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IV.

Elisabeth war so klug, die Grenze zu erkennen, die ihr vorläufig gesteckt war. Sie begnügte sich. Was blieb ihr schließlich anderes? Dazkovic bot ihr die Freiheit an! Nicht etwa aus Nächstenliebe. Oder weil er sich ein Recht auf ihre Dankbarkeit sichern wollte. Bah, das sah sie schon. Geschäfte wollte er mit ihr machen. Und sie sollte mit ihm Geschäfte machen – –

Das war die Freiheit! Die Freiheit vor ihrer Ehe, vor der Schmach, in die sie zu versinken drohte. Nicht umsonst hatte Dazkovic das Wort »Zuchthaus« so überaus liebevoll betont. Zwar die Freiheit, wie sie der Sohn des Schweinehändlers aus Mitrovitz bot. Die Freiheit, die durch den falschen Wechsel verbürgt war. Aber besser diese Freiheit, als – – als das Zuchthaus! Trotzdem Dazkovic so hämisch, so besitzsicher sie im Zuge angelacht hatte. Ich bin der Herr – ich halte dich – wenn ich will – und wenn ich nicht will – Trotzdem – trotzdem –! Sie fühlte sich stark genug, sich Zoll für Zoll ihre Freiheit zu erkämpfen. Fühlte sich Dazkovic gewachsen? Hatte er nicht selbst gesagt »Geduld«? Eines Tages würde sie die Stärkere sein. Und dann – – –!

Dachte sie an ihren Mann, kochte der Zorn wie aus Geisertiefen in ihr empor. Das mußt du mir bezahlen – du und deine hochmütige, adelsstolze Familie, versprach sie sich. Und sie lächelte dabei.

Nichts ist gefährlicher als solches Lächeln eines schönen Weibes. Die Frauen der Renaissance haben nie die Augen gerollt und die Fäuste geballt, wenn sie ihren Feinden Rache schworen. Sie haben gelächelt – so wie Elisabeth Worth lächelte.

Stanko Dazkovic war in jeder Beziehung gut für sein Wort. Er sorgte dafür, daß sie »nach was aussah«. Führte sie in die Rue de la Paix und stattete sie tadellos aus – wie eine elegante Frau, wie eine Dame – nicht wie eine Aventurière.

Sie selbst gab Ton und Maß an.

»Ich darf nicht aussehen wie eine Person, die eine ambulante Einladungskarte für Lebemänner darstellt. Sie sind ja selbst Geschäftsmann – Sie werden verstehen, für uns ist die Respektabilität das beste Firmenschild!«

Dazkovic war natürlich mit allem einverstanden und überließ ihr Auswahl und Bestimmung. Den auffallenden Dingen ging sie aus dem Wege. Bei den Toiletten keine schreienden Farben, keine extravaganten Fassons – alles diskret und einfach, doch vornehm in der diskreten Einfachheit. Ebenso beim Schmuck.

Jede andere Frau hätte mit beiden Händen zugegriffen, wäre sie zu einem der ersten Juweliere der Rue de la Paix geleitet worden mit der freundlichen Aufforderung, sich auszusuchen, was ihr behagte. Nicht so Elisabeth! Nur einige wenige Stücke nahm sie, zwei, drei Ringe, die dazu passenden Armbänder und Broschen. Eine Perlenkette bildete die Pièce de résistance, nicht zu groß und nicht zu kostbar – gerade so, daß man sie bewunderte und doch keine Zweifel an ihrer Echtheit hatte.

»Na, Sie sind aber bescheiden,« sagte Dazkovic, als sie mit ihren Einkäufen fertig war. »Warum haben Sie denn nicht noch mehr genommen? Da zum Beispiel das große Diadem, das hätte Ihnen wunderbar gepaßt!«

»Ja, wenn ich englische Herzogin oder eine amerikanische Millionärin oder eine Pariser Kokotte wäre – dann hätte es mir gepaßt. Aber da ich nichts bin als die einfache und höchst respektable Frau Worth, hätte es mir nicht gepaßt. Und dann noch eins, Herr Dazkovic! Das bißchen Schmuck, das ich früher hatte, ist von meinem Mann verspielt worden. Ich liebe aber Schmuck, und ich möchte den, den ich mir soeben ausgesucht habe, auch einmal tatsächlich besitzen. Jetzt gehört er Ihnen – ist Investition in das Geschäft. Ich möchte von meinem Gewinnanteil immer eine entsprechende Summe abzahlen, bis das, was ich auf mir habe, mir auch wirklich gehört. Dann werde ich mich sogar darüber freuen. Wollen Sie also, Herr Dazkovic?«

»Gewiß will ich, gnädige Frau. Ich wünsche Ihnen und mir, das sollen Sie gleich vom ersten Verdienst abzahlen können.«

Wenn auch das nicht gerade eintrat, so dauerte es doch nicht lange, bis sich Elisabeth an ihren Perlen und Brillanten freuen konnte.

*

Dazkovic hatte bei der jugoslawischen Gesandtschaft in Paris einen Vetter, Bozo Dimitrievic, der früher österreichischer Generalstäbler gewesen war und nicht gerade sehr begeistert dreinschaute, als sich Herr Stanko Dazkovic aus Mitrovitz bei ihm präsentierte und ihn als seinen lieben Cousin reklamierte. Er freute sich sehr, erklärte er beim ersten Wiedersehen, doch er sei leider gerade jetzt so beschäftigt – –. Aber Stanko Dazkovic war nicht so leicht abzuschütteln, wenn er entschlossen war, sich nicht abschütteln zu lassen. Er nahm dem sich so sehr freuenden lieben Cousin das Ehrenwort ab – »weißt du, altes, gutes österreichisches Ehrenwort, nicht neues jugoslawisches« – mit ihm im Café de Paris zu soupieren. Da er dem Prinzipe huldigte, »sicher ist sicher«, holte er ihn am Abend selber ab und transportierte ihn in das Hotel, in dem Elisabeth bereits wartete.

Als er sie erblickte, schaute Herr Bozo Dimitrievic sofort anders drein.

»Das ist Frau Elisabeth Worth, die Witwe eines meiner liebsten Freunde,« stellte Stanko Dazkovic vor. »Ich habe sie nach Paris geführt, um sie ein bissel zu trösten. Du sollst sie so in Pariser feine Gesellschaft einführen. Willst?«

Bozo Dimitrievic wollte! Er tat sogar mehr – er verliebte sich Hals über Kopf in Elisabeth und forderte den Grafen Lavoux, der die Kühnheit hatte, das gleiche zu tun. Dieses Duell wirbelte in Paris viel Staub auf und machte Elisabeth über Nacht fast zu einer Berühmtheit ersten Ranges. Drei Tage später lernte sie auf einem Rout der spanischen Botschaft den Grafen Stolzenberg kennen, dem sie sein großes, bei Iglau gelegenes Gut abkaufte, das er losschlagen mußte, ehe es die Tschechen ihm als Oesterreicher konfiszierten. Herrn Stanko Dazkovic, dem Jugoslawen, der jetzt der neue Besitzer war, konnten sie es natürlich nicht wegnehmen. Drei Wochen später verkaufte die Firma das Gut an einen tschechischen Großgrundbesitzer weiter und verdiente runde zweihunderttausend Franken an dem Geschäft.

Nach diesem vielversprechenden Anfang konnte man daran denken, einen ständigen Wohnsitz in Paris auszusuchen. Elisabeth fand ein entzückendes Appartement in der Avenue Kléber und ließ sich sofort ihre Marie kommen.

»Nun, was ist nach meiner Abreise noch passiert?« fragte sie.

»Nichts, gnädige Frau.«

»Hat mein – hat der gnädige Herr nicht geschrieben – –?«

»Nein.«

»So?«

Und sie lächelte – jenes Lächeln.

Marie erinnerte sich plötzlich.

»Ja, beinahe hätte ich es vergessen, gnädige Frau. Es ist doch jemand gekommen – gleich nachdem Sie abgereist sind.«

»Wer war das? Vielleicht – –?«

»Von Gericht? Ich – ich glaub' zwar nicht. Es war, wenn ich's mir recht überleg', eigentlich ein recht feiner Herr. Aber Sie müssen ihn ja selbst gesehen haben, gnädige Frau, denn er ist gerade die Treppe heraufgekommen, wie Sie und ich zum Auto gegangen sind.«

»Wie wir zum Auto – –? Ich wüßte nicht – – doch halt, Marie – – war es so ein mittelgroßer Mann mit einem schmalen, dunklen Gesicht – –?«

»Ja, ich glaube. Groß war er nicht, und das Gesicht – na ja, das war wohl dunkel, so recht braun gebrannt – –«

»So harte, graue Augen?«

»Ob sie grau waren, weiß ich nicht. Aber bös waren sie, recht bös! Er hat mich so angeschaut! Ich hab' mich ordentlich gefürchtet und war froh, wie er wieder fort ist.«

»Was wollte er denn?«

»Er fragte nach der gnädigen Frau, und als ich ihm sagte, daß Sie gerade verreist wären, wollte er wissen, wohin.«

»Nun, haben Sie ihm das gesagt?«

»I wo werd' ich denn! Gnädige Frau haben es mir ja ausdrücklich verboten!«

»Ach ja, ich habe es Ihnen verboten – – aber ich weiß nicht, Marie – – Vielleicht hätten Sie doch – –! Das Schicksal ist oft so merkwürdig – –! Böse Augen, sagen Sie, hatte dieser Mann – böse Augen – –?«


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