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Ortnids Tod

Wolfdietrich wird Ortnids Freund. Ortnid fällt im Kampf gegen die Lindwürme, die durch die List seines Schwiegervaters in sein Land kommen.

 

Als nun der Held Wolfdietrich erwuchs zu einem Mann,
Wie bald er da Herrn Ortnid selbst zu besiegen sann!
Er sprach zu Meister Berchtung: »Ich will Ortnid bestehn.
Dazu sollst du mir raten, wie es auch mag ergehn.«
Da ließ er ihm bereiten ein Schifflein wohlgethan,
So fuhr Wolfdietrich freudig über des Meeres Bahn.
Als er nun kam zu Lande, da kehrt er gegen Garten,
Er hielt bei einer Linde, um Ortnids da zu warten.
Um diese selbe Linde war es also gethan:
Durch Kurzweil durfte nimmer darunter gehn ein Mann,
Er wäre denn zu Streiten gekommen in das Land.
Dahin kam denn Wolfdietrich, der biedere Weigand.
Auf dieser grünen Linde sungen die Vögelein.
Wie mochte seine Freude größer gewesen sein!
Von diesem süßen Schalle entschlief der junge Held.
Da trat zur Zinne Ortnid und blickte in das Feld.
Als er den Fremden schaute, ließ er die Knappen springen,
Den Harnisch für sich tragen und seine Waffen bringen.
Einen großen Schaft in Eile nahm er in seine Hand,
So ging er zu der Linde, wo er Wolfdietrich fand.
Auf seine Brüste stieß ihn der Kaiser hochgemut.
Auf sprang der Held Wolfdietrich, viel zornig war sein Mut.
Sie standen gegeneinander und sah'n einander nach.
Nun mögt ihr gerne hören, wie da der Kaiser sprach:
»Du kühner, werter Degen, nun sag' mir deinen Namen,
Daß ich dich mög' erkennen, des sollst du dich nicht schamen.
Mich dünkt an deiner Gebärde, du seist wohl adelich.
Bist du von Griechenlande der kühne Wolfdietrich?«
Da sprach der Held Wolfdietrich: »Ja, du hast recht gesehn.
Nun wehre dich, Herr Ortnid, dich will der Wolf bestehn!«
Da sprangen sie zusammen, die beiden kühnen Helden.
Nun wäre mannig Wunder von beiden da zu melden:
Es schlug einer den andern je dreimal auf das Land,
Jedoch zum vierten male fiel Ortnid allzuhand.
Da sprach Wolfdietrich: »Willst du mir deine Treue geben,
Daß ich dich hab' zu Gesellen, dieweil ich hab' das Leben?«
Da schworen sie zusammen, die Fürsten lobelich,
Daß nur der Tod sollt' scheiden Ortnid und Wolfdietrich.
Sie gingen miteinander auf Ortnids Burg sodann,
Gar wohl empfing sie dorten die Fraue wohlgethan.
Wolfdietrich blieb zu Garden mehr als ein halbes Jahr,
Dann fuhr er heim zu Berchtung und seinem Vater dar.
Dort lebte er in Ruhe. Es blieb ihm unbekannt,
Wie Ortnid durch die Drachen dieweil sein Ende fand.

Indessen saß Herr Godian in seinem Palas dort,
Ließ keinen vor sich kommen und sprach vor Zorn kein Wort.
So saß er ganz verborgen bis an den hellen Tag,
Daß er vor großem Aerger nicht Tranks noch Essens pflag.
Ihn durfte niemand rufen, ihn durfte niemand sehn.
Wer ihn erzürnet hätte, dem wäre Leid geschehn.
Daß er den Schlaf sich gönne, das durft' ihn keiner bitten.
Da kam ein alter Jäger vor Montabure geritten,
Der fragte, wo da wäre der liebe Herre sein.
Man sprach, er wär' verschlossen und ließe niemand ein.
Da rief der weise Jäger vor der Kemenate Thür:
»Wohlauf! Ich muß dich haben, o Herr, nun tritt herfür!
Dein Kind ist wohlbehalten, das brauchst du nicht zu klagen.
Ich will dir aber weiter noch gute Märe sagen,
Da du dich also grämest, daß du verlorst das Weib.
Willst du dem üblen Räuber nun nehmen seinen Leib,
So sollst du mir es danken, daß ich ein Ding ersehn,
Das muß dem König Ortnid noch an sein Leben gehn.«

Da entschloß der König die Pforte und ließ den Jäger ein.
Er fragte ihn, wie er heiße, und was das möge sein.
Da sprach der wilde Jäger: »Das thu ich dir bekannt.
Ich bin geheißen Helle, mein Weib ist Rütze genannt.
Ich hatte nach den Hunden zu ferne mich verrannt,
Da kam ich ungewiesen an eine Steinewand.
Einen ungefügen Drachen sah ich hervor da gehn,
Mit tausend Männer Stärke wollt ich den nicht bestehn.
Er hätte mich verschlungen, barg mich nicht das Geäst.
Zu Wald ließ ich ihn schleichen und hub mich in sein Nest,
Dort fand ich wahrlich größer noch als mein Haupt ein Ei.
Ich suchte noch nach mehren, fand doch nicht mehr als zwei,
Die waren ungefüge und groß und schwer genug,
So daß ich kaum alleine bis in mein Haus sie trug.
Daß sie nicht faulten, legt ich sie in ein warmes Loch.
Was drin ist, ist lebendig; die Eier hab' ich noch.
Die Eier will ich führen in der Lombarden Land
Und will die Würme brüten in einer Steinewand.
Wenn sie zu Jahren kommen und leiden Hungers Weh,
Wähn ich, daß in dem Lande vor ihnen nichts besteh.
Wenn über Vieh und Leute der Schaden dann ergeht,
Ist Ortnid wohl so kühne, daß er sie keck besteht;
Dann muß er von den Würmen verlieren Leib und Leben.
Darum, mein Herr und König, will ich den Rat dir geben:
Du laß mir mit Geschmeide zwei Säumer wohl beladen
Und sende mich hinüber zu Ortnids Gestaden!
Mit Baumwollen und Seide gefüllt sei auch ein Schrein,
Da sollen wohl die Eier des Drachen drinnen sein.
Auch sollst du Briefe senden der edlen Königin,
Daß du gewendet hättest deinen harten Sinn.
Wenn sie den Brief dann lesen und sehn das viele Gold,
So werden sie wohl wähnen, du seiest ihnen hold.«

Ihm folgte gern der Heide. Auf einen Kiel er lud
Von Gold und von Gesteine in Säcken reiches Gut.
So wie der Jäger wollte, so mußte man ihm laden.
Da floß er in dem Kiele zu römischen Gestaden.
Dort gab man ihm Geleite ins Langobardenland
Bis auf die Burg zu Garden, wo er den König fand.
Da sagte man dem König, ein Bote wäre gekommen.
Mit Freuden ward die Rede von Liebegard vernommen.
Man brachte schnell den Säumer und auch den fremden Mann,
Man ließ ihn zu der Pforte und in den Pallas dann.
Der sagte viele Märe und gab nun seinen Brief.
Als ihn der König schaute, mit Freuden er da rief:
»Daß er sich hat bekehret, des sei stets Gott gelobt,
Da der viel üble Heide doch nimmer weiter tobt!«
Er weiste dann den Boten hin, wo Frau Liebgard saß,
Den Brief gab er der Frauen, daß sie die Worte las.
Vier überschwere Säcke der Bote nun fürtrug,
Darin lag edler Steine und Goldes wohl genug,
Da sah man reiche Spangen und Ringelein darin.
Da sprach der weise Jäger zur edlen Königin:
»Ein großer Sack mit Gute liegt hier vor dir noch voll,
Es ist noch nicht gewachsen, was man dir geben soll.
Wenn diese Tierlein wachsen, bringen sie einen Stein,
Daß in der Welt so Gutes nie sah der Sonne Schein.
Doch ohne Waldgebirge wird diese Frucht nicht alt;
Weis' mich an eine Steinwand, so geb' ich dir es bald!«

Sie hieß den Jäger weisen an eine Steinewand
Bei der Stadt zu Triente. Als er den Berg dort fand
Sein schalkliches Gezüchte er in die Höhle trug;
Wes er darin bedurfte, des gab man ihm genug.
Da war er denn zwölf Monde im Berge oder mehr;
Er hatte mit den Würmen der Arbeit allzusehr.
In einem halben Jahre wurden sie also groß,
Daß es den Meister selber bei ihnen schier verdroß.
Der Hunger zwang die Drachen, sie fielen an den Mann;
Da floh er aus der Höhle, mit Mühe er entrann.
Was sie im Lande fanden, verschlangen beide gar;
Sie hatten ihre Argheit mehr denn ein ganzes Jahr.
Im Wald und im Gefilde konnt' nichts davor bestehn.
Bald war der größte Schaden an aller Welt geschehn.
Sie thaten allen Leuten so grämeliches Leid,
Daß auf der Straße niemand mehr ging zu dieser Zeit.
Man durfte auf den Feldern den Acker nicht mehr säen,
Noch durfte man die Wiesen dort vor dem Walde mähen.
Den Jägern wie den Bauern nahmen sie das Leben;
Die Würme wollten niemand zur Welt den Frieden geben.
Gar viele Ritter suchten sie auf aus Heldenmut
Und auch um Ruhmes willen; doch keinem ging es gut.
Sie mußten alle leiden darum den grimmen Tod.
So war dort in Lambarden dem Lande Angst und Not.
Man fing nun an, dem König von diesem Leid zu sagen.
Was Schaden sie da thaten, hörte Herr Ortnid klagen,
Daß schon so mancher Ritter und mancher kühne Mann
Den Drachen fiel, darüber zu trauern er begann.

So lag er eines Nachtes bei seiner Königin,
Da mußt er wieder denken mit sorgevollem Sinn:
»Wenn es mir nun mißlänge, verlör ich meinen Leib,
O weh, wem soll ich lassen alsdann mein elend Weib?
Ich klage nicht so sehre die Burgen noch das Land,
Ich klage meine Fraue, die ich so stät erfand.«
So hatte er geklaget in sorgenvollem Sinn,
Er wähnt, es hört es niemand; da erwachte die Königin.
Da brach ihr fast das Herze, ihr Jammer ward so groß,
Daß mit der Augen Regen sie seine Brust begoß.
Sie drückt ihn an das Herze und küßt ihn an den Mund:
»Ach Herre Gott im Himmel, was will mir werden kund!
O weh mir armen Frauen, was will mir nun geschehn!
Weh über meine Augen, daß ich dich je gesehn!
Weh über meine Arme, daß ich dich sollt umfassen!
Mein König und mein Herre, wem willst du mich nun lassen?
Mein Herz ist ohne Waffe und ohne Schneide wund.
Es ist im sechsten Jahre, daß du mir wurdest kund.
All meine edlen Magen ließ ich, o Herr, durch dich.
O edler, reicher König, wem willst du lassen mich?«

Da sprach der König Ortnid: »Ich will dich lassen Gott
Und ferner mich ergeben auch selbst in sein Gebot.
Von deines Vaters Listen kam dieser Wurm ins Land.
Nun müss' es Gott erbarmen, daß ihn nicht schlug meine Hand!«

Da schien ihm durch das Fenster des Morgens Blicken licht;
Da wollt' er aus dem Bette, sie ließ ihn von ihr nicht.
Wie kühn sein Herz auch wäre, des Zornes er vergaß;
Nun wurden seine Augen von großem Jammer naß.
Als ihn die schöne Fraue mit ihrem Arm umschloß,
Da weint' er, daß das Wasser über ihre Brüste floß.
Nun sprang er aus dem Bette und legt' an sein Gewand,
Ob ihm that er das Fenster dann auf mit seiner Hand:
»Nun, Königin und Fraue, gieb mir dein Ringelein!
Wer dir das bringt, dem glaube, ich müsse gestorben sein!
Wer dir die »Rose« bringet und meine Brünne licht,
Dem glaub' es, edle Fraue, doch glaub' es anders nicht.
Wer dir des Wurmes Zunge bringt und dies kleine Gold,
Sieh, der hat mich gerochen, dem sei in Treuen hold!
Gelobe mir, daß du keinen sonst nehmest zu der Eh',
Wie er dich auch bedränge, er schlüg den Drachen eh'.«
Mit zornigem Mute schloff er dann in sein Sturmgewand.
Die Fraue weinte bitter, da sie ihm die Riemen band.
Es lag vor seinem Bette allzeit ein Hündelein,
Das mußt' mit ihm zu Walde, wenn er allein wollt' sein.

So nahm der König Urlaub; da hub er sich zuhand;
Vor seiner Kemenate sein Roß gesattelt stand.
Den Schild nahm er zur Seite, den Braken hinter sich.
Da rief die Frau erbärmlich: »Nun, Gott gesegne dich!«
Als er nun von der Feste schon war geritten weit,
Da hatt' er eins vergessen, das war ihm wahrlich leid.
Er dachte: »Ich muß wieder zur Königin hinein;
Um Alberich zu finden, brauch' ich das Ringelein.«
So ritt er schnell zurücke, ihm war der Reise jach.
Die Frau stund auf der Mauer, sah ihm noch immer nach.
Sie wähnt', er wolle bleiben und lief hinab zum Graben.
»Du wähnst, ich wolle vom Rosse; dafür sollst du's nicht haben!
Ich hab' ein Ding vergessen: gieb mir mein Ringelein!«
Da sprach die Frau in Jammer: »Wobei gedenk' ich dein?« –
»So sollst du mein gedenken bei mancher guten Nacht!«
Sie gab ihm da das Ringlein und weint' aus aller Macht.

om Schlosse kehrte Ortnid und kam zum wilden Berg
Unter der grünen Linde. Dort fand er das Gezwerg.
»Wider wen willst du streiten? Was ist dir, Kind, geschehn?«
»Ach, Albrich, lieber Vater, ich will den Wurm bestehn.«
»Weh', willst du mit ihm fechten, du thust's ohn' meinen Rat.
Ein Thor ist, meiner Treue, der sinnt auf solche That.
Kommst du mit diesem Drachen zu Streite und zu Sturm,
So kann es wohl geschehen, daß du erschlägst den Wurm.
Doch ahn' ich schon im Geiste, klein werde dein Gewinn.
Wenn er dich schlafend findet, trägt er dich leicht dahin.
Darum vernimm die Warnung, mein Sohn, o schlafe nicht!
Sonst kann es dir geschehen, daß dir das Heil gebricht.
Nun möge Gott dich segnen! Gieb mir mein Ringelein!
Wenn Gott dich wieder sendet, so ist es wieder dein.«

Da warf der König Ortnid das Ringlein auf das Gras
Und eilte nach dem Streite, den sich sein Mut erlas.
So ritt er ungeweiset durch das Gebirge hin,
Wie ihn sein Mut belehrte und sein sturmlicher Sinn.
Unter einer grünen Linde, da saß er auf das Gras.
Er trug ein Horn von Golde, daß er dem Wilde blas'.
Es blies nun in das Hörnlein der König Ortnid gut;
Das hörte der Riese Helle, viel zornig ward sein Mut.
Er ergriff eine stählerne Stange und hub sich auszusehn,
Er fand den König Ortnid unter der Linde stehn.
Da sprach der Ungefüge: »Du kleines Wichtelein,
Was hast du mich erwecket? Es muß dein Ende sein!
Du hast mir einst Baumgarten, den lieben Neffen erschlagen;
Nun hab' ich dich gefunden, nun sollst du bald verzagen!«
Die Stange hub er höher, der ungefüge Mann,
Er schlug der Linden Aeste nieder auf den Plan.
Wie bald der König Ortnid da von der Linden sprang!
Sein gutes Schwert, die Rose, ihm in der Hand erklang.
Er schriet ihm ab die Stange, als ob sie bleiern wär';
Des ward der Kaiser Ortnid in seinem Herzen hehr.
Wie bald der Riese Helle doch hinter sich nun sprang!
Er zuckte von der Seiten ein Schwert, zwölf Ellen lang,
Er schlug den Kaiser nieder, da war nun Hilfe fern;
Er hätte gern verderbet den edlen Landesherrn.
Jedoch der König Ortnid vom Boden wieder sprang,
Sein gutes Schwert, die Rose, er auf den Jäger schwang.
Da hob der Riese Helle seinen Fuß mit Macht,
Er hätte gern dem Kaiser den Todesstoß gebracht.
Der Kaiser war behende, er schlug ihm ab das Bein,
Als ob ein Schwamm es wäre; das schuf ihm Todespein.

Dann ritt er ungeruhet den Tag bis an die Nacht.
Doch war er wenig Schlafens noch träger Ruh' bedacht.
Er saß vom Rosse zur Erde, damit er Feuer schlug.
Gar mächtger Rohnen Aeste er selber dazu trug,
Auf daß der Wurm desto eher ersäh des Feuers Schein.
Er führte an dem Sattel die Speise und den Wein.
Da saß er auf die Grüne, der Held, und trank und aß
Und gab auch seinem Braken, der ihm im Schoße saß.
Er hatte sonsten niemand als sich nur all allein;
So saß er bei dem Feuer, da kam des Mondes Schein.
Nun wollt' er wieder reiten, sein Roß er bald entband,
Es ärgerte ihn mächtig, daß er den Wurm nicht fand.
So ritt er ohne Ruhe die Nacht bis an den Tag,
Und kam auf einen Anger, da viel der Rosen lag.
Unter einem grünen Baume saß nieder da der Degen.
Wie hätt' er eine Weile so gerne da gelegen!
Ungegessen, ungetrunken mußt' er da leider sein.
Er hatte an dem Sattel nicht Speise mehr noch Wein.
Sein Herz war ihm beschweret, sein Leib war müde sehr;
Da neigt er sich zu schlafen, die Augen wurden ihm schwer.
Ein wenig wollt' er ruhen, der Schlaf ihn so bezwang,
Daß ihm das Haupt hernieder zum grünen Anger sank.
Er hatte zu lange gewachet, des Wachens ihn verdroß.
Es legte sich der Brake in seines Herren Schoß.
Das kam von diesem Schlafe, daß er den Wurm nicht sah,
Davon dem König Ortnid das größte Leid geschah.
Der Wurm brach durch das Dickicht, die Bäume drückte er nieder,
Der Brake lief zum Wurme, und zu dem Herren wieder.
Wie laut der Hund auch bellte, des Schlafes schwer Gewicht
Bedrückte zu sehr den Helden, des Bellens achtet er nicht.
Was ihn der Hund auch kratzte und in die Ringe biß,
Er lag dort als ein Todter. Das Hündlein zerrte und riß,
Den Herren wollt' es beißen, als es den Wurm vernommen,
Doch mocht' es vor dem Helme nicht zu dem Haupte kommen.
Als in des Drachen Nase nun kam des Mann's Geschmack,
Da strich er allgerade hin, wo der Müde lag.
Das Ungeheuer reckte den Schnabel weit herfür,
Sein Maul war ihm noch weiter denn eine Scheunenthür.
Bis an die Sporen beide den Ritter es verschlang!
So starb im Schlafe Ortnid, der hohen Preis errang.

Dem Wurm war von dem Baume hin zu der Steinwand jach.
Durch seines Herren Treue lief ihm der Brake nach
Bis vor den Berg, darinnen der Wurm im Neste saß.
Da forcht sich auch das Hündlein und wollte nicht fürbaß.
Die Jungen hatten drinnen vor Hunger große Not,
Wie unverhaun er wäre, es war Herrn Ortnids Tod.
Der Wurm trug ihn den Kindern hin in den hohlen Berg;
Die konnten ihn nicht gewinnen, sie sogen ihn durchs Gewerk.

So verlor der König Ortnid mit Jammer seinen Leib.
Es harrte sein auf Garden mit Angst sein treues Weib.
Nun hub der Brake wieder sich heim auf seine Fahrt.
Als Liebgard mit Entsetzen des Hundes inne ward,
Da wagte sie den Jammer nicht öffentlich zu klagen;
Sie dacht in ihrem Herzen: »Mein Herr, der ist erschlagen!«
Die da den Braken sahen und kannten seine Sitte,
Die wähnten, daß in Kürze ihr Herre nach ihm ritte.
Er mußte dort verbleiben, des zwang ihn große Not.
Sie mochten lange warten, er lag im Berge tot.
Da sahen sie den Jammer, den nun der Hund beging,
Als er da jegelichen bei seinem Rocke fing.
Wer ihm nur folgte, den zog er hinaus nach jener Flur;
Er wollt' sie alle weisen auf des starken Wurmes Spur.
Da folgte einer dem Braken; zur Straße kam er bald,
Die Ortnid war gezogen durch jenen wilden Wald.
Als er des Wurmes Stapfen so blutig dorten fand,
Nicht fürbaß wollt' er reiten und kehrte um zuhand.
Da sagte er böse Märe, sein Herre wäre tot.
Da hub sich in dem Lande viel Jammer und auch Not.
Vom übergroßen Jammer und von der Königin Pein,
Von ihres Sohnes Tode starb auch die Mutter sein;
Sie starb vor Leide, daß sie ihn sehen sollt nicht mehr.
Da hätt' auch nicht mehr Freuden die Königin so hehr.
Sie lebte in dem Jammer bis an das dritte Jahr,
Daß ihrer die Lambarden nirgend nahmen wahr.
Da verlor die lichte Farbe die Fraue wohlgethan.
Man wollte sie aber zwingen, daß sie nähm' einen Mann,
Davon beruhet würde das Volk und auch das Land,
An dem die Königswürde wäre wohl bewandt.
Da sie nicht folgen wollte, die Fraue man verstieß,
Das Reich und auch die Krone man ihr nicht länger ließ.
Es war auf der Burg zu Garden ein Turm gemauert hohl,
Der war bis an das Ende vom Grunde Schatzes voll.
Sie sollt' ihn nicht genießen, die Schlüssel man ihr nahm;
Daß keinen Mann sie wollte, des waren sie ihr gram.
Man ließ nicht mehr der Frauen als Kupfers hundert Pfund,
Das war ihr Geld des Jahres, da ward ihr Trauern kund.
Doch wie man sie auch drängte, viel stäte war ihr Mut,
Sie lebte von ihren Händen, wie manche Frau noch thut.
In Sorgen lebte die Fraue die Nacht so wie den Tag.
Der Leute und des Landes, leider niemand pflag.

Da sprach der Markgraf Helmnot zur edlen Königin rein:
»Mir ist viel leid dein Kummer; Frau, willst du mit mir sein?
Es muß mich doch erbarmen, o Königin, deine Not.
Ich will um dich noch rächen des edlen Herren Tod.
Ich will darauf nur warten, bis mein Sohn erwuchs zum Mann,
Damit ich wisse, wem ich mein Erbe lassen kann.«
Ihr pflag da wohl der Markgraf und die Markgräfin rein;
Sie sandten ihr auf Garden die Speise und den Wein.
So mußte in großem Jammer die arme Königin leben,
Bevor sie Herrn Wolfdietrich dem Kühnen ward gegeben.


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