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IV.

Ein freudiges Ereigniß wurde zu dieser Zeit in der alten Stadt Wittenberg festlich begangen, ein Ereigniß, an dem nicht nur das sächsische Land, sondern ganz Deutschland den lebhaftesten Antheil nahm. Luther hatte den Mönchsstand verlassen, die Kutte abgelegt und trat mit Katharina von Bora, die in den Kloster Nimptschen bei Grimma Cisterciensernonne gewesen war und dasselbe verlassen hatte, in den heiligen Ehestand, trotz des Lästerns seiner Gegner, von denen Einer behauptete: »Wenn dieser Mönch ein Weib nehme, so würde die ganze Welt und der Teufel selber lachen, und er alle seine Sachen damit verderben.«

Luther hatte die sittige Katharina schon früher kennen gelernt und ihre Anmuth Gefühle in ihm erweckt, denen er damals, wo es noch nicht zu einem so offenen Bruche mit der bestehenden Kirche gekommen war, Schweigen gebieten mußte. Familienverhältnisse hatten unterdeß Katharina für das Kloster bestimmt, aber freudig warf sie diesen Zwang ab, als jene Verhältnisse beseitigt und durch Luther's Reformation die Fesseln des Klosters gebrochen waren.

Außer dem Gebote seines Herzens waren es aber noch andere Gründe, die Luther zu diesem wichtigen Schritte bewogen. Sein Vater hatte stets gegen den Entschluß des Sohnes, sich dem geistlichen Stande zu widmen, geeifert, weil dieser Stand all' das stille Glück des häuslichen Lebens ausschließe; Luther freute sich, nun den Lieblingswunsch des alten Mannes erfüllen zu können. Auch wollte er den Geistlichen, denen er immer die Ehe empfohlen, selbst als Beispiel vorangehen und vor Allem die päpstliche Lehre vom ehelosen Stande der Geistlichen, die er schon oft durch Schriften angefochten, nun durch die That widerlegen und den Hohn seiner Gegner, er werde nicht wagen, nach seiner Lehre zu leben, zu Schanden machen.

In seines Freundes, Nikolaus von Amsdorf's Wohnung wurde die Trauung durch den Dr. Bugenhagen vollzogen. Der Kurfürst hatte ihm nebst Versicherungen seiner Gnade werthvolle Geschenke gesandt, und die ganze Universität bestrebte sich, ihre herzliche Theilnahme auf gleiche Weise zu bethätigen. Die Studenten schickten Abgeordnete, weiche ihre Geschenke mit feierlicher Anrede überreichten. Luther drückte den Jünglingen die Hand und sprach seinen Dank in warmen Worten aus. Sie mußten am Festmahle theilnehmen, das sich weniger durch Kostbarkeit, als durch geistvolle Heiterkeit auszeichnete. Luther selbst war ein eben so liebenswürdiger Gesellschafter, wie er in Glaubenssachen rauh und schroff war. Und welcher Tag hatte ihn wohl mehr zur Heiterkeit stimmen können, als der heutige, an dem er gleichsam das Siegesfest seiner Lehre feierte? Auf ewig war nun der Bruch entschieden zwischen ihm und Rom.

Lächelnd sah Luther in das holdselig erröthende Antlitz seiner Katharina, und indem er mit seinem Freunde Amsdorf anstieß, rief er:

»Wer nicht liebt Wein, Weib und Gesang,
Der bleibt ein Narr sein Leben lang!«

»Wahrhaftig,« fuhr er fort, »so ein armes Mönchlein ahnet gar nicht, welchen Schatz er in die dunkle Klosterzelle vergräbt! Die Liebe ist dem Menschen, was der Duft der Blume! Sie ist ein hehres Gottesgeschenk, und Frevel ist's, so er es mit Füßen tritt. Athmet die ganze Welt nicht Liebe, singt sie der Vogel nicht vom Baume, plätschert sie nicht der Bach, indem Welle um Welle sich küßt und umarmt? Blume neigt sich zur Blume; die stolze Rose beugt sich nieder zum Veilchen, und die Biene umkost die Blüthen des Baumes. Die Thoren wähnen, ihr das Herz verschließen zu können, wenn sie hohe Mauern um sich bauen und sich kasteien. Als wenn eine Mauer so hoch wäre, daß die Lerche sie nicht überstiegen könnte, oder der blaue Himmel sie nicht überstrahlte! Die Bäume klopfen mit ihren Blüthenreisern an das Fenster des Büßers und erwecken in ihm Gedanken an die Welt.«

»So versteht Ihr wohl der Vögel Sprache und habt dem Liebeslied der Lerchen schon seit lange gelauscht?« bemerkte Amsdorfs scherzend.

»Gewiß!« antwortete Luther, in den Ton einstimmend. »Sie sangen mir oft verlockend in's Herz, und das Bild meiner Katharina drängte sich mir vor die Seele, so oft ich's auch zurückstoßen und sagen wollte: weiche von mir, du holde Zauberin! Und du, meine herzliebste Käthe?«

»Wie konnt' ich nur zu denken wagen, daß der Mann des Jahrhunderts mich arme Magd zu sich erheben würde?« erwiederte Katharina.

»O du liebe Bescheidenheit!« lachte Luther. »Glaubt's ihr nicht, Ihr Herren; denn trotz ihrer gar unschuldig blickenden Augen, sitzt ihr doch der Schalk im Nacken. Wenn's nicht unbescheiden wäre, so wollt' ich drauf schwören, ihr Herz hat so manches Mal an den armen Bruder Martin gedacht, aber in schüchterner Frömmigkeit sich's nicht gestehen mögen.«

»Du bist ein Herzenskundiger!" gestand Katharina, die Augen zu Boden schlagend.

»Gesegnet ist der Mann, dem Gott ein braves Weib gegeben!« fuhr Luther fort. »Ich bin so glücklich, daß ich meinen Feinden wünsche, sie möchten dies Glück genießen! Die Zukunft thut sich vor mir auf, in lichte Morgenröthe getaucht. Wenn ich sonst vom Werk des Tages müde auf mein Lager sank, da trat wohl der böse Feind zu mir und versuchte durch Blendwerk und falsche Lockungen. Das wird nun aufhören, denn ein Engel wacht an meiner Seite.«

Luther war wirklich von dem Aberglauben seiner Zeit nicht frei. Die Sage erzählt zum Theil ergötzliche Geschichten von Versuchungen des Satans, denen er jedoch immer standhaften Widerstand geleistet. So warf er auf der Wartburg sein Tintenfaß nach dem Besucher, und der schwarze Fleck an der Wand, wohin er traf, ist heute noch zu sehen.

»Philipp,« wandte sich Luther nach einiger Zeit an Melanchthon; »wir haben doch eine schwere Zeit durchgefochten, und es ist billig, daß wir dafür auch einen Kranz der Freude ernten. Wann wirst Du meinem Beispiele folgen?«

»Und der Kampf ist noch nicht zu Ende!« erwiederte Melanchthon, indem er die letzte Frage zu überhören schien.

»Wir kämpfen, bis wir sterben,« sprach Luther ernster daraus, »und unsre letzte That ist der Todeskampf. Wohl hat das Evangelium noch Feinde und die schlimmsten wachsen ihm aus dem eignen Blute. Die bösen Geister von Zwickau spuken noch in den Köpfen; man muß sie austreiben mit Milde oder Strenge. Sind doch selbst die besten Köpfe angesteckt worden, daß sie Thorheiten begingen. Und von dem Obersten der Teufel ist jener Münzer besessen. Unkraut säet er unter den guten Waizen, Landläufer sendet er aus, die nicht an's Licht wollen.«

»Du beurtheilst ihn zu hart;« sagte Melanchthon.

»O ich weiß, daß er dir in's Ohr geflüstert mit süßer Stimme!« entgegnete Luther. »Er ist der Mann, auch die Gläubigsten zu verführen. Und doch wagt er nicht, sich gegen mich auf den Plan zu stellen, um allem Streite ein Ende zu machen!«

Münzer hatte wirklich an Melanchthon geschrieben; er und Luther, hatte er in seinem Briefe gesagt, mißkennen die werdende neue Kirche durch ihren Buchstabendienst. Vom lebendigen Worte lebe der Mensch, das aus dem Munde Gottes gehe. »Lieben Brüder,« hatte er geschlossen, »laßt Euer Harren und Zögern, es ist Zeit, der Sommer ist vor der Thür, wollet nicht Freundschaft haben mit den Gottlosen, sie hindern es, daß das Wort nicht wirke in großer Kraft. Wollet nicht Euern Fürsten schmeicheln, sonst werdet Ihr Euer Verderben sehen. Ihr zarten Schriftgelehrten, seid nicht unwillig, ich kann es nicht anders machen.«

Melanchthon war keine so entschiedene Natur, wie Luther. Wie er sich früher den Schwärmereien Carlstadt's hingegeben, so fühlte er sich jetzt im Geheimen zu Münzer hingezogen, wenn er dessen rationalistische Weltanschauung auch nicht theilte.

Das Gespräch hatte für die Bedeutung des Festes einen zu ernsten Charakter angenommen. Luther's Freunde wußten, wie leicht er in Glaubenssachen heftig ward, und suchten einen andern Gegenstand anzuknüpfen, der weniger reizbar für den Reformator war. Die Unterhaltung lenkte sich auf Poesie und Musik, und Luther ward mit einem Male der vorige heitere Gesellschafter wieder.

»Sie vollenden nebst der Liebe die göttliche Trias, die das Menschenleben durchleuchtet,« sprach er; »Schmerz und Freude ström' ich aus im Lied, es stärkt die Zuversicht und erhebt die Seele zum Ewigen. Mag es nun als ein Gebet zum Himmel steigen, als ein Triumphgesang dahinrauschen, oder mag ich es als Blitz gegen die Feinde schleudern, ich fühle mich immer Gott näher, wenn in der Feierstunde der Muse die Gedanken in meiner Brust emporblühen und sich verschlingen zum frischen Strauß. Die Propheten sprachen in Liedern und Gesängen, und wahrlich wir fühlen prophetische Weihe, wenn das Lied unserm Busen entströmt. Verwandt der Dichtkunst ist die Musik. Auch sie trägt die Seele auf Engelflügeln empor; aber sie hinterläßt nicht jene selige Befriedigung, welche die Poesie uns giebt. Sie strebt ewig nach dem Unendlichen und reißt unser Herz mit fort. So läßt sie eine ewig unbefriedigte Sehnsucht in uns zurück. Und doch lieb' ich sie.«

»Was haltet Ihr vom Tanze?« fragte Einer aus der Gesellschaft.

»Es fragt sich,« antwortete er, »ob das Tanzen, aus dem die meisten Uebel zu entstehen pflegen, unter die Sünden zu rechnen ist? Ob bei den Juden das Tanzen im Gebrauch gewesen oder nicht, weiß ich zwar nicht; weil es aber bei uns bräuchlich, Gäste zu bitten, sich zu putzen, zu essen und fröhlich zu sein, also auch zu tanzen, so sehe ich nicht, warum diese Gewohnheit könne verworfen werden. Blos der Mißbrauch muß, wie in allen Dingen, vermieden werden. Daß Sünde und Böses begangen wird, ist nicht den Tanzen zuzuschreiben. Wenn Alles ehrlich zugeht, wird jeder gute Christ wohl mit den übrigen Gästen tanzen können. Glaube und Liebe wird durch das Tanzen nicht vertrieben, sonst würde den Kindern der Gebrauch des Tanzes nicht erlaubt werden.« –

Plötzlich ereignete sich etwas, das eine lebhafte Bewegung in die heitere Gesellschaft brachte. Ein Mann im groben Bauernrocke, in der Hand eine große Kohlstaude, trat unangemeldet in das Zimmer und schritt auf Luther los. Mit Bestürzung erkannten Alle in ihm den Dr. Carlstadt, der in einem nahen Dorfe seit einiger Zeit als Bauer lebte. »Ich hab' von dem Fest vernommen, das Ihr heute feiert,« sprach er, »und da wollt' ich nicht zurückbleiben, sondern mein Scherflein beilegen zu der Aussteuer. Scheint es auch nur gering, so ist es doch das Beste, was Euch der Nachbar Andres zu geben vermag.«

»Carlstadt,« antwortete Luther, »ich dank' Euch für Euren guten Willen. Setzt Euch nieder und laßt es Euch behaglich sein.«

Carlstadt schüttelte den Kopf. »Was soll ich an der reichbesetzten Tafel des Ueberflusses?« antwortete er. »Den Armen ist das Evangelium gepredigt, und die hier darben, werden dort zur ewigen Freude eingehen.«

»Werdet Ihr nicht bald nach Wittenberg zurückkommen?« fragte Luther mild. »Last doch die Possen, die Ihr treibt, und wuchert mit den Pfunden, die Euch der Herr gegeben hat. Stellt Euer Licht nicht unter den Scheffel, sondern laßt es leuchten allem Volk.«

»Alles Wissen ist Stückwerk und alle Gelehrsamkeit dem Herrn ein Greuel!« antwortete Carlstadt. »Warum nach Quellen suchen, wo der Born des Lebens lebendig in uns springt?«

»Da sehet Ihr die Münzer'sche Schwärmerei!« sagte Luther halblaut zu den Freunden. »O Carlstadt,« fuhr er zu diesem gewendet fort, »ich bedaure Euch von ganzer Seele.«

»Der Name, den Ihr nennt, ist verschwunden,« erwiederte jener. »Ich bin nicht mehr, noch weniger, denn der Nachbar Andres, der Eures Bedauerns nicht bedarf. Lebt wohl!« Er ging und ließ die Gesellschaft in trüber Stimmung zurück. »So viel edle Gaben,« sagte Luther schmerzlich, »sind versunken im Pfuhle gottloser Schwärmerei! Dieser Mann könnte ein starker Streiter der Kirche sein, und hat sich den falschen Propheten und Aposteln des Teufels ergeben!«

Es dauerte einige Zeit, ehe man den seltsamen Auftritt über anderen Dingen vergaß. So kam unvermerkt der Abend heran. Da ward es plötzlich lebendig auf der Straße, die Nacht erhellte sich durch Fackelschein, und hundertstimmiger Gesang, verschmolzen mit den rauschenden Tönen der Musik, schwoll empor. Die Gäste lauschten, die Abgeordneten der Studenten lächelten.

»Welche liebliche Weise!« sagte Luther.

»Sie gilt Euch, Herr Doctor!« entgegnete Einer der Studenten. »Unsere Brüder haben sich's nicht versagen können, Euch durch diese kleine Ueberraschung ihre Theilnahme an dem heutigen Freudentage kund zu geben. Mögt Ihr es mit liebevollem Herzen aufnehmen, wie es aus liebevollem Herzen kommt!«

»Ihr verschuldet mich so sehr, daß Ihr ewig meine Gläubiger bleiben werdet« erwiederte Luther.

»Es ist nur ein schwacher Abglanz des Dankes, den wir Euch so gerne zu Füßen legen möchten.«

Luther trat an Katharina's Seite an das Fenster und schaute hinaus auf die wogende Menschenmenge, welche das grelle Licht der Fackeln überströmte. Die Gäste gruppirten sich um ihn und freuten sich der Huldigung, die dem verehrten Manne von der begeisterten, für alles Große empfänglichen akademischen Jugend dargebracht wurde.

»Dies Liebeszeichen,« wandte sich Luther an Melanchthon, »gemahnt mich an jenen Abend, wo ich einen gleichen Freundschaftsbeweis meiner geliebten Schüler empfing. Gedenkst du dessen noch, Philipp? Der edle Ulrich von Hutten war bei uns. Wie ganz anders waren damals die Verhältnisse! Ich ging einem dunklen Schicksal entgegen, die Zahl meiner Freunde war noch gar klein! Ich schied aus dem Kreise der Meinigen. Ach, jener Abend hatte eine wehmüthige Bedeutung; der heutige ist allein der Freude geweiht!«

Ein Lebehoch dem neuvermählten Paare brauste aus tausend Kehlen in die Luft; in Katharina's Auge glänzte eine Thräne. Luther ging, um durch herzlichen Händedruck seinen Dank darzubringen. »Bringe ihnen auch meinen Dank!« rief ihm Katharina nach.

Jubelnd umringten ihn die Studenten, als Luther unter sie trat; Jeder geizte nach einem Händedruck des großen Mannes, der vor Rührung nicht sprechen konnte. »Ich fühle es,« sprach er endlich, »wie glücklich die Liebe macht! Sie überschüttet mich mit ihren Gaben und wird mich zum Verschwender machen! Möcht ' ich doch verdienen können, womit Ihr mich so hoch geehrt! Die Versicherung, daß dies mein eifrigstes Streben ist, ist der beste Dank, den ich euch weihen kann!«

Der festliche Zug verbrauste endlich; auf dem Markte warf man die halbabgebrannten Fackeln zusammen, daß die Flamme hoch emporschlug und rings die Häuser in einen Gluthschein tauchte. Im Kreise schaarten sich die Studenten und sangen eines jener Burschenlieder, die sich noch auf uns verpflanzt, und aus denen die ganze Frische und Fülle des damaligen akademischen Lebens athmet. Jubelnd und lachend zerstreuten sie sich endlich in einzelnen größeren und kleineren Gruppen, um an Bacchus und Gambrinus Throne zu huldigen.

Luther wurde von den Freunden beglückwünscht über dies glänzende Zeichen allgemeiner Theilnahme. »Es macht mich stolzer,« entgegnete er, »als tausend Schmeicheleien aus dem Munde der Grafen. Aus diesen Jünglingsherzen spricht die Wahrheit, dort verbirgt sich hinter den glänzenden Worten gar oft Trug und Heuchelei. Wer möchte nicht von der Jugend geliebt sein, in der das künftige Geschlecht erblüht? Meine Lehre wird freudig wachsen und grünen, auch wenn ich nicht mehr bin, denn ich habe sie in den Schooß der Zukunft gesäet.«

Das Fest ging zu Ende, und Luther genoß das ganze stille Glück der Häuslichkeit. Katharina's Anmuth beseligte, und er verspottete in ihren Armen die Lästerungen seiner Feinde, indem er alle diejenigen aufrichtig bedauerte, welche die Seligkeit nicht kannten oder von sich stießen, die er genoß. –

Melanchthon, Luther's Mond, war der tägliche Gast seines Freundes, an dessen Glück er sich freute.

War Luther der starke Eichbaum, der gen Himmel strebte, so war Katharina die Rebe, die ihn umschlang. Sie war das Muster einer sanften und liebenden Hausfrau, und wer sie in ihrem harmlos ämsigen Treiben belauschte, der mußte gestehen, das so viel Liebreiz nicht in den öden Klostermauern verweilen durfte. Wie verschieden war doch dies Bild der Häuslichkeit von dem Familienleben Münzer's, so verschieden, als diese zwei Charaktere selbst von einander waren. Luther hatte abgeschlossen in sich, seine Lehre lag fertig nicht nur in ihm, sondern vor der Welt; er war bewundert und geehrt von Volk und Fürsten, denn sein Streben ging nicht in's Grenzenlose, Phantastische; entschieden und heftig auf der einen Seite, war er gemäßigt auf der andern; indem er für den religiösen Fortschritt kämpfte, ließ er den politischen ganz aus seinem Bereich. Dadurch gewann er sich die Fürsten.

Münzer war eine gewaltsamen Natur und stand in gradem Widerspruche mit Luther. Er konnte sich die Fürsten nicht gewinnen, weil bei ihm die religiöse Reform nur das Kleid der politischen Umwälzung war, die er bezweckte. Seine Lehre lag auch noch nicht fertig in ihm, und sein Geist war daher in beständigem Ringen begriffen. Indem er allmälig mit sich selbst abschloß, mußte er zugleich gegen den Widerstand kämpfen, der sich von allen Seiten gegen ihn erhob. So kam denn sein Gemüth nie zu jener behaglichen Ruhe, aus der das Familienglück entspringt. Das rastlose Ringen seines Geistes verdrängte stets die Augenblicke des Friedens, welche die Gegenwart der Gattin in ihm hervorrief.

Auch Luther vergaß über den Freuden seiner jungen Ehe sein Reformationswerk nicht. Rastlos war er bemüht, es auszubreiten und zu befestigen, und der glückliche Erfolg spornte ihn zu immer neuer Thätigkeit. Stand seine Saat auch im besten Wachsthum, so gestand er sich doch, wie viel Ungewitter sich noch zusammenziehen und die lustig grünende zerschmettern konnten. Münzer's Bestrebungen fürchtete er in dieser Hinsicht mehr, als die Opposition der katholischen Partei Er verkannte den mächtigen Geist nicht, der in Münzer rang und glühte, ja nicht ohne Eifersucht war er mehrern Neuerungen gefolgt, in denen ihm jener zuvorgekommen. Luther wußte auch, daß sich hinlänglich Brennstoff im Volk befand, um von den neuen Freiheitsideen Feuer zu fangen. Hutten und seine Geistesverwandten hatten schon den Boden bearbeitet und locker gemacht, sie hatten den Weg gezeigt, aus dem Münzer nun fortging. Hatten doch selbst gelehrte Männer seine Partei ergriffen, wie Carlstadt, den Luther achtete und betrauerte.

Je gefährlicher der Feind war, um so heftiger mußte man gegen ihn kämpfen, und Luther that es durch Wort und Schrift. Von der Kanzel herab sprach er das Anathema über die schwärmerischen Antichristen aus, und warnte vor ihrer gottlosen Lehre, die einem im Verborgenen schleichenden Gifte gleiche, und in zornflammenden Schriften widerlegte er die der neuen Propheten, forderte die Fürsten auf, ihnen keinen Schutz zu gewahren. Münzer ließ er mehrmals durch die Fürsten und durch seine eignen Bekannten drängen, ihre beiderseitigen Lehren auf den Plan zu stellen und sich mit einander zu messen. Münzer aber kannte seinen Standpunkt zu wohl; er wußte, daß er, der über das Christenthum seiner Zeit hinaus war, vor denen, die noch darin befangen, weder verstanden noch gerechtfertigt werden konnte. Aus dem Standpunkt der allgemeinen Religion, als deren ursprünglichste Quelle er nur die Vernunft anerkannte, wollte er sich nur zum Kampfe stellen, wenn alle Parteien der religiösen Offenbarung, Römer, Türken und Juden, neben den Lutherischen als Schiedsrichter zugegen wären.

So dauerte die innere Gährung fort, indem Keiner der Streitenden die Ueberzeugung des Andern anerkennen und von ihr lernen wollte; sie dauerte fort, bis das ungestümen Element endlich in voller Wuth ausbrach und sich selbst zerstörte, wie die Flamme sich selbst verzehrt.


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