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VII.

Wie seid ihr so lieblich, ihr Ufer bei blau dahinströmenden Neckars, wie kleidet euch der junge Frühling mit frischem Grün, ihr sanften Rebenhügel, und ihr sammtnen Wiesenmatten, wie lauschen eure Blumen neugierig aus dem Grase zum blauen Aether empor, den sie zum ersten Mal begrüßen, um bald, ach! nur zu bald einen frühen Tod zu finden! Seid ihr denn zu Anderem geschaffen, als den Menschen zu erfreuen? Der Fuß des Winzers darf euch nur betreten, meint man, nur die fröhliche Schnitterin, die rothwangige Heuerin darf nur auf euch wandeln, oder ein liebendes Paar, das den Nachtigallen lauscht, die in den Büschen ihr Lied singen! Aber der Krieg, die Flammenruthe Gottes, welche die Welt säubert, verdrängt jene herrlichen Bilder und färbt das holde Grün mit Blut!

Das Ostergeläute verstummte vor dem Schmettern der Trompeten, dem Klirren der Waffen und dem Kampfruf der Bauern, die gegen Stadt und Schloß Weinsberg heranstürmten. Graf Helfenstein hatte aus ihre Gesandtschaft Feuer geben lassen, und diese That heischte blutige Rache. Florian stürmte mit seiner schwarzen Schaar gegen die Burg, ein zweiter Haufen eilte vor die Stadt hinab und der ganze große Haufen, der noch gegen Erlenbach und Binswangen hin stand, flog im Sturmschritt heran. Und bald fluthete und wogte es um die Stadt wie ein gewaltiges Meer. Die Hakenbüchsen erfüllten das stille Thal mit ihrem verderbenbringenden Donner.

Plötzlich flatterten zwei Fahnen auf dem Schlosse. Florian Geyer war siegreich dort eingedrungen. Die Bauern jubelten, die Bürger, die es mit dem Grafen hielten, verzagten. Denn schon waren auch in der Stadt am dreifachen untern Thor die zwei äußeren Thore gefallen, und die Aexte und Hämmer, die Sturmblöcke und Balken schmetterten an das dritte. Am kleinen Thor an der Kirche arbeiteten die Bürger von innen und die Bauern von außen, um es zu sprengen. Dietrich von Weiler, derselbe Ritter, der den Abgesandten der Bauern tödtlich verwundet, ritt noch immer in der Stadt herum und ermahnte Bürger und Reisige zu mannhafter Gegenwehr. Es war umsonst! Die furchtbare Drohung Jäcklein's entmuthigte die Bürger, die endlich die Herren mit Gewalt von den Mauern und Wehren herabzogen, um die Uebergabe zu beschleunigen.

»Ihr habt Euch wohlgehalten, Ihr Weinsberger!« rief Graf Helfenstein endlich bitter, »und den Bauern genuggethan, das will ich Euch vor Gott und der Welt bezeugen!«

Einer der Bürger winkte mit dem Hut auf einer Stange den Bauern über eine Zinne des Unterthors hinaus Friede zu und machte ihnen das Anerbieten, die Stadt zu übergeben, wenn sie Alles am Leben ließen. Die Bauern aber schossen den Hut von der Stange und riefen hinauf: »Die Bürger sollen beim Leben bleiben, die Reiter aber müssen alle sterben!« Nun bat jener wenigstens um Schonung für den Grafen, aber die Antwort war, er müsse sterben, wenn er auch von Gold wäre.

Der Graf entschloß sich zur Flucht; aber alle Wehren waren verlassen, und eine Flucht konnte nur gelingen, wenn den Bauern noch ein kurzer Widerstand geleistet wurde. Die Bürger wehrten sich auch dagegen und riefen: »Wollt Ihr uns nun allein in der Brühe stecken lassen? Durch wen ist die Stadt in Unglück kommen. als durch Euch? Nun müßt Ihr's auch redlich mit ausbaden, und zum Entfliehen ist keine Zeit!« Da ergoß sich auch von allen Seiten der Strom der Bauern in die Stadt. Die Bürger flohen in ihre Häuser und die Ritter und Reisigen flüchteten sich in die höher gelegene Kirche, von dem Wuthgeschrei der Bauern verfolgt, die nach ihrem Blute lechzten. Der Graf und mehrere Ritter und Knechte gelangten durch einen Schnecken, den ihnen ein Priester zeigte, auf den Kirchthurm; aber Jäcklein mit seinem Haufen hatte schon den Kirchhof erstürmt.

Ein entsetzliches Gemetzel begann. Wen die Bauern mit den Waffen in der Hand fanden, der wurde niedergestochen oder erschlagen. Die Kirchthüre sprengten sie auf und erschlugen alle Reisigen, die sie hier fanden; sie erbrachen die Gruft und tödteten die, die sich verborgen hatten. Als sie den Schnecken entdeckten, erhoben sie ein wildes Freudengeschrei. »Hier haben wir das ganze Nest beisammen,« riefen sie, »schlaget sie alle todt!« Alle wollten nun hinauf stürmen, aber sie versperrten sich selbst den Weg, indem sie in einem auf der Treppe erstochenen Reiter das Schwert stecken ließen.

Jetzt sank auch dem stolzen Dietrich von Weiler der Rest seines Muthes, der verachtungsvoll die stürmenden Bauern Roßmucken genannt hatte. Er trat auf den Kranz des Thurmes und rief auf den Kirchhof hinab, sie wollten sich gefangen geben und dreißigtausend Gulden zahlen, wenn man sie am Leben lasse. Ader der Bauern Rachedurst war zu heiß. »Und wenn Ihr uns auch eine Tonne Goldes geben wolltet,« riefen sie, »der Graf und alle Reiter müssen sterben! Rache, Rache für das Blut unsrer Brüder, für die siebentausend bei Wurzach Gefallenen!« In demselben Augenblick sank Dietrich von Weiler tödtlich getroffen nieder. Die Andern waren indeß den Schnecken hinaufgedrungen und warfen den noch Röchelnden über den Kranz auf den Kirchhof hinab. Mehreren andern Rittern und Herren war dasselbe Loos bereitet.«

Georg Mezler gab den Befehl, keinen Ritter und Reisigen mehr zu tödten, sondern alle gefangen anzunehmen. So wurden die Gefangenen mit Stricken gebunden und hinabgeführt. Im Durchführen über den Kirchhof stieß ein Bauer dem Grafen mit der Hellebarte in die Seite, auch ein andrer Ritter, Georg von Kaltenthal wurde am Kopfe verwundet.

Dies Alles war das Werk einer Stunde!

Die reisigen Knechte, die sich in den Häusern versteckt hatten, wurden nun hervorgezogen und getödtet, nur wenige entkamen durch List und mit Hülfe der Bürger. Die Bauern schrieen nach Plünderung, und mit großer Mühe brachten es die Hauptleute dahin, daß nur die Häuser der Geistlichen, des Kellers, des Schultheißen, des Stadtschreibers und des Bürgermeisters der Plünderung preisgegeben, die übrigen Bürgerhäuser jedoch verschont wurden. Auch in der Kirche und Sacristei wurden alle Truhen erbrochen, das Almosen, die Monstranz, die Kirchengefäße geplündert. Der reiche Weinvorrath des Schloßkellers wurde in das Lager geschafft. Die Beute war kostbar und unermeßlich. Der Tag verging mit Plündern und in Trinken und Wohlleben, und die Flammen des alten Welfenschlosses beleuchteten mit ihrer rothen Gluth die Scenen des Greuels.

Während dessen ward ein Bauernrath gehalten. Man hatte den Satz angenommen, das alle Klöster abgethan werden, die Mönche hacken und reuten müssen, wie die Bauern; sie wollten nun zuerst auf Heilbronn ziehen und die Stadt in ihre Verbrüderung bringen, dann durch das Mainzische auf Würzburg losgehen und, sei dieses gewonnen, alle Domherren, Pfaffen und den geistlichen Fürsten hinausjagen.

Florian Geyer war damit nicht zufrieden. Er stellte den Grundsatz auf, man solle alle festen Häuser ausbrennen; und ein Edelmann nicht mehr denn eine Thüre haben, wie ein Bauer. Wenn das Volk frei werden solle, müsse der Adel wie die Pfaffen den Bauern gleichgemacht werden, damit nur Ein Stand auf deutschem Boden sei, der Stand der Gemeinfreien. »Wollt Ihr Euer Werk halb thun,« rief er, »indem Ihr nur den einen Baum umhaut, während es doch zwei Bäume sind, welche die junge Pflanze der Volksfreiheit erdrücken? Beide müssen fallen, und nicht nur umgehauen, sondern entwurzelt werden, damit keiner einen Schoß mehr treibe! Darum nieder mit den Herrensitzen, nieder mit den Klöstern und Abteien! Ob ein Haus falle, was nützt Euch das? Das ganze Herrenthum muß sinken, wenn Ihr genesen wollt! Das ganze deutsche Land muß frei werden, nicht die Scholle allein, auf der Ihr geboren seid! Darum bin ich zu Euch getreten und bin ein Bauer geworden!«

Wendel Hipler widersprach dem; auch er wollte alle Lasten, die die Volksfreiheit niederdrückten, aufgehoben wissen, aber die weltlichen Herren sollten für diesen Verlust aus den geistlichen Gütern entschädigt werden. Man solle dadurch den Beistand der Edelleute, die eben so gerechte Ursache hätten, gegen die Fürsten zu klagen, als der Bauer, für die Sache der Volksfreiheit gewinnen.

Florian Geyer's Seele trübte sich. Wo war der reine Enthusiasmus für die heilige Sache, um deren willen er seinen Rittermantel abgelegt hatte und niedergestiegen war zu dem Bauer? Er war bereit, das ganze Trauerspiel durchzukämpfen, aber wie Viele beseelte wohl der gleiche Muth?

Während das übrige Heer von der Ermüdung und dein Weingenuß in den Armen des Schlafs ruhte, brüteten Jäcklein und seine Gesellen eine That aus, die wie ein nie verlöschender Schandfleck auf den Blättern der Geschichte jener Tage klebt.

Der Tag war kaum angebrochen, als Jäcklein seine Mordbrüder auf einer Wiese beim Unterthor versammelte. In ihre Mitte wurden die Gefangenen geführt. Es waren fast lauter edle Herren: Graf Ludwig von Helfenstein, Hans Konrad Schenk von Winterstetten, Burkhardt von Ehingen, Friedrich von Neuhausen, Jörg Wolf von Neuhausen, Hans Dietrich von Westerstetten, Philipp von Bernhausen, Hans Spät von Höpfigheim, Bleikardt von Riexingen, Rudolph von Hirnheim, Wolf Rauch von Helfenberg, Jörg von Kaltenthal, Burkhardt und Weitbrecht von Gemmingen, nebst mehreren Knechten und Reiterknaben.

Das Urtheil ward ihnen von dem wilden Jäcklein verkündet. Sie sollten durch die Spieße gejagt werden, eine alte Strafe, die aber nur gegen die angewandt wurde, welche wider Ehre gehandelt hatten, und auch dann nur bei Knechten. Höhnisch setzte Jäcklein hinzu: »Dem Adel zu Schand' und Spott, als ob sie wider Ehre gehandelt hätten.« Die Ritter erblaßten bei diesem unmenschlichen Urtheil.

Da eilte ein Weib herzu mit lautem Klageruf. Es war Helfensteins schöne Gemahlin, Margaretha, die natürliche Tochter des Kaisers Maximilian. Ihr schönes, seidenweiches Haar flatterte wie ein Mantel von Goldgeflecht im Winde, ihre Wangen waren geröthet von unnennbarer Angst, ihren zweijährigen Sohn trug sie auf den Armen, der angstvoll und zitternd seine Aermchen um ihren Hals schlang. Ihre Zofe folgte ihr.

Sie warf sich auf die Kniee vor den rauhen Gesellen, hielt ihnen ihr Kind entgegen und ihre Thränen flossen, indem sie sprach: »O erbarmt Euch, ihr Männer,« rief sie, »erbarmt Euch dieses unschuldigen Knaben, dem Ihr den Vater rauben wollt! Was hab' ich Euch je Leides gethan, daß Ihr Eure Lust daran findet, mich zur hülflosen Wittwe zu machen? Ich ringe die Hände zu Euch empor; jede meiner Thränen möge Euch zum Segen werden vor Gottes Thron, so Ihr Euch erbarmt, zum Fluche, so Ihr fühllos bleibt beim Weheruf meines Schmerzes! Habt Mitleid, Männer! Um das Blut des Heilands willen, schont das Leben meines Gatten!«

Graf Helfenstein verhüllte sich das Haupt im ungeheuren Schmerz. Und wie die schöne, bleiche, weinende Frau so da lag auf den Knieen, da fand ihr suchendes Auge keinen Strahl des Erbarmens in den Zügen der harten Männer, nur Hohn und blutdürstige Wuth.

»Wir haben auch auf den Knieen gelegen, wie Ihr,« antworteten sie, »und Euer Herr kannte keine Gnade für uns! Mit Hunden hat er uns gehetzt und seine Peitsche klang herrlich auf unsern Rücken! Wer ist unter Euch, der vor dem edlen Grafen nicht mit Thränen um einen Vater, einen Bruder, einen Sohn gewinselt, den er in seinen Verließen verschmachten ließ? Wer ist unter Euch, sagt mir's!« Und so er nur einmal sich erbarmte, so soll ihm das Leben geschenkt sein! Aber er war härter als ein Stein.«

»Vergebung für Alles, was ich Uebles that!« flehte der Graf. »Ich biet' Euch ein Lösegeld von dreißigtausend Gulden um mein Leben!«

»Und gäbst du uns zwei Tonnen Goldes, so mußt du doch sterben!« versetzte Jäcklein.

»Woher hast du das Geld, als von unserm Schweiß und Blut?« rief ein Andrer. »Nun ist dein Regiment aus, und wir sind die Herren! Dauert dich dein adlig Blut? Es ist nicht röther denn unsres, das du oft genug vergossen hast! Da schau' her, so fließt adlig Blut!« Er stach mit seinem Spieß nach dem jungen Herrlein auf der Gräfin, daß ein rother Blutquell aus der zarten Brust sprang. Die Gräfin sank mit einem Wehelaut über die kleine geliebte Leiche.

Es bildete sich nun eine Gasse von Bauern, die ihre langen Spieße vorstreckten. Unter Trommelschall, wie es bei solchen Hinrichtungen der Brauch war, wurde ein Knecht des Konrad Schenk von Winterstetten in die Spieße gejagt. Der Zweite an der Reihe war sein Herr. Jetzt wurde Graf Ludwig vom Helfenstein zum Eintritt in die Gasse commandirt. Er hatte bisher noch immer gehofft, man treibe nur ein grausames Spiel mit ihm; aber diese letzte Hoffnung sank jetzt zu Boden. Einen verzweiflungsvollen Blick warf er gen Himmel, den der Morgen röthete, einen zweiten auf seine Gemahlin. Er streckte die Arme nach ihr aus, er wollte hin zu ihr; die Bauern stießen ihn zurück. Als schmerzvoller Wehelaut rang sich der Name »Margarethe« von seinen Lippen los. Dieser Name brachte die unglückliche Frau zum Bewußtsein. Sie hatte keine Worte mehr, sie rang die Hände flehend gegen ihre Peiniger; aber eher hätte sie beim Tiger Erbarmen gefunden. Die Bauern stießen den Grafen vorwärts. Jacob Lentz, ein geweihter Priester, der jetzt als Feldschreiber den Bauern diente, hörte ihn beichten und empfing seinen Rosenkranz. Zwei Bauern führten ihn darauf in ihrer Mitte vor die Gasse. Einer seiner früheren Günstlinge, Melchior Nonnenmacher, ein Pfeifer von Ilsfeld, der die Zinke blies, trat vor ihn, nahm ihm Hut und Feder vom Kopf mit den Worten: »Das hast du nun lange genug gehabt, ich will auch einmal ein Graf sein! Habe ich dir einst lange genug zu Tanz und Tafel gepfiffen, so will ich dir jetzt erst den rechten Tanz pfeifen.« Damit schritt er vor ihm her und blies lustig bis vor die Gasse. Urban Metzger von Waldbach stieß ihn an gegen die Spieße. Beim dritten Schritt schon stürzte der Graf zu Boden, von vielen Stichen durchbohrt. Die Gräfin stand wie ein Marmorbild, eine Niobe, die der ungeheure Schmerz entgeistert.

Helfenstein's Knappe, Bleiberger, und sein Hausnarr folgten ihm, darauf die übrigen Ritter, noch verhöhnt auf ihrem letzten Gange. Die Reiterbuben wurden mit Spießen in die Höhe gehoben.

Aber es war noch nicht genug des blutigen Grauses. Noch der Leichnam des Grafen wurde geschändet und mißhandelt. Melchior Nonnenmacher nahm das Schmalz von ihm und schmierte seinen Spieß damit. Die schwarze Hofmännin, die. im Ruf der Zauberei stand, stach ihm ihr Messer in den Bauch und schmierte sich mit dem herauslaufenden Fett die Schuhe. Einer steckte die Helmfeder des Grafen auf seinen Hut. Jäcklein legte den Koller und die damastenen Schauppen des Grafen sich selbst an, trat vor die Gräfin und sprach: »Frau, wie gefall' ich Euch jetzt in der damastenen Schauppe?« Die Arme hatte selbst keine Thränen mehr!

Rohe Gesellen nahmen der Gräfin ihr Geschmeide und ihre Kleider, und zerfetzten ihr noch den Rock, den sie am Leibe trug. Man setzte sie auf einen Mistwagen mit ihrem verwundeten Kind und ihrer Zofe. Spottend riefen sie zu ihr hinauf: »In einem goldenen Wagen bist du nach Weinsberg eingefahren, in einem Mistwagen fährst du hinaus.«

»Ich habe viele Sünden;« antwortete die edle Dulderin. »Christus, mein Herr, ist auch am Palmtag unter dem Jubel des Volks eingezogen, und bald darauf hat er Spott und Kreuz leiden müssen, nicht um seiner, sondern um Andrer Sünden willen; der tröste mich.« Sie drückte ihr kaum noch athmendes Kind an ihre Brust und fuhr von dannen gen Heilbronn. Sie that ein Gelübde, wenn Gott diesem ihren Sohn aufhelfe, solle er geistlich werden. Sie begab sich bald darauf nach Lüttich, wo ihr Bruder, Georg von Oesterreich, Bischof war, und starb nach zwölf Jahren. Ihr Sohn trat, wie sie gelobt, in den geistlichen Stand.

Als die Morgensonne die Rebenhügel des Nektars mit ihrem goldnen Lichte übergoß, war die Blutthat vollendet. Da sprengten zwei Reiter heran, Florian Geyer und Wolfenzahn. Mit einem Blick hatten sie die gräßliche Scene übersehen. Heller Zorn sprühte aus Wolkenzahn's Augen. »Verfluchte Mordbuden!« rief er, »was habt Ihr gethan?«

»Hoho, nicht so hochfahrend!« war die höhnende Antwort. »Unsere Spieße haben noch Platz!« Dauert Euch das adlige Blut?«

»Zerreißt mich, zertretet mich!« rief Wolfenzahn wuthschnaubend dagegen. »Eher will ich den Tod leiden, als noch einmal den Arm erheben für Euch!«

»Ein Verräther!« rief es dagegen. »Reißt ihn in Stücke! Durch die Spieße mit ihm! Es ist ein Edelmann! Er hat auch geschunden und geschaben!«

»Zurück« donnerte Florian Geyer. »Ihr habt die heilige Sache geschändet! Dieses Blut komme über Euch!«

»Recht, recht, Herr Ritter!« höhnte Jäcklein. »S kann's doch Keiner vergessen, der einmal adlig gewesen ist! Ihr sollt auch die Verantwortung nicht haben! Wir haben gehandelt, während Ihr ruhtet. Geht zu Eurer schwarzen Schaar, ob sie nicht neidisch ist auf den Ostertanz, den wir gehalten!«

Geyer riß sein Roß herum, ergriff den Zügel von Wolfenzahn's Pferde und sprengte in das Lager der Seinigen zurück.

»Mein Wort ist gelöst!« sagte Wolfenzahn. »Ich erhebe keine Hand mehr für diese Bluthunde! Laß mich ziehen oder gieb mich den Mördern Preis; verflucht sei der Schwertstreich, den ich noch für Euch führe!«

»Wer kann aufrichtiger den Vorfall betrauern, als ich!« entgegnete Geyer. »Es ist ein ewiger Blutfleck, der nimmer rein zu waschen. Aber was haben jene Mordbuben mit der Sache gemein, der wir dienen? Wolfenzahn schau' in dein vergangenes Leben zurück! Hast du keine Blutschuld auf dem Gewissen? Die friedlichen Wandrer, die du niederwarfst, hatten sie mehr verbrochen, als diese Herren, die grausam über ihre armen Bauern schalteten?«

»Aber das waren Krämer, Gesindel!« erwiederte Wolfenzahn.

Geyer warf einen langen, verachtungsvollen Blick auf ihn. »Du magst ziehen!« sprach er dann. »Die Sache der Freiheit ist dir fremd, keine Ader in deiner Brust schlägt für sie. Ich werde einen Vorwand nehmen, dich abzusenden, und dann magst du nimmer zurückkehren. Aber hüte dich, daß ich dich jemals unter den Feinden treffe!« Nach kurzer Zeit flog Wolfenzahn mit seinem Knappen davon. Er grüßte Geyer kurz, der sich verächtlich von ihm abwandte. –

Die Hauptleute der Bauern hielten eine Rathssitzung. Florian Geyer trat darin auf mit zorngerötheten Wangen und sprach sich mit lauter Mißbilligung über die Blutthat Jäcklein's aus. »Vor dem ganzen deutschen Lande stehen wir am Pranger als feige Mörder!« rief er. »Wer will sich fürderhin noch mit Vertrauen zu uns wenden, wenn wir schlimmer sind als wilde Thiere? Das Joch der Herren, wird man sprechen, wollen sie abwerfen und ein grimmigeres Joch aufladen. War nicht Blutes genug geflossen, also daß wir der Wehrlosen verschonen konnten?«

»Wasch' mir den Pelz und mach' ihn nicht naß!« antwortete Jäcklein höhnend. »Nehmen die Herren etwa so zarte Rücksichten? Sie schlachteten den frommen Jakob Wehe und siebentausend unsrer Brüder bei Wurzach! Und hielt etwa der Helfenstein Treu ' und Glauben gegen uns? Während er mit uns zum Frieden sprach, fiel er uns meuchlings in den Rücken! Die Rache war glimpflich! Er hätt' einen neunzigfachen Tod verdient!«

»Und Ihr denkt Alle so?« fragte Geyer in die Runde. Die Meisten schwiegen. Wendel Hipler meinte, die Rache sei wohl gerecht, aber unklug, da sie die Edelleute zurückschrecke, in die christliche Verbrüderung zu treten.

»Also darum?« rief Florian Geyer bitter. »Ihr verabscheut das Böse nicht, weil es bös ist, sondern weil es Euch Nachtheil bringt! Mit ganzer Seele bin ich dafür, daß die Edelleute herabsteigen sollen von ihren Burgen, daß sie unseres Gleichen werden sollen; aber Ihr sollt menschlich sein gegen die Besiegten und Euch nicht in dem Blute Wehrloser baden! Hinfort kann ich nicht mehr unter Euch sein! Ich trenne mich von dem hellen Haufen mit den Meinen, doch will ich nicht aufhören für die heilige Sache zu fechten!«

Dieser Entschluß beachte große Aufregung hervor. Die Meißen wußten, welche Stütze sie an dem kriegserfahrenen Führer der kampfgeübten schwarzen Schaar hatten, und baten ihn zu bleiben; doch war er unerschütterlich.

»Laßt ihn ziehen!« sprach Georg Mezler endlich. »Wir finden wohl einen wackern Mann, der zu uns hält! Der Götz von Berlichingen wird unser Führer!«

»Recht, ihr Verblendeten!« sprach Geyer. »Stellt nur einen falschen Priester in Euer Heiligthum! Mög' es Euch nie zum Schaden werden!« Er ging, und bald hörte man den Abzug der schmerzen Schaar.

Es ward nun näher berathen, ob man den Ritter mit der eisernen Hand zum Hauptmann wählen solle. »Er vermöge die Edelleute zu ihnen zu bringen,« sagte Wendel Hipler, »und man müsse eilen, mit ihnen wieder anzuknüpfen, da die Blutrache von Weinsberg sie scheu gemacht.« Jäcklein widersprach vergebens, sein Rath wurde nicht gehört, ja man ließ sich noch mit harten Reden gegen ihn aus. Aufgebracht trennte endlich auch er sich von dem hellen Haufen.

Dieser rückte nun, nachdem er sich nach die Grafen v0n Löwenstein unterworfen, verabredeter Maßen unter Georg Mezler's Befehl, auf die freie Reichsstadt Heilbronn, um sich von dort nach Franken zu wenden.

Der Bluttag von Weinsberg verbreitete namenloses Entsetzen durch die deutschen Gauen. Die Grafen von Hohenlohe versprachen auf's Neue unverbrüchliche Treue, und Georg Mezler ließ ihren Reisigen Handgelübde abnehmen. Die Grafen sandten dem hellen Haufen zwei Nothschlangen und einen halben Centner Pulver nebst einem höflichen Schreiben. Die innere Zwietracht aber, welche die Kraft des Bauernheeres spaltete, war die schlimmste Frucht, die aus Jäcklein 's blutiger Saat erwuchs.


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