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[Einleitung]

Die germanische Götter- und Heldensage ist das Epos von der Völkerwanderung, sie ist das Bild jener für das europäische Staatenleben bis auf unsere Zeit herab entscheidenden Ereignisse, aufgefaßt nicht vom Chronisten und Historiker, sondern von dem auf das Wesen der Dinge, auf den Kern der Sache gerichteten Auge des Dichters. Dabei kann aber auch nicht stark genug betont werden, daß die alte Sagendichtung im äußersten Gegensatze zur Romanerfindung steht. Man hat in guten Zeiten zwischen echter Sage und Lügensage unterschieden. Diese letztere gehört immer und überall nur in die niedrigsten Regionen der Litteratur, wenn sie überhaupt etwas damit zu thun hat, während von der echten Sage das Wahrwort des Aristoteles gilt, daß sie philosophischer sei als die Historie, das heißt, daß sie der inneren Wahrheit näher kommt als die wissenschaftliche Forschung. So ist denn auch die germanische Heldensage ebensowenig ein historischer Roman aus der Völkerwanderungszeit, wie Ilias und Odyssee historische Novellen aus dem griechischen Altertum sind. Nein, hier wie dort wird mehr als zufällige Wirklichkeit geboten. Das wahre Epos erhebt sich gerade so hoch über die geschichtliche Darstellung, wie der historische Roman unter derselben zurückbleibt, wobei allerdings die mannigfaltigsten Uebergänge stattfinden können. Die Sage verhält sich zur Wirklichkeit, wie das Idealbild des Bildhauers zur Natur. Es handelt sich dabei aber nicht um eine Verschönerung, Verzierung, sondern um eine Verdeutlichung, Typisierung. Nur in der Form der Sage kann die Geschichte volkstümliches Gemeingut werden.

Wir wissen freilich, daß in chronologischer und pragmatischer Beziehung sich die Völkerwanderung anders abgespielt hat, als das Epos erzählt, aber das ist kein Vorwurf für die Dichtung, sondern eher für die Wirklichkeit. Der Dichter hat die Ereignisse so zusammengefaßt, wie sie sich ihrem Sinne, ihrer Idee, ihrer Bedeutung nach hätten ereignen müssen, wenn nicht die Trägheit und Unzulänglichkeit des irdischen Stoffes dagegen gewirkt hätte. Der Dichter hat wie ein Seher aus dem tiefsten Bewußtsein der Zeit und der Nation heraus die Geschichte gedeutet, er hat sie von jenem archimedischen Standpunkt aus betrachtet, der außerhalb von Raum und Zeit steht. Nur durch diese Stellung hat er seinem Werke die Unsterblichkeit gesichert.

Mitten aus den Zeitereignissen selber heraus haben die gleichzeitigen Sänger diese Riesenarbeit geleistet in dem Jahrhundert von Theodosius dem Großen († 395) bis zu Theoderich dem Großen († 526). Nicht als Barbaren, sondern als Erben der christlichen und klassischen Traditionen treten diese gotischen Sänger auf. Schon im Jahre 325 hat ein gotischer Bischof am Konzil zu Nicäa teilgenommen und der Bischof Ulfila, der die Bibel ins Gotische übersetzte, der mit den Goten über die Donau ins oströmische Reich wanderte, der am Hofe Theodosius des Großen um 382 starb, war der Zeitgenosse der ersten Generation der Heldensänger, die auch im »Hugdietrich« und »Wolfdietrich« Gotisches und Byzantinisches mischten. Unsere Heldensagen führen manche gleichzeitige Sänger mit Namen an, und es scheint, daß diesen Namen historische Gestalten zu Grunde liegen. Horand, in der »Gudrun«, der ritterliche Sänger am Hegelingenhofe, wird in einem angelsächsischen Gedicht von einem Nebenbuhler Deor angeklagt, daß er ihn verdrängt habe. Am Wormser Hofe singt und spielt Volker von Alzei. Am Hofe des Königs Etzel wirken die beiden auch als Gesandte verwendeten Sänger Wärbel und Schwemmelein. Damit stimmt es, daß Priskus, der oströmische Gesandte, berichtet, er habe am Hofe Attilas zwei gotische Sänger beim Mahle Siege und Kriegstugenden des Hunnenkönigs preisen hören. Die Hauptrolle fällt aber einem Sänger am Hofe Theoderichs des Großen zu, der etwa um das Jahr 500 die Thaten seines Herrn, besonders seine abenteuerliche Jugend zum Mittelpunkte des ganzen blühenden Liederkreises gemacht hat. Er scheint sich selber als Isung, Ilsung, Ilsan oder Elsan, als den Hauptspielmann Dietrichs von Bern mit in das Epos hinein zu verweben. Darnach war er eine Zeit lang Mönch; durch sein Werk scheint er eine verdiente Ungnade des Königs wett machen zu wollen. Auf den weithin glänzenden Ruf dieses Sängers und seiner Genossen bezieht es sich wohl, wenn Chlodwig, der gleichzeitige Begründer des Frankenreichs, sich von Theoderich einen kunstgelehrten Citharöden erbittet, also einen epischen Sänger, der zur Zither dem König beim Mahle vorsingen kann (Cassiodor Var. II, 40 f.).

Bis zum Untergange des Ostgotenreiches 555 muß das ganze Epos schon vollständig abgeschlossen gewesen sein. Aber gotische Sänger verbreiteten es über alle deutschen Stämme hin und gaben so dem gotischen Geiste eine Unsterblichkeit, die seinem Staatswesen mangelte.

Ueber den Charakter dieser Sänger und der ihnen folgenden Rhapsoden mag des angelsächsischen »Sängers Weitfahrt« aus dem sechsten Jahrhundert ein gutes Bild geben. Ueber die Behandlungsart unterrichtet uns der »Beowulf«, der noch ins siebente Jahrhundert zurückgeht und die Bruchstücke des »Waldere« aus der Mitte des achten Jahrhunderts. Der ganze Liederkreis erhielt sich im wesentlichen unverändert, bis Karl der Große um 800 ihn sammeln ließ. Eine Probe dieses ersten Heldenbuches giebt das Fragment des althochdeutschen Hildebrandliedes. Erzbischof Fulko von Reims kannte die aus mehreren Büchern bestehende Sammlung noch am Ende des neunten Jahrhunderts sehr wohl; in einem Brief an König Arnulf (887-899) setzt er die allgemeine Bekanntschaft mit diesem Werke voraus und zitiert daraus das Beispiel des grausamen Hermenrich und seines ungetreuen Ratgebers. Von einer Gegnerschaft der Kirche gegen die Sage besteht keine Spur. Die Sage war ja von Anfang an christlich; gegen den poetischen Gebrauch der Mythologie herrschte niemals ein Bedenken, wie wir ja aus der Edda und Skalda ersehen. In der That haben sich der Sage am eifrigsten die Mönche, Priester, Bischöfe und Erzbischöfe angenommen. Ohne deren Bemühungen würden wir das meiste verloren geben müssen. Auch die angebliche Abneigung Kaiser Ludwigs des Frommen bezieht sich nicht auf die deutschen Heldensagen, sondern auf die heidnischen römischen Klassiker, mit denen er in seiner Jugend geplagt worden war.

Die Sagen lebten aber auch mündlich fort. Der blinde Sänger Bernlef war im neunten Jahrhundert bei seinen friesischen Volksgenossen berühmt wegen seiner umfassenden Kenntnis der alten Rhapsodien. Im skandinavischen Norden begann man sie um diese Zeit in eine neue sprachlich gekünsteltere Form umzugießen. Zu Anfang des zehnten Jahrhunderts übersetzt der St. Galler Mönch Ekkehart I. die Rhapsodien von Walther Starkhand ins Lateinische zur Uebung. Am Ende desselben Jahrhunderts erinnert sich der Quedlinburger Annalist an die Lieder von Thiderik von Berne, die er wahrscheinlich als Jüngling bei den Bauern hörte. Damals ließ auch der Bischof Pilgrim von Passau (971-991) die Nibelungenlieder durch seinen Schreiber Meister Konrad aufzeichnen, nach einer alten Fassung, die man den Spielleuten Etzels, Wärbel und Schwemmel zuschrieb. Zu Anfang des elften Jahrhunderts arbeitet der Mönch Ekkehart IV. in St. Gallen den Walther seines Vorgängers aufs neue um. Um 1061 interessiert sich der Erzbischof Siegfried von Mainz für Amalung, Attila und andere Sagengestalten fast mehr als für Augustinus und Gregorius. Dem gelehrten Isländer Sämund (1055-1133) wurde die Sammlung der Eddalieder allerdings ohne schriftliches Zeugnis zugeschrieben; jedenfalls mag um diese Zeit dies Götter- und Heldenbuch allmählich zusammengestellt worden sein. Ein sächsischer Sänger Siward gebraucht 1131 den Vortrag des damals allbekannten und als klassisch geltenden Liedes von Grimhildens Brudermord, um den Herzog Knud Laward vor einem ähnlichen Anschlag seiner Verwandten zu warnen. Um die gleiche Zeit (gegen 1130) kennt der »Pfaffe« Lamprecht die Sage von Hilde und dem Wülpenwerder. Um 1150 reimt ein rheinischer Spielmann das Lied vom König Rother neu, um 1190 ein Trierer Spielmann den »Orendel«. Nun aber blühen hauptsächlich in Oesterreich um 1200, genau 700 Jahre nach ihrer wahrscheinlich ersten Fassung, in neuer, vollendeter Kunstgestalt das Nibelungenlied, die Klage, das Lied vom hürnen Siegfried empor, denen bald Biterolf und Dietleib, der Rosengarten zu Worms, Gudrun, Albhart, Laurin und Walberan folgen. Ihnen schließt sich bis zum Ende des Jahrhunderts das Eckenlied, Virginal, Sigenot, Dietrichs Flucht, Rabenschlacht, der Wunderer, Ortnit, Hug- und Wolfdietrich an. Dieser letztere ist uns, wie die Handschriften sagen, durch die Sorge eines Bischofs und einer Aebtissin von Eichstädt erhalten. Nur die Form ist hier neu, der Inhalt und der Charakter ist der alte geblieben. Auch die Vortragsweise, die singende Rezitation durch Rhapsoden blieb die gleiche. Diese mochten wohl oft, wie wir hören, wandernde, blinde Spielleute sein, aber gewiß auch ritterliche und geistliche Sänger. Walther von der Vogelweide, Wolfram von Eschenbach, Albrecht von Scharfenberg, der Marner, Hugo von Trimberg etc. kennen diese Litteratur wohl und hatten sie zum teil in ihrem Repertoire. Und wenn auch der Herr von Kürenberg, in dessen Strophe das Nibelungenlied abgefaßt ist, nicht ausdrücklich genannt wird, so finden wir die Namen Heinrichs von Ofterdingen und Heinrichs des Voglers mit einigen Gedichten verbunden.

Gleichzeitig wird auch im Norden der Sagenschatz gesammelt. Nachdem schon Saxo († 1208), der Schreiber des Erzbischofs Absalon von Lund, die ganze Götter- und Heldensage für seine dänische Geschichte ausgiebig benützte, stellt Snorri Sturluson († 1241) in Island die jüngere »Edda« zusammen; in der Mitte des 13. Jahrhunderts wird die Wälsungensage in nordischer Prosa aufgezeichnet und die »Thidreksaga« giebt zur selben Zeit das vollständigste und bestgeordnete Heldenbuch, das wir überhaupt erhalten haben. Im 14. Jahrhundert wird fleißig abgeschrieben und im 15. Jahrhundert faßt Kaspar von der Roen 1472 abkürzend einen Teil der Sagen zu dem Dresdener Heldenbuch zusammen. Vor 1490 erscheint das erste gedruckte »Heldenbuch«, und Kaiser Maximilian läßt nicht viel später in eine kostbare Handschrift andere Heldensagen treulich eintragen. Aber alle diese Versuche sind doch nur fragmentarisch. Es kommt trotz aller Anläufe niemals zu dem vollständigen, abschließenden Ideal eines Heldenbuchs. Im 16. Jahrhundert dramatisiert Hans Sachs und Jakob Ayrer die Heldensage. 1590 erscheint das letzte gedruckte Heldenbuch. Das Epos geht ins Volkslied über, besonders bei den Dänen. Im 17. Jahrhundert kennen noch Michael Sachse, Melchior Goldast, Moscherosch und die Meistersinger etwas von der Sage. Der isländische Bischof Brynjulf Sveinsson findet 1643 die Handschrift der Edda und erkennt sie in ihrem Wert. 1726 erscheint die erste bekannte Ausgabe des Jahrmarktsbuchs vom gehörnten Siegfried, das seitdem nie vergessen worden ist. Bodmer gab 1757 Chriemhildens Rache ohne Erfolg heraus, Myller 1782 das ganze Nibelungenlied zum Mißvergnügen Friedrichs des Großen. Erst die Romantiker entdeckten aufs neue den Schatz für die Nation. Tieck und Görres wollten die ganze Sage wiederherstellen, erlahmten aber in der Arbeit. Fr. H. von der Hagen gab alles Zugängliche fleißig heraus. Wilhelm Grimm überblickte das ganze Material in seiner deutschen Heldensage 1829. Uhland, Raßmann, Simrock suchten auf mannigfache Weise die Gesamtheit der Sage wieder zum Bewußtsein der Nation zu bringen. Bildende Kunst, Poesie, Musik belebten die entfremdeten Gestalten. Die Gelehrsamkeit setzte ihre stille Arbeit rastlos fort und fand in dem »Berliner Heldenbuch« einen gewissen Mittelpunkt.

Trotz allem macht die deutsche Heldensage noch stets den Eindruck eines riesigen Trümmerfeldes, aus dem einige köstliche Turmbauten hervorragen, die aber auch immer mehr durch die Arbeit der wißbegierigen Ausgräber in Gefahr geraten, einzustürzen. Giebt es denn noch vor der Wissenschaft ein einheitliches Nibelungenlied? Von der Einheit der ganzen Sage ganz zu geschweigen.

Da scheint es nun wünschenswert, nach so vielen Versuchen, nach einem durch zweimal siebenhundert Jahre fortgesetzten Bauen und Zerstören, ein Werk zu besitzen, das mit der größten Treue und Vollständigkeit, allerdings ohne überflüssige Weitschweifigkeit, in bester Ordnung, in lesbarer Form das ganze Gebiet umfaßt, die ganze nationale Arbeit möglichst abschließt, weder romanhaft dichtend, noch gelehrt deutelnd. Der Dichter soll dabei nur der Redaktor, der Hüter und Wahrer des volkstümlichen Schatzes sein, sein Custos und Conservator. Er soll möglichst rein, selbstlos und getreu diesen Hort den Nachkommen ebenso hinterlassen, wie er ihn von den Vorfahren erhielt. Dabei giebt es freilich der Arbeit genug, wenn der Schatz nicht verrosten und verschimmeln, nicht in Unordnung und Verwirrung geraten soll.

Dies Werk sei denn hier gegeben nach der Vorarbeit eines ganzen Volkes, freilich mit dem Gefühl der Unzulänglichkeit alles Einzelnen, zögernd und mit dem Bewußtsein der schier unüberwindlichen Schwierigkeiten. Aber die Arbeit mußte einmal versucht und angefangen werden, sie muß endlich auch aus den Händen gegeben werden. Es war notwendig, eine einheitliche Form zu wählen, denn die Originale, die sich ja über viele Jahrhunderte erstrecken, sind teils in der Kürenberger oder Nibelungenstrophe, teils in der Gudrunstrophe, der Heldenbuchstrophe, den kurzen Reimpaaren, der Herzog-Ernst-Strophe, teils im vierhebigen oder abwechselnd dreihebigen Stabreim, teils im lateinischen Hexameter, teils in altnordischer Prosa abgefaßt. Am natürlichsten schien sich die Strophe des Heldenbuchs und des Hildebrandsliedes darzubieten, die Strophe so vieler Volkslieder; doch wurde der Strophencharakter durch Aufgeben der Vierzeiligkeit absichtlich verwischt. Wir kommen so der Wirkung des griechischen Hexameters am nächsten. Aber nicht die Form, sondern der Inhalt, die schlichte Erzählung, soll die Hauptsache sein. Es wurde auch möglichst versucht, die verschiedenen Stile der althochdeutschen, altnordischen, angelsächsischen, lateinischen Originale dem Stile der mittelhochdeutschen Gedichte zu nähern, ohne übrigens Gewalt anzuwenden: es ergab sich von selbst. Denn als Hauptgrundsatz galt, keine Subjektivität einzumischen, sondern die Dinge sich selber zusammendichten zu lassen. So sind ja, wie unsere Philologen lehren, alle volkstümlichen Werke erwachsen.

Als rettender Faden durch das Gewirr der Sage sei hier dem Leser gleich eine kurze Inhaltsangabe des Ganzen an die Hand gegeben.

Dietrichs Urahn, der Amelung Hugdietrich von Konstantinopel, freit, als Mädchen verkleidet, die Tochter des Königs Walgund von Salneck. Sein Sohn Wolfdietrich wird auf den Rat des bösen Saben als unecht ausgesetzt, von Berchtung aber gerettet.

Ortnid von Rom, Enkel Dietwarts, Sohn Siegehers, gewinnt mit Hilfe des Zwergenkönigs Alberich die Tochter eines syrischen Heidenfürsten und fällt im Kampf gegen die Lindwürme, die sein feindseliger Schwiegervater ihm ins Land geschickt hat.

Wolfdietrich, einst Ortnids Gegner, dann sein Freund, vereinigt nach großen Abenteuern die Herrschaft über Rom und Konstantinopel.

Sein Enkel Amelung-Samsing entführt Hildeswind von Salern und wird der Vater Ermanrichs und Dietmars, des Vaters Dietrichs.

Indessen kämpft im Norden der Wilzenkönig Wilze mit Hertnid und Hirder von Oesterreich und Rußland.

Oserich, Hertnids Sohn, gewinnt als König Rother die schöne Oda, Tochter des Hunnenkönigs Melias.

Deren Tochter Helke wird die Gemahlin Etzels von Friesland, der auf diese Weise auch Herr der Hunnen wird.

Wate und Hetel, die Söhne des Wilze, geben den Uebergang zur Hilde- und Gudrunsage.

Wate's Sohn, der Schmied Wieland, gewinnt Bathilde und wird Vater des Wittich.

Wielands Bruder Eigel ist Vater des Orwendel von Trier, der den heiligen Rock erwirbt.

Orwendels Sohn ist Hamlet.

Es beginnt die Welsungensage mit Wodans Sohne Siege, dessen Sohn Welse und dessen Kindern Siegmund und Sieglind. Siegmunds Söhne sind Sinfessel und Helge, der Hundingstöter. Als Greis vermählt sich Siegmund mit Herdis, der Tochter Eilime's, fällt aber im Kampf gegen seinen Nebenbuhler. Herdis gebiert nach Siegmunds Tod den Siegfried.

Die Schwester der Herdis ist Swaba, die Walküre und Braut Helge's, des Herwardsohnes.

Siegfried wächst bei Negin dem Schmiede auf, tötet den Fafner, erweckt die Walküre Brünnhild, Etzels Schwester.

Hier seien die Göttersagen eingeschoben, von denen wir uns vorstellen mögen, daß die weise Brünnhild mit anderem Runenwissen sie ihrem Bräutigam Siegfried erzählt: Das Riesenalter und die Ordnung der Welt; das Goldalter, das Zwergenalter, das Menschenalter, die Entstehung der Stände, der Fluch des Goldes, der Krieg zwischen Asen und Wanen. Mit Wodans Wanderung von Asien nach dem Westen, mit dem Aufkommen seiner Söhne und ihrer Geschlechter beginnt die Völkerwanderung. Balders Tod und Rächung, der Dichtertrank, Froh's Hochzeit, Donners Fahrten, Wodans Verbannung und Wanderung, Ägir's Mahl, Loke's Fesselung folgen; die Götterdämmerung wird vorausgeahnt.

Vom Schildungengeschlecht meldet die Beowulfsage.

Mit Walther und Hildegund, die von Etzels Hofe fliehen, ist der Höhepunkt der Völkerwanderung erreicht.

Der junge Dietrich besteht sein erstes Abenteuer mit dem Wunderer und der Frau Sälde an Etzels Hof.

Dietrichs erste Ausfahrt nach Tirol zum Riesenpaar Grim und Hilde, zur Königin Virginal.

Der Riese Siegenot wird mit Mühe erlegt.

Dietrich wirbt um Hilde, die Artustochter, aber sein Werber Herbart wird ihm vorgezogen.

Die Artussöhne Iron und Apollonius fliehen zu Etzel.

Heime und Wittich, der Wielandssohn, werden Dietrichs Gesellen.

Dietrich kämpft mit dem Riesen Ecke.

Biterolf von Spanien zieht an Etzels Hof. Sein Sohn Dietleib sucht ihn und wird Dietrichs Geselle.

Der Hauptspielmann Dietrichs, Ilsung, befreit mit Wildebers Hilfe den gefangenen Wittich.

Die Dietrichsgesellen kämpfen mit Siegfried und den Isungsöhnen, den Ueberwindern des Artusreiches.

Siegfried kommt nunmehr nach Worms zu Gunther und Kriemhild.

Die Kämpfe im großen Rosengarten zu Worms zwischen den Rheinfranken und Amelungen.

Kriemhild von einem Drachen auf den Drachenstein entführt, wird vom gehörnten Siegfried befreit.

Siegfried hilft dem Gunther in Isenstein Brünnhilden gewinnen; er selbst wird Kriemhildens Gatte.

Dietleib führt die Amelungen vor Worms, um eine alte Unbill zu rächen.

Der Zwergkönig Laurin raubt Dietleibs Schwester in seinen Rosengarten; sein Oheim Walberan.

Ermanrich frevelt gegen Sibichs Gattin. Der getreue Sibich wird dadurch zum Ungetreuen und erregt Krieg zwischen Ermanrich und Dietrich.

Dabei fällt der junge Albhart.

Dietrichs Flucht vor Ermanrich zu Etzel.

Dietrich bei Etzel; die beiden Dietriche.

In der großen Rabenschlacht gegen Ermanrich fallen die Etzelsöhne und Dietrichs junger Bruder. Helkes Tod.

In Worms Streit der beiden Königinnen. Siegfrieds Tod und Bestattung, Brünnhildens Totenfahrt.

Etzel freit nach Helkes Tod um die Witwe Kriemhild. Die Burgunden werden nach Etzelburg geladen. Daselbst rächt Kriemhild den Mord ihres Mannes an Hagen. Dabei fallen aber auch ihre Brüder. Dietrich verliert seine Mannen. Kriemhild tötet Etzel und springt in die Donau.

Kriemhild bei König Jonaker. Ermanrich freit um ihre Tochter Schwanhild, läßt sie aber in falschem Verdacht hinrichten.

Dietrich kehrt aus Hunnenland mit Hildebrand nach Italien zurück. Hildebrand kämpft vor Garten mit seinem Sohn. Ermanrich stirbt. Dietrich gewinnt sein Reich wieder.

Dietleib stirbt, Heime geht ins Kloster. Dietrich verschwindet.

Amelungen-Sage

Hugdietrich. Der gotische Geschichtsschreiber Jordanes berichtet im Jahre 551 kurz vor dem Untergange des Reiches, daß am Königshofe die Thaten der Vorfahren, der Amaler, zur Cithara gesungen wurden. Einen Nachhall davon haben wir in den ersten Geschichten unseres Heldenbuchs von Hugdietrich, Wolfdietrich und Amelung. Freilich sind diese Amaler hier mit den römischen Kaisern selber zusammengeschmolzen nach einem alten Sagengebrauch, der bei Jordanes selber und in der deutschen Kaiserchronik viele Vorbilder hat. Hugdietrich von Konstantinopel ist mit dem ihm namensähnlichen Theodosius dem Großen († 395) eins geworden. Dieser, nach der Geschichte der kluge, vermittelnde Besänftiger und Bezwinger der Goten, wird von der Sage zum Gotenkönig selber gemacht, zum Sohn des Königs Anzius, womit vielleicht der Ase oder Anse Wodan oder nur des Theodosius Vorgänger Gratianus gemeint ist, wenn der Name nicht aus Athenus verlesen ist. Ich würde am liebsten Amala oder etwas ähnliches (Amilius) lesen. Kaiser Valens, ein Arianer, der Mitregent Gratians, er, unter dem der erste Ansturm der Völkerwanderung im Jahre 375 stattfand, erscheint in der Sage als König Walgund von Salneck, unter welchem deutschklingenden Namen das in der Geschichte jener Zeit bekannte Thessalonike, das heutige Saloniki zu verstehen ist, dessen Entfernung richtig angegeben wird. Während aber der historische Theodosius jene Stadt wegen einer Empörung grausam bestraft, begnügt sich der kluge Hugdietrich damit, als Mädchen verkleidet die schöne Hildburg, Walgunds Tochter, zu gewinnen. Die Sage macht eben aus aller Welthistorie Familiengeschichten. Walgund gilt der Sage aber offenbar als Hunne, sein Sohn heißt späterhin (im Wolfdietrich B) Botelung. Im Meister Berchtung von Meran steckt etwas vom strengen Bischof Ambrosius von Mailand und etwas vom Statthalter Arbogast. Der Name Hugdietrich bedeutet nichts anderes als den klugen, listigen Dietrich. Der Umstand, daß die Franken auch »Hugonen« und Chlodwigs Sohn Theoderich auch Hugo Theodoricus genannt wurde, hat diese Amelungensage kaum wesentlich beeinflußt. Die Sage ist mit dem Wolfdietrich ( B) in einem mittelhochdeutschen Gedicht des dreizehnten Jahrhunderts überliefert. Sie bildete schon im fünfzehnten Jahrhundert mit Ortnid den Anfang des gedruckten Heldenbuchs. Ayrer hat sie am Ende des sechszehnten Jahrhunderts dramatisiert. Als Einleitung des Ganzen habe ich die kräftigen Klänge aus der angelsächsischen Weitfahrt des Sängers vorangestellt, die zu dem ältesten gehören, was wir auf diesem Gebiete besitzen.

Meran ist Dalmatien. Der Ritter Georg, Jörge, ist der berühmte Heilige, nach der Legende im Jahre 303 gemartert, in Konstantinopel hoch verehrt. Der Hellespont bekam von dem dort gelegenen Kloster den Namen St. Georgs Arm.


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