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Hugdietrich

Hugdietrich von Konstantinopel, der Sohn des Königs Anzius, gewinnt in Frauenverkleidung Hildburg, die Tochter des heidnischen Königs Walgund auf Salneck (Thessalonike).

 

iel der Männer sah ich walten mit hohem Sinn,
Auch fuhr ich über viele der fremden Lande hin.
Kund ward mir Gutes und Böses, der Lust, des Elends viel;
Drum will ich singen und sagen die Mär zum Saitenspiel
Hier vor des Volkes Menge in dieser Metheshalle,
Daß zu der hellen Harfe ruhmreich die Rede schalle;
Denn Leib und Leben schwindet, es währet nur das Lob
Des Mannes, den der Sänger in Liedern hold erhob.

Es wuchs in Konstantinopel ein König adelich,
Gewaltig, klug und bieder, er hieß Hugdieterich.
Er war klein an dem Leibe, untadlig überall,
So drall wie eine Kerze die Hüften hin zuthal.
Sein Haar so lang und lockig gleich fahlem Golde schien;
Es ging ihm über die Achsel fast bis zum Gürtel hin.
Sein Vater war geheißen Anzius, der König hehr,
Ein Fürst aus Griechenlanden, so kündet uns die Mär.
Ihm dienten alle Griechen und der Bulgaren Wald;
Bis zum Gemark der Hunnen bezwang sie seine Gewalt.

An seinem Hofe hatte Herr Anzius fürwahr
Einen uralten Herzog, der lebte hundert Jahr.
Das war der Herzog Berchtung, geboren von Meran.
Den rief der König einstens und sprach zu ihm: »Hör' an!
Ich habe dich erzogen in aller Würdigkeit.
Des laß mich nun genießen! Dir sei auf deinen Eid
Hugdietrich nun empfohlen, mein liebes Kindelein,
Dazu auch Land und Leute laß dir empfohlen sein!
Der Tod hat mich erschlichen, ich muß die Welt verlassen.«
Da konnte Herzog Berchtung vor Trauer sich nicht fassen.
Darnach am andern Morgen der König Anzius starb.
Da sorgte Herzog Berchtung, der stets nach Ehren warb,
Daß er begraben würde, wie man noch Königen thut.
Er nahm zu sich den Jungen; gar traurig war sein Mut.

So zog er seinen Herren bis in das zwölfte Jahr.
Da sprach zu ihm Hugdietrich, der Fürst so jung und klar:
»Mein lieber Meister Berchtung, ich suche Treue an dir;
Bei aller deiner Tugend, erzeige du sie mir!
Was soll mir Ehr' und Herrschaft? Was soll mir Reich und Gut?
Nach einer edlen Frauen steht mir allein der Mut.«

Da sprach der Herzog Berchtung: »Die Rede ist mir leid
Ich bin in allen Landen gewesen fern und weit;
Ich sah doch nie mit Augen ein Weib noch Mägdelein
Daß sie dir hier zu Lande gleichbürtig möge sein.
Jedoch viel lieber Herre, das Eine sei dir kund:
Zu Salneck sitzt ein König, der König heißt Walgund
Und seine Fraue heißet die schöne Liebegard.
Sie haben eine Tochter, daß keine schönere ward.
Die schöne holde Hildburg, so ist die Maid genannt;
Man fände ihres gleichen in keinem anderen Land.
Auf einem Turm beschlossen ist diese werte Magd;
Ihr Vater hat verschworen, sie sei allen Männern versagt.
Zwei überhohe Mauern und drei gar tiefe Graben
Sind um die Burg errichtet; es steht gar hoch erhaben
Auf einem steilen Felsen der starke Turm; allein
Der Vater nur und die Mutter, sonst darf niemand hinein.
Der Jungfrau pflegt ein Wächter gar schön zu aller Zeit,
Und an dem Thor ein Wärtel, der ihr zu essen beut.
Bei ihr ist eine Jungfrau, die ihr dazu behagt;
Also ist sie behütet, die kaiserliche Magd.
Vor deines Vaters Tode, Hugdietrich, wohl zwölf Jahr
War ich zu Salneck dorten, das sag ich dir fürwahr;
Da sah ich zu drei Malen das schöne Mägdelein.
Möcht sie die unsre werden, das würd' uns Ehre verleihn.
Jedoch was mag es helfen, daß ich erzählen kann
Von jener edlen Jungfrau? Du wirst doch nie ihr Mann.
Wir müssen sie dort lassen; mit allen deinen Sinnen,
Was dir auch drum geschehe, kannst du sie nicht gewinnen!«

Da sprach zu Meister Berchtung der König edel und rein:
»Wir müssen listig erwerben das schöne Mägdelein.
Heiß mir nur bald gewinnen die beste Meisterin,
Die hier zu Lande sein mag mit künstereichem Sinn!
Die soll mich wirken lehren mit Seiden und mit Faden.
Mit Weibes Zucht und Künsten will ich mich überladen.«

Da sah der Herzog Berchtung den Jüngling staunend an,
Daß er in seinen Jahren so listigen Sinn gewann.
Er gab ihm nun nach Wunsche die beste Meisterin,
Die je zu Griechenlanden sich fand und weiterhin.
Hugdietrich lernte jetzo bei ihr ein ganzes Jahr
So schöne Werke wirken, daß es ein Wunder war.
Was die getreue Meisterin vorwirkte meisterlich,
Des wurde schnell auch Meister der edle Hugdietrich.
Nach weiblich zarter Stimme verkehrte er den Mund,
Er ließ das Haar sich wachsen und flocht's in einen Bund.
In weiblichem Gewande ließ er sich also sehn,
Als er zu Konstantinopel wollte zur Kirche gehn.
Die schon seit Jahren kannten den Fürsten gar genau,
Begannen da zu fragen: »Wer ist die schöne Frau?«

Als Hugdietrich der König dies wohl an sich erfand,
Daß er den Leuten allen war worden unerkannt,
Da freut' er sich im Herzen, es höhte sich sein Mut.
So sprach er nun zu Berchtung, dem Meister treu und gut:
»Viel lieber Meister Berchtung, nun gieb mir deinen Rat,
Weil du wohl siehst, daß alles mir liegt an dieser That,
In welcher Weise soll ich nunmehr von hinnen fahren?«
Da sprach der alte Greise: »Ich will es wohl bewahren.
Du sollst nun mit dir führen, mein Herr Hugdieterich,
Wohl fünfzig kühne Ritter mit Kleidern löbelich,
Und auch vierhundert Knappen; auch seien dir bereit
Wohl sechsunddreißig Jungfraun, die tragen reiches Kleid.
Du sollst auch mit dir führen dein reiches Prunkgezelt.
So du nun kommst zum Schlosse nach Salneck auf das Feld,
So heiß es schön aufschlagen auf jenen grünen Plan,
Darunter sitz' mit der Krone, bedient von Fraun und Mann!
So wird wohl von dem König gar bald zu dir gesandt,
Durch welches Abenteuer du hinkamst in sein Land.
Zuhand sollst du dann sprechen: Viel lieber Herre mein,
Ich bin von Konstantinopel ein adlig Mägdelein.
Und sprich, dich habe vertrieben dein Bruder Hugdietrich,
Weil er dich geben wollte zur Eh' unbilliglich
Einem ungetauften Manne fern in die Heidenschaft;
Nun kämest du auf Gnade zum König tugendhaft,
Daß er dich wohl behalte und schütze huldiglich,
Bis daß dein Bruder etwa das Zürnen ließ' auf dich.
So läßt er dich wohl bleiben, der König stark und bieder.
Dort bleib' selbviert und sende mir das Gesinde wieder,
Und wirb du dann das beste bis in das andre Jahr!
So will ich zu dir reiten, das sag ich dir fürwahr,
Und will es dann versuchen, will merken und auch spähn,
Ob dir kein Abenteuer zu Salneck sei geschehn.«

Da ward der Fürst Hugdietrich desselben Rates froh;
Wohl fünfzig kühne Ritter ließ er bekleiden so,
Dazu vierhundert Knappen, die waren wohl bereit,
Und sechsunddreißig Jungfraun, die trugen reiches Kleid.
Sie nahmen darauf Urlaub und, wie ich hab' vernommen,
Sind sie am achtzehnten Morgen zu Salneck angekommen.
Gar herrlich auf der Aue schlug man dort auf das Zelt
Wohl vor der Burg zu Salneck am blumenreichen Feld.

Bald sah man von dem Schlosse der Gäste reichen Schein;
Die Leute nahm es Wunder, wer dies wohl möchte sein.
Ein Ritter hieß Herdegen, der ward hinabgesandt,
Zu fragen, was die Fremden denn führe in das Land.
Herdegen ohne Weile nun aus dem Schlosse ging,
Hugdietrich und die Seinen er tugendlich empfing.
»O Königin, von wannen magst du gekommen sein?
Auch laß mich baldig wissen, was ist der Wille dein?«
Da gab zur Antwort eilig Hugdietrich unverzagt:
»Ich bin von Konstantinopel eine vertriebene Magd.
Ich mußte fliehn vor meinem Bruder Hugdietrich,
Der wollte mich verloben zur Eh' unbilliglich
Einem ungetauften Manne fern in die Heidenschaft.
Nun komm ich Gnade suchend zum König tugendhaft,
Daß er mich hier behalte, der König auserkor'n,
Bis daß mein Bruder lasse seinen großen Zorn.«
Herdegen ging da wieder, wo seinen Herrn er fand:
»O Herr, seltsame Gäste sind kommen in das Land!
Es ist von Konstantinopel eine edle Königin rein
Gekommen her zu Lande, Herr, auf die Gnade dein.
Du sollst sie wohl empfangen, viel lieber Fürst und Herr,
Denn nur durch deinen Willen ist sie gekommen her.«

Walgund der hehre König aus seinem Schlosse ging,
Hugdietrich und die Seinen er tugendlich empfing.
Hugdietrich ließ sich nieder vor Walgund auf die Knie;
Der König hub das Fräulein empor und grüßte sie:
»Bist du von Konstantinopel eine Königin edel und rein,
So sollst du hier dein Knieen vor mir wohl lassen sein.
Verlange was du wollest, es soll dir sein gewährt;
Doch daß du vor mir knieest, das bin ich nimmer wert.«

Walgund der werte König sie bei der Hand da nahm,
Er führte auf die Feste die Jungfrau lobesam.
Liebgard die Königinne ihr auch entgegen ging,
Den Herren und die Seinen sie tugendlich empfing.
Sie ließ Hugdietrich sitzen bei sich zu dieser Stund'.
Sie fragt' ihn, wie er hieße. Da sprach er: »Hildegund.«

Und nun begann zu spinnen Frau Hildegund zuhand.
Man sah dergleichen Künste niemals in diesem Land.
Und sie begann zu nähen manch kluges Vögelein
Mit Golde und mit Seiden, als möcht' es lebend sein.
Sie wirkte reiche Laken, die waren weiß und breit,
Wie man vor edle Fürsten sie legt zur Hochgezeit,
Und Psittiche und Zeisig, Drossel und Nachtigall,
Die waren an den Enden genähet überall,
Und anderseits noch Greifen und auch ein Adelaar
Zu vorderst im Gesichte, daß man sein nähme wahr;
Im andern Ort ein Falke, als ob er von dannen flöge,
Und das Gevögel alles vor ihm von hinnen zöge.
Inmitten lag ein Löwe und auch ein wilder Wurm,
Als ob sie miteinander hätten großen Sturm;
Dann Hasen und auch Füchse, das Reh von scheuer Art,
Am vierten Orte außen der grimme Leopard,
Das Eberschwein zu Walde, nach ihm die flinken Hunde, –
Das schuf zu aller Staunen die schöne Hildegunde.
Auch Hirsche so wie Hinden, die stunden daran eben,
Genäht von rotem Golde, als ob sie mochten leben.
Seltsames Abenteuer stund sonst noch viel daran:
Das schaute dort zu Salneck mit Staunen Frau und Mann.
Da sprach der König Walgund: »Wer hat uns das genäht,
Dies künstereiche Wunder, das also vor uns steht?«
Da sprach ein Kämmerer: »König, das sei dir wahrlich kund,
Das alles that von Griechenland die schöne Hildegund.«

Da wurden ihm die Leute im Lande alle hold.
Er begann hervorzusuchen sein kleingesponnen Gold,
Er wirkte eine Haube mit Wundern ohne Zahl,
Darum viel Borten gingen, die breit, die andre schmal.
Als er die wohlgezierte Haube hatte vollbracht,
Da sandt' er nach dem König und wies ihm ihre Pracht.
Er setzte ihm die Haube wohl auf die Locken sein:
»Das trag' zu dieser Hochzeit, Herr, durch den Willen mein!
Du sollst sie mir zu Willen vor deinen Gästen tragen,
Wenn sie nach Hause kommen, daß sie dann können sagen,
Du trägst auf deinem Haupte fürwahr ein reiches Kleid!«
Da sprach der König Walgund zur minniglichen Maid:
»Du hast mich wohl geehret, viel edle Königin rein;
Verlange, was du wollest, es soll gewähret sein.
Verlange Land und Leute und was dein Herz begehrt,
Ich geb dir meine Treue, es soll dir sein gewährt!«
»So laß denn von dem Turme zu mir die Tochter gehn!
Sonst soll mir um die Haube nicht weitrer Lohn geschehn.«

Da sandte König Walgund über sein ganzes Land
Zu Hofe kam geritten manch tapferer Weigand;
Viel Herzoge und Grafen mit Kleidern schmuck und reich
Es sandte auch die Königin nach Frauen allzugleich.
Doch sprach Liebgart die Alte zu ihrem Herrn allein
»Ich redete gern ein wenig, möcht' es mit Hulden sein
Mich dünkt an der Gebärde, die Jungfrau sei ein Mann
Der wolle unsre Tochter gewinnen, wie er kann.«
Da sprach der König lachend: »Frau, laß die Rede stehn!
Ihr Antlitz ist doch nimmer gleich einem Mann zu sehn.«
Da redete nicht weiter die alte Königin,
Doch war sie tief erzürnet, voll Sorgen war ihr Sinn.

An einem Pfingsttag Hildburg von ihrem Turme ging.
Hugdietrich auf den Knieen die schöne Maid empfing.
Da setzte man zu einander die beiden Jungfräulein,
Man brachte gute Speise und dazu klaren Wein.
So saß der werte Fürste bei der Jungfrau wohlgethan.
Sie blickten voll der Tugend einander beide an.
Er bot ihr seinen Becher und schnitt ihr vor das Brot,
An höfisch guten Züchten er ihr da viel entbot.
Wie mochte baß dem Herren zu Mut gewesen sein,
Da er an einem Tische saß mit dem Mägdelein!
Walgund, der alte König, der blickte häufig dar,
Der beiden Frau'n Gebärde nahm er gar eifrig wahr.
Er raunte in das Ohr ihr, dem jungen Töchterlein:
»Du sollst Zucht bei ihr lernen, viel liebe Tochter mein!«
Da sprach zu ihrem Vater Hildburg, die Jungfrau rein:
»Ich bäte dich gar gerne, möcht' es mit Hulden sein,
Daß du mir auf dem Turme dort ließest Hildegund,
Die wollt mich lehren alles wohl gar in kurzer Stund.«
Er sprach zu seiner Tochter: »Ich bin der Jungfrau hold,
Ich geb ihr auch zum Lohne viel Silber und auch Gold.
Will sie frei'n, Land und Leute mach' ich ihr unterthan.«
Da sprach aber Hugdietrich: »Nein, ich will keinen Mann.«

Die Hochzeit nahm ein Ende, man schied so wie man kam.
Wie bald da König Walgund die zwei Gespielen nahm!
Er führte sie zum Turme, darein man sie verschloß.
Des war Hugdietrichs Freude gar mächtig und gar groß.
Es ward ihnen geschaffen Gemach nach rechtem Fug;
Wes beide da bedurften, des hatten sie genug.
Der Wächter und der Thorwart mußten heraußen sein.
Man bot, wes sie bedurften, zu einem Fenster hinein.
Da ward der Fürst Hugdietrich der Frauen also hold;
Er lehrte sie wohl wirken mit Seiden und mit Gold,
Dann lehrt' er im Gedichte sie wirken an der Rahm',
Und klug darauf entwerfen viel Tierlein wild und zahm.
Nun merket, ob der König nicht großer Züchte pflag,
Daß er mehr denn zwölf Wochen auf jenem Turme lag,
Und sie nicht inne brachte, daß er war ein Mann,
Bis daß die starke Minne im Helden mächtig entbrann.
Er umfing sie da mit Armen, gar hold er sie umschloß,
Sein Halsen und sein Küssen, das wurde also groß.
Da sprach die schöne Hildburg: »O Trautgespielin mein,
Was bedeutet dieses Trauten? Was soll und mag das sein?«
»Gehabe dich zum besten, o Königin minniglich!
Ich bin von Konstantinopel der König Hugdietrich.
Ich hab durch deinen Willen erlitten viel Arbeit,
Und thät es auch noch gerne, du wonnigliche Maid.
Ich will in rechter Ehe als meine Frau dich sehn,
Du sollst zu Konstantinopel unter der Krone gehn!«
Hildburg begann zu weinen, ihre Augen wurden rot:
»Wird des mein Vater inne, so sind wir beide tot!«

So war der Herr Hugdietrich bei seiner Frau fürwahr
Wohl völliglich sechs Wochen, dazu ein halbes Jahr,
Daß niemand des ward inne und merkte dieses Ding,
Wie oft die Königinne auch zu den beiden ging.
Und so empfing die Fraue von ihm ein Kindelein;
Ganz Griechenland und Salneck, die wurden einstens sein.
Das Land Tuskan Toscana. und Pulle Apulien., Rom und Lateran
Und alles römische Reiche ward ihm einst unterthan.
Da sprach Hildburg die edle: »Was fang' ich Arme an?
Ich wähne, unsre Freude, die muß ein Ende han.«
Da sprach der Held Hugdietrich: »Was uns auch mag geschehn,
Du sollst zu Konstantinopel unter der Krone gehn.
Und mußt du Arbeit leiden auch jetzt, lieb' Fraue mein,
Das soll dir einst zur Freude in meinem Reiche sein.
Wenn nun die Zeit mag kommen, nimm dann zu dir herein
Die beiden Wächter, daß sie dir taufen das Kindelein.
Ist's eine Magd, so heiße es nach dem Willen dein,
Ist es ein Knabe, soll es Dietrich geheißen sein.
Heiß es dann schön aufziehen, sei's Tochter oder Knab',
Und ist es dir einst möglich, so komm zu mir hinab!
So reit ich dir entgegen mit manchem werten Mann
Und mache dich gewaltig und geb dir, was ich kann.«

Er ging dann an die Zinne, wo er den Wächter fand,
Er rief ihn an das Fenster und sprach zu ihm zuhand:
»Seltsames Abenteuer wollt' ich dir, Wächter, sagen,
Wärst du nur so getreue, daß du's nicht wolltest klagen.
Hör', laß dir sein empfohlen die junge Königin rein
Und sollte sie gewinnen ein kleines Kindelein,
Sollst du Gevatter werden und sollst es nie beklagen!«
Da sprach der Wächter: »Jungfrau, was willst du mir da sagen?
Würde des Dinges inne mein König, Herr Walgund,
Er hieß mich an die Mauer henken in dieser Stund!«
Da sprach der Herr Hugdietrich: »Nein Freund, du sollst nicht hangen!
Ohn alle deine Schulden ist es doch so ergangen.
Ich bin von Konstantinopel der König Hugdietrich,
So hab' ich mir vermählet die Königin minniglich.
Das sollst du wohl verschweigen, mein Wächter tugendhaft,
Kommst du zu mir gen Griechenland, eine ganze Grafenschaft
Und dazu Land und Burgen, das soll dein Eigen sein,
Bringst du mir meine Fraue dann und mein Kindelein.«
Da ward der gute Wächter dieser Verheißung froh.
Mit treuem Eid gelobt er's dem jungen König so.
Er freute sich der Märe, daß er Gevatter sei,
Und war vor König Walgund nun aller Sorgen frei.

Nun war der Herzog Berchtung gekommen in das Land
Und mit ihm schön und kühnlich manch griechischer Weigand.
Sie kamen reich an Züchten in Walgunds Hof geritten
Und wurden wohl empfangen nach ritterlichen Sitten.
Walgund der reiche König den Herrn entgegenging,
Den edlen Herzog Berchtung er tugendlich empfing.
Da sprach der Herzog Berchtung: »Viel edler Herre mein,
Sag' an, wo mag von Griechenland die edle Königin sein?
Ich bin nach ihr gekommen, Herr König adelich,
Denn seinen Zom vergessen hat Herr Hugdieterich.«
Da brachte man Hugdietrich von jenem Turm herab.
Niemals geschah so leide, dem man führt hin zu Grab
Den Vater und die Mutter, als Hildburg hier geschah,
Da sie den Trautgespielen nun nimmer hörte noch sah.
Sie zog von ihrem Finger ein goldnes Ringelein:
»Das führ' mit dir von hinnen, o Trautgespiele mein!
Du sollst es mir zu Willen tragen an deiner Hand;
So oft du dies anblickest, sei meiner Treue gemahnt!«

Als nun der Herr Hugdietrich von jenem Turme ging,
Er seinen Meister Berchtung gar tugendlich empfing:
»Nun führ' mich schnell von hinnen, du mein getreuer Mann,
Dieweil ich hier das Leben sonst noch verlieren kann!«
Sie nahmen baldig Urlaub, und kehrten schnell von dannen.
Walgund gab das Geleite mit manchen werten Mannen.

So ritt der Herr Hugdietrich heim in sein eigen Land.
Die Städte und die Burgen er wohl in Würde fand.
Er blieb in Konstantinopel darnach ein halbes Jahr;
Doch wurde traurigen Mutes der König immerdar,
So oft er mußte schauen das goldne Fingerlein,
Da trauerte sein Herze nach seiner Gattin rein.
So that die schöne Hildburg zu Salneck auch fürwahr,
Da sie mit großem Leide auf ihrem Turme war.

Als es dem Tage nahte, daß nun das Kindelein
Geboren sollte werden, das schuf der Königin Pein.
Sie war noch eine Heidin und glaubte doch an Gott.
Wie sie in Ehrfurcht mochte, erfüllte sie sein Gebot.
So lag sie eines Abends in ihrem Bett und schlief,
Als eines Engels Stimme sie aus dem Traume rief:
»Erwache, Frau, und fürchte und ängste dich nicht sehr!
Dieweil an Gott du glaubest, sag' ich dir gute Mär.
So höre diese Mären, die ungelogen sind:
Du wirst, o Frau, gebären am fünften Tag ein Kind,
Das hat dein milder Schöpfer dir unters Herz gefrommt.
Vernimm, was du sollst machen, wenn es zu Lichte kommt!
Ueber eine halbe Meile da sitzt ein heiliger Mann;
Zu diesem Einsiedel bringe dein Kindelein sodann!
Du sollst ihn des nicht irren, was mit dem Kind er thu'!
Du wirst dich sein noch freuen in Seligkeit und Ruh.«
Es war an einem Morgen, dieweil der Tag erschien,
Da war eines Sohnes genesen die schöne Königin.
Der Wächter und der Thorwart kamen zu ihr hinein,
Und auch die Magd, sie badeten das zarte Kindelein.
Da begann die Königinne zu schauen und zu spähn,
Ob sie an ihrem Kinde kein Zeichen möcht' ersehn.
Sie fand zwischen den Schultern ein rotes Kreuzelein,
Daran sie wohl erkannte ihr liebes Kindelein.
Als nun das kleine Kindel ward aus dem Bad gehoben,
Wand man's in schöne Tücher, aus reicher Seide gewoben.
Ein schönes seidnes Kissen man um das Kindel wand
Und einen seidnen Gürtel, das war sein Wiegenband.

Frau Liebegard die Alte, die nichts davon vernahm,
Zu ihrer schönen Tochter nun auf den Turm hinkam.
Sie hieß sie einzulassen; da erschrak die Königin.
Sie wußten mit dem Kindel nicht wo sie sollten hin.
Da sprach der gute Wächter: »O edle Fraue mein,
Wie sollen wir gebaren mit diesem Kindelein?
Hört's deine Mutter weinen, da es erst ist geboren,
So müssen wir das Leben sicher haben verloren.
Wir sollen es über die Mauer lassen in den Plan
An einem starken Seile; das dünkt mich gut gethan.
So ist es wohl geborgen; ich eile später hin.«
Das dünkte auch das beste die edle Königin.
Und eh die alte Königin kam in den Turm herein,
Da war schon über der Mauer das zarte Kindelein.
Frau Liebegard die Alte sprach zu der Tochter gleich:
»Wie ist dir denn geschehen; wie bist du also bleich?« –
»Es wollt' mich überkommen, Mutter, ich weiß nicht was,
Ich wär beinah gestorben, nun ist mir worden baß.«
Zwei großer Sorgen die Junge in ihrem Herzen pflag,
Der einen, daß das Kindel dort in dem Hage lag
So unbehütet und sie nicht wußte, wie ihm war.
So war die andre Sorge ihre eigene Gefahr.
Das verdruckte in ihrem Herzen die edle Königin.
Sie litt viel große Schmerzen und dachte her und hin
Denselben Tag, den langen, bis daß der Abend kam
Und ihre liebe Mutter von ihr nun Abschied nahm.

Das Kindlein lag noch immer verborgen in dem Hag.
Denselben Tag, den langen, der Knab der Ruhe pflag.
Er schwieg im Wald so stille, daß niemand ihn vernahm;
Vom Bad und auch von Windeln war ihm sein Recht gethan.
Ein Wolf nach seiner Speise in jenem Hage ging,
Darin er eh' viel häufig Hühner und Gänse fing.
Der nahm das kleine Kindel und faßt' es in den Mund,
Er trug es hin zu Walde wohl zu derselben Stund
Nach einem hohen Berge, der war inwendig hohl.
Der Alten waren zweene, die waren Grimmes voll.
Sie hatten auch vier Jungen, kaum eine Woche alt;
Ihr Witz und der des Kindes, die waren gleichgestalt.
Vor diese legte der Alte das kleine Kindelein;
Es sollt der jungen Wölfe Speise gewesen sein.
Da schuf es ihre Jugend, daß sie noch waren blind
Und an der Mutter sogen; davon genas das Kind.

Was sein soll oder werden, das muß denn auch geschehn.
Nun mag man großes Wunder wohl an dem Kinde sehn!
Der König wollte jagen, wie er des immer pflag;
Da sah er, wie die Wolfsbrut dort in dem Hage lag.
Da ließ man das Gejaide rasch auf den Wolf heran,
Man jagte ihn zu Walde, wo er den Schaden gethan,
Bis an die hohe Bergwand, die innen war ganz hohl.
Die alten Wölfe beide, die waren Grimmes voll.
Es war da kein so Kühner, ins Loch hineinzugehn.
Da sprach im Zorn der König: »Wir müssen die Wölfe sehn!«
Die Herren und die Knechte, die mußten mächtig graben
Und beidenthalb des Loches gar große Arbeit haben.
Viel bald man dann die Alten in ihrem Loch erstach.
So rächte man am Wolfe, was er am Kind verbrach.
Als so die beiden Alten dalagen steif und tot,
Da schloff hinein ein Jäger, der sie dem König bot.
Er fand noch vier der Jungen, sonst schien dort nichts zu sein.
Als er von dannen wollte, da schrie das Kindelein.
Er trug es bald ans Licht hin; zu schauen er's begann.
Er hätt' niemehr gesehen ein Kind so wonnesam.
Da sprach der gute Jäger zum Könige Walgund:
»Ich hab dahier gefunden gar einen reichen Fund.
Nun schaue, lieber Herre, welch Kind ich fand darein!
Es möchte auf der Erde fürwahr kein schönres sein.«
Da sprach der König Walgund: »So suchet doch das Weib,
Das dieses Kindes Mutter! Wo ist ihr toter Leib?«
Doch keine weitern Spuren man in dem Berge fand.
Das Kindelein man balde aus seinen Windeln band.
Natürliche Treue den guten König zwang,
Daß er seinen besten Mantel um dieses Kindel schwang.
Er wollt' es niemand lassen, er nahm es an den Arm,
So bracht' er es gen Salneck, er hielt es gut und warm.
Die Ritter und die Knechte, die folgten ihm geschwind;
So brachten sie zur Feste das Wild und auch das Kind.
Da ging der König Walgund vor seine Frau zuhand:
»Nun schaue, liebe Fraue, was für ein Kind ich fand!
Man soll es baldig baden, das kleine Kindelein!
Ich will es taufen lassen, viel liebe Fraue mein,
Und will es schön erziehen. Wird es ein biedrer Mann,
Wohl tausend Marke Goldes mach' ich ihm unterthan.«
Frau Liebegard die Alte verschwieg nicht solches Ding,
Zu ihrer schönen Tochter gleich auf den Turm sie ging,
Sie sagte ihr vom Kindlein mit arglosem Sinn.
Da erschrak in ihrem Herzen die junge Königin:
»Ach, könnte das geschehen, viel liebe Mutter mein,
So säh' ich also gerne das selbe Kindelein!«
Und das versprach die Mutter und ging sodann von ihr.
Wie ward die schöne Hildburg voll Angst und Schrecken schier!
Zum Wächter, ihrem Gevatter, sprach da die Frau geschwind:
»Sag' mir durch deine Tugend, wie steht es um mein Kind?«
Er sprach: »Gar wohl gehabt sich's, viel liebe Fraue mein.
Ich hab' es schon getaufet, dein liebes Kindelein.« –
»Ich mahne dich des Gerichtes, das einst noch soll ergehn:
Sag mir die rechte Wahrheit, was ist mit ihm geschehn?«
Als sie den guten Wächter so teuer hatte gemahnt,
Ueberliefen ihm die Augen, die Hände er da wand:
»Es hat dein Vater gefunden das liebe Kindelein!
Er zieht es ohne Schaden; des sollst du fröhlich sein!«

Des andern Morgens brachte das Kindlein man zuhand.
Frau Hildburg nahm es auf den Schoß; wie bald sie es aufband!
Da fand sie an den Schultern das rote Kreuzelein,
Dabei sie wohl erkannte ihr eigen Kindelein.
Als drauf in kurzen Zeiten die Mutter bei ihr saß,
Da sprachen sie mitsammen nun über dies und das.
Sie sprach: »Vielliebe Mutter, und dürft ich dir gestehn
Seltsames Abenteuer, das mir hier ist geschehn?«
Sie sprach: »Vielliebe Tochter, du magst mir alles sagen,
Was dir hier ist geschehen bei allen deinen Tagen.
Das will ich wohl verschweigen, vielliebe Tochter mein!« –
»So wisse das, Frau Mutter, das Kindel, das ist mein.«
Wie es die wilden Wölfe zum Berge hätten getragen,
Wie's dazu war gekommen, begann sie ihr zu sagen,
Und wie sie hätte gewonnen dasselbe Kindelein. –
»Nun sag mir, liebe Tochter, wer mag sein Vater sein?«
Sie sprach: »Vielliebe Mutter, das thu ich gern dir kund.
Du weißt ja wohl von Griechenland die schöne Hildegund,
Die mich da lehrte wirken die Hauben wunderlich,
Das war von Konstantinopel der König Hugdietrich.
Er ward in diesem Turme allhier der Gatte mein.
So nimm es auf zum besten, es mag nicht anders sein!«

Drauf gieng die alte Königin zu ihrem Herren fort.
Gar viel seltsamer Reden sprach sie zum König dort:
»Nun sollst du mich bescheiden, Walgund, lieb Herre mein,
Wie soll man dazu machen, was nicht mag anders sein
Und in der Welt auch niemand anders vermag zu fassen?«
Da sprach der König Walgund: »Das soll man fahren lassen!«
Sie sprach: »Seltsame Mären muß ich dir nun gestehn,
Die unsrer lieben Tochter erst kürzlich sind geschehn.
Du fandest in dem Walde ein kleines Kindelein.
Das Kindel ist Hildburgen, der schönen Tochter dein.
Und wer sein Vater wäre, das thu ich dir auch kund:
Du weißt ja wohl von Griechenland die schöne Hildegund,
Die sie da lehrte wirken die Hauben wunderlich,
Das war von Konstantinopel der König Hugdietrich.
Der hat gefreit im Turme alldort dein Töchterlein.
Nun nimm es auf zum besten, da 's anders nicht mag sein!
Du sollst sie ihm nun lassen, da 's niemand ändern kann,
Denn Land und viele Leute sind jenem unterthan.«

Da hatte König Walgund viel mannigen Gedanken,
Er fühlte Zorn und Liebe in seinem Herzen schwanken.
Am andern Morgen aber beim vollen Tagesschein
Sprach so der König Walgund zu all den Herren sein:
»Ihr Herren und auch Ritter, nun hatt' ich doch geschworen,
Ich gäbe nie zu Manne die Jungfrau hochgeboren.
Nun hat doch selbst gemannet das schöne Mägdelein.
So sprecht, ob ich der Eide wohl möge ledig sein?«
»Du bist der Eide ledig!« so sprachen alle gleich,
»Und sollst auch kürzlich senden nach jenem König reich,
Weil nun das Abenteuer einmal geschehen schon;
Auch sollst du's taufen heißen; es ist deiner Tochter Sohn.«
Da gewann er ihm zu Paten den Grafen Wolfwin,
Dazu auch von Galizien eine edle Markgräfin
Und auch den Ritter Georg, gar einen biedern Mann.
Der Wächter und der Thorwart mußten dahinter stahn.

Zum Einsiedel im Walde ging nun die ganze Schar;
Der war im Forst gesessen wohl mehr als vierzig Jahr.
Als da zu seinem Häuslein die schöne Königin ging,
Derselbe alte Klausner sie minniglich empfing.
Als nun das edle Kindel ward aus der Taufe gehoben,
Da schöpfte man ihm den Namen, den man noch lang wird loben:
»Wolf« und dazu »Dietrich«, der Name ward bekannt.
Er ward Wolfdietrich geheißen bald über alles Land.
Der Einsiedel das Kindel viel schön in Seide wand
Und gab es seiner Mutter wieder in die Hand
Und sprach: »So lieb dir wäre dein eigen Kindelein,
Behalt bis an sein Alter das Taufgewand so rein.
Wenn er's im Streite führet, so ist sein Leib gesund,
Von keiner Art von Waffen wird er dann nimmer wund.
Ich will dir mehr noch sagen: Wie lang das Kind mag leben,
Sei ihm zu jedem Jahre eines Mannes Stärke gegeben.
Von dieser Gottesgabe hat fünfzig Männer Gewalt
Sein Leib, wenn er in Zukunft wird fünfzig Jahre alt.
Du sollst um ihn nicht sorgen, er kommt gar oft in Not.
Es wird auch oftmals kommen, daß nah ihm sei der Tod.
Noch mehr will ich dir sagen, daß er mit seiner Hand
Auch eine hohe Königin erkämpft und reiches Land!«

Es sprach der König Walgund zum Grafen Wolfwein:
»Du und der Ritter Georg sollt meine Boten sein!
Ihr seid meine Gevatter, drum hab' ich euch erwählt.
Nun schafft, daß mir von Griechenland Hugdietrich komme, der Held!«
Da sprach auch Jungfrau Hildburg zum Grafen Wolfwein:
»Du und der Ritter Georg sollt meine Boten sein.
Zum Wortzeichen gemahnt ihn an das, was er mir riet
Nachts in dem Turm, darauf er des Morgens von mir schied!«

on dannen nahmen Urlaub die Herren wohlgethan.
An dem achtzehnten Morgen kamen sie glücklich an,
Sie gingen vor den König zu Konstantinopel hin.
Es grüßte sie Hugdietrich mit zweifelvollem Sinn.
Da ließ sich der Graf Wolfwein nieder auf sein Knie:
»Durch deinen Willen, Herre Hugdietrich, sind wir hie.
So gieb uns, edler König, das Botenbrot zu Lohn,
Denn Hildburg, deine Gattin, hat einen schönen Sohn!
Doch sind wir nicht gekommen nur um das Botenbrot;
Ich will dir treulich sagen, was Walgund uns gebot.
Komm hin zu deiner Frauen, er gönnt ihr gern den Mann,
Und dazu Land und Burgen macht er dir unterthan.«
Da wurde Herr Hugdietrich seiner Gevatter froh,
Mit seinen beiden Händen umfing er sie also
Und führte sie voll Freuden auf seinen Saal hinein.
Man setzte sie auf Sessel und brachte guten Wein.
Wie nun das Kind die Wölfe zum Berge hingetragen,
Wie Walgund es gefunden, begannen sie zu sagen.
Wie es getaufet wurde, das thaten sie bekannt:
Wolfdietrich ward es geheißen, weil man's bei Wölfen fand.
Nun kam auch Herzog Berchtung geritten in das Land.
hm sagte diese Märe der König allzuhand:
»Wohlan, wir sollen reiten und nach der Frauen sehn!
Sie soll zu Konstantinopel unter der Krone gehn.«

Da sandte Herr Hugdietrich wohl über all sein Land.
Zu Hofe kam geritten manch tapferer Weigand.
Sie nahmen baldig Urlaub, schnell waren auch die Frommen
Am achtzehnten Morgen zu Salneck angekommen.
Da kam der Ritter Georg vor ihnen hergerannt
Und sagte, daß sie kämen mit Ehren in das Land.
Walgund, der alte König, das länger nicht vermied,
Eine ganze Tagereise er ihm entgegenritt.
Als Walgund Hugdietrichen von ferne kommen sah,
Empfing er ihn gar schöne, mit Züchten sprach er da:
»Willkommen, Herr und Fraue, wie hast du mich betrogen!
Ich seh's an deiner Farbe, der Wächter hat nicht gelogen.«
»Du wolltest keinem geben,« sprach Hugdietrich, »die Maid,
So mußt ich um sie werben mit List und Heimlichkeit.«
Frau Liebegard die Alte den König wohl empfing,
Mit ihrer schönen Tochter sie ihm entgegenging.
Zwei wohlspielende Augen und ein viel roter Mund,
Die thaten Hugdietrichen ein lieblich Grüßen kund.
Da sprach zu Hugdietrichen Liebgard die Fraue rein:
»Wer wollte dieses wähnen, daß es so werde sein,
Als du so schöne wirktest die Hauben wunderlich?«
Da lachte des von Herzen der König Hugdietrich.
Er faßte in die Arme sein Kind zur selben Stund,
Er küßte es gar schöne viel oft an seinen Mund:
»Wolfdieterich, Wolfdietrich, mein liebes Kindelein,
Konstantinopel soll nun dein Erb und Eigen sein!«
Da schwor man ihm zu Weibe die Fraue wohlgethan,
Viel Land und feste Burgen macht' man ihm unterthan.
Die Hochzeit währt' in vollem drei ganze Wochen gar.
Da fuhren sie von dannen mit mancher großen Schar.
Wohl hundert weißer Mäuler bracht' man der Königin rein,
Jegliches trug nach Griechenland ein schönes Mägdelein.

Sie ritten zwanzig Tage mit der Frau wohlgethan,
Darnach am nächsten Morgen sie Konstantinopel sah'n.
Da ritt dem Herrn entgegen Berchtung mit manchem Mann,
Den Herrn empfing er würdig und die Frau wohlgethan.
Sie gingen mit der Frauen auf den viel schönen Saal,
Da hub sich allenthalben ein ungefüger Schall.
Wohl vierzehn lange Tage währte die Hochgezeit;
Man hörte davon sagen noch lang im Lande weit.
Da ward der Königin Marschalk der Grafe Wolfwin,
Da ward der Ritter Georg Kämmrer der Königin.
Es ward der Frauen Pflegerin die Markgräfin, allein
Der Wächter und der Thorwart mußten auch Herren sein.

Hugdietrich lebte mit Hildburg bis in das achte Jahr;
Zwei Söhne noch gewann ihm die Frau edel und klar;
Der eine der hieß Boge, der andere Wachsmut.
Die zog man wohl nach Ehren, wie man noch Fürsten thut.


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