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Achtzehntes Kapitel.

Heimwärts. – Der Heimats-Wimpel. – Die Mützen werden über Bord geworfen. – Der Golfstrom. – Das Sargasso-Meer. – Vom Gewittersturm überrascht – Vor Fayal. – Vor sieben Ankern in Sturm. – Anker flippen. – Das eingebrachte Wrack. – Bergelohn. – Auf brennendem Schiff. – Verlorene Schiffe der deutschen Kriegs-Marine. – Der Heldentod der »Iltis«-Leute. – In Vlissingen. – Schlechtes Wetter und Kälte. – Auf der Elbe. – In Kiel. – Die Zollbeamten kommen an Bord. – Die Inspizierung. – Außer Dienst gestellt. – Wieder im Vaterhause.


Am 31. Januar 1900 trat die »Moltke« die Rückfahrt nach der Heimat an. Sie verließ an jenem Tage den Hafen von Habana, um in vierundzwanzigtägiger Segelfahrt bis nach Fayal auf den Azoren zu gelangen. Noch sollte es nicht nur wochen-, sondern monatelang dauern, bis die »Moltke« wieder an der Boje im Kieler Hafen festmachte, aber es ging doch jetzt heimwärts. Mit jedem Knoten Fahrt, den das Schiff zurücklegte, näherte man sich der deutschen Küste, dem Vaterlande und den lieben Angehörigen.

Da die »Moltke« nur sieben Monate von Hause fort war, konnte sie bei Antritt der Rückreise nicht den sogenannten Heimatswimpel hissen. Nur diejenigen Schisse, welche länger als zwei Jahre in fremden Gewässern gewesen sind, haben das Recht, den Heimatswimpel in dem Augenblick am Großtopp in die Höhe gehen zu lassen, in dem das Schiff den Befehl zur Rückreise erhält. Dieser Heimatswimpel hat eine ganz außerordentliche Länge. Die Mannschaften legen Geld zusammen und bestellen ihn bei einer deutschen Flaggenfabrik, und die Matrosen der verschiedenen Kriegsschiffe suchen sich in bezug auf die Länge des Heimatswimpels zu überbieten. Nicht nur die Besatzungen der zurückkehrenden Schiffe, sondern auch die Reserven der Schutztruppen, die in den deutschen Kolonien gedient haben und nun zur Entlassung kommen, beschaffen sich für die Privatdampfer, mit denen sie nach der Heimat zurückbefördert werden, solche Heimatswimpel. Dieselben sind schon in einer Länge von 205 Metern bei zwei Metern größter Breite am oberen Teil angefertigt worden. Auf fremden Stationen ist es üblich, daß in dem Augenblick, in dem der Heimatswimpel geheißt wird, die Mannschaft auf die Raaen und in die Wanten aufentert, ein dreifaches Hurra auf die Heimat ausbringt und dabei die Mützen in die Luft und ins Wasser wirft. Die Mannschaft darf das tun, da ja die Mütze das Eigentum jedes einzelnen Mannes ist. Natürlich werden nur ganz alte Mützen verwendet. In den fremden Häfen, besonders an der chinesischen Küste, warten dann schon hunderte von Booten, um diese Mützen als willkommene Beute aufzufischen und zu behalten.

Wie alle Schiffe, die von Westindien nach Norden gehen, bemühte sich auch die »Moltke«, baldigst den Golfstrom zu erreichen und auszunützen. Der Golfstrom beginnt zwischen dem Kap Antonio und den Tortugas-Inseln und ist hier 95 Seemeilen breit. Bei seinem östlichen Fortschritten aber wird er immer schmäler, bis er in die sogenannten »Engen« eintritt. Seine Geschwindigkeit beträgt anfangs 31 Seemeilen am Tage, je weiter er aber fließt, um so schmäler und schneller wird er, und seine Geschwindigkeit nimmt derart zu, daß sie bis zum 30. Grade nördlicher Breite im Durchschnitt zwei Meilen in der Stunde beträgt. Das Schiff würde also ohne Segel und Dampf diese zwei Meilen in der Stunde, vom Golfstrom mitgeführt, zurücklegen. Mit Hilfe von Segeln und Dampf geht die Fahrt natürlich sehr viel schneller.

Ehe der Golfstrom erreicht wurde, durchquerte die »Moltke« denjenigen Teil des Atlantischen Ozeans, in dem sich die sogenannten Tangwiesen (auch Sargasso-Meer genannt) befinden. Es sind dies quadratkilometergroße Anhäufungen von Gras, sogenanntem Seetang, welche durch die Strömung hier angeschwemmt werden und durch den Golfstrom und durch die Äquatorialströmung so eingeschlossen sind, daß sie nicht weiter schwimmen können. Natürlich bilden diese Tangwiesen den Aufenthaltsort von Millionen kleiner Seetiere. Für Segelschiffe hat das Sargasso-Meer in früheren Zeiten sogar ein Fahrthindernis gebildet, aber auch der Dampfer geht ihm heut aus dem Wege, damit ihm nicht die Unmassen von Tang in die Schraube geraten und diese unklar und bewegungslos machen.

Am 5. Februar in der Nacht um elf Uhr, als die »Moltke« unter vollen Segeln ging, wurde sie ganz plötzlich von einem schweren Gewittersturm überrascht. Als »Alle Mann auf!« gepfiffen war und die Mannschaft auf Deck kam, war die Gewitterbö schon da. Mit furchtbarer Gewalt warf sie die »Moltke« auf die Seite und einen Augenblick lang schien es, als wäre eine Katastrophe unvermeidlich, und als würde die »Moltke« untergehen.

Aber jetzt zeigte es sich bereits, was es heißt, gut durch gebildete, geübte Leute an Bord eines Schiffes zu haben. Trotz des furchtbaren Gewitters wurden die Segel ohne Unfall geborgen. Als die Leute von den Raaen wieder herunterenterten, waren sie von den Blitzen, die sie umzuckt hatten, so geblendet, daß sie sich zuerst gar nicht zurecht fanden.

So schnell wie der Gewittersturm gekommen war, so schnell trat wieder Ruhe in der Natur ein. Nach drei Stunden konnten die Mannschaften, die nicht zur Wache gehörten, wieder in ihre Hängematte geschickt werden. Ob die »Moltke« diesen Gewittersturm so glücklich bestanden hätte, wenn er sie in der ersten Zeit ihrer Ausreise getroffen hätte, bevor die Mannschaften eingeübt waren, ist wohl fraglich.

Einige Tage später sichtete man an Steuerbord in weiter Entfernung die Bermudas-Inseln. Am 18. Februar wurde der Golfstrom erreicht, und ohne jede Störung vollzog sich die Fahrt nach Fayal so rasch, daß die »Moltke« dort zwei Tage früher als man gehofft hatte, ankam. Mittags kam die »Moltke« vor der Mole von Fayal zu Anker, und erst am nächsten Tage verholte sie hinter der Mole, wo auch das deutsche Schulschiff »Stosch« schon vor Anker lag. Die »Stosch« fuhr aber schon nach wenigen Stunden ab.

Wenige Tage, bevor die »Moltke« angekommen war, hatte wieder einer der fürchterlichen Stürme gewütet, von denen die Azoren so häufig heimgesucht werden. Die »Stosch« hatte, als man das Herannahen des Sturmes bemerkte, sich von der Hafenverwaltung sechs Anker geborgt, natürlich gegen Bezahlung, sechs Anker mit den dazu gehörigen Ketten. Trotzdem sie hinter der Mole lag, hatte sie fünf Anker am Heck und zwei am Bug angebracht, drei Anker waren noch zur Reserve vorhanden, außerdem war aber in drei Kesseln Dampf aufgemacht, um im Falle der äußersten Not, wenn die Ankerketten brachen und man die letzten Anker »flippen« mußte, mit der Maschine gegen den Strom anzukämpfen und so die Strandung zu vermeiden.

Slippen heißt fahren lassen. Wenn man in irgendeiner Gefahr nicht mehr Zeit hat, um einen Anker aus dem Grunde zu heben, so haut man eines der Glieder der Ankerkette, die sich auf dem Schiffe befindet, durch und läßt die Ankerkette ins Wasser fallen. An einem langen Tau befestigt man aber eine Schwimmboje an der Ankerkette, damit man später wenigstens die Stelle weiß, wo die abgerissenen Anker und Ketten liegen, um diese wertvollen Ausrüstungsstücke eventuell zu bergen.

Am nächsten Tage lief ein deutscher Frachtdampfer im Hafen von Fayal ein, der ein englisches Frachtschiff im Schlepptau hatte. Das englische Schiff war fast ganz und gar zum Wrack geworden. Einundzwanzig Tage hatte es mit Wellen und Sturm gekämpft. Ohne Masten und Steuer trieb es auf den Wogen umher, die Nahrungsmittel gingen bereits zu Ende, als der deutsche Dampfer das Schiff auffand. Die See war so aufgeregt, daß Nahrungsmittel nur mir Hilfe einer Boje, die man über Bord warf und an langen Fangleinen dirigierte, bis nach dem Wrack geschafft werden konnten. Dann wollte der deutsche Dampfer das englische Schiff in das Schlepptau nehmen, aber Tau auf Tau riß, bis endlich eine Stahltrosse von mehreren Zentimetern Stärke die Verbindung zwischen dem deutschen Dampfer und dem Wrack herstellte. In achttägiger Schleppfahrt, während der selbst die starke Stahltrosse wiederholt riß, brachte nunmehr der deutsche Dampfer das englische Schiff mit der Besatzung nach Fayal hinein.

Für solche Dienste hat das Schiff, welches die Rettung bewirkt, von dem Besitzer des havarierten Schiffes natürlich ein Entgelt zu fordern, was durchaus gerechtfertigt ist. Das rettende Schiff gibt ja seine Fahrt auf, weicht von seinem Kurse ab, hat großen Zeitverlust, macht einen Umweg und hat auch noch bare Auslagen. Der »Bergelohn«, der für das Einbringen von hilflos gefundenen Schiffen gezahlt wird, beträgt manchmal 50- bis 100 000 Mark, je nach der Ladung und dem Wert des Schiffes.

Als das traurige Wrack im Schlepptau des deutschen Dampfers an der Mole vorüberkam, überlief es doch wohl manchem Schiffsjungen kalt. Jetzt sahen die jungen Seeleute erst ein, welch glückliche und ruhige Fahrt die »Moltke« bisher gemacht hatte. Mit Ausnahme des Pampero und einiger Gewitterstürme und des Zusammenstoßes kurz vor dem Hafen von Plymouth hatte die »Moltke« eigentlich nichts Aufregendes durchzumachen gehabt. Allerdings, man wußte nicht, was noch alles auf der Heimreise, die viele Tage lang dauerte, passieren konnte.

In der Freizeit versammelten sich die Schiffsjungen um den Steuermannsmaaten Nottemann, der wieder einmal »ein Garn spann« und von allerlei schrecklichen Seeunfällen erzählte, die er als Matrose bei der Handelsmarine, vor seinem Eintritt in die Kriegsmarine, durchgemacht oder von denen er gehört hatte.

»Das Schlimmste, was ich selbst erlebt habe, war Feuer im Schiff. Ich war auf dem englischen Dampfschiffe »Manchester«. Wir kamen von New-Orleans, wo wir Baumwolle, Terpentinöl und Harz geladen hatten. Das war allerdings eine Ladung, wie man sie sich gefährlicher nicht denken kann. Baumwolle allein ist schon eine große Gefahr, denn da sie für den Transport mit Maschinen sehr stark zusammengepreßt wird, entwickelt sich zwischen den übereinander gestapelten Ballen eine derartige Hitze, daß sehr häufig die Baumwolle von selbst zu brennen anfängt.

Unser englischer Kapitän war während der ganzen Fahrt beunruhigt, und wie uns der Steuermann erzählte, hatte er einen Eid geleistet, niemals wieder so gefährliche Ladung anzunehmen. Wir kamen aber glücklich bis in die Nähe der irischen Küste, und schon glaubten wir, daß alle Gefahr vorüber sei, als plötzlich das Feuer zum Ausbruch kam. Natürlich hatte es im Innern der Baumwolle schon lange Tage geschwelt, und als die Flamme herausbrach, war die Glut eine so furchtbare, daß an der Backbordseite das Eisen, aus dem das Schiff gebaut war, rotglühend wurde. Vielleicht wären wir durch Löschen des Feuers Herr geworden, aber auch das Terpentinöl fing Feuer und es entwickelte sich ein so furchtbarer Qualm, daß wir fast erstickten. Die Heizer und Maschinisten mußten aus der Maschine heraus, weil sie hier durch den Rauch zu sehr belästigt wurden. In seiner Verzweiflung ließ der Kapitän das Achterschiff durch Öffnen der Pforten und Schotten voll Wasser laufen, aber auch das half nichts, das Deck wurde glühend. Es gelang noch einmal, ein paar Segel zu setzen, und mit diesen kamen wir bis in die Nähe der Küste, wo wir auf einer Tiefe von sechs Metern das Schiff in Booten verließen. Bald darauf sank das Schiff und war mit der ganzen Ladung verloren. Uns kam man von der Küste aus zu Hilfe.«

»Kriegsschiffe verunglücken doch viel seltener als Handelsschiffe, nicht wahr, Herr Steuermannsmaat?« fragte Schwersenzke.

»Das ist nicht so ohne weiteres zu sagen,« meinte Nottemann. »Natürlich, die Mannschaften auf den Kriegsschiffen sind besser eingeübt, es herrscht eine bessere Disziplin, und im Augenblick der Gefahr behalten der Kommandant und die Offiziere die Mannschaften in der Hand. Aber auch ein Kriegsschiff ist vor dem Untergang in keiner Weise gesichert, besonders unsere modernen Schiffe mit den hoch aus dem Wasser aufragenden Aufbauten und den riesigen, schweren Kanonen sind in heftigen Stürmen gefährdet. Wenn ihr erst später auf diese eisernen Schlachtschiffe kommt, werdet ihr schon sehen, wie die Kasten in schwerer See hin und her rollen. Ohne Verlust geht es auch in der Kriegsmarine nicht ab, und auch unsere deutsche Marine, so jung sie ist, hat schwere Unglücksfälle zu beklagen gehabt. Im Jahre 1860 ging im Teifun der Schoner »Frauenlob« der preußischen Marine mit Mann und Maus verloren. Auch die preußische Korvette »Amazone«, die mit Schiffsjungen und Kadetten im Jahre 1861 die Auslandsreise antrat, ist jenseits des Kanals im Atlantischen Ozean spurlos verschwunden. Im Jahre 1878 hatten wir bei Folkestone das schreckliche Unglück mit dem Panzerschiffe »Großer Kurfürst«, bei dem hunderte von Offizieren und Mannschaften ihren Tod fanden. Im Jahre 1885 ist die deutsche Kreuzerkorvette »Augusta« im Indischen Ozean ebenfalls mit Mann und Maus verschwunden. Am 16. März 1898 sind bei dem schweren Sturme auf Samoa die deutschen Kanonenboote »Adler« und »Eber« mitsamt der Mannschaft zu grunde gegangen, noch heute liegen Wracktrümmer der deutschen Kriegsschiffe auf den Korallenriffen von Samoa. Im Jahre 1896 wurde nahe Kap Shantung in China das Kanonenboot »Iltis« von einem Teifun gepackt und auf ein Riff geworfen. Schiff und Mannschaft waren verloren. Aber im Angesicht des Todes brachte der Kommandant des Schiffes, Kapitänleutnant Braun, ein dreifaches Hurra auf den Kaiser aus. Dann riß ihn eine Welle über Bord. Die Besatzung stimmte das Flaggenlied an: ›Hoch weht die Flagge schwarz-weiß-rot‹, bis der Gesang im letzten Todesschrei erstarb. Das Schiff war gekentert. Nur elf Mann wurden gerettet. Sämtliche Offiziere, der Arzt und 71 Mann fanden ihren Tod. Seht ihr, Jungens, so sterben brave Seeleute.«

Nachdem die »Moltke« noch Kohlen übernommen hatte, ging sie am 1. März wieder in See und nahm ihren Kurs auf den holländischen Hafen Vlissingen. Während der vierzehntägigen Seefahrt war die »Moltke« wieder von beispiellos schönem Wetter begünstigt. Selbst im Kanal, der wegen seiner Nebel berüchtigt ist, traf man das klarste, sichtige Wetter. Je mehr man aber der Heimat nahe kam, desto unangenehmer machte sich die niedrige Temperatur bemerkbar, man hält sich eben nicht ungestraft monatelang in den Tropen auf. In Europa war man erst im Frühjahr, und in den ersten Tagen des März ist es noch empfindlich kalt, besonders auf See. Selbst eine Temperatur von 15° C. kam den jungen Seeleuten kaum erträglich vor, so sehr waren sie durch die Hitze in den Tropen verwöhnt worden. Die Leute froren, trotzdem sie wollenes Unterzeug und dicke blaue Wollkleidung trugen.

Auch in Vlissingen traf die »Moltke« zwei Tage früher als vermutet, nämlich am 12. März ein. Hier fand die Schiffsbesatzung die Post, die ihr entgegengeschickt war. Die Nachrichten, welche die Zurückkehrenden erhielten, waren also erst wenige Tage alt. Man war durch die Briefe und Zeitungen, die man erhielt, gewissermaßen schon in nahe Beziehung zu der Heimat gesetzt. Durch Privatdampfer war auch die Post für die Besatzung hier schon früher eingetroffen, die nach den Azoren gegangen war und dort das Schiff nicht mehr getroffen hatte.

Am 20. März ging die »Moltke« aus dem inneren Hafen von Vlissingen auf den Strom, ankerte dort und fuhr am nächsten Tage bei starkem Gegenwind nunmehr mit der Maschine und mit Segeln weiter. Die Besatzung aber wurde einer harten Geduldprobe unterworfen; sie sollte es einmal kennen lernen, was es heißt, sich auf das Nachhausekommen freuen und nun durch widriges Wetter aufgehalten zu werden. Es kam Sturm mit ununterbrochenem Regen, und die »Moltke« hatte derartigen Gegenwind, daß sie von Dienstag bis Freitag kreuzen mußte. Durch den Regen war alles an Bord naß, bis in das Zwischendeck drang das Regenwasser. Nach dem Aufenthalt in den Tropen froren die Leute gottserbärmlich. Die Heizungseinrichtungen genügten nicht, um die nötige Erwärmung zu schaffen, selbst nachts in der Hängematte klapperten die Leute vor Kälte mit den Zähnen, obgleich sie zwei wollene Decken zu ihrer Verfügung hatten. Während der ganzen glücklichen Fahrt hatte die Besatzung der »Moltke« nicht so abscheuliches Wetter gehabt, wie jetzt in den letzten Tagen unmittelbar vor dem Heimatshafen, und war die Mannschaft nicht solchen Strapazen ausgesetzt gewesen.

Am Freitag nahm der Wind endlich etwas ab und mit Hilfe der Maschine konnte die »Moltke« ungefähr fünf Meilen in der Stunde vorwärts kommen. In der Nacht zum Sonntag sah man von der »Moltke« aus das Leuchtfeuer von Ermelland an Steuerbord, gegen Morgen passierte man das Leuchtfeuer von Borkum. Am Nachmittag sah man den gewaltigen Rumpf eines Kriegsschiffes auftauchen, das sich mit großer Geschwindigkeit näherte und in weiter Entfernung an der »Moltke« vorüberging. Es war der zur Kaiserklasse gehörige große Panzer »Kaiser Friedrich III.«, der mit seinen Riesenmaschinen von 18 000 Pferdekräften die »Moltke« natürlich spielend überholte.

Am nächsten Vormittag wurde der Elblotse an Bord genommen. Um vier Uhr nachmittags hatte die »Moltke« Helgoland an Backbord in Sicht und nachts halb zwölf ankerte das Schiff vor der Kanalmündung bei Brunsbüttel. Der nächste Tag war ein Sonntag, und zwar der 25. März. Es war schönes, sonniges Wetter, und in langsamer Fahrt ging die »Moltke« in acht Stunden durch den Kaiser-Wilhelm-Kanal. Am Nachmittag passierte sie die Schleuse von Holtenau, und unter dem Donner der Geschütze, mit welchem die »Moltke« die Flagge des Stationskommandanten begrüßte, und unter dem brausenden Hurra aller Mannschaften der im Kieler Hafen liegenden Kriegsschiffe ging die »Moltke« an die Boje und machte hier fest.

Sofort kam die Zollbehörde an Bord, um dafür zu sorgen, daß niemand von der Mannschaft zollpflichtige Sachen, welche im Auslande gekauft worden waren, durchschmuggelte. Auch die Wäscherinnen, welche für die Kadetten und Offiziere regelmäßig die Wäsche besorgten, erschienen sofort, nachdem das Fallreep heruntergelassen war. Die Wäscherinnen brachten auch schon Nachricht über Abkommandierungen und Versetzungen. An Land gingen nur die Offiziere, die verheirateten Maaten und die Deckoffiziere.

Am Montag zeitig früh begann die Generalreinigung des Schiffes, denn nachmittags kam der Admiral zur Inspizierung an Bord. Er wurde mit den üblichen Feierlichkeiten empfangen, besichtigte das Schiff bis in den letzten Winkel, ließ dann Anker hieven und die »Moltke« mit der Maschine hinaus in die Kieler Föhrde dampfen. Nach kurzer Zeit wurde »Klar Schiff!« geschlagen, dann folgte ein schneidiges Segelexerzieren und erst in den Nachmittagsstunden kehrte die »Moltke« nach strenger Besichtigung, die allerseits glänzend verlaufen war, wieder zur Boje zurück.

In Gegenwart des Kommandanten, der gesamten Offiziere und der Deckoffiziere erfolgte dann die Abrechnung mit den Mannschaften und die Auszahlung der Löhnung und des Kleidergeldrestes.

Am nächsten Tage wurde die »Moltke« außer Dienst gestellt, sämtliche Mannschaften gingen an Land, und das Schiff wurde nach der Werft verholt, um dort nach der Fahrt gründlich untersucht zu werden. Noch am Nachmittage desselben Tages aber entführten die Eisenbahnzüge Offiziere, Deckoffiziere, Kadetten, Matrosen und Schiffsjungen, die einen längeren Urlaub erhalten hatten, nach allen Teilen des Reiches.

Es ist ein herrlicher Augenblick, wenn man nach längerer Seereise wieder in den Heimathafen zurückkehrt, aber noch schöner ist es dann, in das Elternhaus zu den Lieben zurückzukehren, die in der Zwischenzeit sich um den jungen Seemann gebangt und gesorgt haben, und die jetzt den aus Ferne Zurückgekommenen unter Freudentränen wieder in ihre Arme schließen dürfen.

Ende.


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