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VI.

Herzog Ulrich von Würtemberg glaubte die Zeit reif, sein verlorenes Herzogthum wieder zu gewinnen. Schon im December des vorigen Jahres hatte er sich Nachts in seine Feste Hohentwiel geworfen, welche der Sammelplatz für die ihm zuziehenden Fähnlein werden sollte. Als sich der Aufstand im Hegau zu regen begann, schrieb Hans von Laubenberg an den von Ehingen: »Du wirst sehen, es wird bald ein großer Haufe daraus; als ich achte, ist es des Manns zu Twiel Praktik.« –

In der That aber besaß Ulrich wenig oder gar keinen Einfluß auf die Hegauer welche namentlich noch durch die Trümmer des armen Konrad, die sich hieher geflüchtet, gegen den Herzog eingenommen wurden. Selbst daß er persönlich bei den Bauern umherritt und ihnen vorspiegelte, auch er begehre des göttlichen Rechts, wie sie selbst, war von geringem Nutzen. Er ging deshalb wieder in die Schweiz und warb dort mit größerem Erfolg. Als er wieder auf dem Schauplatz erschien, schloß Hans Müller von Bulgenbach im Namen der Hegauer und Schwarzwälder gegen Zugeständnisse einen Vertrag mit ihm ab. Es zogen ihm nun sieben Fähnlein aus dem Hegau, der Höri und der Waldgegend zu, die sich bei Hilzingen, Steißingen und in der Baar sammelten. Mit ihnen und vierhundert Bauern, dreihundert Schaffhäusern, Fähnlein aus Solothurn, dem Thurgau, dem Aargau und anderen Knechten beschloß er, den Feldzug zu eröffnen. Seine ganze Streitmacht bestand aus sechstausend Mann zu Fuß und zweihundert zu Pferd mit drei großen Karthaunen, drei Schlangen und vier Falkonetlein.

Truchseß Georg von Waldburg, als oberster Feldhauptmann des Schwabenbundes versuchte zuerst die List, ehe er dem geächteten Herzog mit gewaffneter Hand gegenübertrat. Die Hegauer suchte er durch gütliche, vortheilhafte Anerbietungen zu beruhigen; er versprach Amnestie für Alles und seinen Beistand Allen, die Beschwerden gegen ihre Obrigkeiten hätten. Wo Versprechungen nicht ausreichten, griff er zu gewaltsamen Maßregeln. Einen versammelten Haufen Hegauer überfiel er mit zweihundert auserlesenen Reitern, sprengte sie aus einander und ließ die Gefangenen in Eisen legen. Die andern Bauernschaften legten ihre Waffen ab, nahmen den Vertrag an und stellten sich diesem gemäß nach Stekach. Einer um den Andern wurde nun in den Thurm gelegt, alsbald aber wieder, wie auch die früheren Gefangenen, frei gelassen, als sie neu gehuldigt hatten.

Herzog Ulrich saß in seinem Feldlager zu Dotternhofen bei Balingen; eine schlichte Bauernstube hatte er sich zur Wohnung ausersehen. Dort saß er auf einem rohgearbeiteten harten Sessel, den Kopf sorgenvoll in die Hand gestützt. Am Fenster stand Wolfenzahn und schaute hinaus auf das bunte und laute Treiben der Schweizer Söldner und der Landsknechte, die in ihrer zügellosen Heiterkeit einen grellen Gegensatz bildeten gegen den düster in sich gekehrten Herzog. »O über diese Memmen,« knirschte Ulrich, »den Köter des schlauen Walburgers anzubeißen!«

»Es sind Bauern, Herr Herzog!« bemerkte Wolfenzahn verächtlich.

»Wahr, wahr!« versetzte jener heftig. »Gott verdamme mich, hätten wir andre Hülfe gehabt, ich hätte das Gesindel nicht des Blicks gewürdigt. Auch der aufgeblasene Bauerngeneral, der Müller, scheint mich hintergehen zu wollen! Wo sind die Tausende, die er mir versprochen? Ein Paar elende Fähnlein hat er gesendet! Und doch hab' ich mich bereit erklärt, ihre aufrührerischen Artikel in meinem Lande anzunehmen!«

»Ihr habt viel geopfert für sieben Fähnlein, die Reißaus nehmen, wenn der Feind sich blicken läßt!« sagte der Ritter. »Merkt auf, was die Bauern Euch nützen werden! Ich hätte dem Müller seine Artikel in's Gesicht geschleudert, die den Adel verhöhnen durch wahnsinnige Forderungen, die kein Edler dem Gesindel zugestehen wird!«

»Die Welt ist aus ihren Angeln gerüttelt, Wolfenzahn!« seufzte Ulrich. »Doch wird auch wieder eine andere Zeit kommen. Nähme der Bund seines Vortheils wahr, so säß' ich nicht hier, sondern wollte wohl den Pöbel zu Paaren treiben! Aber Geduld! Ulrich von Würtemberg vergißt keine Schmach, die ihm widerfahren!« Er richtete sich hoch auf und seine Hand ballte sich krampfhaft.

»Vergessen? das ist das Wort, das auch ich in meiner Sprache nicht kenne!« erwiederte der Ritter.

»Wo nur dein Bube bleibt!« sagte der Herzog nach einer Pause.

»Ich wollt', er wäre zurück!« antwortete Wolfenzahn. »Wenn ihm die Bündischen ein Leides zufügten! Ich gesteh' Euch, der Bube ist mir werth, und ich gab ihn ungern zu der gefährlichen Sendung; doch ich kannte keinen Treueren. – Doch ha! da kommt er! Die Schweizer umringen ihn, beschauen ihn! Was soll das tolle Gelächter? Und dort die Larven? Sind Eure Kriegsleute Narren geworden?«

»Sie feiern Fastnacht!« gab der Herzog zurück. Nach wenigen Minuten trat der Bursche herein, dem wir schon im Allgäu in der Begleitung des Herzogs und Wolfenzahn's fanden. Jetzt erst zeigte sich, daß sein Gewand an mehreren Stellen absichtlich zerschnitten war. Sein braunes Gesicht war von der Anstrengung des langen Rittes geröthet.

»Was ist dir widerfahren, Bruno?« fragte der Herzog, die Stirne runzelnd.

»Ach, Herr!« entgegnete der Bube, »die Bündischen spielten mir schlimm mit. Als ich vor die Herren in Ulm geführt wurde, höhnten sie mich aus, fragten mich, ob Ihr seinen bessern Ritter hättet, als mich, Herr Herzog, nahmen Euern Absagebrief lasen ihn und warfen ihn verächtlich zur Seite. Dann ließen sie mir fünf blanke Gulden reichen und zerschnitten mir den Rock. Ihr solltet daran sehen, sagten sie, daß der Brief richtig angekommen. Am Ende gaben sie mir noch ein Geleit, damit kein Hund Euren Abgesandten beiße, meinten sie!«

Dunkler Purpur überzog das Antlitz des Fürsten, seine Augen sprühten Blitze. »Gottes Marter!« rief er. »Also beantworteten sie meinen Absagebrief? O daß ich doch über sie fahren könnte mit feurigen Heerschaaren, und sie verbrennen sammt ihrem Krämernest! Ha, aber noch bin ich Würtemberg, und ich will diese Schmach ihnen heimzahlen mit tausendfaltigem Zins! Gieb her ihre blanken Gulden und laß' dir von meinem Seckelmeister das Doppelte reichen.« Er riß das Fenster auf und warf die Münzen hinaus. »Krieger!« rief er. »Das schicken Euch die Herren von Ulm, um Schwefel und Pech zu kaufen, ihnen den rothen Hahn auf's Dach zu setzen!«

Jauchzend haschten die Söldner nach den blanken Münzen. »Hoch Ulrich von Würtemberg!« riefen sie. Wolfenzahn schaute dem Gebahren lächelnd zu. –

Als Truchseß die Hegauer beschwichtigt hatte, zog er mit dreihundert Reitern und siebenhundert Mann zu Fuß dem Herzog nach. Noch unterwegs begegnete er einem Fähnlein Bauern aus dem Hegau, welches dem Herzog zuziehen wollte, sprengte sie und eroberte ihr Fähnlein, schwarz und roth, mit einem weißen Kreuz in der Mitte. Am Abend kam er über die Lochen hervor, ein Bergvorsprung, der wie ein senkrechter Fels gegen die Stadt Balingen abstürzt. Als er von hier aus das Lager des Herzogs übersah, bemerkte er, wie einige Hunderte Schweizer und Schwarzwälder auf einen Acker zogen und Gemeinde hielten. Gleich darauf sah man sie in das Dörfchen Weilheim, das unten am Lochenstein liegt, abziehen. Als er mit dem Vortrab die Lochensteige hinab kam, sahen ihn die Bauern und eilten dem Lager des Herzogs zu. Truchseß raffte aber an fünfzig Reiter zusammen, fast lauter Grafen und Herren, und verrannte den Flüchtigen den Weg, daß sie hinter einen Graben flüchteten und knieend um Gnade baten. Truchseß aber ermahnte sie, sich um Leid und Leben zu wehren, setzte mit seinen Reitern über den Graben und richtete ein entsetzliches Blutbad an. Als der Lärm den Herzog erreichte, rief er seine Söldner unter die Waffen und rückte aus; doch Truchseß hatte sich schon nach Edingen zurückgezogen. Noch in der Nacht aber zog der größere Theil der Schweizer heim. Sie trauten dem Kriegsglück des vertriebenen Herzogs nicht, der überdies zu arm war, um ihre habsüchtigen Ansprüche zu befriedigen.

Ulrich knirschte, als er diese Treulosigkeit vernahm; aber noch gab er sein Unternehmen nicht auf. Er rechnete auf die Sympathieen, die er unter seinen Würtembergern finden wurde. Mit Freuden würden sie, so schmeichelte er sich, dir Fremdherrschaft abwerfen und zu ihrem angestammten Herrscher zurückkehren. Aber er täuschte sich. Die Wunden des armen Konrad waren noch nicht vernarbt, und Ulrich, als er sich an der Spitze eines Heeres sah, vergaß die angenommene Rolle und zeigte sich als Herzog. Die aufgestandenen Bauern, die zu ihm hielten, verließen ihn nun, und auch die Würtemberger, die von den Schweizer Söldnern viel Drangsal zu erdulden hatten, wandten sich von ihm ab und Müller von Bulgendach zu, der mehr in ihrem Interesse zu handeln wußte.

Dennoch gelang es dem Herzog, Balingen zu besetzen, wo er die ihm noch treugebliebenen Schweizer schwören ließ, die Würtemberger hinfort als Freunde zu behandeln. Mit den Trümmern seines Heeres zog er nun rasch vorwärts gegen Herrenberg. Und je weiter er kam, desto geneigter fand er die Herzen, ihm wieder in alter Treue anzuhängen. Die österreichische Regierung hatte sich keine Freunde erworben.

Truchseß Georg durchschaute seinen Plan und eilte, die Plätze vor ihm bis Stuttgart zu besetzen. Zwischen Rottenburg und Tübingen trafen seine Streitkräfte zusammen und bildeten ein ansehnliches Heer von siebenhundert Reitern und vierzehntausend Fußknechten. Die eilf würtembergischen Fähnlein aber, die darunter waren, zeigten wenig Lust, gegen Ulrich zu fechten, und auch die Herrenberger ließen die Besatzung, welche der Truchseß schickte, nicht ein.

Ulrich's Ankunft bezeichnete eine Flammensäule. In dem Dörflein Rebringen hatte er drei Häuser in Brand gesteckt, als Sühne für drei Knechte, die ihm hier getödtet wurden. Als er gegen die Stadt kam, thaten die Herrenberger drei Schüsse aus Doppelhaken gegen ihn; in demselben Augenblick zog auch der Truchseß von der Höhe herab. In voller Schlachtordnung entfaltete sich sein Heer. Dreißig Trommeln wirbelten; die Sonne spiegelte sich in den Harnischen des Kriegsvolkes, und zwei und dreißig Fähnlein flatterten im Wind über ihren Haufen.

Herzog Ulrich hatte sich vor der Stadt gelagert und sein Geschütz gegen dieselbe gerichtet. Das würtembergische Panier mit dem Hirschgeweihe entfaltete sich in seiner ganzen Pracht über dem kleinen Häuflein, dem der Feind an Zahl so furchtbar überlegen war. Als Truchseß Georg nahe genug gekommen war, ließ der Herzog sein Geschütz wenden und dreimal auf die bündische Reiterei abfeuern, ohne daß es jedoch Schaden that, weil es zu hoch gerichtet war. Mit einem Schlage hatte der Truchseß den Feldzug wahrscheinlich hier geendet, wäre er der Treue seiner Truppen versichert gewesen. Als er aber das würtembergische Aufgebot in die Stadt werfen wollte, weigerten sie sich deß und wandten sich bis zum nächsten Dorfe Gültstein, wo die bündischen Knechte aufgestellt waren. Mit ihren Wagen zogen sie an diesen vorüber in ihr altes Lager auf dem Osterberg. So fand sich Herr Georg endlich bewogen, sich nach Tübingen und Rottenburg zurückzuziehen Alsbald nach seinem Abzug ergab sich Herrenberg an Ulrich, der diese Nacht noch in dem nahen Gärtringen lagerte und am andern Morgen Böhlingen und Sindelfingen ohne Schwertstreich einnahm. Auch Leonberg gewann er und schlug sein Hauptquartier in Sindelfingen auf.

In Ulrich's Lager ging es lustig her, gleich als habe man das Herzogthum schon erobert und Herzog Ulrich sitze auf dem Throne seiner Väter. Die Schweizer und Landsknechte hatten in den Kellern des Klosters einen reichen Vorrath von Wein und Bier gefunden, ein großes Faß edlen Gerstensaftes auf den Hof gewälzt, und lagerten darum her, singend und zechend, dem Herzog ein Hoch nach dem andern ausbringend. Die keine Becher hatten, tranken aus ihren Eisenhauben, und in kurzer Zeit waren die Gesichter geröthet, die Geister aufgeregt.

Eine Schaar Landsknechte lagerte beisammen und sang mit schallenden Stimmen ein damals vielgesungenes Lied von der Pavier Schlacht.

»Was woll'n wir aber heben an,
Ein neues Lied zu singen,
Wohl von dem König aus Frankenreich,
Mailand das wollt er zwingen,
Das geschah, da man zählt Tausend Fünfhundert Jahr,
Im fünf und zwanzigsten ist's geschehen,
Er zog daher mit Heereskraft,
Hat mancher Landsknecht gesehen.
Er zog vor eine Stadt, die heilt Mailand,
Dieselbig that er zwingen,
Danach vor eine Stadt die heißt Pavia,
Er meint, er wollt's gewinnen,
Darin lag mancher Landsknecht frisch,
Das hätt' der König verschworen,
Er sprach, sie sollten die Stadt aufgeben,
Sie wären sonst schon verloren.«

Nun wird der Gang der Schlacht erzählt, die Tapferkeit des Ritters Jörg von Frondsberg und der frommen Landsknechte, und es endet mit einem Spott auf die Schweizer.

»Schweizer, du – mir ein Dreck aufs Roß,
Und fünfzehn im Gnebelbarte,
Ich mein', wir haben dich baar bezahlt,
Zu Pavi im Thiergarten
Du sprichst, ich berühm' mich eigner Schand',
Das ist wahrlich erlogen,
Du hast dem Franzos verloren Land und Leut,
Bist schändlich von ihm geflohen.«

Die Schweizer, welche schon beim Beginn des Liedes unter sich gemurrt und durch Zischen und Schreien es zu unterbrechen versucht hatten, brachen jetzt in ein lautes Getümmel aus. »Schlagt sie todt, die wüsten Lotterbuben!« rief es. »Nieder mit den Hunden! Schändlich verlogen ists!«

»Haltet zusamm', Ihr frommen Landsknecht'!« erscholl es dagegen. »Last sie nur herkommen, die Kühmelker! Herr Jörg von Frondsberg hat uns fechten gelernt!«

»Hol' den Tüfel Euern Jörgen!« schalten die Schweizer. – »Was? Hole der Teufel Euch selbst, Ihr Creaturen, die nur fressen und saufen, aber nicht fechten können!« Schon begann der Zwist in Thätlichkeiten auszuarten, während eine kräftige durchdringende Stimme den letzten Vers jenes Liedes sang:

»Der uns das Liedlein neues sang,
Von ne wem hat gesungen,
Das hat gethan ein Landesknecht gut,
Den Reyen hatt er gesprungen,
Wann er ist auf der Kirchweih gewest,
Der Pfeffer ward versalzen,
Man richt ihn mit langen Spießen an,
Mit Hellebarten geschmolzen.« –

als Ritter Wolfenzahn mit klirrendem Schritt unter sie trat und eben nicht mit sanften Worten Frieden stiftete. Die Schweizer zogen sich murrend zurück, die Landsknechte umringten ihn jubelnd und Einer bot ihm einen gefüllten Becher. Wolfenzahn ergriff ihn nach kurzem Zögern. »Würtemberg alleweg!« rief er und leerte ihn in einem Zuge; brüllend ward der Ruf wiederholt. Er schritt nun nach dem Quartier des Herzogs.

Ulrich, stolz wie ein Sieger, gab seinen Landeskindern Audienz, die von allen Seiten herzuströmten um ihm zu huldigen. Das Würtemberger Panier war vor seiner Wohnung aufgepflanzt, und es war ein fröhliches Gedräng. Diejenigen, welche schon gehuldigt hatten, rühmten die Leutseligkeit des Fürsten, wie seinen adligen Anstand. »Ich glaub' wirklich,« sagte der Eine, »daß wir hinfort einen guten Herrn an ihm haben werden. Er sieht wohl ein, daß er sich auf Niemanden verlassen kann, als auf uns Bauern. Seine Ritter sind alle dem Bund zugefallen. Das Unglück hat ihn mürbe gemacht. Er wird's künftig mit uns halten.«

»So viel ist gewiß,« versetzte ein Anderer, »er ist bei allen seinen frühern Mucken doch ein würdiger Herr! Wie majestätisch er bei aller Leutseligkeit drein schaut! So kühn, als sei er nie von Land und Leuten vertrieben gewesen. Ja, ja, es ist Würtemberger Blut! Was haben wir von dem Oesterreicher? Der liebt uns nicht, denn er ist ein Fremder!«

»Ist's denn wahr, daß der Herzog die zwölf Artikel angenommen hat?« fragte ein Dritter. »Hat er's Euch gesagt? Hat er sie beschworen?«

»Wir wollen's hören, wir wollen's hören!« riefen viele Stimmen. »Es soll ihm Einer unsre demüthige Bitte vortragen! Die zwölf Artikel! Die zwölf Artikel!«

»Da erschien der Herzog am Fenster. Alle Mützen flogen in die Luft und das Geschrei: »Hoch Herzog Ulrich von Würtemberg!« veranlaßte ihn, durch ein freundliches Kopfnicken zu danken »Die zwölf Artikel! erhob sich wieder eine Stimme. »Herzog Ulrich, sagt doch, wie heißt der erste Artikel?«

Ueber Ulrich's Stirne flog ein Schatten des Unmuths, aber er beugte sich heraus und sprach mit vernehmlicher Stimme: »Zum Ersten ist unsere demüthige Bitte und Begehr, auch unser Aller Wille und Meinung, daß wir nun fürhin Gewalt und Macht haben wollen, eine ganze Gemeinde soll einen Pfarrer selbst erwählen und kiesen, auch Gewalt haben, denselben wieder zu entsetzen, wenn er sich ungebührlich hielte. Der erwählte Pfarrer soll uns das Evangelium lauter und klar predigen, ohne allen menschlichen Zusatz, Menschenlehre und Gebot. – Und wir,« fügte er hinzu, »versprechen solches treulich halten zu wollen, wenn uns der allmächtige Gott auf den Thron unserer Vater zurückführt!«

»Hoch Herzog Ulrich von Würtemberg!« jubelte der Haufe.

Wolfenzahn war ein Zeuge dieser Scene gewesen. Sein Stolz empörte sich im Namen des Herzogs, dessen Nachgiebigkeit ihm als Demüthigung erschien. Als Ulrich sich wieder zurückgezogen, redete er ihn also an: »Durchlaucht, wollt Ihr noch immer meinen Bitten nicht nachgeben und Euern Zug fortsetzen? Ich weissage Euch Schlimmes. Schon herrscht Zwietracht unter den Truppen und die Völlerei wird sie entnerven.«

»Soll ich meine Unterthanen zurückweisen, die mir zu huldigen sich drängen?« entgegnete der Herzog. »O du weißt nicht, wie wohl es thut, nach langen Jahren der Verbannung die Liebe noch so ungeschwächt zu finden. Es sind meine Würtemberger, die mir unter der Fremdherrschaft ihre Treue bewahrt haben!«

Wolfenzahn unterdrückte ein spöttisches Lächeln. »Und allen gewonnenen Vortheil werdet Ihr dadurch verlieren!« sagte er. »Gott verhüte, daß meine Weissagung in Erfüllung gehe! Während Ihr hier noch vor dem Ziele auf Euern Lorbeern ruht, nimmt Waldburg seines Nutzens wahr und besetzt die Hauptstadt. Seht dann zu, ob diese Bauern nicht eben so schnell wieder von Euch abfallen, wenn Ihr flüchtig aus Euern Grenzen weicht! Laßt Euch huldigen in Eurem Schloß zu Stuttgart!«

»Wir werden morgen ziehen!« entschied der Herzog.

»Wenn es zu spät sein wird!« murmelte Wolfenzahn vor sich hin.

Und er hatte Recht! Der Truchseß übersah die Unklugheit des Herzogs nicht. Während die Bundesräthe darauf drangen, Tübingen, Kirchheim, Schorndorf und Göppingen zu besetzen, um die Bundeshülfe zu erwarten, bestand er darauf, das Kriegsvolk nicht zu trennen und sich Stuttgarts zu versichern, weil man mit dieser Stadt das Land im Besitz habe. Graf Ludwig von Helfenstein warf sich demnach mit gutem Geschütz, sechszehnhundert Fußknechten und sechshundert Reitern in die Hauptstadt, ehe Ulrich nur an die Möglichkeit dachte. Ulrich hatte sich im Schloß zu Stuttgart schon ein Bett aufmachen und in die Stadt sagen lassen, er werde die nächste Nacht darin schlafen. Mit Schrecken erkannte er nun seine Unbesonnenheit. Er ließ die Stadt auffordern, aber so sehr die Bürger auch geneigt sein mochten, den angestammten Herrscher aufzunehmen, so hielt sie doch die große bündische Macht im Zaum. Helfenstein versammelte die Landsknechte und sprach: »Liebe fromme Landsknechte, des Herzogs Trompeter ist hier, und will die Stadt überantwortet haben. Nun weiß Jeder männiglich wohl, das wir Kaiserlicher Majestät, auch Kaiserlicher Majestät Herrn Bruder Stadt und Land zu schirmen geschworen haben, und so will ich thun, wie ein wohlgeborner Herr, und will bei Euch lassen Leib, Ehr ' und Gut, und der Erste am Feinde sein, und da sterben und genesen. Wer das mit mir thun will, der hebe die Hand auf.« Alle Knechte schwuren ihm mit gehobenen Händen zu, und Helfenstein rief freudig: »Nun, liebe Landsknecht', nun wollen wir den Schweizern den Köbel binden!« Auf gleiche Weise sprach er auch zu den Stuttgarter Bürgern, aber nicht zwanzig schworen ihm zu.

Herzog Ulrich begann die Belagerung. Aber da er sein schweres Geschütz in Balingen zurückgelassen, that er keinen großen Schaden. In vier Tagen erschoß er nur etwa siebzig Mann von der Besatzung. Die Stadt hatte aber noch einen Feind in ihren Mauern; es war der Henker, der auf einem Thurm der Stadtmauer wohnte, und dem Herzog zu gut sieben Knechte in der Stadt erschoß. Er that als käme das Geschütz von außen her.

Ulrich ritt durch die Reihen der Seinigen und befeuerte sie zu Muth und Ausdauer. Sein Kampfruf: »Hie Würtemberg alleweg!« klang begeistert, aber nicht begeisternd. Am vierten Tage der Belagerung bemerkte er eine große Aufregung unter den Schweizern Als er nach der Ursache fragte; traten die Hauptleute ihm entgegen und meldeten ihm, daß die Cantone ihre Unterthanen zurückriefen. Des Königs Franz von Frankreich Niederlage vor Pavia hatte die Cantone geschreckt und sie widerstanden der Forderung Oesterreichs nicht länger. Ulrich erblaßte. Er machte große Versprechungen, aber die Schweizer schüttelten den Kopf. Es war ihnen bei Strafe an Leid und Gut geboten worden. Ulrich mußte sich in das Unvermeidliche ergeben. Mit tiefem Schmerz sah er, wie ein Fähnlein nach dem andern abzog. So mußte auch er an den Rückzug denken. Dem Henker war es gelungen, aus der Stadt zu entkommen, und er begab sich unter den Schutz des Herzogs. Dieser nahm ihn freundlich auf. »Hätten Alle gethan, wie du,« sagte er, »so wär' uns das baß zu Nutz gewesen.«

»Viele hättens wohl gerne gethan,« antwortete Meister Stöckel. »Es waren Euch auch nicht Alle so viel Dank schuldig denn ich. Ihr habt mir reichlich Verdienst gegeben in Euern bessern Tagen.«

Der Herzog biß sich aus die Lippen; denn er dachte an die Ursachen seiner Unglücks.

Wolfenzahn war entschlossen, sein Geschick von dem des Herzogs zu trennen, und er eröffnete ihm dies.

»Auch du?« rief Ulrich bitter. »Wie oft hast du mir nicht betheuert, daß deine Treue gegen mich uneigennützig sei! So lang ich hoffte, standst du zu mir, nun meine Hoffnung für diesmal vereitelt, fällst du ab!«

»Bei meinem Schwerte, nein!« entgegnete der Ritter. »Mich zieht ein wunderlicher Drang nach der Heimath zurück, obwohl ich dort nichts finde als Schutt und Trümmer! Habt Ihr nie vom Heimweh gehört?«

»Verstelle dich nicht!« versetzte der Herzog. »Sag' es grad' aus! Ich bin's ja gewohnt, daß meine Treuen mich im Unglück verlassen!«

»Ihr wäret nicht im Unglück, hattet Ihr meinen wohlmeinenden Rath befolgt!« sagte Wolfenzahn. »Ja, Herr Herzog, es ist ein andrer Grund, warum ich ziehe! Ich bliebe bei Euch, hattet Ihr nicht selbst verschuldet, daß Ihr nun wieder flüchtig werden müßt. Nicht dem Herzog, sondern vornehmlich dem kühnen Helden lieh' ich meinen Arm. Ich begehrte zu fechten, nicht in schnöder Ruhe zu liegen. Durch Zögern und Zaudern habt Ihr Eure Sache verdorben und Ihr hörtet nicht auf meine Warnung. Nun ist meine Weissagung eingetroffen. Was soll ich länger bei Euch? Ihr bedürft meiner Dienste nicht mehr!«

»So lebe wohl!« sagte der Herzog kurz. »Laß von meinem Seckelmeister dir auszahlen, was ich dir schuldig bin. Noch ist Würtemberg nicht todt! Das Unglück stählt den Muth! Ich zürne dir nicht, Wolfenzahn; lebe wohl!«

Er wandte sich ab. Mit wenig Getreuen floh er über die Grenzen seines Landes zurück, nachdem das kriegerische Fastnachtspiel so kläglich geendet. –

»Willst du mir denn noch immer folgen, du thörigtes Mädchen?« fragte Wolfenzahn seinen jugendlichen Knappen. Die verkleidete Zigeunerin erhob die großen dunklen Augen zu ihm und entgegnete traurig: »Willst du mich denn verstoßen?«

»Das sei ferne!« antwortete der Ritter. »Es wäre ein schöner Dank dafür, daß du mein Leben gerettet! Aber wer mag wissen, welche Gefahren auf mich lauern! Soll ich dich ihnen preisgeben? Du hast nur schon allzu viel mit dem heimathlosen Abenteurer erduldet!«

»Ich verlang' es nicht besser!« rief Ricca freudig. »Bin ich nicht heimathlos, wie du? Und du bist ein tapfrer Ritter, der in jeder Grafenburg willkommen! Ich würd' unterm Dach des Himmels schlafen müssen, wenn du mich verstießest! Wer nimmt die Zigeunerin auf, als der freundliche grüne Wald, der allein seine Arme schützend über sie breitet? Laß mich bei dir, ich verlange ja nichts mehr, als dir zu dienen, und zuweilen ein liebes Wort, und auch das nicht, wenn es dir nicht gefällt!«

»Treue Ricca!" sagte der Ritter sanft und reichte ihr die Hand, die sie mit Küssen bedeckte. Plötzlich starrte sie ihre Fläche an und rief prophetisch: »Ritter, ein gezücktes Schwert schwebt über deinem Haupte. Nur an einem Haare hängt's. Du mußt es fassen, wenn's dich nicht tödten soll!«

»Träumst du wieder?« lächelte Wolfenzahn. »In so unruhvoller Zeit, läßt sich nichts Anderes erwarten! Aber wenigstens will ich nicht unter den Händen der Bauern sterben!«

Allerdings hatte er die Bauern allein zu fürchten, deren Haufen das ganze Land durchschwärmten. So sehr er sie verachtete, so hütete er sich doch, mit ihnen zusammenzutreffen, und seine Reise ging nur langsam von Statten, weil er sie oft auf großen Umwegen umgehen mußte. Dennoch kam sein Schicksal über ihn; er war bis in die Gegend der Jaxt vorgedrungen, wo der Ritter Götz mit der eisernen Hand auf seiner Veste Hornberg am Neckar saß. Ihn, von dessen abenteuerlichem Leben er schon so viel gehört, ihn, den König der Wegelagerer wollte er heimsuchen, denn es gelüstete ihm wieder nach der wilden Freiheit, die er einst in seinen heimischen Bergen genossen. Wie er selbst haßte Götz die Pfaffen, die Krämer und Federhelden und liebte den freien Rittersmann, der die alte bidere Kraft mit in die neue Zeit geflüchtet.

Schon schimmerten ihm die Zinnen des Hornbergs gastlich entgegen, als er sich plötzlich von einem wilden Bauernhaufen umringt sah, der sich um ihn drängte und ihn eben nicht ehrerbietig fragte, woher er komme, wer er sei und wohin er wolle. Wolfenzahn antwortete trotzig und drohend, aber sein Drohen machte nicht den geringsten Eindruck. Man lachte darüber und Einer der Gesellen trat ihm näher und sagte mit Spott: »Ihr müßt fürwahr weit herkommen, weil Ihr nicht wißt, daß hier zu Land die Junker und Ritter nichts mehr gelten! Der Bauer ist Herr, der Bundschuh ist's Panier! Laßt um Gottes willen Euer Schwert stecken, es könnt' Euch zu Schaden gedeihen! Oder wartet, damit Ihr nicht in Versuchung gerathet, wollen wir's Euch abnehmen!«

»Nimmermehr!« rief Wolfenzahn zornflammend und seinen Stahl schwingend. Aber schon fasten kräftige Fäuste seinen Arm, und ehe er sich's versah, war er vom Pferd gerissen und befand sich in der Gewalt seiner Feinde. Er knirschte in ohnmächtiger Wuth bei dem Hohnlachen der Bauern.

»Was sollen wir mit dem Vogel beginnen?« fragte es unter den wilden Gesellen.

»Hängt ihn auf! Jagt ihn durch die Spieße! – Nein, schneidet ihm die Ohren ab und laßt ihn laufen! Wir fangen des Wildprets noch genug!« schrie es mit rohem Gelächter. Diese Musik tönte nicht angenehm in Wolfenzahn's Ohr. Wie ein leuchtender Hoffnungsstern erschien ihm daher eine hohe ritterliche Gestalt, vor welcher die Bauern ehrerbietig Platz machten. »Wer ist der Mann?« fragte der Ritter in wohlklingender Sprache und seine leuchtenden Augen schweiften über den Haufen.

»Ein Ritter, der das Schwert gegen uns zog, Herr Hauptmann!« war die Antwort.

»Laßt ihn los!« befahl er. »Und Ihr, Herr Ritter, erhebt Euch!« Wolfenzahn war schnell auf den Füßen und war zweifelhaft, wie er sich benehmen sollte. Hatte er nur einen gewöhnlichen Rebellenführer vor sich, so empörte sich sein Stolz dagegen, verbindlich zu antworten. »In wessen Macht befinde ich mich?« fragte er.

»In den Händen der christlichen Bauernschaft,« antwortete der Hauptmann. »Ihr ließet Euch hinreißen vom unklugen Trotz, Herr Ritter. Ich möchte nicht dafür stehen, was Euch widerfahren wäre, hatte mich nicht Euer guter Stern hergeführt.«

»So bin ich nun frei?« fragte Wolfenzahn.

»Nein!« war die Antwort. »Ihr wurdet mit gewaffneter Hand ergriffen; doch sichr' ich Euch ritterliche Gefangenschaft, bis Ihr Euch gelöst. Bis dahin seid Ihr unter meinem Schutz.«

»Und wer seid Ihr?« fragte Wolfenzahn.

»Florian Geyer, Hauptmann der christlichen Bauernschaft von Orenbach;« entgegnete der Andere. »Aus dem edlen Geschlechte der Geyersberge. Und Ihr?«

»Ich diente dem Herzog Ulrich von Würtemberg als freier Rittersmann!« versetzte Wolfenzahn. »Ich wollte den Ritter von Berlichingen heimsuchen.«

»Den findet Ihr unter uns;« antwortete Geyer.

»Wie?« staunte Wolfenzahn.

»Verwundert Euch dessen nicht!« erwiederte Geyer lächelnd. »Der Bauer ist in seine natürlichen Menschenrechte zurückgetreten, die ihm die Tyrannei bisher verkümmert, und ist bereit, sie mit seinem Blut zu besiegeln. Die Edlen stehen ihm bei in seiner gerechten Sache!«

Die Bauern sahen sich ungern ihre Beute entrissen, Geyer's letzte Worte versöhnten sie aber ganz wieder mit ihrem Hauptmann. Sie riefen ihm ein donnerndes Hoch. Wolfenzahn ritt an Geyer's Seite mit nach Schönthal, wo sich alle einzelnen Haufen und Fähnlein in dem hellen Haufen des Odenwalds und Neckarthals vereinigt hatten, um einen gemeinsamen Operationsplan zu besprechen und zu entwerfen. Die vornehmsten Helden des Aufstandes waren hier, Wendel Hipler, Jäcklein Rohrbach und Georg Mezler, der in der Geschichte des Bauernkrieges eine so furchtbare Rolle spielt.

Es war eben ein Schreiben der Grafen von Hohenlohe auf die von ihren Unterthanen vorgelegten Forderungen eingetroffen. Was die Artikel der Bürger zu Oehringen betreffe, schrieben sie, so würden sie ein gnädiges Einsehen haben, so weit es zulässig erkannt würde. Die Bauern möchten sich nicht auf die gedruckten zwölf Artikel berufen, denn diese seien von den Hochgelehrten der heiligen Schrift als unbegründet erkannt worden. Sie wollen den Bauern zu Gnaden gewähren, was von den Ständen des römischen Reichs, oder in den Kreisen Rheinland, Franken, Baiern und Schwaden geordnet würde. Sie wollen alle aus der Grafschaft Ausgetretenen wieder ausnehmen, wenn sie vor den zu Oehringen aus beiden Parteien wiederzusetzenden vierundzwanzig Männern zu Recht stehen würden, gegen sie, die Grafen, sollen sie das Recht nach dem Reichsgebrauche suchen, sie wollen Alles vergessen, wenn sie sich unterwürfen.«

Den Bürgern gefiel diese versöhnliche Sprache, die Bauern aber waren andrer Ansicht. Ein Bauernhauptmann, Wolf Gerber, sagte: »Die zwölf Artikel und um was wir sonst geschrieben, sollen angenommen werden, dann sollen die Grafen Frieden haben bis zur Reformation: wo nicht, soll man des Papiers sparen!«

Götz von Berlichingen ließ Worte fallen, daß er zu den Bauern treten wolle. Er vermöge die Edelleute zu ihnen zu bringen, denn sie seien eben so sehr von den Fürsten bedrängt, als die Bauern Das war man gern zufrieden und ließ das Besitzthum des Ritters mit der eisernen Hand ungekränkt. Wolfenzahn hatte eine lange Unterredung mit ihm.

»Die Welt ist im Sturm,« sagte Götz. »Wenn das Meer die Schiffe zerschellt, so rettet Jeder gern aus dem Schiffbruch, was er kann. Wir scheinen in fremdem Interesse zu handeln und handeln doch nur in eigenem. Hielt' ich mich zu den Fürsten und Herren, so würden die Bauern meine Burgen schleifen, und was böten jene mir dafür? Mag es ihnen wohl bekommen, den Glatzen und den aufgeblasenen Herren, die den freien Rittersmann zum Schemel ihrer Füße machen möchten! Ich habe mich mein Leben lang nicht mit ihnen vertragen! Mit den Bauern ist eher ein Auskommen! Ist der Sturm vorüber, so haben wir unser Schäflein in's Trockene gebracht. Wenn die Glatzen aus ihren reichen Pfründen verdrängt sind, so sind wir die Herren! Ich möcht' Euch rathen, Ritter, Ihr hieltet's mit den Bauern. Jene lohnen Euch mit glatten Worten und dünner Münze, hier giebt's was Rechtschaffenes zu erwerben!«

Wolfenzahn jedoch mochte sich nicht dazu verstehen. Als Götz ihn verlassen, trat Ricca zu ihm, sah ihm in's Gesicht und sprach warnend: »Greif' nach dem Schwert, eh' es dich tödtet!«

»Was willst du damit sagen?« fragte der Ritter betroffen.

»Dich warnen!« versetzte die Zigeunerin. »Die Bauern hüten dich mit scharfen Augen. Sie mißtrauen dir und werden dich nicht lebendig ziehen lassen, so du dich nicht zu ihnen bekennst! Das ist das Schwert, das du ergreifen mußt!«

Wolfenzahn mußte sich gestehen, daß diese Warnung nicht alles Grundes entbehrte. Wenn Florian Geyer auch den guten Willen hatte, ihn zu schützen, hatte er darum auch die Macht? Er sprach diese Besorgnisse gegen den Bauernhauptmann aus. »In der That kann ich Euch nicht verhehlen,« antwortete dieser, »daß Ihr ein Anstoß des Aergernisses seid! Von meinen Orenbachern habt Ihr nun zwar nichts zu fürchten, denn diese lieben mich, aber der helle Haufen besteht aus gar mancherlei Elementen! Ich möchte Euch daher aus guter Meinung den Rath geben, Euch für unsre Sache zu erklären. Auf der Seite unsrer Gegner habt Ihr weder Ruhm noch Vortheil zu erwarten. Alle Edle des Landes werden sich nach und nach gezwungen oder freiwillig zu uns schlagen, und wir werden nicht allein an Zahl, sondern auch an Muth die Ueberhand haben. Und ist es nicht ehrenvoller, für die Sache der Freiheit sein Leben auf's Spiel zu sehen, als für die Unterdrücker, die es Euch am Ende keinen Dank wissen?«

»Aber ein Ritterschwert den Bauern geliehen?« entgegnete Wolfenzahn. »Ich habe mein Leben lang den Bauer gering geachtet!«

»Daran habt Ihr Unrecht gethan!« versetzte Geyer. »Der Bauer ist ein edler Kern der Nation. Nur die Jahrhunderte lange Unterdrückung hat den Edelstein unscheinbar gemacht. Wo der Bauer nun in Rohheit ausbricht, da sind die Herren selbst schuld. Sie haben das Feuer des Hasses genährt, das sie nun verzehrt. Warum soll der Bauer weniger Antheil an dem allgemeinen Gute der Freiheit haben? Etwa weil er den Pflug führt und nicht das Schwert? Was aber würde aus den Schwertführenden werden, wenn der Pflug ruhte? Und verlangen die Bauern denn mehr, als was ihnen zuerkannt werden muß nach den ewigen Gesetzen der Menschheit und des Christenthums?«

»Ich habe mich nie darum gekümmert,« entgegnete Wolfenzahn, »aber wie ich die Bauern erkannte, so scheinen sie mir unwürdig, daß ein ehrlicher Rittersmann die Hand für sie an's Schwert legt.«

»Ihr gabt Euch nie Mühe, die Oberfläche zu durchschauen!« sagte Geyer »Ich stieg gern von meiner Burg und stellte mich an ihre Spitze, und ich machte ein Häuflein daraus, daß sich vor den besten Kriegsleuten nicht zu schämen braucht! Die neue Zeit hat das Vorurtheil gebrochen, das eine himmelweite Kluft zwischen dem Edlen und dem Bauer aufriß. Ich trat freiwillig zu ihnen und kämpfe für sie mit bestem Gewissen. Oder achtet Ihr die für höher, die es gezwungen thun?«

»Und was erwartet Ihr davon?«

»Für mich nichts, als mein gutes Bewußtsein!« antwortete Geyer groß. »Für das deutsche Volk aber das edelste Gut, die Freiheit! Wohl weiß ich, daß manche der Edelleute, die es jetzt schon mit den Bauern halten, allein aus Eigennutz handeln, ja diese trübe Quelle muß ich selbst unter vielen der Bauernführer selbst entdecken; aber wird darum die Sache schlechter, weil ihr Einige mit falschem Herzen dienen? Mit Freuden werd' ich Euch an meiner Seite begrüßen! Betrachtet mit unbefangenem Blick Eure Lage. Ich kann und darf Euch nicht freigeben ohne Lösung! Ihr würdet unsre Feinde um ein tapfres Schwert reicher machen!«

»Und was würde mein Loos sein?« fragte Wolfenzahn.

»Gefangenschaft!« entgegnete Geyer entschieden. Der Ritter schrak zusammen. Er schien sich zu bedenken, dann reichte er jenem die Hand und sagte: »Wohlan, ich bin der Eure! Doch Euch allein will ich folgen, mit jenem Mezler, Hipler und Rohrbach will ich nichts zu schaffen haben!«

»Ich heiße Euch mit Freuden willkommen!« sagte Geyer darauf. »Euer ritterliches Wort bürge mir, daß Ihr mit ganzer Treue zu uns halten wollt!«

»So sei es!« entgegnete Wolfenzahn. Geyer's »schwarzer Haufe« jubelte, als er vernahm, daß der fremde, mannhafte Ritter mit ihm kämpfen wolle. Wolfenzahn lachte bitter in sich hinein über sein Schicksal, das ihn zwang, mit denen und für die zu kämpfen, die er bisher zu verachten gewohnt war.

Der Haufe zog nach Neuenstein, wo Graf Albrecht von Hohenlohe saß. Dieser war gerade nach Langenburg geritten und ohne Widerstand nahmen die Bauern das Städtlein ein. Die Gemahlin des Grafen und ihre Diener nahmen sie gefangen. Alle Vorräthe an Frucht und Wein und alles Kriegsgeräthe nahmen sie mit sich. Darauf entboten sie den beiden Grafen, sie möchten zu ihnen kommen und sich mit ihnen vertragen; wo nicht, so würden sie das Städtlein und das Schloß und was darinnen wäre, auch andere Häuser des Grafen verbrennen. Nun begaben sich diese zu den Bauern. Aus dem Grünbühl, einem kleinen Weiler zwischen Waldenburg und Neuenstein, trafen sie im freien Feld mit den Hauptleuten der Bauern zusammen. Graf Albrecht schlug ein Schiedsgericht vor; aber die Bauern wollten davon nichts hören. Wendel Kres von Niederhall sagte: »Bruder Albrecht und Bruder Georg, kommet her und gelobet den Bauern, bei ihnen als Bruder zu bleiben und nichts wider sie zu thun. Denn Ihr seid nimmer Herren, sondern Bauern, und wir sind Herren von Hohenlohe, und unsers ganzen Heeres Meinung ist, daß Ihr auf unsere zwölf Artikel, weiche von Schönthal Euch zugekommen, schwören und mit uns aus 101 Jahre zu halten Euch unterschreiben sollt!« Die Grafen besannen sich und thaten das Handgelübde auf die zwölf Artikel, wobei sie die Handschuhe ausziehen mußten, während die Bauern die ihrigen anbehielten. Dem Vertrag gemäß mußten sie alle die sogleich ledig lassen, die sie wegen des Aufruhrs gefänglich eingezogen. Als der helle Haufen dies Ereigniß hörte, feierte er es mit zweitausend Flintenschüssen. Die schwarze Schaar zog unter Florian Geyer mit dem Hauptheer unter Georg Mezler und Jäcklein Rohrbach dem Neckarthale zu; Wendel Hipler war zum Canzler des hellen Haufens ernannt worden. Der erste Punct, den man in's Auge faßte, war das deutschordensche Städtchen Neckarsulm. Man wollte die Bauernschaften des Neckars an sich ziehen, dann sich in's Zabergäu wenden, das offen liegende Land Würtemberg in die christliche Vereinigung aufnehmen und dann nach Franken zurückgehen, um den Hauptschlag auszuführen. Alles war den Bauern günstig; kein Bundesheer bedrohte ihren Zug.

Als sie an Weinsberg vorüberkamen, forderten sie den Grafen Ludwig Helfrich von Helfenstein, der als Obervogt aus dem alten Welfenschlosse saß, auf, in ihre christliche Brüderschaft zu treten. Dieser aber, ein Liebling des Erzherzogs Ferdinand, hatte schon die österreichische Regierung zu Stuttgart um Verstärkung angegangen und erwartete sie stündlich. Während er nun, um Zeit zu gewinnen, mit den Bauern unterhandelte, that er ihnen im Rücken Abbruch, fiel über den Nachtrab, erstach ihrer viele und schädigte sie auf alle Weise. Er betrachtete sie als Rebellen, als wilde Thiere, gegen die das Kriegsrecht nicht gehalten zu werden brauche. Darob ergrimmten die Bauern um so mehr, als auch von andern Seiten die Kunde zu ihnen drang, wie die Herren unmenschlich mit ihren Brüdern verfuhren, welche das Unglück in ihre Hände lieferte.


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