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VIII.

Warum waren die liebestrahlenden Augen Hedwig's mit Thränen gefüllt, warum schluchzte sie hinter dem weißen Vortuche, mit dem sie das Gesicht verhüllte, während ihre rechte Hand in der Willi's ruhte? Und die Sterne leuchteten so unschuldig herab und der bleiche Mond schwamm auf dem tiefblauen Firmament.

»Ach, Hedwigl, wein' nit!« sagte Willi und wischte sich selbst eine Zähre aus dem Auge. »Du machst mich in den Tod betrübt. Gelt, Hedwigl, du thust's mir zu lieb und meinst nit?«

Aber Hedwig schluchzte nur um so mehr, daß dem armen Burschen ganz bänglich zu Muthe wurde. Er begann nun auch laut zu weinen, und die beiden Liebenden standen sich eine ganze Weile gegenüber, ohne ein Wort zu sprechen. Nun tröstete Hedwig. »Lieb's Willile,« sagte sie, »wein' doch nit, du machst mir ja 's Herz schwer!«

»Ach, Hedwigle, wenn ich dich nur nit so viel lieb hätt ', so wollt' ich nit weinen!« entgegnete der Jüngling. »Aber es greift mir halt an's Herz, wenn ich so von dir gehen soll. Wenn der Großätti wüßt', wie wir uns so sehr gern haben, er gäb's gewiß zu, daß ich dich heiern thät!«

»Bleib da, Willi!« bat Hedwig. »Ich will ihm zu Füßen fallen und nit eher aufstehen, bis er Ja sagt. »Ich will ihn so recht sehr bitten, will ihm sagen, daß ich sterben müßt', wenn du nit mein Mann würdest!«

»Nein, Hedwigl!« antwortete Willi. »Und wenn er nun auch wollt', so könnt' ich doch nit dableiben. Ich müßt' mich ja vor den Buben todt schämen, wenn sie mit den Fingern auf mich wiesen und sagten: Lugt, das ist der Ofenhocker! Weißt nit mehr, was der gute Mann, der Thomas Münzer gesagt hat: wir sollten nur muthig fechten, und die Leibeigenschaft würd' aufhören? Das will ich nun auch und will wiederkommen als freier Mann!«

»Ach, wenn du aber gar nit wiederkommst?« seufzte Hedwig und erschrak selbst vor dem ausgesprochenen Gedanken.

»Was sagst du da?« versetzte Willi betroffen. »Der liebe Gott wird mich wohl bewahren – deinetwegen, Hedwigl; denn du bist so viel fromm! Und komm' ich nit wieder, so bet'st du wohl für mich bei der heiligen Jungfrau? Nicht wahr, das thust'?«

»Sprich nit so quatsches Zeug!« antwortete Hedwig und suchte heiter zu sein, obgleich ihr in der That das Herz fast brach. »Der liebe Gott wird mir das nit zu Leid thun!«

»Nun, behüt' di Gott, Hedwigl!« sagte Willi, hielt aber ihre Hand noch gefaßt und rührte sich nicht von der Stelle.

»Behüt' di Gott, Willi!« seufzte Hedwig, machte aber eben so wenig eine Miene, zu gehen.

»Was ich sagen wollt!« begann Willi wieder; »ein Busserl zum Abschied wirst mir doch geben!«

»Von Herzen gern!« antwortete das Mädchen und ihre Lippen vermählten sich in einem langen, innigen Kuß. Willi riß sich endlich los. »Behüt' di Gott!« rief er mit unterdrücktem Schluchzen und eilte hinweg. Es war ihm, als habe er einen Abschied fürs Leben genommen.

Hedwig aber stand noch lange; sie rief den Namen des Geliebten, aber der war schon fern und hörte sie nicht mehr. Nun brachen ihre Thränen unaufhaltsam hervor. Sie fühlte nun erst, wie sehr sie den herzigen Buben geliebt, wie seine Seele mit der ihrigen ganz verschmolzen. Ihr einziger kleiner Trost war, daß sie ihn morgen in der Frühe noch einmal sehen werde, wenn auch nur von fern. Traurig schlich sie in ihr Kämmerlein und stieg in ihr jungfräuliches Lager; aber kein Schlaf kam diesmal in ihre Augen. Der Schlaf flieht so gerne den Unglücklichen, und Hedwig war unglücklich. Sie erkannte zum ersten Male den Schmerz in seinem ganzen Umfange. Der Mond leuchtete so freundlich durch die Scheiben, als wollt' er die Arme trösten in ihrem Jammer, der milde Freund der Liebenden! –

Der Tag graute kaum, als alle Hütten sich öffneten und Männer und Jünglinge heraustraten, von den Ihrigen begleitet, die Abschied nahmen, Viele vielleicht für das Leben. Auch Willi trat aus seinem niedern Häuslein, im Gürtel zwei scharfgeschliffene Messer, über der Schulter ein Feuergewehr, ein Erbstück von seinem Vater. Eine Frau begleitete ihn bis über die Schwelle, ein gebeugten Mütterchen mit ergrautem Haar. Sie hielt seine Rechte gefaßt und erhob ihre noch hellen Augen zu ihm. »Halt dich brav, Willi!« sagte sie mit einem Händedruck. »Denk', daß du jetzt ein freier Mann wärst, wenn das Stift uns nicht schändlich um unsre Freiheit betrogen!«

»Gewiß! Daran will ich denken!« antwortete der Sohn.

»So ist's Recht, mein Bub!« schmeichelte die Alte. »Bist immer mein Herzblattle gewesen! Und wenn'st wieder kommst, wird dir der Riedinger's Konrad das Hedwigl wohl geben.«

»Das hoff' ich zu Gott!« seufzte Willi.

»Warum bist trübselig?« fragte die Mutter.

»Weil ich von Euch fort muß, Mutterle!« entgegnete jener. »Weil ich Euch hülflos und allein zurücklasse! Wer wird Euch warten und pflegen, wer wird Euch das Bissel Feld bauen, wer wird Euch lieben und ehren, wenn ich fort bin – oder gar umkomme?«

»Das Alles wird der liebe Herrgott thun!« versetzte die Frau mit unerschütterlicher Zuversicht. »Du wirst aber nit sterben, Willi! Ich hab' zur Mutter Gottes gebetet, und die hütet nun meinen Augapfel. Geh', geh', Willi schäme dich, daß du weinst!«

»O Mutterle, mir ist, als sollt' ich Euch nit wieder sehen, und ich möcht' Euch doch noch so viel Liebes erweisen. Ich hab' bisher gar nichts für Euch gethan, hab' Euch manchmal betrübt – das möcht' ich Alles wieder gut machen!«

»Bist immer ein braver Sohn gewest!« entgegnete die Frau. »Wenn's Gott will, so kannst' mich noch hegen und pflegen im Alter. Geh', geh', Willi! Die Buben warten auf dich. Bleib nit so lang beim Mutterle! Halt dich wacker und sei brav. Laß dich nochmal herzen. So! Nun wacht die heilige Gottesmutter über dich! Behüt' di Gott!«

Die alte Frau umarmte ihren Sohn und presste ihre welken Lippen auf seine frischen, bebenden; er fühlte eine Thräne, die aus ihrem Auge auf seine Wange rollte. Nun schob sie ihn von sich und er ging traurig von dannen nach der großen Linde, wo sich die wehrhaften Männer versammelten. Als er an Riedinger's Haus vorüberging, sah er am Fenster ein bleiches Antlitz, zwei thränenvolle Augen und ein weißes Tuch flatterte ihm zu. Er winkte Lebewohl und eilte nach der Linde.

Die Berge standen bis zum Gürtel schon im sanften Grün des beginnenden Frühlings; die schneeigen Spitzen glänzten wie lautres Gold im Strahl der Morgensonne, die eben aufging am Himmelsbogen, groß und herrlich, wie das Auge Gottes. Und als nun Alle beisammen waren, da brachen die Männer auf, und ihr Gesang tönte durch Berg und Thal, vermählt mit dem schmetternden Lied der ersten Lerche, die sich durch die blauen Räume schwang. Ade, Vaterhaus, Ade, Mutter, Ade, Liebchen! Es gilt keinen lustigen Sennerzug, es gilt Kampf – und Tod!« –

Die allzeitgläubigen Bauern hatten sich noch einmal durch die glatten Worte der Bundesräthe verblenden lassen. Auf einem zweiten Bundestag zu Memmingen war von dem Ausschusse der Allgäuer eine Ordnung entworfen worden, wie es bei der christlichen Verbrüderung gehalten worden sollte, die sich durch eben so große Mäßigung als Entschiedenheit und einen klaren Blick in die Verhältnisse auszeichnet, und sämmtliche Haufen hatten sie angenommen und sich verpflichtet, treu zueinander zu halten, und das Trutz- und Schutzbündniß mit ihren Eiden bekräftigt. An demselben Tage hatte der Ausschuß an die Räthe des schwäbischen Bundes ein Schreiben erlassen, worin die Bauern baten, da sie nichts als das reine Evangelium und das göttliche Recht begehrten, möchte ihnen ihre Vereinigung nicht sträflich ausgelegt werden. Die Herren antworteten, der Bund habe nichts gegen das Evangelium vor, und wenn sie gegen ihre Obrigkeit und Herrschaft Beschwerden zu haben vermeinten, werde man alle billige und gerechte Abhülfe gewähren, und ginge es nicht gütlich, solche durch rechtlichen Austrag vergleichen.

Die Bauern glaubten an die aufrichtige Gesinnung der Herren; ein Waffenstillstand wurde abgeschlossen und die Gesandten der drei Haufen gingen unter sicherem Geleit nach Ulm, um ihre Sache vor den Bundesständen zu führen. Sie hatten die Weisung, zunächst fleißig anzuhalten, daß es bei dem Vorschlag gütlicher Handlung bleibe; würde aber solches nicht angenommen, sondern auf rechtlichem Austrag bestanden, so sollten sie die Richter nennen, denen die Landschaften ihr Vertrauen schenkten. Als solche waren verzeichnet: Erzherzog Ferdinand als Statthalter des Kaisers mit zwei christlichen Lehrern, Kurfürst Friedrich von Sachsen mit Martin Luther, Philipp Melanchthon oder Bugenhagen; die Städte Nürnberg mit den christlichen Lehrern Ossiander und Dominicus Schleutner, Straßburg, Zürich und Lindau, je mit zwei christlichen Lehrern.

Den Herren zu Ulm gelang es, die Bauern durch heuchlerische Unterhandlungen hinzuhalten, bis die Gefahr abgewendet, die rechte Zeit zum Schlagen vorüber war und sie Kräfte genug gesammelt hatten, um die Maske ablegen zu können. Beide Theile hatten versprochen, bis zum zweiten April nichts Feindseliges zu unternehmen. So lange Herzog Ulrich's kriegerisches Fastnachtsspiel dauerte, hatte der Bund äußerlich diesen Vertrag gehalten; kaum aber war der Herzog über seine Grenzen zurückgetrieben, und kaum waren Frondsberg's kampfgeübte Krieger siegreich aus Italien zurückgezogen, als die Herren die lästige Rolle fallen ließen und von unbedingter Unterwerfung zu sprechen anfingen. Truchseß Georg von Waldburg erhielt Befehl, hinter sich gegen die Donau zu ziehen und sich gegen die Bauern zu wenden. Der Bund harte es kein Hehl mehr, daß er »das, was die Bauern eigenen Willens sich unterfangen, mit den Waffen und Gottes Hülfe zu wenden entschlossen sei.«

Diese Treulosigkeit versetzte die Bauern in unnennbare Wuth. Die Sturmglocken läuteten durch das ganze Land und die Zierholde riefen zu den Waffen Die Haufen wuchsen zu Tausenden an und auf einem Bundestag zu Gaisbeuren wurde der Operationsplan beschlossen.

Die Stadt Füssen am Lech, zum Hochstift Augsburg gehörig, war schon vordem; aufgefordert worden, sich der Bauernsache anzuschließen, hatte jedoch ausweichend geantwortet. Nun wurde Walter Bach mit einem großen Haufen gegen sie gesendet und sie noch einmal aufgefordert, sie solle sich endlich erklären, ob sie der christlichen Vereinigung zu der göttlichen Gerechtigkeit einen Beistand thun und mit ihr eins sein wolle oder nicht, zu heben und zu legen. Walter Bach zog aber endlich ab, als Erzherzog Ferdinand erklärte, die Stadt stehe in seinem Schutz und ihn an seine Zusage erinnerte, alle die zum Hause Oesterreich gehörten, unbekümmert zu lassen. Er hatte es wirklich dahin gebracht, daß sich Füssen unter seinen Schutz stellte.

Walter Bach hatte nicht umsonst geprahlt von hohen Verbündeten, die zu den Bauern hielten. Erzherzog Ferdinand, darauf bedacht, die Bewegungen des gemeinen Mannes zur Vergrößerung seines Hauses zu nutzen, hatte mit Walter Bach unterhandelt, und diesem war es gelungen, durch besondere Vorspiegelungen für das Haus Oesterreich zu gewinnen, so daß man den Erzherzog als einen Bundesgenossen betrachtete.

Der große Haufe glaubte aber nicht daran, daß Füssen österreichisch geworden sei. Einer der Rädelsführer rief: sie wollen sich von Stund' an bei fürstlicher Durchlaucht Hof erkunden, ob dem also wäre, was man ihnen vorspiegle. Wo sich das nicht als wahr erfinde und sie die Bauern unbillig mit Worten ausziehen, so wollen sie die Stadt bis auf den Grund umkehren und das Kind in Mutterleib nicht schonen. Indessen gelang es Walter Bach dennoch zu vertragen, weil die Landschaft bis an die Mauer der Stadt Füssen zum Bunde der Bauern gelobt habe, so sollen die in der Stadt in ihren Ringmauern bleiben bis zum Austrag der Sachen. Bald darauf aber ward dem Walter Bach die oberste Hauptmannsstelle abgenommen und Paul Probst von Oberndorf übertragen.

Während dieser nutzlosen Unterhandlungen bezeichneten die brennenden Edelsitze und Kloster die Thätigkeit der übrigen Haufen. Aus dem Abthun der Klöster eröffneten sich die Bauern Geldquellen, um auch in dieser Beziehung nicht mittellos dem schwäbischen Bunde gegenüber dazustehen. Das goldne und silberne Geräthe wurde aus den Kirchen, das baare Geld aus den Heiligen genommen, wo Dörfer gute Gemeinden hatten, sollten diese um baar Geld versetzt werden. Der Baltringer Haufen war der erste, der die Thätlichkeiten eröffnete, und zugleich brach das Feuer des Aufstandes im ganzen deutschen Lande los. Münzer's Schüler hatten gut gewirkt; das Netz, das er gesponnen, zog sich nun auf einmal über die Herren zusammen.

Truchseß Georg bewegte sich nun zuerst gegen diesen Haufen. Es kam zu einigen Gefechten ohne Entscheidung; die Bauern zogen sich in ihre unwegsamen Gebirgsschluchten zurück, und der Truchseß wandte sich gegen einen neuen Feind, der unterdessen erstanden.

Bis unter die Mauern Ulms waren die Bauernschaften zusammengetreten und hatten einen großen Haufen gebildet, der zu Leipheim, einer zu Ulm gehörigen Stadt, seinen Mittelpunct hatte. Die Seele dieses Haufens war der Prediger den Leipheim, Hans Jacob Wehe. Dieser Mann war einer der ersten gewesen, welche in seiner Gegend die evangelische Lehre predigten, und war deshalb von den Anhängern der alten Kirche als Ketzer und Volksverführer verschrieen worden; dennoch hatte der Rath zu Ulm nicht gewagt, ihn seiner Stelle zu entsetzen, selbst als ihn der Bischof von Augsburg in den Bann gethan. Als die Bewegungen des gemeinen Mannes ausbrachen, fanden sie in Wehe einen entschiedenen und begeisterten Förderer.

In den Lagern zu Langenau und Leipheim standen schon über 5000 Bauern und noch 4000 zogen ihnen vom Mindelthale zu, während alle Streitkräfte des schwäbischen Bundes aus dieser Gegend dem Truchseß zugezogen waren. Die Leipheimer fielen zuerst über Wilhelm Ritters Schloß zu Bühl, nahmen Büchsen, Pulver und alle Vorräthe daraus und verderbten den Bau. Dann zog ein Theil die Bibrach hinauf, der große Haufe wandte sich aus Pfaffenhofen, zog nach Altenhofen und plünderte den Pfarrhof. Meister Jacob führte den großen Hausen Weissenhorn zu, dessen Rath sich feindselig gegen die Bauern gezeigt hatte. Die Stadt wurde aufgefordert, und da sie sich der Uebergabe weigerte, gestürmt. Die Nacht unterbrach den Sturm, die Bauern zogen sich in der Finsterniß von der Stadt weg nach dem Kloster Roggenburg, das von seinen Conventherren verlassen war. Sie fanden einen reichlichen Weinvorrath und begingen in der Trunkenheit Exzesse, die selbst Jacob Wehe nicht verhüten konnte. An 12000 Mann stark war der Haufe, der nun mit der Beute nach Leipheim zurückzog.

Auch der Haufe zu Langenau war unterdessen nicht unthätig gewesen. Seine Hauptleute und Räthe schrieben an die zu Leipheim, sie haben angegriffen und plündern noch täglich; nur noch ein Schloß sei vorhanden, haben sie dieses noch erobert, so seien alle Herrenhäuser bei ihnen aus. Sei das Schloß verbrannt, so wollen sie von Stund an alle aufsein und dem Leipheimer Haufen zuziehen. Dann wolle man gemeinschaftlich auf Ulm losgehen und, ob Gott wolle, allen den Brüdern einen großen Beistand thun.

Die Leipheimer hatten sich durch List Günzburgs bemächtigt, als Jacob Wehe, der das Bundesheer in Oberschwaben festgehalten glaubte, den Truchseß plötzlich in seiner Nähe sah. Um Zeit zur Verstärkung zu gewinnen, knüpfte er Unterhandlungen mit den Räthen des schwäbischen Bundes an, aber schon eröffnete der Truchseß den Kampf. –

Der Oberallgäuer Haufen unter dem Knopf von Luibas hatte nun auch die Geduld verloren, als seine Abgeordneten von Ulm mit dem Bescheid auf unbedingte Unterwerfung zurückkamen. Jetzt verhallten die Stimmen, die zum Frieden riethen. Wer es nicht mit ihnen hielte, der sollte als ein Verräther an der allgemeinen Sache angesehen und ihm als einem Feinde ein Pfahl vor das Haus geschlagen werden; und wer jetzt nicht dem Bunde beitrat, mußte es mit schwerem Gelde büßen. Der Haufen zog vor das Schloß Liebenthann, wohin der Fürstabt sich geflüchtet, schnitt der Veste das Wasser ab und sperrte alle Zugänge.

Der Rath zu Kempten fürchtete einen Angriff auf die Stadt. Deswegen wurde auf Thoren und Mauern Alles zur Abwehr gethan, und während die Sturmglocke angeschlagen wurde, um die Bürger auf die Mauern zu rufen, zogen die Bauern mit großer Macht dem Kloster zu und nahmen es ein. Die Conventherren und das Hofgesinde mußten das Gotteshaus räumten; die meisten Vorräthe und alle Kostbarkeiten nahmen die Hauptleute an sich, und dann aß und trank der ganze Haufen. Der Gemeinde der Stadt schickten sie zwei große Fässer Wein hinein; aber der Rath wollte das Geschenk nicht annehmen und ließ, um die Zünfte zu gewinnen, jede auf ihre Zunftstube bieten und tractirte sie selbst mit Wein und Brot.

Nachdem die Bauern dar Kloster geleert hatten, zogen sie vor das Schloß auf dem Schwäbelsberg, nahmen es und zerstörten es. Dasselbe Schicksal traf die fürstlichen Schlösser Hohenthann und Wolkenberg. Bei der Berennung des letztern zeigten sich besonders die Obergünzburger thätig, die sich auch von allem Anfang an vorzüglich eifrig der Volkssache angeschlossen. Als die Burg genommen war, führten sie den ganzen Haufen in ihren Flecken und bewirtheten ihn. Sie hatten sich, da sie noch Zutritt auf das Schloß Liebenthann hatten, die Gelegenheit wohl gemerkt und dies kam dem Haufen trefflich zu Statten, der unter dem Knopf von Luibas vor Liebenthann zog. –

Sebastian von Breitenstein glaubte sich sicher hinter den Mauern seines festen Schlosses, unter seinen Reichthümern, die er sich hieher gerettet. Mit Verachtung schaute er hinab auf die Schwärme der Bauern, welche das Schloß umflutheten. »Wenn nur Waldburg da wäre!« rief er. »Ha, der würde unter sie fahren, wie der Wolf unter die Schafheerde! Er zögert zu lange. Er müßte wohl wissen, was er seiner Pflicht, noch mehr, was er einem alten Freunde schuldig ist!«

»Euch bedroht noch nicht die schlimmste Gefahr,« sagte der Jesuit darauf, den wir schon einmal in seiner Gesellschaft getroffen haben. »Eure Bauern sind die zügellosesten nicht!«

»Weil sie mich noch fürchten!« versetzte der Fürstabt stolz. »Ja, schüttelt nur den Kopf! Es ist so! Der Bauer verlernt niemals die Furcht vor seinem Herrn, sie ist ihm angeboren! Ha, wenn ich nur ein reisiges Heer hätte, wie wollt' ich diese Heuschreckenschwärme wie der Blitz verjagen!«

»Unterdessen müßt Ihr Euch gedulden, bis der Truchseß die Donau frei gemacht!« antwortete der Jesuit. »Ihr müßt wissen, daß es auf Ulm selbst abgesehen ist von den rebellischen Bauernhaufen, und gelingt dieser Handstreich, so erreicht die Gefahr wirklich eine Riesengröße. Ihr habt die Sache stets zu leicht genommen, gnädiger Herr! Die Bauern sind zahlreich und gereizt, das gemeine Volk in den Städten hängt ihnen an und selbst unter dem Bundesheere regen sich Sympathien. Nur mit Mühe und durch große Versprechungen hat der Truchseß Meutereien unter den Landsknechten beschwichtigen können. Unterdessen erhebt sich die Gefahr an allen Enden. Es dringt sich mir in der That die Meinung auf, als liege ein verabredeter Plan diesem weitläufigen Aufstande zu Grunde, als sei es eine große Verschwörung, die sich allmälig über das deutsche Land ausgebreitet, und such' ich den Mann, der die Fäden geleitet, so gedenk' ich allemal an jenen Münzer, der so unbegreiflich damals Euern feingelegten Fallstricken entging.«

»Er muß ein Zauberer sein, daß dies geschehen konnte!« erwiederte der Fürstabt. »Keine Spur fanden wir mehr von ihm, so genau wir auch forschten und so sicher wir von seinem Dasein in unsrer Landschaft unterrichtet waren. Ha, hätt' ich damals nicht Euern Rath befolgt, und den alten Graukopf in die Eisen gelegt, so wär' diesen rohen Haufen die Seele genommen!«

»Ihr irrt!« sprach der Jesuit dagegen. »Jener Riedinger war vielleicht der einzige Mann, der aufrichtig zum Frieden geneigt war. Nimmt er auch noch Theil am Aufstand, so ist er doch ganz gewiß die Seele nicht mehr. Diese ist unsichtbar und Ihr mögt sie nicht mit Händen greifen!«

»Ha!« rief der Fürstabt plötzlich erschrocken aus und deutete mit der Hand durch ein Fenster. Der Jesuit folgte dem Fingerzeig und sah, wie der Himmel über den Bergen sich röthete, wie von einem Brande. Und dies war nicht der einzige Punct; aller Orten schienen Flammensäulen aufzusteigen, und hier und da sah man sogar den Rauch, der aus den Thalschluchten in dichten, dunklen Wolken emporwirbelte.

»Das sind die festen Häuser Eurer Edlen!« bemerkte der Jesuit kalt. »Die Bauern machen Ernst. Herr Georg von Waldburg wird zu spät kommen.«

»Die Pest über sie!« rief der Fürstabt. »Fiele doch Feuer vom Himmel und verzehrte die nichtswürdige Rotte! Ha, wie soll meine Rache süß sein! An Liebenthann werden sie sich die Stirne zerstoßen. Meint Ihr nicht, sie werden diese Veste nicht brechen?«

»Bei Gott ist kein Ding unmöglich!« erwiederte der Jesuit. Der Fürstabt stampfte unmuthig den Boden.

Der Knopf von Luibas versäumte nicht, seinen Vortheil zu benutzen. Während er Liebenthann gesperrt hielt und den günstigen Augenblick für die Einnahme der Stadt Kempten abwartete, nahm er nach und nach alle festen Plätze in der Landschaft ein. Ein Schloß nach dem andern fiel in die Hände der Bauern. Die Güter Adam's von Stein und des Junkers Jörg Mangold zu Waldeck wurden sehr beschädigt; Georg von Langeneck mußte sein Schloß übergeben. Diepold von Stein und Achaz von Rotenstein erlitten großen Schaden an ihren Schlössern. Irmazhofen, Angelberg und Im Wald, die Schlösser von Kunz von Riedheim wurden verbrannt und Kunz selbst gerieth in Gefangenschaft. Von den Belagerungen dieser Plätze weg streiften einige Horden herum und verübten Handstreiche auf eigene Gefahr.

So lagerte sich eine Rotte in das verlassene Gotteshaus Kempten, plünderte was noch übrig geblieben war und übte dann den ausschweifendsten Muthwillen. Bürger der niedern Classe aus der Stadt hatten sich unter sie gemischt und waren die Zügellosesten von Allen. In der Stunde, da sonst das Hochamt gehalten wurde, zogen die Bauern in Procession mit Spießen, Lanzen und Bogen unter Spott und Gelächter um das Gotteshaus, warfen die Heiligenbilder herab, trugen den Taufstein weg, sprengten das Sacramentshäuslein auf, zerschlugen die Canzel und zwei Orgeln. Die Töne der letzteren, die so oft Andacht in die Herzen der Gläubigen geflötet, zitterten schmerzlich durch die entweihten Räume, während ein fanatischer Wiedertäufer vom Hochaltar herab den wilden Haufen zu seinem unheiligen Thun befeuerte. Unter Lärm und Musik zog endlich die Rotte ab, nach dem Bauernlager zurück.

Hier herrschte laute Fröhlichkeit und Wohlleben. Sebastian von Breitenstein sah endlich immer mehr seinen Muth sinken. Als ein fester Platz nach dem andern in die Hände der Bauern überging und die Hoffnung auf Entsatz mehr und mehr erbleichte, begann er gütliche Unterhandlungen anzuknüpfen, aber der Knopf von Luibas wies beharrlich all' seine Vergleichsvorschläge zurück. Er hatte das Vertrauen der so oft und bitter Getäuschten verloren und mußte es endlich seinem Stolz abgewinnen, die Macht der von ihm verachteten Landleute anzuerkennen.

Ungefähr ein Dutzend Bauern lagerten um ein Fäßchen, das aus seinem Bauche flüssiges Gold in die untergehaltenen Becher sprudelte. Der Wein beflügelte die Zungen und eine lebhafte Unterhaltung war im Gang, die sich natürlich um die allgemeinen Interessen des Landes drehte.

»Nit wahr?« rief der Eine. »Nun giebt der hochvermögende Herr Fürstabt klein bei? Der Mann aus Thüringen hatte wohl Recht! Man muß den großen Hansen nur die Zähne weisen, so werden sie mit einem Male klein und scheu, wie die Mäuelein! Wir hätten's eher thun sollen, Uns nicht All' so lang am Narrenseil führen lassen sollen. Wie weit wären wir jetzt!«

»Besser ist's immer so, daß der Bund zuerst die Treu gebrochen hat!« sagte ein Andrer. »Es ist wegen des Gewissens!«

»Ei, was! Wir hätten Fug und Recht gehabt!« schrie jener dagegen. »Der Bund ist uns immer feindlich gewesen! Hätten wir's mit dem Ulrich von Würtemberg gehalten, will sagen: hätten wir mit ihm zugleich losgeschlagen, als acht' ich, wär' nun der Lärm vorüber und der Bauer Herr!«

»Zu geschehenen Sachen muß man das Best' reden!« sagte ein Dritter. »Wir werden noch alles Gutes ausrichten, wie's der Münzer uns verheißen hat, der Einem mit den Augen in's Herz sah. Der hat's geweissagt, was nun eingetroffen!«

»Ei, hat's nit der Himmel selbst geweissagt?« fiel der Erste ein. »Wahrhafte Männer haben schon im vorigen Jahre um die Sonne drei Kreise und eine brennende Fackel gesehen! «

»Ja, und um den Mond zwei Kreise und in der Mitte ein Kreuz!« sagte ein Andrer.

»In Ungarn sollen bei Nacht gekrönte Häupter am Firmament im Gefecht mit einander gesehen worden sein!«

»Am Rhein hörte man am hellen Mittag ein großes Getümmel und Krachen in der Luft, als geschehe eine Feldschlacht.«

»Hab' ich nicht selbst die Krähen Krieg mit einander führen gesehen? Und war nicht der Winter so warm, daß im Februar die Kirschen blühten und die Knospen brachen? Und das drei Winter hinter einander. Das bedeutet, daß ein andres Regiment auf Erden angehen wird!«

»Sprach nicht der Münzer von einer alten Weissagung: daß eine Kuh auf dem Schwanenberg im Land zu Franken gelegen, stehen soll, und da lugen und platten, daß man's mitten in Schwitz höre?«

»Erinnert Euch nur, was er sagte: Uebersehet Ihr das Spiel, so sehet Ihr nichts vor Euch, als Weh über Weh, und ein gräuliches Morden, das über Euch kommen würde und über alle Bauernschaft. O Weh und Jammer über Eure Kinder, wie werdet Ihr ihnen hinter Euch so ein stiefväterlich Erbe verlassen! Sehet zu, müsset Ihr jetzt frohnen mit Karst, Haue und Pferden, so müssen Eure Kinder hernach selbst in der Egge ziehen; habt Ihr bisher Eure Güter mögen umzäunen vor dem Wild, so müßt Ihr sie nunmehr offen lassen stehn; hat man Euch bisher darum die Augen ausgestochen, so wird man Euch hernach spießen!«

»Das sollen sie niemals nit erlangen, so lang ein Aug ' uns offen steht. Und wenn der Truchseß käm' mit zehntausend Teufeln! Er soll uns nit niederkriegen, wie die Leipheimer!«

So sprachen sie unter einander. Ein lustiger Jubel unterbrach das Gespräch, und als sie sich nach der Ursache umsahen, da stimmten auch sie mit in den Jubel ein. Eine Bauernrotte zog heran; in ihrer Mitte führten sie einen Karren, auf welchem ein gefangener Ritter saß. Es war Kunz von Riedheim, den sie als einen besondern Bauernfeind also mit sich herumführten und ihren Spott mit ihm trieben. Vergebens hatte er für seine Freiheit und für Abkauf des Plünderns und Brennens seiner Güter vierzigtausend Gulden geboten. Der Ritter sah düster vor sich hin, und auf seinem Antlitz malte sich der Grimm über die schmachvolle Behandlung, die ihm zu Theil ward. Einer der Bauern reichte ihm einen gefüllten Becher. »Trinkt, Herr Ritter,« sagte er höhnend dabei, »trinkt auf's Wohl gemeiner Bauernschaft! Bundschuh, Bundschuh! Es mag Euch freilich schwer ankommen! Aber Ihr liebt ja die Bauern, habt sie oft räudige Hunde genannt! Trinkt doch, Gestrengen!«

Kunz beharrte in düsterm Schweigen. »Ei,« fuhr der Bauer fort, »wollt Ihr nicht? Habt doch sonst gern aus unserm Becher getrunken, aus unsrer Schüssel gegessen, habt uns das Brot vor'm Maule weggenommen! Ja, Herr, Ihr habt uns genug geschunden und geschaben!«

»So muß es allen Feinden der Bauernschaft ergehn!« schrieen Andere.

Unterdeß hatte sich ein großer Zuhörerkreis um einen Mann versammelt, dessen abgerissene verstäubte Kleidung und verwitterte Züge auf große Drangsale deuteten, die er durchgemacht. Er war schon in vorgerückten Jahren, sein buschiges Haar und struppiger Schnurrbart war ergraut. Er gesticulirte heftig mit Händen und Füßen, indem er erzählte, und auf seinen Mienen spiegelte sich immer die Gemüthsbewegung ab, die in den einzelnes Theilen seines Vortrags herrschte.

»Als wir nun die Steige über der Biberbrücke am Jungholz besetzt hatten,« fuhr der fremde Mann eben fort, »waren wir gutes Muths und dachten nicht zu unterliegen. Links hatten wir das Holz, rechts einen Bach, vor uns einen Sumpf und hinter uns die Wagenburg. Wir sahen aber bald den Truchseß heranrücken, und schossen tapfer aus ihn. Da jedoch sein Kriegsvolk immer mehr anwuchs, hielten wir's für rathsam, gen Leipheim zurückzugehn. Es waren unsrer kaum viertausend, der Feind uns wenigstens um's Doppelte überlegen. Es gelang uns auch anfangs ganz gut, und wir kamen bis an Leipheim, wo wir im Feld unsre Todten begruben, bis der Truchseß mit der Rennfahne uns den Weg verrann. Nun begann das Morden. Viele der Unsern liefen in's Jungholz zurück und wurden dort von den Reitern erstochen und gefangen; Viele warfen sich in die Donau, wurden aber drüben von den ulmischen und hessischen Reitern gar unfreundlich empfangen; die Andern zogen sich glücklich in die Mauern von Leipheim zurück, und unter ihnen war ich. Nun zog der Truchseß mit seinem ganzen Heer vor die Stadt, pflanzte sein Geschütz auf und ordnete seine Reisigen zum Sturm. Meister Jacob sprach mit Engelzungen zu uns und befeuerte unsern Muth damit, daß er selbst vom Thurm herab auf die Bündischen schoß. Aber die Bürger hatten Herzen von Hasen; sie sandten hinaus an den Truchseß und baten um Gnade. Er forderte Ergebung auf Gnad' und Ungnad' und Meister Jacob's Auslieferung. Als Meister Jacob diesen Ausgang sah, dacht' er auf Flucht. Von seinem Pfarrhof der an der Stadtmauer lag, ging ein verborgener Gang nach der Donau in's Freie. Glücklich gelangten wie hindurch an eine Höhle am Strand des Flusses, denn ich war ihm immer lieb und werth gewesen und hatt' am meisten zu fürchten, weil ich des Truchseß Fahnen verlassen. Wir hielten uns sicher, bis ein freudiges Hundegebell vor der Höhle uns beunruhigte. Es war Meister Jacobs Hündlein, das uns in seiner Freude verrieth; denn es kamen nun Kriegsknechte, stachen mit ihren Spießen in unser Versteck und trieben uns heraus. Wie freuten sie sich als sie sahen, daß ihre Beute so kostbar war! Meister Jacob bot ihnen Geld für seine Freiheit, aber sie banden uns an einen Strick und führten uns davon. – Des andern Tages spät am Abend wurde das Urtheil über uns gesprochen: wir sollten sterben durch's Schwert und mit uns noch sechs unsrer Hauptleute. Desselben Abends wurden wir noch auf einen Acker geführt zwischen Leipheim und Bubisheim. O wer von Euch hat schon diese Todesqual empfunden? Dem Tod in der Schlacht in's Auge sehen, ist nichts! Aber wehrlos und gebunden stehen und schauen, wie ein Haupt nach dem andern vor uns in den Sand rollt, und daß uns selbst kein besser Schicksal erwartet! Meister Jacob wurde zuerst zum Schwert geführt. »Pfarrherr,« sprach der Truchseß zu ihm mit seinem schrecklichen Blick, »dafür hattet Ihr Euch und uns wohl sein mögen, hattet Ihr Gottes Wort der Gebühr nach gepredigt und nicht Aufruhr.« – »Gnädiger Herr,« antwortete darauf Meister Jacob, »mir geschieht Unrecht von Euch, ich habe nicht den Aufruhr, sondern Gottes Wort gepredigt.« – »Ich bin anders berichtet,« sagte der Truchseß, und sein Caplan trat zu Meister Jacob und ermahnte ihn zu beichten und sich mit Gott zu versöhnen vor seinem letzten Gang. Er schlug es ab mit mildem Wort. »Liebe Herren,« sprach er, »es soll sich Niemand drob ärgern, ich habe meinem Gott und Schöpfer bereits gebeichtet und dem meine Seele empfohlen, von dem ich sie empfangen.« Und zu uns Andern wandte er sich und sprach: »Seid gutes Muths, Brüder! wir werden heute noch mit einander im Paradiese sein.« Drauf betete er ein lateinisch Gebet, sprach: »Vater, vergieb ihnen, sie wissen nicht, was sie thun!« kniete nieder, und sein theures Haupt rollte in's Gras.«

Ein unwillkürlicher Schreckensruf machte sich aus dem Herzen der Zuhörer Luft. »Rache, Rache!« riefen Einige und ballten die Faust voll tiefen Grolls.

»Was soll ich Euch noch sagen?« fuhr jener fort. »Ein Haupt fiel nach dem andern und immer näher rückte mir der Tod. Ich wäre gestorben mit einem Fluch im Herzen für die Mörder des frommen Meisters Jacob. Der Pfarrer von Günzburg und ich waren allein noch über; aber die Nacht war hereingebrochen und den Truchseß wandelte Etwas an, wie Gnade. Wir sollten nicht sterben. Meine Bande wurden gelöst und Einer sprach: »Lauf, was du kannst!« Aber ich konnte mich nur des Lebens freu'n im Gedanken an Rache! O lieben Freunde! Lasset Euch ja nicht furchtsam machen durch den schrecklichen Blick Herrn Georg's. Sterbt lieber einen ehrlichen Tod im Kampf, als daß Ihr jemals auf Gnad' Euch ergebt. Denn seine Gnad' ist Mord!«

»Nieder mit all' den Tyrannen! Nieder mit dem Truchseß!« rief es wild durch einander. »Es lebe der Bundschuh!«

In diesem Augenblicke kamen die Unterhändler des Fürstabts vom Schlosse in's Bauernlager zurück. Es waren Kemptner Rathsherren, durch die er sich mit den Bauern vertragen wollte. Der Fürst wollte die Veste übergeben, wenn man allen darin Befindlichen das Leben sicherte. Der Bauernrath ging darauf ein. Sie ließen dem Fürstabt zwei Pferde, zehn silberne Becher, sein Bettgewand und an baarem Gelde dreihundert Gulden folgen; aber Alles, was im Schlosse war, heilige Gefäße, Silbergeschirr, Baarschaft, Pferde, Vieh, Wein, Getreide, Hakenschlangen und Handbüchsen, Harnische und andere Waffen, Hausrath, Urkunden und Bücher blieb in den Händen der Bauern. Sie gestatteten, daß der Fürst und all' die Seinen in der Stadt Kempten ihren Sitz nehmen durften. Als sie nun in Begleitung der Kemptner Rathsherren durch das Bauernlager zogen, da jubelten die Bauern und weideten sich an der Demüthigung dessen, der ehemals so hochfahrend und grausam gegen sie gewesen. Laut riefen sie ihm den Spruch Münzer's zu: »Hierum tummel' dich, und kurzum, du mußt rum, und sähst du noch so krumm!«

Die Beute war unermeßlich; denn auch andere Herren, wie Adam von Stein, hatten ihr Gold, Silber, Kleinodien und andres Gut auf die Veste geflüchtet, weil sie dieselbe für unbezwinglich hielten. Als die Beute vertheilt wurde, erschienen Kaufbeurer Rathsherrn, die der Fürstabt um ihre Verwendung angegangen, mit sicherem Geleit im Bauernlager und verwendeten sich dafür , daß die auf dem Schloß gefundenen Güter unversehrt erhalten würden. Die Hauptleute und Räthe der Bauern gaben ihnen zur Antwort: was sie erobert und erbeutet, das wollten sie zum Krieg anwenden; die Briefe wollten sie lesen, das Dienliche behalten und das Uebrige an andern Orten verwenden. – Das Schloß hatte man zwar angezündet, aber es war nicht ausgebrannt.

Der Rath von Kempten geleitete den Abt und die Seinen in seine Mauern. Die Stadt rückte jetzt wieder mit ihren Kaufs- und Ablösungsantragen vor; die Mittellosigkeit des Abtes versprach ihr jetzt guten Erfolg zu sichern. Der Bürgermeister Seuter stellte ihm vor, wie unwahrscheinlich eine Hülfe von Seiten des Bundes sei, und er entschloß sich endlich mit schwerem Herzen, die Gerechtigkeiten, die das Gotteshaus in der Stadt hatte, um 32,000 Gulden dem Rath käuflich zu überlassen. Er war jedoch lange nicht zur Ausstellung des Kaufbriefes zu vermögen und versuchte endlich, in der Vermummung eines Narren aus der Stadt zu entkommen. Ein Bürger erkannte ihn, Seuter ließ ihn auf allen Seiten bewachen und nöthigte ihn, den Kaufbrief auszustellen. Zur Feier dieses Ereignisses, das die Stadt um ein Ansehnliches bereicherte, wurde in allen Zünften ein Weinkauf veranstaltet, an dem Alt und Jung fröhlichen Antheil nahmen.

Dem unglücklichen Kunz von Riedheim schleppten die Bauern noch lange zur Kurzweil mit sich herum, bis er durch Bestechung die Hauptleute gewann. Da schätzten sie ihn um viertausend Gulden; er mußte jedem Hauptmanne sechs, jedem Doppelsöldner drei, und jedem Bauer einen Gulden für seine Freiheit geben.

Indessen schüttelte die Kriegsfurie in schwarzer Urne ihre Todesloose, und von den Alpen die an den Harz gaben die brennenden Edelhäuser Kunde von gebrochenen Ketten und wankenden Kronen!

 

Ende des zweiten Bandes


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