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Drittes Kapitel

1

Das Kriegsernährungsamt schreibt:

Bei der Knappheit an Fett, Seife und Lichtern ist in diesem Jahre eine freiwillige Einschränkung im Gebrauch von Weihnachtskerzen dringend geboten. Am schönsten wäre es, wenn jedem Weihnachtsbaum nur eine einzige Kerze aufgesteckt würde. Die Bedeutung und die Feierlichkeit des Vorgangs würde dadurch in keiner Weise beeinträchtigt. Den Kindern aber, für die ja die Weihnachtsbäume hauptsächlich bestimmt sind, wird es eine wertvolle Erinnerung für ihr ganzes Leben bleiben, daß im Kriegsjahr 1916 nur eine einzige Kerze an ihrem Baum brennen durfte. (Vossische Zeitung, Berlin, 7. 12. 1916)

2

Zwischen den Leitern der Deutschen Kartoffelkulturstation, die dem Institut für Gärungsgewerbe angegliedert ist, fand dieser Tage ein anregender Depeschenwechsel statt. Es hatte nämlich bei der Prüfung der diesjährigen Ergebnisse der Deutschen Kartoffelkulturstation die Sorte »Hindenburg« den Sieg davongetragen. Darauf wurde an Generalfeldmarschall Hindenburg folgendes Telegramm gerichtet: »Eurer Exzellenz melden wir gehorsamst, daß die neu gezüchtete Kartoffelserie des Herrn Kamecke-Streckenthin ‚Hindenburg‘ den Sieg errungen hat gegenüber 19 anderen Sorten im Durchschnitt der 30 über das Deutsche Reich verteilten Versuchsfelder mit dem glänzenden Ertrage von 279,1 Doppelzentner und darin 50 Doppelzentner Stärke für das Hektar. Die Heimarbeit der deutschen Landwirtschaft hat nicht geruht, die unter Führung ‚Hindenburgs‘ wieder steigende Kartoffelernte sichert die Ernährung für Volk und Heer. Für die Deutsche Kartoffelkulturstation des Vereins der Spiritusfabrikanten in Deutschland am Institut für Gärungszwecke, gez. A. Säuberlich, M. Delbrück, C. v. Eckenbrecher.« – Der Generalfeldmarschall v. Hindenburg sandte darauf folgende Antwort: »Vielen Dank für die gütige und mich doch erfreuende Nachricht von der neu gezüchteten Kartoffelsorte ‚Hindenburg‘. Ich weiß, was wir der erfolgreichen Heimarbeit der deutschen Landwirtschaft zu verdanken haben.« (Hamburger Tageblatt, 19. 2. 1917)

3

». . . doch erfreuende . . .«

4

Den großartigen Vorgang der Ablösung meilenweiter Strecken unserer bisherigen Stellungsfront vom Feinde habe ich hier an der Aisnefront seit geraumer Zeit in allen seinen Vorbereitungen beobachten können und habe nun in den letzten Tagen der völlig verlustlosen Zurücknahme gewaltiger Heereskörper von der vordersten Linie bis in die letzten Aufnahmestellungen beigewohnt. – . . . Die Zerstörung aller hinterlassenen Stellungen, der Straßen, Brücken, Eisenbahnen, Drahtleitungen, die Niederlegung aller Deckungen und Unterkünfte ist von den Zerstörungskommandos mit großer Gründlichkeit ausgeführt worden . . . Um malerische Denkmäler des Feindeslandes, die dabei mit vernichtet worden sind, ist jetzt nicht zu jammern, wo der Feind erneut den Willen zum Ausdruck gebracht hat, Deutschland zu vernichten und wo kein vergängliches Gut der Welt ein Recht hat, zu bestehen, wenn es dem deutschen Siege als Hindernis im Wege steht. (Scheuermann, An der Aisne, 19. 3. Deutsche Tageszeitung, Berlin, 20. 3. 1917)

5

Jede Gelegenheit ist zu benutzen, um zu beweisen, daß die deutsche Kriegsführung alle unnötigen Härten vermeidet. In feindlichen Ortschaften sind die wichtigsten Baudenkmäler so zu photographieren, daß ihre Unversehrtheit nachgewiesen werden kann. Stets einige deutsche Soldaten mitphotographieren. Feindliche Verwüstungen und Grausamkeiten sind durch Bilder zu beweisen. (Generalstab, 28. 12. 1914. III. C. 3094. Pr. Auszug aus der Anweisung für Kriegsphotographen und Kinematographen)

5

10 Sinnsprüche zur Kriegsanleihe:

1. Mit helfen muß jeder im deutschen Volke,
Damit sich zerstreue die Kriegswetterwolke.

2. Willst du helfen zum Siege im blutigen Ringen,
Mußt deinen Kämpfern die Mittel du bringen.

3. Dein braver Junge da draußen im Feld
Ist mehr wert als all dein Gut und dein Geld.

4. Gib frei und willig dem Vaterland jetzt,
Sonst gibst du gezwungen dem Feinde zuletzt.

5. Ist der Feind im Lande, in dem du geboren,
Dann ist auch dein letzter Pfennig verloren.

6. Laß betören dich nicht durch nörgelnden Sinn;
Du bringst gar kein Opfer; du schaffst dir Gewinn.

7. Wer spart sein Habe zur unrechten Stund,
Der schleppt sich zum Grabe mit hungerndem Mund.

8. Hier gibts keine Wahl, hier gibts keine Qual,
Mit Lust und Liebe zeichne und zahl!

9. Sangst: »Herz an Herz und Hand in Hand!«:
Nun zeig deine Liebe zum Vaterland!

10. Laßt glühen die Herzen und öffnet die Hände!
Ihr helft dann alle zum siegreichen Ende!

(H. Weinert, Neueste Nachr., Braunschweig, 31. 3. 17.)

7

Reisiger ist bis Mitte November 1916 in einem Lazarett im Harz. Er wird dann zur Ersatzabteilung seines Regiments versetzt und Anfang Dezember felddienstfähig geschrieben. Beförderung zum Offizier-Stellvertreter am 23. 12.

8

Leutnant Römer, der Batterieführer der 9. Batterie des Reserve-Feld-Artillerie-Regiments 253, erhält den Befehl, dem Regimentsstab einen Bericht über die Eignung des Offizier-Stellvertreters Reisiger 9/253 zum Reserveoffizier einzureichen.

Er schreibt:

Offizier-Stellvertreter Reisiger ist der 9. Batterie von der Ersatz-Abteilung am 31. Dezember 1916 überwiesen. R. tut seit dieser Zeit bis heute Offiziersdienst. Er war während der Monate Juni und Juli 1917 zur Schießschule Rembertow bei Warschau abkommandiert. Gute Zeugnisse darüber liegen dem Regiment vor.

Ich halte R. für einen fähigen, energischen Vorgesetzten, der es versteht, Disziplin bei seinen Untergebenen zu halten.

R.’s Schießkenntnisse sind gut. Er tut abwechselnd mit Leutnant Sauer Dienst auf der Beobachtung und hat dort mehrmals Gelegenheit gehabt, mit der Batterie selbständig zu schießen.

Die Wahlzettel ergaben bei sämtlichen Offizieren der Abteilung ein Plus.

Über seine politischen Ansichten habe ich R. persönlich vernommen. (Ich beziehe mich dabei auf die Besprechung, die der Herr Regimentskommandeur mit mir hatte und die die angebliche Mitarbeit R.’s an einer sozialdemokratischen Zeitung oder Zeitschrift betraf.) R. betont ausdrücklich, daß er der Ansicht ist, diese Mitarbeit könne nur als künstlerisch aufgefaßt werden. Er gab mir zwei in einer Berliner Wochenschrift erschienene Gedichte, die als Anlage beigefügt sind.

Ich möchte trotz allem die Beförderung zum Leutnant der Reserve auf das Wärmste befürworten.

gez. Römer, Ltn. u. Bttführer.

Anlage: Zwei Gedichte des Offizier-Stellvertreters Reisiger, erschienen Ende 1916 in der Zeitschrift »Aktion«.

Träumen

Träumen:

Mein Gewehr ist versteint – wie deines, mein Bruder,
Wir zielen nicht mehr aufeinander.
Blumen wachsen auf Schaft und Lauf;
rote Blumen.
(oh! daß sie doch an Morden noch erinnern!)
Die Gräben, die uns in Bangen fraßen
heben sich. Und werden sanft und Ebene.
Wir sehen Licht – Land – Uns.
Wir fühlen: Mensch.
Und küssen uns.
Oh!!
Traum!!

 

Loretto (Für H. K.)

Einen Tag lang in Stille untergehen!
Einen Tag lang den Kopf in Blumen kühlen
und die Hände fallen lassen
und träumen: diesen schwarzsamtnen, singenden Traum:
Einen Tag lang nicht töten.

9

Die Feuerstellung 9/253 befindet sich seit vielen Monaten nicht weit von Postawy, nordwestlich Wilna. Die Geschütze in einem Wäldchen hinter dicken Pallisaden aus Baumstämmen, die Mannschaften und die Offiziere in geräumigen Blockhäusern. Reisiger bewohnt mit dem Vizewachtmeister Spilcker eine kleine Hütte. Seine Mahlzeiten muß er im Wohnhaus des Batterieführers einnehmen. Mit ihnen beiden ißt noch Leutnant Sauer, der einzige Batterieoffizier.

Am Abend, als Römer den Bericht an das Regiment abgesandt hat, wird statt des üblichen Skatspielens, an dem sich Reisiger täglich von 9 Uhr bis gegen 12 Uhr nachts beteiligen muß, wenn er nicht gerade auf der Beobachtung sitzt, Leutnant Sauer gebeten, noch ein Weilchen das Lokal zu räumen; Römer habe mit Reisiger zu sprechen.

Reisiger sitzt am Tisch, Römer geht vor ihm hin und her, pafft aus einer Pfeife, redet nicht. Schließlich stellt er sich gegen den Ofen und nimmt aus seiner Rocktasche die beiden Gedichte, die Reisiger ihm vor einigen Tagen aushändigen mußte.

Er beginnt ein Gespräch.

»Reisiger, Sie wissen, daß ich es gut mit Ihnen meine; Sie werden sich nicht darüber beklagen können, solange Sie hier in der Batterie sind, daß ich Sie jemals schlecht behandelt habe. Im Gegenteil, ich habe mir stets Mühe gegeben, nie zu vergessen, daß wir vom Frieden her ja gewissermaßen Kommilitonen sind –« Der Leutnant stockt, geht hin und her.

Reisiger weiß nicht recht, worauf das Gespräch abzielt. Er erkennt schließlich die Zeitungsausschnitte, die Römer in der Hand hält: »Herr Leutnant wollen von meinen Gedichten sprechen?«

»Ja.« Der Leutnant schiebt sich einen Stuhl unter, legt die Gedichte auf den Tisch, stützt die Ellbogen: »Wenn das man gut geht.«

Reisiger weiß nichts darauf zu sagen. Pause. Nach einer Weile tippt der Leutnant mit dem Finger auf den einen der beiden Zettel und sagt: »Einen Tag lang nicht töten? Sie sind wohl Pazifist?«

Reisiger, sehr ehrlich: »Das habe ich mir noch nicht überlegt, Herr Leutnant.« Pazifist, denkt er, ich glaube nicht mal, daß ich Pazifist bin. »Ich glaube nur –«

Der Leutnant unterbricht ihn: »Also selbst, wenn Sie mir sagen wollen, daß ihre Gedichte nichts mit Politik zu tun haben – ich bezweifle, daß man das auch höheren Orts glauben wird. – Reisiger, machen wir uns doch nichts vor, Sie können doch ehrlich mit mir sprechen – was ist denn los? Was haben Sie sich denn gedacht? Sie sind doch kein Kind mehr – es muß doch irgendeinen Sinn haben, wenn Sie so einen Satz hinschreiben wie ‚Einen Tag lang nicht töten‘ oder« – dabei tippt er mit der Pfeife auf das andere Blatt – »hier: ‚Wir zielen nicht mehr aufeinander‘. Was denken Sie sich dabei?«

Im selben Augenblick, wo Reisiger spricht, merkt er, daß es falsch ist zu sprechen. Er sagt trotzdem: »Herr Leutnant – vielleicht – vielleicht – kann ich nicht mehr – oder ich mag nicht mehr.«

So, jetzt ist es heraus.

Wie ruhig das im Zimmer ist. Der Leutnant saugt an seiner Pfeife. Das gibt jedesmal einen fiependen Ton. Klingt sehr drollig. Er pafft aber auch so heftig wie selten. Immer Reisiger die Rauchwolken ins Gesicht. Das stinkt.

Dann steht er auf, stellt sich breitbeinig hin, die Arme mit breiten Händen auf die Tischplatte gegrätscht, stiert in die Luft, sagt: »Hm – Reisiger, ich glaube, Sie hat der liebe Gott verlassen. Sie sind, scheint mir, bereits vollkommen verrückt. Aber Menschenskind, wie können Sie sich denn einbilden, daß Sie je Offizier werden, wenn Sie sagen: ich kann nicht mehr oder ich mag nicht mehr. Das ist Quatsch, sinnloser Quatsch! Und wenns auch Ihr Ernst ist – Reisiger, so etwas kann man nicht sagen. Ehrlich: hat Ihnen denn, ich meine, Ihnen privat, schon irgendeinmal jemand zugemutet, zu töten? Also ich meine: Wir Artilleristen haben es doch gerade in dieser Hinsicht besonders gut. Wir schießen doch meistens, ohne überhaupt zu sehen, wo es trifft und wen es trifft. Stimmts? Na also, dann kann es Ihnen auch schnuppe sein. Und im übrigen: Wer nicht selber tötet, wird eben getötet. Na, möchten Sie das etwa lieber?«

Da ist wieder die Frage. Das hat Reisiger tausendmal überlegt. Wer nicht tötet, wird getötet. Möchte ich das etwa lieber? Nein. – Das ist die entsetzlichste Frage im Krieg: Möchtest du lieber, wenn ein Feind vor dir steht und sein Bajonett vor dir ist, daß er es dir in den Bauch rennt, oder lieber: Ihm auf den Schädel schlagen. Und leben.

»Verzeihen Herr Leutnant – ich weiß es nicht.«

Hinzusetzen möchte er: Vielleicht ist es besser, ich verzichte darauf, Offizier zu werden. Denn ich denke es mir bis zum Wahnsinn schrecklich, verantworten zu müssen, ob die hundert Menschen, die blindlings auf meinen Befehl gehorchen, töten oder getötet werden. Und nur darauf kommt es ja hinaus.

Da nimmt der Leutnant die beiden Zeitungsausschnitte, reißt sie langsam mitten durch und sagt, mit einem kleinen Lächeln: »Reisiger, Sie sind zwar verrückt, aber jetzt tun Sie mir den Gefallen und stürzen Sie sich nicht selber ins Unglück. Lassen Sie doch den Unsinn. Was müssen Sie dichten. Haben Sie zu leiden hier? Sie müssen mir zugeben, ich rede weiß Gott nicht dienstlich zu Ihnen. Weil ich genau weiß, daß Sie ein anständiger Soldat sind. Machen Sie sich keine Schwierigkeiten, und machen Sie mir keine Schwierigkeiten. Unter vier Augen kann ich Ihnen sagen, daß sämtliche Herren der Abteilung Ihre Wahl zum Leutnant befürwortet haben. Also wozu dieses Gefasele? Es kann ja auch sein, daß der Krieg schnell vorbei ist. Na also. Zu Hause können Sie dann dichten soviel Sie wollen – Und jetzt spreche ich dienstlich mit Ihnen: Ich wünsche, daß der Unsinn aufhört, haben Sie mich verstanden?«

Reisiger steht auf, steht stramm: »Zu Befehl, Herr Leutnant.«

»Blamieren Sie mich nicht. Sie sind doch auch seit 14 draußen. Das ist nicht anständig, wenn ein alter Frontsoldat nach so langer Zeit plötzlich schlapp macht.«

Römers Stimme wird hart und wütend: »Im übrigen vergessen Sie nicht, daß unter Umständen so eine dämliche Ausrede, wie Sie sie vorhin gebraucht haben, vollkommen genügt, daß man Sie an die Wand stellt oder ins Zuchthaus bringt.«

Er streckt Reisiger die Hand hin: »Also Sie versprechen mir, diese kindischen Gedichte zu lassen.«

Reisiger nach einer Weile, die Hand in der Hand des Leutnants: »Zu Befehl, Herr Leutnant.«

Römer: »Na, ich denke, Reisiger, daß Ihre Beförderung in vierzehn Tagen kommen wird. Und dann haben Sies ja sowieso leichter.«

Reisiger, den Blick in Römers Augen: »Danke gehorsamst, Herr Leutnant.«

Der Leutnant lacht: »Herr Gott, wie feierlich. Ich komme mir geradezu komisch vor, daß ich Ihnen wie einem kranken Gaul zureden muß, Offizier zu werden. – Wissen Sie übrigens, daß man das Band vom Eisernen Kreuz im zweiten Knopfloch trägt. Sie habens im dritten. Sieht aus wie ein Vereinsabzeichen. Bitte, haben Sie die Güte, das auch zu ändern. – Also wir verstehen uns?«

Er ruft in die Küche zum Burschen: »Urban, bringen Sie drei Flaschen Bier und rufen Sie Leutnant Sauer.«

Dann wendet er sich wieder zu Reisiger: »Es gibt nichts Blödsinnigeres als Dichter. – Los, los, Reisiger, mischen, mischen. Der Skat muß steigen, sonst kommen wir heute abend alle zu kurz.«

Reisiger mischt die Karten. Der Bursche Urban bringt drei Flaschen Bier. Leutnant Sauer tritt ein, zieht sich den Rock aus, sitzt in Hosen mit schwarzweißroten Hosenträgern über einem klebrigem Lahmannhemd. Man spielt Skat, mit Pro und Contra. Reisiger gewinnt, bis gegen ½ Uhr morgens, 7 Mark 30. Dann geht er schlafen.

10

Verwandelt Euer Geld in U-Boote, in Stacheldraht, in Geschütze und Granaten, in Maschinengewehre und Patronen, und Ihr erhaltet dadurch das Leben unserer Helden an der Front. Es gilt, unsern Feinden durch das Anleihe-Ergebnis zu beweisen, daß Deutschlands wirtschaftliche Kraft ungeschwächt ist, damit sie den Mut und die Hoffnung verlieren, uns jemals niederzwingen zu können. (Warschauer Zeitung, 15. 3. 1917)

11

An die Staatsoberhäupter der kriegführenden Völker:

. . . gegen Ende des ersten Kriegsjahres richteten Wir an die im Streite befindlichen Nationen die lebhaftesten Ermahnungen und gaben überdies den Weg an, dem man folgen müsse, um zu einem beständigen und für alle ehrenvollen Frieden zu kommen. Leider wurde Unser Ruf nicht gehört und der Krieg ging noch während zweier Jahre mit allen seinen Schrecken erbittert weiter; er wurde sogar grausamer und breitete sich zu Lande und zu Wasser aus, ja bis in die Lüfte; Verheerungen und Tod sah man hereinbrechen, über unverteidigte Städte, über ruhige Dörfer, über ihre unschuldige Bevölkerung. Und jetzt kann niemand sich vorstellen, um wieviel sich die Leiden aller vermehren und erschweren würden, wenn weitere Monate, oder schlimmer noch, weitere Jahre sich diesen blutigen drei Jahren anreihten. Soll die zivilisierte Welt denn ganz zu einem Feld des Todes werden? Will das so ruhmvolle und blühende Europa, wie von einem allgemeinen Wahnsinn hingerissen, dem Abgrund entgegeneilen und zu seiner Selbstvernichtung die Hand bieten?

Vatikan, 1. August 1917
gez. Benedictus PPXV.

12

. . . wir fechten und schlagen so lange, bis der Gegner genug hat . . . (Wilhelm II., nach G. Queri, Berliner Tageblatt, 23. 8. 1917)

Kein Volk hat daher mehr als das deutsche Anlaß zu wünschen, daß an die Stelle des allgemeinen Hasses und Kampfes ein versöhnlicher und brüderlicher Geist zwischen den Nationen zur Geltung kommt. (Antwort an d. Papst, Berlin, 19. 9. 1917)

. . . verwandelt Euer Geld in U-Boote . . .

13

Wenn starke Männer, wie es die Mittelmächte gottlob sind, von einer Räuberbande überfallen werden, die sie erwürgen wollen, dann wehren sie sich eben und schlagen, wenn sie können, die Gegner gänzlich nieder – aber sie verhandeln nicht mit ihnen, das würde auch gänzlich nutzlos sein. So aber liegt doch unser Fall und darum: keine Verständigung, keine Verhandlung, keine Friedenskonferenz, sondern nur völliger Sieg, völliges Niederschlagen aller Gegner und dann: jedem einzelnen den Frieden diktieren, den wir bewilligen können und – wollen. (Generalleutnant z. D. v. Roon, Alldeutsche Korrespondenz, nach Berliner Tageblatt v. 25. 8. 1917)

14

Die Friedensresolution der sogenannten Reichstagsmehrheit betrachte ich als einen Verrat am Vaterland, Und wenn es zu einer Volksabstimmung kommen sollte, so würde das Resultat wohl ganz anders aussehen. (Brief eines Arbeiters, Deutsche Tageszeitung, 9. 8. 1917)

15

. . . Wir müssen einige neue Beweise für die Absichten der großen Völker der Mittelmächte abwarten. Gott gebe, daß diese bald und dergestalt gegeben werden, daß sie das Vertrauen aller Völker auf den guten Glauben der Nationen und die Möglichkeit eines vertraglich geschlossenen Friedens wieder vorstellen.

gez. Robert Lansing,
Staatssekretär

16

. . . Lassen Sie uns durch diese Stunde mit dem alten Charakter unserer Rasse gehen und im nächsten Frühjahr werden wir, wird die Welt beginnen, die Früchte unserer Tapferkeit zu ernten. (Lloyd George, Unterhaus, 16. 8. 1917)

17

Es ist natürlich unmöglich, zu verhindern, daß selbst durchaus vernünftige und unbedenkliche Artikel der deutschen Presse von der feindlichen verdreht und entstellt werden. Wir müssen uns aber immer vor Augen halten, daß unsere Gegner nach diesem Rezept handeln. Es ist bemerkenswert, daß uns sämtliche auf Friedenssehnsucht gestimmte Artikel im Auslande außerordentlich schaden. Die Gegner sind durch Verhetzung und Lüge geistig so irregeführt, daß sie trotz aller Mißerfolge immer noch an ihren Sieg glauben und alles, was bei uns nach Friedenshoffnung aussieht, als Kriegsmüdigkeit, Schwäche und Erschöpfung deuten. Durch Friedensartikel wird die moralische Wirkung unserer Waffenerfolge nur abgeschwächt. (Zensurbuch für die deutsche Presse, März 1917, cf. Friedensfrage)

18

. . . Die päpstliche Kundgebung hat die Völker Europas noch einmal an den Scheideweg gestellt. Noch einmal vor dem entscheidungsvollen Winterfeldzug ist ihnen die Möglichkeit gegeben, zwar aus tiefen Wunden blutend, aber mit blankem Schilde den Wiederaufbau Europas zu beginnen. An Deutschlands Gegnern ist es nun, zu beweisen, ob auch sie einen Hauch des neuen Geistes verspürt haben. . . . So steht denn das deutsche Volk in dieser entscheidungsvollen Schicksalsstunde stark, aber still, mächtig aber gemäßigt, bereit zum Kampfe, wie nur je, aber auch bereit, mitzuarbeiten zur Verwirklichung des Wortes vom Frieden auf Erden. (v. Kühlmann, Reichstag, 23. 10. 1917)

19

Die durch die Revolution vom 6. und 7. November geschaffene Regierung der Arbeiter und Bauern, die sich auf den Arbeiter- und Soldatenrat stützt, schlägt allen Regierungen der Kriegführenden vor, alsbald Besprechungen über einen gerecht demokratischen Frieden zu beginnen . . . Die Regierung schlägt den Regierungen aller kriegführenden Länder vor, sogleich einen Waffenstillstand zu schließen. Sie glaubt ihrerseits, daß dieser Waffenstillstand für drei Monate geschlossen werden muß . . . (Der Sowjet an alle kriegführenden Staaten)

 

Berlin, 23. 11. (Nicht amtlich):

Die Anweisung der Maximalistischen Machthaber in Petersburg, einen Waffenstillstand einzuleiten, ist nach an der Front aufgefangenem Funkspruch vom Oberbefehlshaber des russischen Heeres abgelehnt worden.

 

An die Völker der kriegführenden Länder!

. . . Wir, der Rat der Volkskommissäre, wenden uns mit dieser Frage an die Regierungen unserer Verbündeten: Frankreich, Groß-Britannien, Italien, Vereinigte Staaten, Belgien, Serbien, Rumänien, Japan und China. Wir fragen sie vor dem Angesicht ihrer eigenen Völker, vor dem Angesicht der ganzen Welt, ob sie einverstanden sind, an die Friedensverhandlungen heranzutreten . . . Wir fragen die Völker, ob die reaktionäre Diplomatie ihre Gedanken und Bestrebungen zum Ausdruck bringt, ob die Völker der Diplomatie erlauben, die große Friedensmöglichkeit, die durch die russische Revolution eröffnet wurde, fallen zu lassen. Die Antwort auf diese Frage . . . (Störung) . . . nieder mit dem Winterfeldzug! Es lebe der Frieden und die Völkerverbrüderung!

Der Volkskommissar für auswärtige Angelegenheiten:
Trotzki

(Verstümmelter Funkspruch, Zarskoje Sselo, 28. 11.)

20

. . . Meine Herren! Unsere Blicke sind in diesem Zeitpunkt vor allem nach Osten gerichtet. Rußland, das die Kriegsfackel in die Welt geschleudert hat, Rußland, in dem eine bis ins Mark der Knochen faule Rotte von Bürokraten und Schmarotzern unter Beiseiteschiebung eines vielleicht manchmal wohlmeinenden, aber schwachen und mißleiteten Selbstherrschers die Mobilisierung erschlich, welche die eigentliche und unmittelbare Ursache dieser gewaltigen Völkerkatastrophe geworden ist, hat die Schuldigen weggefegt und ringt nun in schweren Wehen danach, durch Waffenstillstand und Frieden Raum für seinen Wiederaufbau zu gewinnen. (v. Kühlmann, Reichstag, 30. 11. 1917)


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