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VI.

Münzer trat voll düstern Ernstes in das Wohngemach seines Hauses. Marie erschrak, als sie den Gatten in diesem Zustande erblickte; sie hätte ihn heute so gerne heiter gesehen. Ihr Herz klopfte ängstlich in ihrer Brust, in den blauen Augen, die einen unendlich milden Glanz von sich strahlten, stand ein Geheimnis geschrieben. Sie schien eifrig mit sich zu Rathe zu gehen, ob sie die trübe Laune des Gatten stören oder eine gelegnere Stunde abwarten sollte. Endlich entschloß sie sich zum Erstern. Schüchtern näherte sie sich ihm, legte die Hand auf seine Schulter, wollte sprechen, schlug aber erröthend die Augen nieder und die Zunge schien ihr den Dienst zu versagen. »Was ist dir Schlimmes widerfahren?« fragte sie endlich.

»Laß dich's nicht kümmern, liebes Weib!« antwortete er. »Man hat mir verboten, irgend etwas drucken zu lassen, ohne besondere Erlaubniß der Regierung zu Weimar! Ein treffliches Meisterstück satanischer List und Bosheit. Der Feind der Menschheit selbst hat diesen Gedanken geboten, der hinfort als Geißel dienen wird in der Hand der Tyrannei! O du herrliche Kunst, gebrandmarkt wirst du und in Ketten gelegt für alle Zeiten. Der Wahrheit ist ein Zaum und Zügel in's Gebiß gelegt, daß sie fremde Zungen rede und die eigne Sprache verlerne. Wie wird nun Alles süß reden, daß es ihrem Ohr lieblich klinge, und das freie Wort wird ohnmächtig in seine Fesseln knirschen.«

»Sei heiter und freundlich!« schmeichelte Marie. »Gott wird es wohl machen. Was weiß ich von dem Allen, was du da sagst? Aber Eines weiß ich, und das will ich dir vertrauen, wenn du mir versprichst, dann recht lieb und gut zu sein!« Sie flüsterte ihm wenige Worte in's Ohr, und verbarg dann verschämt ihr Gesicht an seiner Brust.

Die wenigen Worte der jungen Frau waren von zauberähnlicher Wirkung. Das dunkelsprühende Zornfeuer seiner Augen verwandelte sich in eine lichte Freudenflamme, und dieser seltne Gast verbreitete sich über sein ganzes Gesicht. Er umschloß die Gattin, hob ihr holderröthetes Antlitz zu sich empor und küßte sie mit einer Zärtlichkeit, deren man den brütenden Denker kaum hätte fähig halten sollen. »Süßes Weib!« flüsterte er.

Marie war in diesem Augenblick unaussprechlich glücklich. Die süße Mutterhoffnung hatte alle Saiten der Empfindung in ihr berührt, daß sie klangen wie himmlische Musik. Sie sah im Geiste eine hellere Zukunft, als ihr die jüngste Vergangenheit gewesen; die Liebe, träumte sie, würde den Gatten nun ganz an sie fesseln und ihn den finstern Mächten entreißen, denen er bisher verfallen war. Die Freude, welche die Entdeckung ihres Geheimnisses in ihm hervorrief, berechtigte sie im vollsten Maße zu dieser schönen Hoffnung. Mit einem innigen Ausdruck sah sie ihm in die Augen, indem sie sprach: »Nun werden wir glücklich sein!«

»Ich bin glücklich, wenn du es bist!« entgegnete er.

»Wir wollen nun das Leben erst recht anfangen!« fuhr Marie in heiterm Geplauder fort. »Wie freu' ich mich auf das, was uns Gott schenken wird! Thust du nicht auch so?«

»Gewiß, gewiß!« versicherte Münzer.

»Dann wollen wir traulich plaudernd zusammensitzen, wenn du so viel Zeit für mich übrig hast! Du wirst's schon einrichten, nicht wahr, mir zu lieb? Und dann wirst du heitrer sein und die finstern Gedanken fahren lassen, die deine Stirn so oft in Falten legen. Und – verzeih mir, wenn ich dich mit der Frage beleidige, sie hat mich schon so viel gequält – nicht wahr, es ist eine Lüge, was man von dir sagt: du glaubest nicht an Gott?«

»Wie kommst du darauf?« fragte Münzer.

»Sage mir's, daß es Lüge ist,« drängte die Frau, »und ich will die Verleumder verachten!«

»Wohl ist ein Gott,« entgegnete Münzer, »aber du darfst ihn nicht dort oben suchen, noch irgend außer dir, sondern in dir selbst mußt du ihn wahrnehmen.«

»Ich verstehe dich nicht!« sagte Marie, ihn zweifelnd anblickend. »Lehrt der Glaube uns nicht, daß er im Himmel wohne und auf uns herabblicke und uns leite, wie er die ganze Welt regiert und leitet?«

»Was ist der Glaube Andres, denn das Wort, das in uns lebendig wird,« antwortete Münzer, »das die Liebe in unser Herz ausgießt und den heiligen Geist bringt? Thue dem Nächsten, was du willst, daß man dir thue. Dies ist der rechte Glaube, der auch dem Heiden nicht verborgen ist. Jeder Mensch hat den heiligen Geist, denn dieser ist nichts Andres, als das Licht unsrer Vernunft.«

»Ich ahne, was du sagen willst, wenn ich's auch nicht verstehe!« entgegnete die Frau. »So viel weiß ich, daß du nicht bös und gottlos bist, und wenn du irrest, daß der Herr dich darum nicht aus seinem Himmel verstoßen wird.«

»Liebes Weib,« versetzte Münzer, »ich möchte mit Engelszungen predigen können, um dir ganz verständlich zu werden. Es giebt keinen Himmel, außer dem in deiner Brust, der sich auf dich herabsenkt dadurch, daß das Wort in dir lebendig wird. Ueber das Grab hinaus reicht weder Lohn noch Strafe, denn sündigen kann nur der, der den heiligen Geist, der Vernunft hat. Die Teufel, von denen die Pfaffen träumen, sind nichts Andres, als die bösen Neigungen und Begierden des Menschen, die ihm den Himmel aus seiner Brust rauben und ihn dadurch hinieden schon elend machen.«

Marie sah den Gatten traurig an. »So wäre kein Wiedersehen droben?« sagte sie. »Der ewige Gott verzeihe dir die Lästerung! Ich will inbrünstig beten, daß er dich erleuchte! Sah ich nicht meine Mutter herablächeln aus dem blauen Himmel, wenn ich mich mit Thränen zu ihr wandte? Es kann die Meinung deines Herzens nicht sein! Es sind böse Traume, die dich quälen. Verscheuche sie, und es wird wie Nebel von deinen Augen fallen!« – »Versprich es mir!« fuhr sie mit liebender Beredtsamkeit fort. »Deine Reden haben mich oft geängstigt! Alle Menschen willst du glücklich machen und bist es selbst nicht! Ich hab' oft darüber nachgedacht mit meinem schlichten Verstande. Was du willst, kann nimmer erfüllt werden. Gott hat Alles nach seiner weisen Ordnung gemacht, und der Mensch kann daran nichts ändern!«

Ein trüber Schatten flog über sein Antlitz »Ich möchte so gerne jede deiner Bitten erfüllen!« sprach er. »Was du verlangst, kann ich jedoch nimmer gewähren. Dein Blick ist befangen und dringt nicht in die Werkstatt des Geistes. Seine Rüstkammer ist offen, und die Streiter wappnen sich. Von dem Werke, dazu ich berufen bin, werd' ich nicht abstehen, und wenn die ganze Welt sich gegen mich zum Streite rüstete. Es betrübt mich von Herzen, wenn du übel von mir denkst; aber glaube mir, es kann nicht anders sein!«

Waren auch die schönsten Hoffnungen in ihr zertrümmert durch diese Antwort, so war sie doch in zu freudiger Aufregung, um der Traurigkeit Raum zu geben. Sie stellte Alles der Zukunft anheim und vertraute auf ihr Gebet, das sie unablässig gen Himmel senden wollte für den Verirrten.

Münzer schien im Arm der Gattin alle Anfechtungen zu vergessen und sich der reinen Freude hinzugeben, die in sich selbst Glück und Zufriedenheit findet. Was hatte die junge Frau, die ihm heute ihr holdestes Geheimnis vertraut, auch mit seinen Messiasgedanken zu schaffen? Lächelnd hörte er ihr zu, wie sie mit kindlicher Unschuld und Verschämtheit in den Bildern des kommenden Mutterglücks schwärmte. Sie riß ihn mit sich fort, daß er sich heimlich gestehen mußte, diese Stunde sei ein Sonnenstrahl in seinem Leben.

Vergeblich drang Münzer auf die Aufhebung des herzoglichen Befehls, vergebens bat er, man solle ihn nicht hindern, sein Lehre im Druck zu verbreiten und dem Volke vorzulegen, da er im Begriff sei, der verkehrten Welt das Maul zu stopfen und die tollen Christen darniederzuschlagen; vergeblich verfocht er sein Recht mit allen Waffen der Vernunft: es blieb unverbrüchlich bei dem strengen Gebot. Da wuchs seine Kühnheit unter dem ungerechten Drucke. In der nahen Reichsstadt Mühlhausen ließ er eine seiner stärksten Schriften drucken. Er hatte das Paket eben empfangen und reichte einige der noch nassen Blätter seinem Freunde Haferitz.

»Sie sollen mich doch nicht hindern,« rief er mit leuchtenden Augen, »ihren heuchlerischen Trug vor aller Welt zu entlarven. Sieh' her, Thomas Münzer mit dem Hammer habe ich mich genannt, und ich will fürwahr das Wort den Propheten erfüllen, wenn er sagt: Ist mein Wort nicht wie ein Feuer, spricht der Herr, und wie ein Hammer, der Felsen zerschmeißt? Und lies hier den Spruch', den ich meiner Schrift auf die Stirne gesetzt: Nimm wahr, ich habe meine Worte in deinen Mund gelegt, auf daß du auswurzlest zerbrechest, zerstreuest und verwüstest und bauest und pflanzest! Eine eiserne Mauer wider die Könige, Fürsten und Pfaffen und wider das Volk ist dargestellt. Sie mögen streiten, der Sieg ist wunderlich gegen die starken, gottlosen Tyrannen!«

»Was hast du gethan!« erwiederte Haferitz in banger Ahnung. »Der Herzog wird dir zürnen und dich strafen, weil du sein Gebot übertreten!«

»Mag er noch eine kleine Weile zürnen!« entgegnete Münzer. »Bald kommt der Tag des Zornes an uns, und wohl ihm, wenn er dann nicht mehr zittert, denn ich! Die ganze Welt muß einen großen Stoß aushalten; es wird ein solches Spiel angehen, daß die Gottlosen vom Stuhl gestürzt, die Niedrigen aber erhöhet werden. Dann will ich wahr machen, was hier geschrieben steht: Lieben Gesellen, laßt uns das Loch weit machen, auf daß alle Welt sehen und greifen möge, wer unsre großen Hansen sind, die Gott also lästerlich zum gemalten Männlein gemacht haben!«

»Ich sehe es kommen,« seufzte Haferitz, »diese Schrift stürzt dich in's Verderben und reißt das mühsam begonnene Werk zu Boden!«

»Es wird an ihren Thronen rütteln, daß sie wanken und fallen!« entgegnete Münzer begeistert. »Ich streue diese Blätter in die Luft und sie fliegen nach allen Enden, und die Leute werden sich die Augen reiben und sich verwundern, daß sie bisher so blind gewesen!«

»Du weißt, mein Bruder, wie sehr ich dir von Herzen zugethan!« begann Haferitz. »Ich weiß, wie redlich du es meinst mit dem armen deutschen Volke, und daß deine Lehre des Trefflichen viel hat, wenn sich auch nicht Alles mit meiner Ueberzeugung zusammenreimen läßt. Dein gefährlichster und mächtigster Gegner ist Luther; er hat dich schon lange zum Kampfe gefordert. Wohlan, stelle deine Lehre gegen die seinige auf den Plan, und die Wahrheit wird an das Licht kommen.«

Münzer verneinte heftig. »Meine Waffe ist das lebendige Wort,« sprach er, »die seinige ist der todte Buchstabe; da kann nimmer Großes herauskommen. Ich will meine Sache öffentlich vor allem Volk führen, nicht im Winkel. Hat doch Christus selber die Schriftgelehrten gemieden und dem Hohenpriester Hannas auf dem Winkel keine andere Rechenschaft seiner Lehre geben wollen, als daß er ihn auf das Volk wies, indem er sprach: Was fragest du mich? Frage die, die mich gehört haben! Ich bin bereit und strebe danach, das ganze Gebäude meiner Lehre dem Volke darzulegen. Keine Falte meines Herzens soll verborgen bleiben; mag er es auch thun, und dann soll das Volk nach eigener Einsicht nach dem Besten greifen.«

Haferitz gab seine Bemühungen auf, indem er einsah, daß die Ueberzeugung seines Freundes und das Ziel seiner Bestrebungen unerschütterlich war. –

Die neue Schrift war von nicht geringerer Wirkung, als sie Münzer erwartete. Herzog Johann war heftig erzürnt gegen den widerspenstigen Prediger, der gleichsam seinen strengsten Befehlen Hohn sprach. Luther schürte noch diesen Zorn, indem er mit einem in Druck gegebenen »Brief an die Fürsten zu Sachsen von dem aufrührerischen Geist« offen gegen Münzer heraustrat. Entschieden forderte der Reformator in demselben die Fürsten auf, Gewalt zu brauchen, wo Milde nicht helfen wolle. Man sieht, wie ernst Luther die Sache betrachtete, wenn man jenen Brief liest. »Da die falschen Propheten,« schrieb er, »die Sache nicht im Wort bleiben lassen wollen, sondern gedenken, mit der Faust sich darein zu begeben und sich mit Gewalt wider die Obrigkeit zu sehen, so bitte er die Fürsten, solchem Unfug zu wehren und dem Aufruhr zuvorzukommen. Die Faust still gehalten oder stracks zum Lande hinaus! Das solle der Fürsten Spruch an die Propheten sein. Der Satan wirke durch die irrigen Geister!«

»Hat das Mönchlein den friedfertigen Sinn verloren?!« rief Münzer bitter, als er den Brief gelesen. »Siehe da, er fürchtet, daß man ihm den falschen Schmuck abreiße, mit dem er sich behangen! Meine Lehre muß doch nicht so gar unwichtig in seinen Ohren klingen, dieweil er vor der Frucht erzittert, die meine Saat trägt! O ihr weisen Herren, die ihr Freiheit des Wortes predigt und euch rühmt, die Welt von den Ketten frei gemacht zu haben, in die sie der römische Aberwitz geschlagen, wollt doch die Freiheit des Geistes nicht anerkennen, wenn sie eurer eignen Wohlfahrt gefährlich dünken und machet es so arg, wie die Päpstlichen und noch schlimmer, die doch nur den Leib verbrannten, während ihr den lebendigen Geist ersticken wollt! Bald werden wir ein neues Papstthum haben, wenn nicht ihr Wille zu Schanden wird!«

Aehnliche und noch stärkere Ausfälle findet man in den theologischen Streitschriften jener Zeit in Menge; ja Luther selbst erlaubte sich die derbsten Witzeleien auf blose Zufälligkeiten, wie auf den Namen des allbekannten Dr. Eck.

Daß seine Gegner nach de, Erscheinen dieser Schrift ihre Anfechtungen verdoppeln würden, daran war Münzer gefaßt gewesen und sie machten ihn nicht irre, wußte er doch, daß sie im Volke nur um so tiefere Wurzeln fasse, und das Volk war die Partei, auf welche er sein Wert gründete. –

Münzer war eben in tiefe Betrachtungen versunken, als es an der Thüre seines Gemachs klopfte und im nächsten Augenblick drei Männer hereintraten, von denen der Eine Bartel Krump war. Dieser grüßte den Prediger mit vertraulichem Lächeln und wandte sich dann an seine Begleiter, die ehrfurchtsvoll an der Thüre stehen geblieben waren. »Hier seht Ihr,« sprach er, »hier seht Ihr den hochgelahrten und hochwürdigen Pfarrer Thomas Münzer von Angesicht zu Angesicht, wie Euer Verlangen war. Bringt Euer Anliegen vor, und ich bin überzeugt, daß Ihr nicht unbefriedigt von dannen gehen werdet!«

»Steht es in meinen Kräften, Euch zu Diensten zu sein, so soll et gerne geschehen;« antwortete Münze. »Leidet das, was Ihr zu sagen habt, keinen Zeugen, so –«

»Ich bin mit dem Anliegen der guten Männer bereits bekannt,« antwortete Krump, der den Wink wohl verstanden, aber nicht Lust hatte, das Feld zu räumen.

»Wir bitten Euch um Rathschlag;« nahm Einer der Männer das Wort. »Wir wissen, daß Ihr den gemeinen Mann liebt und ehrt und ein rüstiger Streiter im Weinberge des Herrn seid; darum haben wir unser Vertrauen auf Euch gesetzt und wollen nun sprechen im Namen unsrer Gemeinde. Wir sind Unterthanen des edlen Herrn von Witzleben, der uns nicht hold gesinnt ist, weil wir das Evangelium lieben und die päpstliche Lehre abthun wollen unter uns, während er ein eifriger Anhänger der römischen Finsterniß ist. Nun haben wir ihm unser Verlangen öffentlich kund gegeben, zu leben und Gott zu dienen nach unsrer Ueberzeugung; er aber hat es nicht nur mit harten Worten verweigert, sondern hat auch unsre Versammlungen aus einander getrieben und die Eifrigsten von uns verstricken lassen. Da hat sich die Gemeinde berathen, und es ist die Frage an den Tag gekommen, ob sie nicht einen Bund machen dürfte gegen einen Herrn, der das Evangelium zu hören wehre und sie darum strafe. Die Meisten haben mit Ja geantwortet; da sie sich aber keiner Sünde schuldig machen wollen, so sind sie einig geworden, ihre geringe Einsicht Eurem Ausspruch zu unterwerfen, und wir wurden erwählt, Euch solches vorzutragen. Wollet uns nun Kundschaft geben, was Ihr von der Sache haltet, und ob unser Vorsatz nicht gegen Gewissen und Christenthum läuft.«

»Es steht geschrieben,« antwortete Münzer, »du sollst Gott mehr gehorchen, denn den Menschen. Da nun ein harter, ungerechter Herr Euch gebietet, zu thun, was gegen den Willen Gottes ist, so ist es wohl erlaubt, einen Bund zu machen gegen den Verfolger der reinen Lehre und trotz seines Gebotes das Evangelium zu hören.«

»Wir danken Euch,« entgegnete der vorige Sprecher, und gehen getröstet heim.« –

Krump ließ die Männer gehen und blieb bei Münzer zurück. »Nun!« rief er triumphirend, »blüht der Weizen nicht vortrefflich? Bald wird die Zeit kommen, wo wir das Reich der christlichen Freiheit verkünden dürfen!«

»Ich habe nie an Eurem Eifer gezweifelt!« entgegnete Münzer ernst. »Aber ich zweifle an Eurem Muthe. Ein einziger Windstoß vermag Euern guten Willen zu erschüttern.«

»Ihr denkt noch an die Geschichte von Mellerbach!« versetzte Krump. »Ich hatte keine Furcht, aber das Gewissen peinigte mich, daß ich gegen Euren Willen gehandelt und die ganze Sache durch zu frühen Eifer auf das Spiel gesetzt. Es ist ein eignes Ding um das Gewissen! Damals machte es mich ganz muthlos, aber Ihr sollt sehen, ein wie tapfrer Streiter der evangelischen Freiheit ich sein werde!«

»Ich will es hoffen!« versetzte Münzer.

Krump begab sich in voller Siegesfreude zu dem Schösser Mathias. »Seht Ihr nun, Ihr zaghafter Held!« rief er diesem entgegen, »wie Eure Weissagung zu Schanden wird? Ihr habt Euch verblendete lassen von irgend einem leidigen Teufel, daß Ihr Euch von uns wenden wollt. Ihr tretet Euer Glück mit Füßen, denn die Zeit ist nahe, wo wir die Herren sein werden. Das ganze Landvolk ist bereit aufzustehen, und so eben hat eine Deputation derer von Witzleben bei dem hochgelahrten Thomas Münzer anfragen lassen, ob es noch nicht an der Stunde sei, die großen Hansen niederzuschlagen.«

Der Schösser hörte den Reden seines Bekannten zu, ohne besondere Theilnahme zu verrathen; er hatte seine Brust gegen alle Verführung mit dreifachem Erz gewappnet und zeigte durchaus keine Lust, dem Bunde länger anzugehören, Krump mochte ihm die Vortheile in noch so verlockenden Farben malen. Als nun der Gerber ärgerlich gegangen war, überlegte der Schösser bei sich so: »Jeder ist sich selbst der Nächste. Wo du dir einen Vortheil zu machen hoffest, da thue es. Ich bin ihren Schlingen glücklich entgangen, aber nun will ich mich auch befestigen in der Herrengunst. Was mir das Großmaul da offenbaret hat, soll mir Früchte tragen, mag es nun wahr sein oder erlogen, so zeig' ich doch meinen guten Willen, und der gnädige Herzog muß mir dankbar sein für meinen Eifer.«

Er hatte kaum so berechnet, als er sich von der tauben Sibylle das verstaubte Schreibzeug herbeischaffen ließ und mit ungeübter Hand und in untherthänigsten, aber wenig zierlichen Worten einen Brief an Herzog Johann niederschrieb, worin er ihm umständlich meldete, wie die Unterthanen Witzlebens sich bei Münzer Rath erholt hätten, ob sie gegen ihren Herrn Aufruhr anstiften sollten. Als er nach ein Paar mühseligen Stunden das Werk geendet, trabte ein armer Schwestersohn mit dem Ischarioth-Briefe auf dem Wege gen Weimar. –

Wenige Tage waren vergangen, als ein herzoglicher Bote in Allstett eintraf und, von einem Rathsdiener begleitet, nach Münzer's Wohnung ging. Marie erschrack zum Tode und ahnete Schreckliches. Sie zitterte und war leichenblaß, als sie dem Gatten den Besuch meldete. Eine fürchterliche Ahnung tauchte in ihrer Seele auf. Münzer bemerkte ihre Angst und suchte sie zu beruhigen: »Warum zitterst du?« sprach er. »Sei unverzagt, wie ich es bin! Ich bin mir keiner Schuld bewußt. Nun führe den Boten zu mir!«

Marie fühlte sich jedoch wenig beruhigt durch die Trostesworte ihres Gatten, und ihre Angst verminderte sich nicht, als sie den Boten nach seinem Zimmer führte. Sie wagte nicht einmal zu lauschen, denn sie fürchtete Schreckliches zu hören. Der Rathsdiener, an den sie sich wandte, vermochte ihr auch keine Befriedigung zu geben. »Der Bote habe schriftliche Botschaft,« antwortete er.

Als die Gäste das Haus verlassen, da wich erst ein Theil der Last von ihrem Herzen. Aengstlich harrete sie, das es Münzer gefallen möge, ihr Nachricht zu geben; aber es dauerte lange, ehe er erschien. Die alte Magd, die der Herrin Trost verschaffen wollte, kam achselzuckend zurück. Sie habe an der Thür gelauscht, aber kein Wort gehört, und als sie durch eine Spalte gesehen, habe der Herr einen großen Brief vor sich gehabt, in dem er aufmerksam gelesen; dazwischen habe er manchmal die Augen gen Himmel gehoben, aber kein Wort gesprochen.

Endlich trat Münzer ein. Wie ein Centnergewicht fiel es von ihrer Brust, als sie sah, daß ein gewisser Ausdruck der Heiterkeit sein Gesicht überstrahlte. »Was brachte dir der Bote?« fragte sie schmeichelnd.

»Eine Ladung gen Weimar!« antwortete Münzer ruhig.

»Wehe uns!« rief Marie entsetzt. »Sie werden dich verstricken und verdammen als einen Ketzer! O daß du den Zorn des mächtigen Herrn reizen mußtest!«

»Sie werden mich hören, und ich werde fürwahr nicht in Furcht und Zittern sprechen!« entgegnete Münzer.

»O treibe sie nicht zum Aeußersten!« flehete Marie.

»Ich beschwöre dich um des Kindes willen, das ich unter dem Herzen trage, beuge dich der Gewalt, reiche zur Versöhnung die Hand, wenn du damit den Zorn des Herzogs beschwichtigen kannst!«

»Nimmermehr!« rief Münzer heftig. »Das sie mich höhnen und sprechen: seht da den Schalk, der sich vermaß, Welten zu stürzen, und nun gar so demüthig einhergeht! Kein Haarbreit werd' ich weichen von meiner Lehre. Frei von der Brust will ich sprechen, daß es den Pfaffen schlimm werden soll, die gegen mich auftreten. Der lebendige Geist wird aus mir reden und wird den Buchstaben zu nichte machen. Sie wollen den Kampf – wohlan, ich verweigr' ihn nicht. Ein ganzes Volk schaut auf mich mit hoffnungsvollem Herzen, daß ich siege!«

Marie wagte keinen Einwand mehr, denn sie kannte den unbeugsamen Sinn ihres Mannes in Glaubenssachen. Aber sie war tief bekümmert und bat den ehrwürdigen Haferitz, seinen Freund doch zur Mäßigung zu ermahnen! Dieser versprach es zwar, aber er wußte wohl, daß seine Bemühungen fruchtlos sein würden.

Münzer war zur Abreise gerüstet und nahm Abschied von der Gattin, die er zu ermuthigen suchte. Haferitz reichte er die Hand, indem er sprach: »Möge der lebendige Geist mich stark machen, daß ich nicht zittre vor ihrem grimmigen Dräuen, sondern der Wahrheit einen herrlichen Sieg erringe. Für mein Volk kämpf' ich, für mein Volk will ich siegen – oder sterben, wenn es sein muß!« – Im Städtchen brachte Münzer's Gang nach Weimar die lebhafteste Bewegung hervor.

Es waren wenig Herzen, die nicht wünschten, daß Münzer der Gefahr glücklich entgehen möge.


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