daß ich an den Würmen noch soll den Preis erjagen,
Und daß ich sie erschlage, ob Gott das Heil mir bringe,
So sollst du, schönes Mägdlein, auch haben gut Gedinge.
Ich hab' in meinem Lande eilf Mannen kühn und frei;
Davon geb' ich dir einen, den besten, der da sei.
Es sind das sieben Grafen, vier Herzoge dazu;
Eh ich sie nicht befreie, gönn' ich mir keine Ruh.«
»So nimm denn hin den Mantel viel lieber Herre mein!
Daß Gott vom Himmel gnädig dir immer müsse sein!
Gieb mir nach deinem Willen einst einen Biedermann;
Wenn du fährst in die Lande, gedenke wohl daran!«
Nun wappneten ihn balde vier Ritter tugendlich.
Da sprach zuletzt mit Züchten der edle Wolfdietrich:
»Ob mich nun gegen Garden weiste ein werter Mann,
Weil ich bei Nacht die Wege nicht leichtlich finden kann?«
Da sprach der Bürger Wernher: »Das soll von mir geschehn.
Ich will mit sechzig Rittern nun selber mit dir gehn.«

So ritten sie von dannen aus Tervis in den Tann;
Auf eine Straße weiste Wernher den kühnen Mann.
Sie kehrten durch die Wilde und das Gebirge hin
Gegen den Gardsee; dahin stund ganz Wolfdietrichs Sinn.
Sie ritten bis zum Morgen des Nachts viel kümmerlich.
Nun kommt in neue Sorgen der edle Wolfdietrich.


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