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XII.

Sie ritten jetzt Tag für Tag zum Edthof hinüber – Stephan, Helene und Elisabeth. Der Hof wurde umgebaut; Stephan hatte einen Architekten aus Linz kommen lassen, der den ungefügen, unschönen Bauernkasten in ein gemütliches Landschlößchen verwandelte. Die Wirtschaftsgebäude, die die eine Hälfte des ganzen Hofes ausmachten, wurden niedergerissen und an ihrer Stelle ein neuer Trakt aufgeführt. Das obere Stockwerk des stehengebliebenen Teiles wurde erhöht; auf der Front, die von den Linden bewacht wurde, eine ungeheuer vornehm wirkende Terrasse errichtet und über dem Mittelflügel ein wichtigtuender Uhrturm erbaut, der weit hinaus in das Tal verkündete, daß der alte bäuerliche Edthof zum Range eines aristokratischen Herrenhauses erhoben worden sei.

Elisabeth selbst überwachte die Arbeiten, und der junge Architekt, der sich natürlich Hals über Kopf in seine schöne Bauherrin verliebte, erklärte sich begeistert von den Anregungen, die sie ihm gab, von den Ideen, die sie entwickelte. Die Arbeiten schritten rüstig vorwärts, und man beschäftigte sich bereits mit der Frage der Inneneinrichtung.

»Ich kann doch unmöglich moderne Möbel hineinstellen«, sagte Elisabeth mit bekümmerter Miene.

»Da wird sich schon Rat finden lassen«, tröstete Stephan. »Ich werde einmal in der Nachbarschaft herumhorchen. Es gibt auf unseren Schlössern und in den alten Häusern vieles, was das Entzücken der Antiquitätenschacherer ausmachen würde. Ich weiß zum Beispiel einen sehr hübschen Empiresalon beim Grafen Lohnstein – dann haben mir neulich die Pyrcker ein paar herrliche Schränke gezeigt; kurz und gut, ich glaube, wir werden Sie einrichten können wie ein Museum, und wenn zum Schlusse etwas fehlt, werde ich meinem Herzen einen Stoß geben und von meinen Sachen zur Verfügung stellen, was noch nötig ist.«

»Nein, das will ich nicht!«

»Warum nicht? Die Sachen kommen ja in gute Hände!«

»Ich würde sie zu schätzen wissen«, sprach sie ganz leise und mit einem Ton in der Stimme, den Stephan nicht mißverstehen konnte.

So zog sie ihn allmählich, ganz allmählich zu sich heran. Es war ein so subtiles Spiel, daß er es gar nicht gewahr wurde. Sich gar keine Rechenschaft darüber ablegen konnte, wie er unaufhaltsam von Helene wegglitt und der anderen näher und näher kam. Wie er es Tante Ursula gesagt hatte – er wußte selbst nicht recht. Konnte es nicht ausdrücken. – – Helene war für ihn immer noch das Mädchen, in das er sich verliebt hatte, das er heiraten wollte. Er verglich nicht einmal die beiden Frauen miteinander. Elisabeth war ihm nichts als die Freundin Helenes, wenigstens sagte er sich das, redete sich vor, daß alles, was er für Elisabeth tat, eigentlich – nur um Helenes willen geschah. Und doch – – und doch – – er war fast immer mit ihnen beiden zusammen. Helene war bequem. Sie war keine besonders tüchtige und begeisterte Reiterin. Sie versuchte es mehr als einmal, sich von den morgendlichen Spazierritten zu drücken. Aber da war es gerade Elisabeth, die darauf bestand, daß das junge Mädchen das Trio vervollständigte. Das gehörte mit zu ihrem Spiel, daß sie es immer vermied, mit Stephan allein zu sein.

Und dabei – sie war sich selbst noch nicht klar darüber, was sie in Gottes Namen von ihm wollte. Was sie mit ihm wollte. Ehrlich gesprochen – er war ihr im Grunde genommen gleichgültig; nur die Erinnerung an seinen Bruder war es, die in ihr Gedanken, Empfindungen aufstörte, die sie in ihr Spiel lockten. Sie wußte, daß er eine reiche Heirat zu machen genötigt war. Wenn man so eng mit jemand beisammen ist, wird man viele Dinge gewahr, ohne daß sie einem ausdrücklich gesagt und gezeigt werden müssen. Stephan übrigens in seiner Ehrlichkeit machte auch nicht viel Geheimnis aus seinen Sorgen. Sie wußte auch, daß er bald heiraten mußte. Daß allerlei finstere Wolken sich über Rottenstein zusammenzogen. Sie wußte, Dazkovic wartete nur darauf, daß Stephan zu ihm kam und ihn um die Hand Helenes bat. Sie wußte, daß Dazkovic sie fürchtete. Sie wußte, daß Dame Ursula ihr mißtraute. – –

Und sie wußte auch, daß Helene sich zu grämen und zu kränken begann.

Das Mädchen ließ sich zwar nichts anmerken. Sie blieb heiter, liebenswürdig wie zuvor, hatte keine Launen, machte keine Vorwürfe. – Das Herz tat ihr weh, aber sie fand es begreiflich, daß er seine Augen von ihrer bescheidenen Person der strahlend schönen Frau zuwandte. Sie war nicht eifersüchtig, dazu war sie zu gut. Sie beschuldigte nicht einmal Elisabeth. Konnte man ihr einen Vorwurf daraus machen, daß sie so schön war? Daß sie die Männer in ihren Bann zwang?

Kämpfen? Mit einer Frau wie Elisabeth? Nein – das konnte nur mit einer nie zu überwindenden Demütigung enden. Es gab für sie nur eins – verzichten.

Als sie sich darüber einig war, sagte sie zu ihrem Vater:

»Paps, wenn Elisabeth ihr Haus fertig und eingerichtet hat, wollen wir abreisen.«

»Hat der Herr Graf – – –?« Er vollendete die angefangene Frage nicht, da ihn seine Tochter mit einem so eigentümlichen Blick anschaute, daß ihm weh und weich ums Herz wurde. Denn in diesem Blick erkannte er, daß auch Helene alle Hoffnung aufgab.

»Wie du willst, mein Kind!« erwiderte er leise und streichelte zärtlich ihren Scheitel.

Dann ging er hin, um Elisabeth seine Meinung zu sagen.

»Helene hat mir soeben verkündet, daß wir abreisen«, begann er. »Sie haben also Ihren Zweck erreicht, Elisabeth, haben ein junges Mädchen unglücklich gemacht, das Ihnen nie im Leben etwas zuleide getan hat. Sie können stolz auf diese Leistung sein, Elisabeth. Wir räumen Ihnen das Feld.«

»Sie sind verrückt, Dazkovic!« rief Elisabeth.

»Verrückt war ich,« knurrte der Gospodin, »wie ich erlaubt habe, daß Sie mitkommen. War ich nicht nur verrückt, sondern direkt schwachsinnig, habe ich aber geglaubt, daß Sie wenigstens ein junges Wesen in Ruhe lassen können, was Ihnen nichts getan hat – – –.«

» Das Ihnen nichts getan hat, heißt es«, korrigierte Elisabeth sachgemäß.

»Sie haben recht – machen Sie sich nur über mich und mein armes Kind lustig! Aber ich sage Ihnen, werden Sie noch an mich denken!«

»Keine leeren Drohungen, Sie wissen – unsere Chancen stehen gleich, und wenn ich mir's recht überlege, sind die meinigen noch besser. Also machen Sie nicht sich und Helene verrückt, denn Sie werden doch nicht im Ernst glauben, daß ich etwa auf Herrn Stephan Antzey – reelle Absichten habe?«

»Dann um Himmels und Christi willen, Elisabeth – warum lassen Sie ihn dann nicht Helene heiraten?«

»Sie reden schon wieder in die Irre, Dazkovic. Was tue ich denn – – –?«

Da erhob sich der Gospodin und trat ganz dicht auf sie zu, so dicht, wie er es noch nie gewagt hatte.

»Was Sie tun? Was Sie tun?« schrie er. »Ich kann Ihnen das nicht sagen, kann Ihnen das nicht an den Fingern herzählen, aber so eine Frau wie Sie, die weiß ganz genau, was sie tut – wenn die anderen es auch nicht wissen und nicht sehen können. Sie haben mir – erinnern Sie sich – damals im Eisenbahnwagen gesagt, Sie heucheln nicht. Sie sagen immer das, was Sie denken! Ich aber sage Ihnen, Elisabeth, wenn Sie nie gelogen haben, haben Sie damals gelogen, so, wie Sie immer lügen; Sie sind viel schlechter, als ich geglaubt habe, Sie sind schlecht, weil sie schlecht sein wollen, da wissen Sie's!«

Elisabeth war durch diesen Ausbruch Dazkovics so überrascht, daß sie in der ersten Minute gar keine Antwort darauf fand. Irgend etwas setzte sich auch in ihr auf und flüsterte ihr zu: Der Mann hat recht! Das, was du jetzt tust, ist wirklich schlecht. – – –

»Dazkovic – –« rief sie, unsicher, mit sich selbst kämpfend. – –

Aber er hörte sie nicht an. Zur Tür stampfte er und verließ das Zimmer, ohne sich umzudrehen.


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