Kurt Kluge
Die Zaubergeige
Kurt Kluge

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Schmalfuß deckte eilfertig einen Tisch im Hauptraum, schmückte ihn mit einem Blumenstrauß, stellte Sektgläser auf. Er trug den Weinkühler heran, legte das ledergebundene Preisverzeichnis handlich: »Ist denn die Besprechung da drin bald beendet?« fragte er Hasel und zeigte mit dem Daumen über die Schulter nach der Hinterstube.

Hasel nestelte an ihrer Bluse, versuchte den Riß in der Seide, an dem des Andreas Faustgriff schuld trug, mit einer Falte zu verdecken. Sie zuckte nur stumm die Schultern.

Der Wirt sah auf: »Haben die Herrschaften schon bestellt?«

»Bestellt? Die? Die verzehren nichts bei Ihnen, Herr Schmalfuß. Die leben von der Luft.«

Ärgerlich wies Schmalfuß die Angestellte auf ihre Pflicht hin: »Fragen Sie gefälligst, was man wünscht. 204 Und schlagen Sie die Getränkekarte so auf, wie sich's gehört: daß der Blick auf die Seite fällt, wo die Markensekte stehn!«

»Die Leute müssen Sie selber bedienen. Ich weiß nur mit Männern umzugehn. Nicht mit Verrückten.«

»Mit . . . was tun die denn in der Hinterstube?«

»Als ich rausging, hat der eine gebetet und der andre eine katholsche Heilige angerufen –«

Solche Gäste hatte Schmalfuß noch nicht bewirtet. »Lieber Gott«, sagte der Herr der Grotte erschrocken und legte das ledergebundene Preisverzeichnis wieder an seinen Ort auf der Anrichte.

Mit Hilfe einer Sicherheitsnadel hatte Hasel den Schaden an ihrem Kleid notdürftig gebessert. Sie setzte sich auf die Wandbank und sah vor sich hin: »Daß der Andreas zu so einer Klerisei gehört, hätte ich nicht gedacht.«

Schmalfuß aber zeigte auf den Riß in der Bluse: »Nun, vom Beten kommen solche Risse aber insgemein nicht.«

Hasel seufzte tief auf: »Das ist's doch. Er kann ganz vernünftig sein. Wie ein richtiger Mann. Wenn er auch manchmal so eine Art von Frömmigkeitsanfällen gehabt hat. Richtig durchgebrochen ist das bei ihm erst heute. Die andern haben ihn angesteckt. Lauter Verrückte.«

Fast sah es aus, als ob sie ein Tränchen wischte . . . »Hm hm«, sagte Schmalfuß, »schade um so einen talentvollen Klavierspieler. Aber geheuer war mir die Sache schon heute nachmittag nicht. Er hat Geige gespielt in der Hinterstube –«

»Geige?!«

Schmalfuß nickte: »Da habe ich's gemerkt – ein Gefühl fürs Schöne wie unsereiner hat der nicht. Am Klavier, 205 ja! Das war Stimmung, das war Musik! Die Geigerei aber –«

»Hätte ich die Geige nur in den Ofen geworfen. Dann hätt' ich ihn selber behalten.«

»Schade«, sagte Schmalfuß.

 


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