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VI.

Davison gab sich nicht geschlagen. Er war zunächst Sportsmann genug, seinem Sekretär den Scheck zu lassen. Er ließ ihn nicht sperren, sondern erzählte im Klub selbst lachend die Affäre.

»Aber – hang it all –,« fügte er hinzu. » I'll fight it out with her. Ich werde es auskämpfen mit ihr.«

Der Mann, der mit einem Federstrich die halbe Getreideernte der Vereinigten Staaten kaufen konnte, wich vor einer Frau nicht zurück. Als sie mit der Hundepeitsche in der Hand, mit dem kalten, höhnischen Feuer in den dunkelblauen Augen vor ihm gestanden, hatte sie ihm, just so, wie der arme Bozo es ausdrückte, die Seele im Leibe herumgedreht. Wie hatte er noch gesagt, der Bozo? Sie machte die Männer verrückt, toll. Sie hatte Davison verrückt, toll gemacht. Er wollte sie besitzen, und da er begriff, daß diese Frau nicht zu kaufen war, auch nicht von dem Mann mit dem Preis, ließ er sich bei ihr melden und fragte sie, ob sie ihn heiraten wollte.

»Nein«, sagte sie.

»Warum«, schrie John Stewart Davison. »Ich bin doch schließlich als Mann an und für sich kein solches Scheusal, daß man mich nicht trotz meiner Dollar nehmen könnte! Daß ich einen dummen Witz gemacht habe – können Sie mir das nicht verzeihen?«

Sie blickte ihn an – wie durch einen Schleier hindurch.

Ein Hauskleid trug sie aus blauem Pongé, das sich schmeichelnd und verführerisch um ihre Glieder schmiegte und wundervoll zu ihrem kastanienbraunen Haar paßte. Auf den Schultern war es durch eine Spange zusammengehalten und ließ Arme und Schultern frei, während die weichen Linien der Taille durch einen antiken Gürtel köstlichster Florentiner Arbeit gezeigt wurden. Ein Kleid, wie es nicht in den Modejournalen zu finden war, vor dem Poiret und Redfern sich bekreuzigt hätten – aber ein Gewand, das zu der Frau, die es trug, organisch gehörte. Ein Stück ihrer Person war – –! Nur ganz schöne oder ganz häßliche Frauen können es wagen, sich so anzuziehen – –

John Stewart Davison preßte die Lippen zusammen. Wie hatte Bozo Dimitrievic gesagt? Sie machte die Männer verrückt – toll! John Stewart Davison war verrückt – toll! Wenn er es gewagt hätte, würde er diese Frau in seine Arme gerissen und mit seinen Küssen ihren Widerstand erstickt haben. Seine Sinne schrien nach ihr. Doch so brutal er sonst war – er wagte es nicht. Er sah sie nur flehend und gedemütigt an.

»Ich kann Sie nicht heiraten,« sprach sie, »weil ich schon verheiratet bin. Bleiben Sie ruhig sitzen, Mister Davison, es ist so, wie ich Ihnen sage!«

»Man kann sich scheiden lassen. Ich übernehme alle – –«

»Sie wollen schon wieder bezahlen. Mein Gott, habt ihr Geldmenschen denn gar keine anderen Gefühle mehr? Ich muß Ihnen ferner sagen, daß zur Scheidung zwei gehören, die Frau und der Mann. Mein Mann nun ist seit mehr als vier Jahren verschwunden – verschollen. Ich weiß nicht, ob er tot ist oder lebt – –«

Der Amerikaner sah seine Chance.

»Man kann eine Todeserklärung ausstellen lassen!« rief er. »Man kann Menschen für tot erklären lassen, die am Morgen aus dem Hause weggehen und zum Lunch nicht zurückkommen, geschweige denn Menschen, die vier Jahre lang das Wiederkommen vergessen. Für Geld ist alles zu machen.«

»So?«

Wieder der Blick durch den Schleier hindurch.

»Ich – ich spreche nur von Möglichkeiten,« stammelte Davison unter diesem Blick.

»Sie bringen mich auf einen Gedanken. Man könnte es tatsächlich versuchen. Ich will es mir überlegen. Sie müssen wissen, ich habe meinen Mann sehr lieb gehabt, und ich glaube, ich liebe ihn noch.«

»Meine teure Frau Worth, auf einen Mann, den Sie lieben und der sich vier Jahre nicht um Sie kümmert, bin ich nicht eifersüchtig. Entweder ist er tot oder er ist nicht wert, daß Sie ihn lieben – also!«

Sie lächelte und reichte ihm die Hand zum Kuß.

John Stewart Davison zog sich zurück und erklärte am Abend einigen Freunden im Cercle, er gehe mit dem Gedanken um, sich demnächst zu verheiraten. Da er von nun ab hie und da in Gesellschaft der schönen Elisabeth Worth gesehen wurde, wußte alsbald die ganze Riviera von Bordighera bis Cannes, daß Davison doch die Festung erobert hatte – allerdings indem, wie jemand sagte, »der Eroberer sich der Festung ergab«. »New York Herald« und »Chicago Tribüne« schickten Spezialkorrespondenten von Paris nach Nizza. In der Villa »Monbijou« wurden diese von Marie abgefertigt, die ihnen mit ihrem bissigsten Gesicht erklärte, die gnädige Frau sei für Journalisten weder jetzt noch sonst irgendeinmal zu sprechen; doch Davison ließ sich interviewen und gab auf die indiskretesten Fragen die – hm – diskretesten Antworten. Es seien noch gewisse Schwierigkeiten, er hoffe jedoch, diese Schwierigkeiten bald beseitigt zu sehen. Welcher Art diese Schwierigkeiten wären? Das könnte er allerdings nicht sagen, da sie Madame Worth beträfen – –. Aber, wie gesagt, er hoffe – – er hoffe – –.

Einen Tag, nachdem die beiden Blätter diese Sensation mit den dicksten Ueberschriften losgelassen hatten, meldete sich bei Davison ein Mann, der sich als Monsieur Fleury vorstellte und ein rotes Bändchen im Knopfloch trug. Er wünschte Mr. Davison in einer Angelegenheit zu sprechen, die in gewisser Beziehung Zu Madame Worth stünde.

»Wie sieht der Kerl aus?« fragte der Amerikaner seinen Sekretär.

»Ganz anständig.«

»Kein Erpresser?«

»Ausgeschlossen.«

»Gut, führen Sie ihn herein!«

Monsieur Fleury, ein kleines verhutzeltes Männchen, das sich wie ein Stahlstich von Deverria ausnahm, hatte in den Zeitungen gelesen, daß Herr Davison sich mit der Hoffnung trage, die schönste und reizvollste Frau Europas nach Amerika zu entführen. Er erlaube sich daher, Herrn Davison einen Rat zu erteilen.

Worauf ihn Herr Davison sehr erstaunt ansah.

Monsieur André Fleury jedoch sprach weiter und gab sich der sicheren Erwartung hin, daß Herr Davison doch unbedingt Frau Worth eine große Freude werde bereiten wollen.

Aha, ein Juwelenreisender! dachte Herr Davison.

»Madame hat vor einem Jahr«, enthüllte sich nun der Monsieur mit dem roten Bändchen, »mit mir als Bevollmächtigtem des Besitzers wegen Ankaufes des Schlosses Argenstour unterhandelt. Sie hätte es sehr gern gekauft, aber leider war ihr der Preis zu hoch. Sechs Millionen Franken – – Mr. Davison!«

»Wo liegt denn der Kasten?«

Monsieur Andre Fleury hatte Mühe, seine Empörung zu verbergen.

»Herr Davison, Schloß Argenstour ist kein Kasten, sondern eines der schönsten Schlösser Frankreichs. Es liegt an der Loire und ist von Franz dem Ersten erbaut worden. Madame Worth war begeistert davon und geriet außer sich, als sie den Kaufpreis nicht aufbringen konnte. Ich habe mir nun gedacht, daß vielleicht Herr Davison – –? Madame Worth ist eines solchen Geschenks schon wert.«

»Wem sagen Sie das, alter Kna – Pardon, Mr. Fleury! Kommen Sie übermorgen wieder – ach was, kommen Sie morgen! Werden sehen, was wir machen können,« lächelte Davison vielsagend.

Am Abend, als er mit Elisabeth in Monte Carlo drüben bei Ciro saß, fragte er:

»Schon was gehört von Monsieur Fleury?«

Sie dachte nach.

»Fleury – Fleury – –? Könnte mich nicht entsinnen.«

»Aber – aber! Der Mann mit dem Schloß an der Loire!«

Sie ließ die Gabel sinken und blickte ihn verständnislos an.

»Ja – jetzt erinnere ich mich. Schloß Argenstour – ein Märchentraum – – ein Märchentraum, den ich leider nicht träumen konnte!!«

»So? Gefällt es Ihnen? Hat der alte Knabe also nicht geschwindelt?«

»Gefallen? Herr Davison, wissen Sie, daß ich meine Perlen, all meinen Schmuck verkaufen wollte, um die – wieviel war es nur – –?«

»Sechs Millionen – –«

»Ja, sechs Millionen – – Alles wollte ich verkaufen, um das Geld zusammenzubringen. Leider hat es nicht gelangt. Heute noch könnte ich weinen. Ein Traum ist es, sage ich Ihnen, ein Traum aus der Zeit der blauen Blume, da noch eisengekleidete Ritter auszogen, um für die Ehre schöner Frauen zu kämpfen und – nicht in bequemen Klubsesseln hockten und um die Ehre von Frauen wetteten.«

»Uff«, stöhnte John Stewart Davison. »Aber so nebenbei, wem gehört es denn, dieses Zauberschloß?«

»Soviel ich weiß, dem Marquis Saint Aubain – wenn er es nicht inzwischen verkauft hat! Aber sagen Sie, Herr Davison, – warum interessieren Sie sich denn so plötzlich für Argenstour? Und woher wissen Sie, daß ich mich einmal dafür interessiert habe?«

»Habe rein zufällig davon gehört«, brummte Davison mit einem mißglückten Versuch, harmlos auszusehen.

»Und Herr Fleury, wie kommt der zu Ihnen?«

»Wer sagt, daß er bei mir war? He, garçon, eine Flasche Irroy demisec! Gut frappieren, wenn ich bitten darf! Ich weiß nicht, seit einiger Zeit sind die Burschen hier von einer Nachlässigkeit –!«

»Verehrter Herr Davison,« unterbrach Madame den Aerger ihres Kavaliers, »über die Nachlässigkeit der Kellner bei Ciro wollen Sie mich einen Moment ruhig anhören! Wenn Sie etwa es wagen wollten, Argenstour zu kaufen und mir als Geschenk anzubieten, sind wir geschiedene Leute für immer.«

»Im Ernst?« lachte der Amerikaner.

»Im Ernst, Herr Davison!«

Am nächsten Morgen erschien Herr André Fleury im »Negreseo«.

»Ich kaufe das Schloß«, schrie ihn Davison an, ehr er noch recht im Zimmer war. »Telegraphieren Sie sofort dem Besitzer, diesem Marquis Saint-Saint – oder wie der ehrenwerte Herr heißt. Dringend telegraphieren Sie, hören Sie! Heute abend muß die Sache erledigt sein.«

Am Abend kam Herr André Fleury und überbrachte die Trauernachricht, daß der Marquis Argenstour bereits verkauft habe.

»An wen?«

»An einen reichen Serben – er heißt Stanko Dazkovic.«

»Was will so ein Serbe mit einem Schloß, das Franz I. gebaut hat. Hang it all – Mann, ich muß das Schloß haben! Wo ist dieser Serbe aufzutreiben?«

»Er wohnt hier in Nizza. Ich habe ihn, um Ihnen unter allen Umständen gefällig sein zu können, bereits ausgesucht und gesprochen. Er will Argenstour aber nicht verkaufen, da er es für seine Tochter einzurichten beabsichtigt. Das ist wirklich ein Pech!«

»Führen Sie mich zu ihm! Sofort!«

Stanko Dazkovic war zuerst taub gegen alles Stürmen, Bitten und Bieten des Getreidekönigs.

»Ich habe selbst Geld genug,« erklärte er, »und ich will dieses schöne Schloß meiner Tochter schenken!«

»Ihre Tochter ist gewiß eine entzückende junge Dame, aber confound it, Herr, ich muß das Schloß Madame Worth schenken!«

Der Serbe wurde interessiert.

»Madame Worth, der berühmten Schönheit? Ah, Sie sind wohl der Mann, von dem in den Zeitungen steht, daß sie ihn heiratet? Hm – das allerdings –. Madame Worth – – sagen Sie? Also zehn Millionen wollen Sie mir geben – –?«

»Kann mich nicht erinnern, von zehn gesprochen zu haben. Ich habe acht genannt – –«

»Hm – wenn ich es mir wieder recht überlege, was geht mich Madame Worth eigentlich an! Meine Tochter, die wird demnächst zweiundzwanzig –«

»Also, zehn Millionen, Herr.«

»Wenn Sie so darauf bestehen. Meine Tochter aber – – –«

»Ihre Tochter – Herr! Morgen um 9 Uhr beim Notar! Ich zahle bar, und für das Geld können Sie Ihrer Tochter fünf Schlösser kaufen, je eines für eine Jahreszeit, und das fünfte für Schaltjahr.«

Am nächsten Vormittag wurde der Verkauf beim Notar abgeschlossen. Davison erlegte einen Scheck über zehn Millionen Franken und fuhr in die Villa »Monbijou«.

»Sie haben das Schloß also doch gekauft!« sagte Elisabeth. »Sie scheinen mich noch nicht zu kennen, Herr Davison. Ich sage immer das, was ich meine. Ich bin fertig mit Ihnen! Adieu!«

Er geriet außer sich. Sprang auf sie zu, packte sie am Arm. Stammelte irgend etwas – – –

Sie schob seine schwere, starke Hand von ihrem Arm, wie wenn sie ein Stück Papier wäre.

»Ich bin fertig mit Ihnen,« wiederholte sie. »Ich bin eine Frau, die nie verzeiht. Vor allem, wenn man ihr nicht glaubt.«

»Und was soll ich jetzt mit dem verdammten Kasten anfangen?« schrie Davison, der sah, daß es ihr mit ihren Worten Ernst war und vollkommen in Stücke ging.

»Lassen Sie das Schloß abbrechen, transportieren Sie es nach Amerika und bauen Sie es in Chikago wieder auf. Ich glaube, unter Ihren Getreidespeichern wird es sich sehr gut ausnehmen. Also – nochmals adieu, Herr Davison!«


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