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XI.

Elisabeth Worth wurde also Herrin des Edthofs. Trotz der entsetzten Augen des Gospodin, trotz des Abratens Stephans blieb sie dabei. Für 21 000 Goldkronen kaufte sie sich den Hof samt 27 Joch Grund, zwei Pferden, acht Stück Rindvieh, zwei Schweinen, 43 Hühnern, elf Gänsen, sechs Enten usw. usw. – –

»Nehmen Sie mir's nicht übel«, knurrte Dazkovic, als er sie endlich einmal allein antraf, »aber das ist Verrücktheit allererster Ordnung. Wenn Sie Ihr Geld für alte Spitzen hinausgeschmissen haben – na schön! War nicht so viel. Aber 21 000 Goldkronen, Gott soll mich strafen! Für so alte Bauernkeuschen! Sagen Sie mir um Gottes und Christi willen, was wollen Sie hier?«

»Auf die Rückkehr meines Mannes warten. Uebrigens – da fällt mir ein: sagen Sie einmal, Dazkovic, haben Sie nicht den Onkel des Grafen gekannt?«

»Ich? – Natürlich – – das heißt – –«

»Dazkovic, sagen Sie endlich einmal in Ihrem Leben die Wahrheit! In Ihrem eigenen Interesse! Bedenken Sie, wenn Herr Pertz eines Tages zurückkommt und entdeckt, daß der zukünftige Schwiegervater seines einen Neffen der Mann ist, der den gefährlichen Wechsel seines anderen Neffen gekauft hat! Was dann, Dazkovic?«

»Allmächtiger, daran habe ich noch gar nicht gedacht!«

»Also sehen Sie, Sie Erzlügner, Sie kennen ihn doch!«

»Hab' ich doch nie bestritten. War er bei mir – und hat er gesagt, daß ich, soll ich mich einbalsamieren lassen mit dem Wechsel. Er bezahlt nicht.«

»Wieso kommt es denn, daß Sie seinen Namen nicht kennen?«

»Hat er keinen Namen genannt. Hat er sich vorgestellt als Freund der Familie. Jetzt weiß ich, wer er ist.«

»So? Nun gut – ich glaube, Graf Stephan hat gestern abend angedeutet, sein Onkel könne jeden Tag zurückkommen. Er sei vier Jahre im Kaukasus gewesen und werde demnächst einen Urlaub antreten. Nun, mein lieber Dazkovic, da werde ich ihn einfach fragen, wie sich die Dinge damals abgespielt haben. Ich weiß nicht, Ihre Darstellung macht nicht den Eindruck absoluter Glaubwürdigkeit.«

Aber Stanko Dazkovic ließ sich diesmal nicht ins Bockshorn jagen. Er zwinkerte sie vergnügt und schadenfroh an.

»Sie werden ihn nicht fragen.«

»Warum denn in aller Welt nicht?«

»Dann würde er doch erfahren, wer Sie sind!«

Elisabeth antwortete nicht gleich. Dann gab sie ihm sein vergnügtes, schadenfrohes Lächeln zurück.

»Das wäre für mich vielleicht unangenehm,« erwiderte sie, – »vielleicht sage ich; vielleicht auch nicht. Aber auf jeden Fall wäre es doch für Sie sehr peinlich, wenn er erfahren würde, wer der zukünftige Schwiegervater des Grafen Stephan Antzey-Walloth ist. Meinen Sie nicht auch, Dazkovic?«

Der wußte nichts zu erwidern. Mit finsteren Augen blickte er sie an, die ihn so schelmisch anlächelte.

»Sagen Sie, Dazkovic«, flötete sie. »Wollen Sie mir denn nicht doch lieber den Wechsel zurückgeben?«

»Nein«, schrie er. »Wenn ihn einer kriegt, ist es der Herr Pertz. Darauf können Sie sich verlassen, Elisabeth.«

»Nun, dann stehen ja unsere Chancen so ziemlich gleich«, lächelte sie.

Stanko Dazkovic wußte indessen, daß die Chancen nicht gleich standen. Im Gegenteil, er war sich ganz im klaren darüber, daß die seinigen viel, viel schlechter waren. Es wurde ihm heiß und kalt, dachte er an die Stunde, in der sie erfahren mußte, wie er an ihr gehandelt hatte. Es war nicht gut, Elisabeth Worth zur Feindin zu haben! Sein Wutschrei, seine Drohungen waren nur Bluff. Er zitterte. Wenn auch nicht so für sich wie für sein Kind.

Er wollte also vorbeugen. Das Schiffchen seines stolzen Planes im Hafen haben, bevor der Sturm losbrach. Helene sollte mit Stephan Antzey verheiratet sein, ehe Pertz zurückkam. Zum mindesten öffentlich verlobt.

Er fragte sie:

»Nun, mein Kind, wie gefällt es dir hier?«

»Herrlich, Papa!« Sie strahlte. »Ich bin ja so glücklich!« Sie sah auch so aus.

Dem alten Mann griff ihre Freude ans Herz.

»Das ist recht, das ist recht«, brummelte er, indem er sie an sich zog und ihren üppigen Scheitel streichelte. »Meine Helenka soll auch zufrieden sein! Hab' ich doch niemand anders auf der weiten Gotteswelt, den ich zufrieden machen kann. Und sag – –?«

Er machte ein listiges Gesicht und zwinkerte sie bedeutungsvoll mit beiden Aeuglein an.

Sie verstand ihn zuerst nicht, schaute ihn nur verdutzt an.

»Aber weißt doch schon, was ich meine!« Er glaubte, deutlich genug geworden zu sein.

Da wurde sie rot und machte sich von ihm los.

»Hat – hat er noch nichts gesagt?« fragte er, jetzt schon geradezu, unter Vermeidung jeglicher gesprochenen und gezwinkerten Diplomatie.

»Aber dicker, alter Paps«, antwortete das junge Mädchen. »Das wär' gar nicht schön, wenn er schon jetzt, da wir knapp acht Tage hier sind, mit einem Heiratsantrag herausrücken wollte! Ich würde ihn auch schön anschauen, wollte er das tun. Er muß mir doch zuerst einmal Gelegenheit geben, mich hier umzutun, mir über meine Gefühle klar zu werden. Er selbst wird dies tun müssen, nicht wahr?«

»Na ja – – Aber ich mein' halt – – schau – – Kind! Entweder man gefällt sich, oder man gefällt sich nicht. Darüber wart ihr euch doch schon in Wien im klaren! Wozu hat er uns dann da hierher eingeladen?«

»Um mir eine Freude zu machen. Und dann, Paps, mußt du doch noch eins bedenken! Wir sind reich, ich bin das, was man eine gute Partie nennt. – –«

»Gott sei Dank!« erstrahlte der Vater.

»Gewiß, Gott sei Dank, aber siehst du nun, Paps, – Stephan Antzey ist arm, hat vielleicht sogar Schulden – das heißt, ich meine, nicht er persönlich, sondern die Herrschaft – – er ist ein Ehrenmann; er scheut sich bestimmt, zu sprechen, aus Furcht, wir könnten ihn für einen Mitgiftjäger halten.«

»Hm – –«, knurrte der Vater zweifelhaft.

»Nicht zu hm – hmen, Papa. Es ist bestimmt so. Zerbrich dir also nicht deinen dicken alten Graukopf, sondern warte den Lauf der Ereignisse ruhig ab. Ich tue es ja auch, nicht wahr? Und ich bin an der Sache doch noch mehr interessiert als du, Papa!«

»Hm – – –!«

Doch Dazkovic konnte weder die Zartfühligkeit noch die Ruhe seiner Tochter teilen. Er dachte an die Rückkunft des Onkels. Er dachte an die Worte Elisabeths. Diese hatte dabei gelächelt und der Gospodin wußte aus Erfahrung, was solch ein Lächeln bedeutete.

Er kämpfte lange mit sich, doch schließlich faßte er sich ein Herz und versuchte sein Glück bei Dame Ursula.

»Sehen Sie, gnädiges Fräulein – –«, sagte er. »Ich bin mit meiner Tochter nun schon mehr als eine Woche auf Ihrem wunderschönen Schlosse zu Gast und vielleicht auch zu – Last. Es ist sehr nett von Ihnen, gnädiges Fräulein, so zu tun, als ob es nicht wahr wäre – aber ich bin ein alter Mann und kann mir schon ein offenes Wort gestatten. Ich weiß recht wohl, daß ich in ein so vornehmes, aristokratisches Schloß nicht hineinpasse – bei meinem Kind, bei der Helene, ist's ja anders. Die ist von meiner Schwester, der Generalin Suviljewich, erzogen worden. Die hat schon etwas gelernt in ihrem Leben – –! Aber ich, gnädiges Fräulein, ich bin in Mitrovitz an der Save ausgewachsen. Wissen Sie, wo das ist? Nein? Dann wissen Sie auch nicht, was das ist! Danken Sie Ihrem Schöpfer – – –!«

»Sie übertreiben, mein lieber Dazkovic!«

Die alte Dame sah ihn dabei freundlich an, daß er verdoppelten Mut faßte und energisch auf sein Ziel lossteuerte.

»Aber – was ich sagen wollte, gnädiges Fräulein,« fuhr er fort. »Ich bin jetzt schon mehr als eine Woche hier – und ich – ich muß bald wieder abreisen. Sie verstehen, gnädiges Fräulein?«

»Ich fürchte, nicht ganz«, erwiderte Tante Ursula, die recht wohl verstand, worauf der Gast hinauswollte, aber keine Mittel wußte, ihn davon abzuhalten.

Gospodin Stanko Dazkovic fand es auf einmal ungeheuer schwer, gewissenhafter Vater eines jungen, schönen und reichen Mädchens zu sein. Er wurde verlegen, verlor den Faden und rieb sich mit betrübter Miene den struppigen Grauschädel. Es entstand eine Pause, in der die Dame des Hauses den Versuch machte, das Gespräch auf ein Gebiet zu bringen, das weniger peinlich für sie, für Dazkovic aber nicht minder interessant sein mußte – wie zum Beispiel das der Viehzucht in Oberösterreich. Sie begann sich mit Emphasis und Sachkenntnis über das Experiment auszulassen, englische Shorthorns in Oesterreich einzuführen.

Ihr Gast hörte zu, weil er eben zuhören mußte. Aber er saß da und lauerte auf den Moment, wo er seine große Sache vom Herzen herunterreden konnte. Endlich kam dieser Moment. Dame Ursula beging einen schweren taktischen Fehler, indem sie von den größeren Betriebsmitteln sprach, die für eine intensive Landwirtschaft heute notwendig, aber bei ihnen, den Antzeys, ebenso wie bei vielen anderen Aristokraten in der Umgegend nicht vorhanden wären. Da hakte Dazkovic sich fest und war nicht mehr davon fortzubringen.

Mit einer Geschicklichkeit, die selbst bei seiner Schlauheit und Gerissenheit überraschen mußte, kreuzte er zum Ausgangspunkt der Unterhaltung zurück und sagte schließlich:

»Gnädiges Fräulein, Sie vertreten so etwas wie Mutterstelle bei dem jungen Herrn Grafen, und ich – ich habe nichts auf der Welt als dieses einzige Kind.

»Was wollen Sie, Herr Dazkovic? Ein solches Kind wie Ihre Helene ist ein Segen Gottes! Sie ist wirklich eines der reizendsten jungen Mädchen, die ich kenne.«

Das fuhr dem Gospodin in die Seele. Ordentlich groß wurden seine Augen, so leuchteten in ihnen der Stolz und die Liebe auf.

»Ja, sie ist ein liebes, ein gutes – ein seltenes Kind«, sprach er, ohne sich Mühe zu geben, seine Rührung zu verbergen. »Ich habe mein ganzes Leben gearbeitet, sie glücklich zu machen! Und wenn ich die Augen schließe, soll ihr Leben sicher sein, ganz sicher, gnädiges Fräulein! Deshalb hab' ich mir Courage gefaßt und sprech' ich mit Ihnen! In Wien hat mir die Helene gesagt, daß sie und der junge Graf sich gut, recht gut leiden mögen, und daß er uns hierher einladen wird, damit wir uns alle kennenlernen. Und daß man dann – jetzt werden Sie mich wohl verstehen, gnädiges Fräulein! Ich bitte, ich möchte nicht, um Gottes Himmels willen, Eindruck erwecken, als wollte ich mein Kind aufdrängen. Hab' ich doch bei Helene nicht nötig. Aber glücklich will ich sie sehen – und ich – ich – halten zu Gnaden, gnädiges Fräulein, ich glaub', als Frau vom jungen Herrn Grafen wäre sie glücklich. Daher hab' ich mir erlaubt, offenes Wort zu sprechen. Und weil ich quasi zur Mutter spreche, kann ich ja auch die materielle Seite berühren, für die junge Leute kein Interesse haben. Ich bin ein reicher Mann, gnädiges Fräulein, und alles, was ich hab', kann mein Kind heut schon haben. Der Herr Graf hat neulich darüber geklagt, daß er mit dem Sägewerk nicht weiterkommt, weil er nicht über flüssiges Kapital verfügt, um ganzen Betrieb auf moderne Basis zu stellen. Sie selbst haben eben von den Betriebskosten gesprochen, die notwendig sind, um die Landwirtschaft intensiver und rationeller zu betreiben. Liebes, gnädiges Fräulein – ich will nicht mein Kind und nicht mein Geld aufdrängen, aber zu vernünftiger, klar blickender Frau mit grauem Haar kann ich als Mann mit grauem Haar so sprechen. Wenn Herr Graf Stephan noch derselben Meinung ist wie in Wien, soll er in Gottes Namen Mund aufmachen und sich nicht genieren, weil seine Frau ihm das Kapital mitbringt, das er braucht. Soll er reden, als Mann – meinetwegen zuerst mit dem Madel – Pardon, mit dem Mädchen, und dann mit mir! Oder erst mit mir! Ganz, wie er will. Bin ich ja dazu gekommen! Und ich – ich muß wirklich bald abreisen, hab' ich dringende Geschäfte in Budapest, in Paris. Aber nicht böse sein, verehrtes gnädiges Fräulein, sondern mit dem jungen Herrn Grafen reden!«

Dame Ursula war nicht böse. Der Mann hatte mit so ehrlicher Wärme gesprochen, daß sie trotz ihrer anfänglichen Furcht sich nicht verletzt fühlen konnte. Was er auch immer sein mochte – ein guter, treuer Vater war er, der sich nur um sein Kind sorgte. Seine Herkunft! Sein Geld! Sein Beruf! Mein Gott, konnte man heute noch so peinlich sein! Sie brauchten ja das Geld! Wie sie es brauchten! Nicht nur für den Betrieb des Sägewerks, für die Einführung des Shorthorns! Nein – nein – sie brauchten es für die Hypotheken, für die Zinsen. – – – Und schließlich, Helene Dazkovic war auch etwas wert ohne ihres Vaters Geld!

»Ich danke Ihnen für das Vertrauen, das Sie mir beweisen, Herr Dazkovic,« sagte sie, »ich werde mit meinem Neffen reden.«

*

Ursula Pertz war keine Frau, die eine Sache, die ihr dringend schien, auf die lange Bank schob, sie gar eventuell dort liegenließ. Ein einziges Mal in ihrem Leben hatte sie das getan – hatte mit ihrem eigenen Lebensglück so lange warten wollen, bis Agathe, die jüngere Schwester, und Hubert, der Jüngste, auf ihren Beinen stehen konnten. Darüber hatte sie den Anschluß verpaßt. Keine sonderlich originelle Geschichte, nicht wahr? Passiert so mancher Frau, bei der einer Mutter heiliger Urtrieb stärker ist als jedes andere Gefühl –.

Und nun sah sie die Gelegenheit Stephans. Und sah auch, wie er nichts dazu tat, um sie festzuhalten. Wie hatte er ihr früher von dem jungen Mädchen vorgeschwärmt! Wie hatte er sich Ausrede über Ausrede gesucht, um nach Wien fahren zu können! Wie glücklich war er gewesen, als sie ihm vorgeschlagen hatte, Helene und ihren Vater nach Rottenstein zu laden!

Und jetzt! Der alte Mann hatte recht mit seinen Klagen!

Gar nicht davon zu reden, daß im kommenden Herbst die Hypothek auf Steyrberg abgelöst werden mußte. 250 000 Kronen – gute, alte österreichische Friedenskronen!

So sagte sie ihm denn eines Morgens, als sie allein beim Frühstück saßen:

»Also, Stephan, hast du dich entschieden?«

Stephan Antzey war nicht der Mann, der zu heucheln vermochte. Wenn er sich freute, freute er sich, daß alle Welt es sehen konnte. Wenn er sich ärgerte, schluckte er die Wut nicht hinunter. Er war wie seine Heimat, einfach und ehrlich.

So konnte denn Tante Ursula ihm sofort ansehen, wie peinlich ihm diese Frage kam. Sie sah auch, daß er sich selbst schon mit ihr beschäftigt haben mußte. Der verlegene, schuldbewußte Blick, mit dem er sie in seiner Betroffenheit anschaute, sagte ihr das.

»Das geht so nicht weiter«, fuhr sie fort. »Du hast das junge Mädchen und den Vater hierhergebracht. Hast du nicht das Empfinden, Stephan, daß sie diese Einladung gleichsam als den ersten Schritt ansehen mußte? Warum schweigst du denn jetzt? Hast du wirklich gefunden, daß Helene Dazkovic in Wien eine andere ist als hier in unserem alten Hause? Ich weiß, das Milieu macht viel aus, Stephan! Und Kerzenbeleuchtung wirft ganz andere Reflexe als eine elektrische Bogenlampe. Aber dann – dann, so peinlich es auch ist, dann mußt du das sagen. Es geht nicht, daß man noch länger schweigt. Du hast dich doch sonst nie um die Wahrheit herumgedrückt, Stephan!«

»Ich – ich weiß nicht, was ich soll«, erwiderte er gequält und nach Worten suchend. »Ich habe mir dasselbe schon mehr als einmal gesagt, Tante. Wenn ich dieses süße Geschöpfchen anschaue, komme ich mir vor wie ein meineidiger Verbrecher – –.«

»Nun also!«

Eine feine, alte Hand legte sich auf die seinige, die hart und gebräunt war.

»Nun also! Schau, Stephan, ich will absolut nicht in dich drängen. Handle, wie dein Herz es dir eingibt; es wird schon richtig und anständig sein. Aber hast du auch bedacht, daß Helene Dazkovic nicht nur ein hübsches, guterzogenes Mädchen, sondern auch die einzige Erbin eines sehr reichen Mannes ist?«

Er fuhr auf. Seine Lippen preßten sich aufeinander, als wollten sie heftige Worte nicht durchlassen.

»Gewiß, Stephan,« setzte Dame Ursula jedoch unbeirrt fort, »es ist für unsereinen nicht leicht, über derlei Dinge zu sprechen! Doch ich frage dich, wovon sollen wir im Herbst die Hypothek drüben ablösen?«

»Wir müssen sehen, daß wir einen anderen Bankkredit bekommen.«

»Daß uns die Zinsen ganz auffressen?«

Er wand sich unter der Unbarmherzigkeit ihrer Argumentation.

»Ich habe daran gedacht, eventuell den Mollner Wald zu verkaufen«, entgegnete er. Doch schwach und matt klang diese Entgegnung. Wußte er doch selbst, was ihm die Tante darauf antworten würde.

»Hast du vergessen, was man uns vorigen Herbst dafür geboten hat? Kaum 30 Prozent des Wertes. Seitdem sind die Holzpreise noch mehr heruntergegangen. Nein, nein, mein Kind, so schwer es dir vielleicht auch wird, du mußt unserer Situation klar ins Gesicht sehen. Sollen wir Steyrberg verfallen lassen – damit sich irgend so ein reichgewordener Lederhändler oder Schlächter draufsetzt – – –?«

» A la Stanko Dazkovic!«

»Vielleicht. Aber ich sage dir, Stephan, er wäre nicht der schlimmste. Willst du Steyrberg aufgeben?«

»Nein – nein – – –!« schrie er auf.

»Hast du für Helene Dazkovic nicht mehr dasselbe Empfinden wie in Wien?«

»Bestimmt, Tante! Sie erscheint mir hier reizender denn je – –!«

Wieder kam ihr helfendes, treibendes »Nun also!«

»Willst du mit ihr nun deshalb nicht sprechen, weil du glaubst, als Kavalier kein Mädchen heiraten zu können, das dir Geld in die Ehe bringt?«

»Aber Tante! Ich bin doch kein Trottel! Ich habe ja unsere Situation, als ich Helene und ihren Vater in Wien einlud, genau so gut gekannt, wie ich sie jetzt kenne. Glaube ja nicht, daß ich den Kopf in den Sand stecke! Nein, Tante, das ist es nicht. Ich möchte nur, es ist hier doch etwas anderes – – ich weiß selbst nicht recht, wie ich es ausdrücken soll – –«

»Herr Graf – Herr Graf!« klang eine weiche Frauenstimme vom Park her.

Er sprang in die Höhe. Zuckte zurück. – – Schaute wie ein ertappter Schulbub auf Tante Ursula, die stumm und steif dasaß und keine Miene verzog.

Elisabeth ward auf der Terrassentreppe sichtbar, schön, bezaubernd schön in ihrem weißen Rock.

»Ah – bin ich doch zu spät zum Frühstück«, lachte sie. »Guten Morgen, gnädiges Fräulein! Guten Morgen, Herr Graf! Eine recht große Tasse bitte und gleich eine zweite bereitstellen – –!«

Stephan war eitel Dienstfertigkeit und Ritterlichkeit. Tante Ursula machte den Kaffee zurecht – – –. Ihr Blick ging dabei forschend zwischen Elisabeth und ihrem Neffen hin und her, und hätte die junge Frau, die so herzlich lachte und so vergnügt ihren Kaffee trank, diesen Blick gesehen, würde sie festgestellt haben, daß die Augen Ursulas genau so hart werden konnten wie die ihres Bruders.

Als später dann Stephan mit Elisabeth und Helene nach dem Edthof hinübergeritten war, schickte Dame Ursula den Stallknecht mit einem Telegramm auf die Station.

Dieses Telegramm lautete:

»Hubert Pertz Konstantinopel Pera Palace Beschleunige deine Heimreise dringend

Ursula.«


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