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Erstes Kapitel.

»Heiß Flagge und Wimpel!« – Der Stabswachtmeister und der Klabautermann. – Die Dienst-Routine. – Instruktion. – Der kleine Quadutter. – Der Weltrekord in Bratkartoffeln. – Zwei Walfische verspeist. – Die Schiffs-Offiziere. – Was wir auf dem Oberdeck sehen. – »Kommandant kommt zurück!« – Am Fallreep. – Die Backspiere. – Barfußlaufen. – »Boot ahoi!«


Es war in den letzten Tagen des Juni 1899.

S. M. Schulschiff »Moltke« lag im Kieler Hafen an der Boje.

Es war morgens gegen siebeneinhalb Uhr. Die Pfeifen der Bootsmannsmaate schrillten durch alle Decke, zum Zeichen, daß jedermann ruhig sein solle, um das Kommando, das jetzt kam, genau zu verstehen.

»Alle Mann sich umziehen! Zweite Garnitur blau! Weiße Kragen!«

Wie schnell die Matrosen, die Kadetten und die Schiffsjungen zu ihren Kleiderkisten eilten, um das gute Zeug anzulegen. Und doch ging es den Maaten nicht schnell genug.

»Immer dalli, dalli!« riefen sie, »immer vorwärts! Etwas lebhafter!«

»Wer murkst da noch an seiner Kleiderkiste herum?!«

»Sind die Bengels noch nicht oben?« schrien die Maate der Schiffsjungen.

»Die alten Leute haben faules Fleisch an Land angesetzt! Wartet, wir werden euch Beine machen!«

»Immer fix, fix, fix!«

An Bord eines Kriegsschiffes geht alles fix. Galopp ist die einzige Gangart, die man kennt. Wer schwerfällig und phlegmatisch ist, dem werden »Beine gemacht«, wenn es sein muß, in höchst unangenehmer Art und Weise.

Es ist kurz vor acht Uhr. Wiederum schrillen die Pfeifen der Maate und durch die Decke hallt es:

»Musterung in Divisionen!«

Tausend beschuhte Füße trampeln die Treppen hinauf, die von den unteren Decks nach dem Oberdeck führen. In langen Reihen formieren sich auf dem Deck die fünf Divisionen. Die erste und zweite Division sind Schiffsjungen des neuesten Jahrgangs; die dritte Division sind Schiffsjungen vom vorigen Jahrgang. Die vierte Division sind Handwerker und Matrosen; die fünfte Division besteht aus dem Maschinenpersonal. In zwei langgegliederten Abteilungen, mit den Gesichtern einander zugekehrt, stehen die Mannschaften auf dem Deck. Sie sind schnurgerade ausgerichtet, und dieses Ausrichten hat ihnen gar keine Schwierigkeiten gemacht. Die sogenannten Decknähte, die schmalen Zwischenräume zwischen den Decksplanken, die sich in der Längsrichtung des Schiffes über das ganze Deck hinziehen, gestatten ein sehr rasches und scharfes Ausrichten. Es braucht jedermann nur die Spitzen der großen Zehen an die richtige Decknaht zu halten und die tadelloseste Richtung ist fertig.

Die Maate melden den Offizieren, diese den Divisionsoffizieren. Auf dem Achterdeck hat der Kommandant, umgeben von dem sogenannten Schiffsstabe, sich aufgestellt. Sämtliche Offiziere tragen Gala-Anzug: die Parade-Uniform, die silberne Schärpe und den mit Goldtressen besetzten Zweimaster.

In der Nähe der Offiziere stehen am Steuerbord die vierzig Kadetten, die zur Ausbildung auf das Schulschiff kommandiert sind. An der anderen Seite, an Backbord, steht die Sicherheitswache des Schiffes mit den Gewehren und neben dieser die Tambours und das Musikkorps.

Achtmal wird die Schiffsglocke angeschlagen.

»Acht Glas!« ruft der erste Offizier. »Stillgestanden! Das Gewehr über! Klar bei Flagge und Wimpel!«

Dann tritt er mit der Hand am Hut vor den Kommandanten und meldet:

»Alles klar, Herr Kommandant.«

Der Kommandant des Schiffes tritt einige Schritte vor und ruft mit lauter Stimme:

»Auf Befehl Sr. M. des Kaisers stelle ich dieses Schulschiff in Dienst zu einer Auslandsreise nach Westindien!«

»Achtung! Präsentiert das Gewehr! Heiß Flagge und Wimpel!«

Schmetternd fiel die Musik mit dem Präsentiermarsch ein, den die Tambours mitschlugen. An der Spitze des mittelsten Mastes entfaltete sich der lange Kriegsschiff-Wimpel, und an der Gaffel des hintersten Mastes stieg langsam und feierlich die deutsche Kriegsflagge empor, die von allen Offizieren durch Anlegen der Hand an den Hut salutiert wurde.

Jetzt hatte die Kriegsflagge den höchsten Punkt an der Gaffel erreicht.

»Achtung! Gewehr auf Schulter!« kommandierte der erste Offizier, und die Musik brach jäh ab.

»Alle Mann achteraus! Rechts- und linksum!«

Die langgliederigen beiden Abteilungen machten die eine rechts, die andere links um und marschierten mit dröhnendem Schritt bis an das Gangspill, wo der Kommandant des Schiffes stand.

»Halt! Front!«

Mit kernigen Worten begrüßte der Kommandant Offiziere und Mannschaften, wies auf die Pflichten hin, welcher jeder einzelne an Bord des Schiffes habe, mahnte zur Kameradschaftlichkeit, erinnerte an das Vertrauen, das von Kaiser und Vaterland der Besatzung des Schiffes geschenkt werde, indem man dieser nicht nur ein Schiff übergebe, sondern sie auch hinausschicke, um die Ehre der deutschen Flagge in fremden Meeren zu erhöhen und zu wahren.

Der Kommandant schloß mit einem dreimaligen Hurra auf den Kaiser, und das laute Rufen dröhnte über die weite Fläche des Hafens hinüber zu den anderen Schiffen, auf denen für diesen Moment die Arbeit ruhte, weil aller Augen sich nach der »Moltke« richteten.

»Wegtreten und umziehen zum Dienst!« lautete das Kommando, und in weniger als einer Minute war das Oberdeck leer und nur die Wache blieb zurück. Der Kommandant hielt noch eine kurze Ansprache an die um ihn versammelten Offiziere und begab sich dann mit der Dampfbarkasse an Land, um dem Stationskommandanten Meldung von der Indienst-Stellung des Schiffes zu machen.

Lieber junger Leser, wir haben, im Geiste dicht neben dem Kommandanten stehend, die Indienst-Stellung mitgemacht, wir wollen auch ferner als ungesehene Gäste auf dem Schulschiff »Moltke« bleiben und dasselbe auf seiner Fahrt nach Westindien und zurück begleiten. Wir werden Kenntnis nehmen von den verschiedenen Dienstobliegenheiten der Offiziere und Mannschaften, der Kadetten und Schiffsjungen. Wir werden in jeden Winkel des Schiffes kriechen und uns dort umsehen. Wir werden unsichtbar uns in der Kajüte des Kommandanten aufhalten; wir werden Besuche in der Maschine machen; wir werden in der Kadettenmesse anwesend sein, wenn es dort recht lustig zugeht. Wir werden in Sturm und Gewittergraus mit oben auf den höchsten Raaen uns »auslegen« und kennen lernen, was es heißt, ein vom Gewittersturme gepeitschtes Segel zu reffen. Wir werden ernste und fröhliche, interessante und rührende Szenen durchleben; wir werden ungesehen überall Zutritt suchen und finden, wir werden uns selbst in das Zwischendeck hinunter wagen, wo der Stabswachtmeister herrscht, oder sagen wir vielmehr: ein Schreckensregiment führt, der Stabswachtmeister, welcher die Polizei an Bord darstellt.

Pfotenhauer ist sein Name (was besagt nicht dieser Name schon!). Er ist der Herr des untersten Decks, des sogenannten Zwischendecks. Er ist ein Deckoffizier, er führt die Strafverzeichnisse, hat die Arrestzellen unter seiner Aufsicht und ist für die Ordnung im Zwischendeck verantwortlich. Aber er erscheint auch überall dort, wo es gilt, die Ordnung aufrecht zu erhalten. Unter uns gesagt: er ist so eine Art Hecht im Karpfenteich, und wenn die Mannschaft sehr bald »fix« wird (»fix wie die Windhunde« ist der richtige Ausdruck), dann ist das mit das Verdienst des Stabswachtmeisters. Wer etwas langsam ist und glaubt, im Zwischendeck, wo es meist dunkel ist, langsam gehen und bummeln zu können, der irrt sich. Da unten im Zwischendeck haust nämlich der Klabautermann! Der Klabautermann hat ein Tauende, ein »Tamp« nennt man das. An dem einen Ende des Tamps ist ein Knoten, und wenn dieser Knoten, geschwungen von kräftiger Hand, auf einen fleischigen Körperteil fällt, so tut das verteufelt weh! Es gibt ja Verleumder, welche behaupten, nicht der Klabautermann führe da unten im Zwischendeck das Tau mit dem Knoten am Ende, sondern der Stabswachtmeister – aber das ist Verleumdung, denn geprügelt darf an Bord nicht werden. Nur gegen Schiffsjungen ist im alleräußersten Notfalle und unter allen möglichen Vorsichtsmaßregeln die Prügelstrafe anwendbar. Aber der Klabautermann im Zwischendeck kümmert sich eben nicht um die Schiffsvorschriften, und das hat zur Folge, daß besonders die Schiffsjungen das Zwischendeck immer im Laufschritt passieren. Dadurch lernen sie, hübsch auch in der Dunkelheit im Wege liegenden und stehenden Gegenständen auszuweichen, sie bekommen gewissermaßen unsichtbare Fühlhörner, und diese brauchen sie späterhin, wenn sie bei Nacht auf das Deck gerufen werden, um irgend ein wichtiges Manöver auszuführen.

Wir sind ja, Gott sei Dank, wegen unserer Unsichtbarkeit vor dem Klabautermann und seinem Tauende sicher; auch der Gewaltige des Batteriedecks, der Feuerwerker, und der Gewaltige des Oberdecks, der Oberbootsmann, sie können uns nichts tun.

Wenn wir aber im Geiste auf diesem Schiffe gewesen sind und die Reise hin und zurück gemacht haben werden, dann werden wir ganz andere Begriffe von dem Leben und Treiben auf einem Kriegsschiffe haben, als bisher. Es herrschen daheim, bei den Landratten, jung und alt, die absonderlichsten Begriffe über den Dienst auf den Kriegsschiffen, über Offiziere und Besatzung. Wir werden vor allem eine Menge Vorurteile aufgeben müssen! Wir werden uns davon überzeugen, daß die Matrosen nicht rohe, ungebildete Tölpel und schwer von Begriffen sind, brutale Kerle, deren einziges Vergnügen darin besteht, Grog zu trinken. Wir werden aber auch das gegenteilige Vorurteil fallen lassen müssen, nämlich daß ein jeder Matrose ein bildschöner, blondlockiger, blauäugiger Knabe sei, voll Gefühl und Schwärmerei, der von früh bis abends Gedichte deklamiert, bei einem schönen Sonnenuntergang in Tränen ausbricht und der sich weinend mit seinen Genossen umarmt, wenn der Ruf: »Land! Land!« ertönt. Wir werden uns davon überzeugen, daß der Schiffsdienst ein harter, gefährlicher und verantwortlicher ist und daß des Matrosen Hauptbeschäftigung nicht im Singen, Tanzen und Grogtrinken besteht, sondern daß man von ihm viel, sehr viel, außerordentlich viel verlangt. Wir werden aber auch das Vorurteil fallen lassen, daß der Dienst auf dem Schiffe nichts ist als eine Art Selbstmord, ein Schweben zwischen Himmel und Hölle, und wir werden endlich die Überzeugung gewinnen, daß der harte Schiffsdienst die Schiffsjungen und Kadetten zu Männern macht und die Kraft und den Charakter der Männer stählt und festigt.

Was nun? Was für Dienst gibt es jetzt nach der Feierlichkeit des Indienst-Stellens?

Begeben wir uns zur Kommandobrücke, auf welcher jetzt im Hafen ein jüngerer Offizier Wache geht. Unter der Kommandobrücke, an einer der Stützen, welche die Brücke tragen, befindet sich unter Glas und Rahmen eine lange Liste. Diese ist gewissermaßen die tägliche Speisekarte des Dienstes. Sie ist die Vorschrift, nach der sich der Dienst auf einem Schulschiff im Hafen regelt, und sie führt den fremden Namen: »Routine«. Lesen wir uns die Routine durch, um einen Begriff von dem Dienst auf einem Schulschiffe zu erhalten.

Täglicher Dienst im Hafen.

Vormittags.

4 h 10' Nachtwache Musterung, Hängemattskasten klarmachen, Balgen mit Wasser zum Waschen füllen, darauf sich waschen.
4 h 50' Wecken des Bootsmanns, Feuerwerkers und Wachtmeisters und ihrer Maate, sowie der Sicherheitswache.
5 h Wecken und Überall.
5 h 5' Hängemattsstauer, sodann Hängematten auf.
5 h 10' Sich waschen, Tagesanzug.
5 h 30' Pfeifen und Lunten aus.
5 h 40' Schiffsreinigung, darauf Decke aufklaren.
6 h 40' Kadetten Hängematten zurren.
6 h 45' Kadetten Hängematten auf.
6 h 50' Backen und Banken.
7 h Frühstück. Neue Sicherheitswache, Boots- und Fallreepsgäste sich klar machen.
7 h 20' Posten ablösen; Proviant empfangen.
7 h 30' Kranke ins Lazarett.
7 h 35' Pfeifen und Lunten aus.
7 h 40' Decke aufklaren.
7 h 45' Neue Sicherheitswache, Boots- und Fallreepsgäste Musterung; Wachwechsel.
7 h 55' Zur Flaggenparade.
8 h Flaggenparade.
8 h 10' Geschütze reinigen.
8 h 45' Handwaffen reinigen.
9 h Klarmachen zur Musterung.
9 h 10' Musterung; im Anschluß daran, spätestens
9 h 30' Zum Dienst.
11 h 30' Klar Deck; Musterung des Maschinen- und Heizerpersonals.
11 h 45' Backen und Banken.
12 h Mittag.

Nachmittag.

12 h 30' Posten ablösen; Reinigung des Backsgeschirrs.
1 h 45' Pfeifen und Lunten aus, Decke fegen; Bumboot von Bord.
2 h Divisionsdienst oder Musterung, Unterricht pp.
4 h Klar Deck.
4 h 30' Zum Dienst.
5 h 30' Klar Deck; Boote heißen, Bezüge über. Darauf Umziehen für die Nacht.
5 h 50' Backen und Banken.
6 h Abendbrot.
6 h 20' Posten ablösen.
7 h 30' Decke räumen und fegen.
7 h 40' Kadetten Hängematten unter Deck.
7 h 50' Alle Mann Hängematten.
8 h Nachtwache Musterung; Wachverteilung.
8 h 50' Pfeifen und Lunten aus in den unteren Schiffsräumen.
9 h Zapfenstreich; Ruhe im Schiff.
9 h 10' Hauptrunde.
10 h Ruhe in der Deckoffiziermesse.
11 h Ruhe in der Offiziermesse.

Wir ersehen aus der Routine, daß jetzt Geschütze und Handwaffen geputzt werden. Bei den Schiffsjungen aber findet Instruktion statt, und dieser wollen wir einmal beiwohnen.

Der Bootsmannsmaat Petersen ist ein sehr tüchtiger Instrukteur. Er hat in seiner Schiffsjungenabteilung sowohl ältere Schiffsjungen vom vorigen Jahrgang als auch neue, und die älteren Schiffsjungen wissen schon ganz gut Bescheid.

Petersen ist auch ein sehr großer Redner vor dem Herrn, und so erzählt er jetzt seiner Instruktionsabteilung nicht ohne Wichtigkeit:

»Vor allem muß der Seemann sein Schiff kennen. Das Schiff ist ihm alles! Das Schiff ist ihm Heimat, Vater und Mutter, Braut und Ehefrau! Auf dem Schiffe lebt er, mit dem Schiffe stirbt er. Deutsches Land ist das Schiff, und wo der Seemann auch hingeht, er führt deutschen Boden mit sich. Ihr seid jetzt auf Sr. M. Schulschiff »Moltke« kommandiert. Auch die jüngeren von euch haben schon eine kleine Probefahrt auf einem anderen Schiffe in die Ostsee gemacht, jetzt gehen wir zu zehnmonatlicher Fahrt nach Westindien. Die »Moltke« ist in den Jahren 1876 bis 1878 auf der Werft zu Danzig erbaut. Sie ist als Segelschiff getakelt und mit einer Dampfmaschine versehen. Ihre erste Reise machte sie nach Süd-Georgia mit einer wissenschaftlichen Expedition an Bord. Von dort kehrte sie im Herbst 1883 wieder zu ihrem Heimatshafen Kiel zurück, denn die »Moltke« ist der Marinestation der Ostsee zugeteilt. Sie machte darauf eine Reise nach Christiania an die norwegische Küste und nach England. Bisher war die »Moltke« eine Kreuzerfregatte, im Jahre 1885 aber wurde sie zu einem Schulschiff gemacht, weil sie ungepanzert war und als Kreuzer nur noch Panzerschiffe Verwendung finden sollten. Als Schulschiff ging sie 1886 auf zwei Jahre nach Westindien. Im Jahre 1889 wurde die Moltke als Bark getakelt und ist seitdem ein Schiffsjungen- bezw. Seekadettenschiff geblieben. 1891 machte sie wieder eine Tour nach Westindien und Südamerika, 1893 ging sie nach dem Mittelmeer und kehrte erst im nächsten Jahre zurück. Seit jener Zeit hat sie immer abwechselnd Touren in das Mittelländische Meer und nach Westindien gemacht und diesmal geht sie mit uns nach Westindien. Von wem hat die »Moltke« ihren Namen?«

»Nach dem berühmten Feldmarschall Moltke!« antwortete einer der älteren Schiffsjungen.

»Richtig. Der greise Feldmarschall Moltke besuchte am 7. April 1891 in Gegenwart Sr. Maj. des Kaisers das Schiff, das ihm zu Ehren benannt worden ist. Zur Erinnerung an diesen Besuch hat das Schiff in der Achterbatterie eine Tafel, die mit wenigen Worten dieses Ereignisses gedenkt und die Besatzung der »Moltke« ermahnt, daß jeder seine Pflicht gegen das Vaterland immer so erfüllen möge, wie es der greise Feldmarschall Moltke getan hat.«

Wenden wir uns jetzt zu einer andern Instruktionsabteilung der Schiffsjungen, welche von dem Bootsmannsmaat Rättmann unterrichtet wird. Unter den Maaten führt Rättmann den Spitznamen »der kleine Quadutter«. Er ist nämlich wirklich klein von Gestalt, aber ein sehr schneidiger Seemann. Den Spitznamen trägt er schon lange. Die Bezeichnung Quadutter stammt aus Frankfurt am Main. Man versteht darunter dort einen kleinen Menschen, den man in anderen Teilen Deutschlands einen »Stöpsel« oder »Kanonenstöpsel« nennt. Wie Rättmann zu dem Namen »der kleine Quadutter« gekommen ist, weiß er selber nicht, aber er trägt ihn, und zwar mit Ehren. Natürlich wissen auch die älteren Mannschaften den Spitznamen des Unteroffiziers, doch sie flüstern ihn sich nur zu. Würden sie ihn laut sagen, so würde die Leute, wie Stabswachtmeister Pfotenhauer drastisch zu sagen pflegt, »der Teufel frikassieren«.

Der kleine Quadutter, wie nochmals bemerkt sein soll, ein vorzüglicher Unteroffizier, hat einen Weltrekord aufgestellt, nämlich im Essen von Bratkartoffeln. So behauptet das Gerücht, und über den kleinen Quadutter, der in den Kreisen der Maate und auch bei den Deckoffizieren recht beliebt ist, sind eine Menge Gerüchte im Umlaufe.

Das eine dieser Gerüchte erzählt, er habe einmal auf einen Sitz für vier Mark fünfzig Bratkartoffeln gegessen, und das bedeute vorläufig den Weltrekord, denn noch niemand habe es über eine Portion Bratkartoffeln hinausgebracht, die mehr als drei Mark koste. Alle Seeleute essen stark; das macht die viele Bewegung, die meist sehr schwere Arbeit und der Aufenthalt in der zehrenden Seeluft. Der kleine Quadutter aber ißt ganz besonders stark, und wenn er bei Auslandsreisen an Land kommt, dann ist die erste Frage bei ihm: Wo gibt es gut und viel zu essen? In seinem Tagebuche werden wir sorgfältige Eintragungen über das Essen in den verschiedenen Häfen finden. Ein anderes der Gerüchte, die über den kleinen Quadutter im Umlaufe sind, erzählt eine ganz schreckliche Geschichte von ihm, die natürlich von Anfang bis zu Ende erlogen ist. Der kleine Quadutter soll einmal Harpunierer auf einem Walfischboot gewesen sein. Eines Tages erlegte man zwei große Walfische. Dieselben lagen am Strande, um am nächsten Tage ausgekocht zu werden. Der Kapitän des Walfischfahrers begab sich mit der anderen Mannschaft an Land, um einen Eisbären zu jagen. Nur der kleine Quadutter blieb als Wache zurück. Als der Kapitän mit der Mannschaft spät abends heimkehrte, soll er zu seinem Schrecken entdeckt haben, daß die beiden Walfische verschwunden waren, nur die Gerippe waren noch da. Der kleine Quadutter hatte die beiden Walfische in der Zwischenzeit aufgegessen. Er wurde sofort in Eisen gelegt und in das Schiffsgefängnis gesperrt. Um neun Uhr abends aber klopfte er heftig und verlangte sein Abendbrot, da er hungrig sei.

Doch wir befinden uns im Dienst und in diesem werden keine Scherze gemacht. Der kleine Quadutter oder vielmehr der Bootsmanns-Maat Rättmann instruiert über die Besatzung des Schiffes und wir erfahren, daß auf der »Moltke« ungefähr vierhundertundsiebzig Personen Besatzung sind. Wenn wir uns daraufhin das Schiff von außen und von innen ansehen, kommt es uns geradezu wunderbar vor, wie diese Menge Menschen darin hat untergebracht werden können, und wie sie überhaupt Platz haben, sich zu bewegen. Aber das große Geheimnis auf jedem Kriegsschiff ist eben die Platzausnützung. Auf möglichst kleinem Platz möglichst viel unterzubringen, mit möglichst wenig Platz auszukommen, das ist eine der schwierigsten, aber auch wichtigsten Aufgaben, die von jedem einzelnen Seemann, die schon von dem Schiffsjungen, wie wir sehen werden, gelöst werden müssen.

»Wie heißt der Schiffskommandant?«

Der Gefragte gibt den Namen an.

»Welchen Rang hat der Schiffskommandant?«

»Er ist Kapitän zur See.«

»Welche Stellung in der Armee entspricht diesem Range?«

»Die des Obersten und Regimentskommandeurs.«

»Wer ist der nächste nach dem Kommandanten auf jedem Kriegsschiffe?«

»Der erste Offizier.«

»Welchen Rang bekleidet der erste Offizier?«

»Er ist Korvetten-Kapitän (Major in der Armee) oder Kapitän-Leutnant (Hauptmann in der Armee).«

»Welches ist die Aufgabe des ersten Offiziers?«

»Er regelt nach dem Befehl des Kommandanten den ganzen Dienst an Bord durch Aufstellung der Schiffs-Routine und der Rollen für jeden Dienstzweig. Er wacht über ordnungs- und sachgemäße Ausführung der Routine; er ist die eigentliche Seele des ganzen inneren Schiffsdienstes, ist dem Kommandanten für alles verantwortlich, und soweit nicht der Kommandant selbst in gewissen Augenblicken den Befehl übernimmt, kann und darf im Schiffe nichts geschehen, was nicht der erste Offizier angeordnet hat oder von dem er nicht weiß. Ihm sind alle anderen Offiziere untergeordnet.«

»Welches sind die anderen Offiziere an Bord?«

»Der Navigations-Offizier, der die Führung des Schiffes über See hat, der Artillerie-Offizier, beides Kapitän-Leutnants. Dann folgen ein Leutnant zur See und ein Leutnant von der Marine-Infanterie, welche zur Ausbildung der Kadetten kommandiert sind.«

»Wie viele Wachtoffiziere hat das Schiff?«

»Vier Wachtoffiziere, Oberleutnants zur See, die von vier bis sechs Leutnants zur See unterstützt werden.«

»Wer gehört ferner noch zum Offizierstande?«

»Zwei Ärzte: ein Stabsarzt und ein Assistenzarzt, ein Marine-Oberingenieur, ein Zahlmeister und ein Pfarrer.«

Da es unser Grundsatz ist, auch die Instruktion, deren wir selbst noch dringend bedürfen, nur eßlöffelweise einzunehmen, damit sie uns niemals langweilig wird, verlassen wir auch die Abteilung des Unteroffiziers Rättmann und gehen ein wenig auf Deck, um uns hier einmal ordentlich umzusehen.

Unter »Deck«, schlechtweg, versteht man immer das Oberdeck des Schiffes. Wir gehen bis an die äußerste vorderste Spitze, an den Bug, wo sich geradeaus, ein wenig nach oben strebend, das Bugspriet mit dem Klüverbaum erstreckt. Wir sehen das Oberdeck überragt von drei Masten, von denen der mittelste der höchste ist. Der vorderste Mast heißt Fockmast, der mittelste Mast heißt Hauptmast, der dritte hinterste Mast führt den Namen Kreuzmast. Die Masten sind aus mindestens drei Stücken, die übereinander stehen, zusammengesetzt. Umgeben ist das oberste Deck von einer breiten Balustrade oder Galerie, der sogenannten Reling. Diese ist ein mehr als halbmannshoher Kasten, der sich um das ganze Schiff herumzieht. Tagsüber liegen in diesem Kasten die Hängematten der Mannschaften, und damit sie bei Regenwetter nicht naß werden, sind die Hängemattkasten mit Hängemattenkleidern, das heißt mit wasserdichter Segelleinwand überdeckt und verschlossen. Rechts und links in den Mitten der beiden Längsseiten der Reling befinden sich Ausschnitte. Durch diese Ausschnitte tritt man auf ein Podest hinaus, von dem bis in die Nähe des Wassers eine Treppe hinunterführt, die wiederum in einem wagerechten Podest endet. Diese Podeste und die Treppen sind das Fallreep, das heraufgezogen und herabgelassen werden kann. Die vordere Spitze des Schiffes, an der wir stehen, heißt Bug, der hintere gerundete Teil des Schiffes Heck. Rechterhand befindet sich Steuerbord, linkerhand Backbord. Steuerbord ist, wie wir aus der Schiffsetikette bald erfahren werden, der vornehmere Bord des Kriegsschiffes, wie auch die rechte Hand diejenige ist, die wir am meisten gebrauchen. Wir wollen uns hier eine kleine Gedächtnishilfe leisten. Also das rechtsliegende Bord (rechte Hand) ist das wichtigere und heißt Steuerbord, das linksliegende Backbord. Abends sind an Backbord und Steuerbord Lichter angebracht, die sogenannten Positionslaternen. Steuerbord hat grünes Licht, Backbord rotes Licht. Wenden wir wieder die Gedächtnishilfe an: Backbord, rotes Licht: »rote Backen«. Jetzt werden wir die Farbe der Positionslaternen von Backbord nicht mehr vergessen. Erinnern wir uns noch daran, daß in Nord-Deutschland die Steuerbeamten grüne Uniform tragen, so haben wir auch hier eine Gedächtnishilfe für das grüne Licht von Steuerbord.

Der Vorderteil des Schiffes, auf dem wir stehen und der etwas aufgehöht ist, heißt die Back. Wie wir bald sehen werden, spielt das Wort Back an Bord eines Kriegsschiffes eine außerordentlich große Rolle.

Der Posten auf der Back ruft:

»Kommandant kommt zurück!«

und in der Tat sieht man die Dampfbarkasse von der Reventlov-Brücke her, mit dem Kommandanten des Schiffes, der die Indienststellungs-Meldung an Land gebracht hat, zurückkehren.

»Wache antreten!« ruft der Wachthabende, »Fallreeps-Gasten!«

Die Wache tritt unter das Gewehr.

Wir müssen hier das Wort »Gasten« erklären. Das Wort »Gast« bedeutet ungefähr so viel wie »Mann«. Ein Fallreepsgast ist also der Mann, der am Fallreep Dienst hat, der Bramgast ein Mann, der auf der Bramraae Dienst tut, ein Signalgast ein Mann, der mit dem Signalisieren beschäftigt wird. Die richtige Mehrzahl von »Gast« ist »Gasten« und nicht »Gäste«, wie so häufig falsch, besonders im Binnenlande, gesagt wird.

Die Fallreeps-Gasten eilen also an das Fallreep, und hier lernen wir zum erstenmal ein Stück Schiffs-Etikette kennen. Der Steuerer der Dampfbarkasse lenkt das kleine Schiff so, daß es an Steuerbord-Fallreep anlegt. Hier dürfen nur Offiziere und im Offizierrange stehende Personen, außerdem die männlichen und weiblichen Mitglieder der deutschen Regentenfamilien anlegen. Wer nicht Offiziersrang hat, betritt – so schreibt es die Schiffs-Etikette vor – das Schiff über das Backbord-Fallreep. Wenn das Wasser einigermaßen bewegt ist, dann beginnt das Schiff selbst im Hafen hin und her zu schwanken. Besonders unangenehm macht sich diese Bewegung an den unteren Podesten des Fallreeps bemerkbar und es ist nicht leicht, aus dem ebenfalls schwankenden Boot oder der kleinen Dampfbarkasse auf das Fallreeps-Podest zu steigen. Man stellte daher auf den unteren Podest des Fallreeps zwei Matrosen, welche den Personen, die aus dem Boote auf das Fallreep steigen wollten, kurze Tau-Enden zureichten, damit sie sich daran festhalten konnten. Aus diesem Hilfsdienst ist schließlich eine Ehrenbezeugung geworden. Es erhalten daher alle Offiziere und die im gleichen Range stehenden Personen zwei Fallreepsgasten, Stabsoffiziere erhalten vier Fallreepsgasten, Flaggoffiziere, das heißt Admirale, erhalten sechs Fallreepsgasten, und zwar sind dies Maaten, das heißt Unteroffiziere. Kommt der Kaiser an Bord, so treten nur vier Fallreepsgasten an, es sind dies aber Offiziere.

Der Schiffskommandant hat am Fallreep angelegt und steigt die Treppe hinauf zum Deck.

»Achtung! Präsentiert das Gewehr!« ruft der Bootsmannsmaat der Wache und gleichzeitig läßt er auf seiner Dienstpfeife einen langen gellenden Pfiff ertönen; er »pfeift die Seite für den Kommandanten«, wie es heißt. Der Tambour der Wache steht neben der präsentierenden Mannschaft, schlägt aber nicht Wirbel, denn diese Ehrenbezeugung erhalten erst die Admirale, die sogenannten Flaggoffiziere.

Der Kommandant dankt dem ersten Offizier, der ihm sofort mit einer Meldung entgegentritt, und verschwindet dann in seiner Kajüte.

Sehen wir nach, wohin die Dampfbarkasse geht, welche den Schiffskommandanten bis an den unteren Podest des Fallreeps gebracht hat. Sie geht an die Backspiere. Rechts und links an dem vor Anker liegenden Schiffe ist eine Backspiere »ausgeschwungen«, das heißt ein langes Rundholz, welches während der Fahrt »beigeklappt« werden kann, so daß es unmittelbar an der Längsseite des Schiffes liegt. In ausgeschwungenem Zustand steht es senkrecht zur Schiffswand. Auf dem Bilde »Schiffsreinigung außenbords« ist die eine Backspiere deutlich zu sehen. Die Boote, die zum Verkehr mit dem Lande im Hafen gebraucht werden, sind mit Tauen an dieser Backspiere befestigt, von welcher auch meist eine kleine Strickleiter bis zum Wasserspiegel hinunterhängt.

Nicht wahr, lieber junger Leser, dir stehen die Haare zu Berge, wenn du daran denkst, daß du ebenso wie der Matrose, der die Dampfbarkasse festmachen will, auf dem Rundholz, auf der Backspiere über dem Wasserspiegel entlang laufen sollst? Daß der Matrose nicht ins Wasser fällt (was aber trotzdem manchmal geschieht, denn es gibt eben überall Tolpatsche), das macht die Übung. Aber außerdem läuft der Matrose mit nackten Füßen auf der Backspiere entlang.

Überhaupt laufen die Matrosen an Bord fortwährend barfüßig herum. Nur die Wache hat Stiefel an, und bei feierlichen Gelegenheiten, wie zum Beispiel bei der Indienststellung, werden allgemein Stiefel getragen. Das Barfußlaufen an Bord hat große Vorteile. Erstens wird das Geräusch vermindert. Man kann es sich selbst sagen, was es heißen würde, wenn alle Viertelstunde, sagen wir hundert Mal bei Tag und bei Nacht hunderte von beschuhten Füßen treppauf, treppab und über die Decke laufen müßten. Man darf nicht vergessen, daß so und so viel Leute auch bei Tage schlafen müssen, weil sie nachts wieder Dienst haben. Keiner von ihnen, sei es Offizier oder Mann, käme auch nur auf einen Augenblick zur Ruhe, das Schiff würde Tag und Nacht von den Tritten der harten Stiefelsohlen dröhnen. Mit bloßen Füßen klettert es sich auch leichter in die Takelage. Aber für denjenigen, der nicht daran gewöhnt ist, barfuß zu laufen, dessen Sohlen nicht bereits abgehärtet sind, ist dieses Barfußlaufen an Bord eine schwere Strapaze und es verursacht Schmerzen, von denen sich die Landratte keinen Begriff macht. Besonders beim Aufentern in die Toppen, das heißt zu den Mastspitzen, auf den dünnen Webeleinen der Wanten, empfindet der Neuling Schmerzen, als träte er auf lauter scharfe Messer. Schon mancher, der mit einem Kopf voll abenteuerlicher Begriffe auf das Schiff kam, hat unter Tränen und schrecklichen Verwünschungen daran gedacht, wie töricht er war, überhaupt Seemann zu werden, besonders in den ersten sechs Wochen, in denen er sich an das Barfußlaufen gewöhnen mußte. Innerhalb dieser sechs Wochen aber werden die Fußsohlen so hart wie Leder, und gleichzeitig gewöhnt sich der Fuß daran, den Gegenstand, auf den er tritt, fast mit der Geschicklichkeit einer Affenhand zu umklammern. Deshalb läuft der Matrose auf dünnen Tauen, den sogenannten Pferden, unterhalb der Raaen wie ein Seiltänzer entlang und braucht nicht einmal eine Balanzierstange. Deshalb läuft er auf den Spieren und auf den Raaen so sicher wie auf dem Deck, und der Humor an Bord behauptet, ein tüchtiger Kriegsschiff-Matrose müsse im stande sein, seinen Fuß dreimal um ein ganz dünnes Tau herumzuwickeln.

Das Oberdeck, auf dem wir uns befinden, dient zum Manöverieren, zur Bedienung der Takelage und zum Aufstellen von leichten Geschützen. Der größere Teil der Geschütze befindet sich auf dem Schulschiff in dem darunter liegenden Deck, in der sogenannten Batterie. Vom Oberdeck führen viereckige Ausschnitte, von denen jeder mit einem hölzernen Rande von einigen Zentimetern Höhe umgeben ist, nach den Treppen, die in die unteren Decks hinuntergehen. Diese viereckigen Ausschnitte von verschiedener Größe heißen Luken. Durch übergreifende Deckel können die Luken verschlossen werden, damit, wenn im Sturm das Schiff viel Wasser übernimmt und ganze Fluten über das Oberdeck dahinschießen, nicht zu viel Nässe in das Innere des Schiffes dringt. Das Wasser, das auf Deck gekommen ist, kann durch Löcher, die in der Reling, unmittelbar über dem Deckboden, angebracht sind und den Namen Speigaten führen, wieder abfließen.

Vorn am Bug, wo wir stehen, sehen wir die beiden Kranbalken, welche fest in den Schiffskörper hineingebaut sind und dazu dienen, nach dem Ankerlichten die Buganker wieder an Ort und Stelle zu bringen. Außerhalb des Schiffskörpers, seitlich von jedem Mast, sind horizontale Ausbauten angebracht, welche den Namen »Rüsten« führen. An beiden Seiten des Kreuzmastes befinden sich die Boots-Davits, das heißt Krane, welche mit ihrem Fuß in Scharnieren beweglich sind und durch starke Ketten an ihrem oberen Ende nach dem Kreuzmast gestützt werden. Die Davits dienen zum »Heißen«, das heißt Heraufziehen, und zum »Fieren«, das heißt Herunterlassen, der Seitenboote, wenn dieselben nicht, wie im Hafen, an der Backspiere liegen.

Wir sehen Boote rechts und links vom Schiffe fortwährend vorüberfahren, die zu anderen Kriegsschiffen gehören, teils Ruderboote größeren oder kleineren Formats oder Dampf-Beiboote. Jedes Boot, das auf eine Entfernung von ungefähr dreißig Schritt an das Schiff herankommt, wird von dem Fallreepsgast, der auf dem obersten Podest des Fallreeps steht, vorschriftsmäßig mit

»Boot ahoi!«

angerufen. Der Bootssteuerer antwortet zum Beispiel:

»Passiert!«

wenn das Boot nicht an Bord will. Ruft er

»Ja, ja!«

so ist das ein Zeichen, daß ein Offizier im Boot ist; ruft er

»Nein, nein!«

so deutet er an, daß das Boot anlegen will, daß sich aber kein Offizier an Bord befindet. Ist der Kommandant eines Schiffes in dem herankommenden Boote, so ruft der Bootssteuerer den Namen des Schiffes; er ruft »Ständer!« wenn ein Kommodore im Boot ist, »Flagge!« wenn ein Admiral kommt, und endlich »Standarte!« wenn der Kaiser oder ein Mitglied der deutschen Regentenfamilien im Boot sitzen. Im letzteren Falle würde natürlich das Boot am Heck die Kaiserstandarte oder die Standarte des betreffenden Regentenhauses führen. Ist ein Offizier oder eine im Offiziersrang stehende Person im Boote, so führt dasselbe am Heck die deutsche Kriegsflagge.

Vor dem Kreuzmast befindet sich ein Aufbau, der quer über das Schiff geht und dessen Enden noch über die Reling hinausragen. Es ist das die sogenannte Kommandobrücke, die in der Mitte das »Kartenhäuschen« trägt.

Um wieder nicht zu viel Instruktion »überzunehmen«, das heißt in uns einzuladen, sei nur noch erwähnt, daß an der inneren Wand der Reling sich die sogenannten Nagelbänke befinden, Vorrichtungen, welche als »Anknüpfungs- und Festhaltepunkte« für allerlei Tauenden dienen. Außerdem sind im Innern der Reling noch Poller und sogenannte Belegklampen angebracht, um Taue an ihnen festzumachen.

Nun aber haben wir wirklich genug gelernt; wir wollen uns ausruhen und gehen daher ohne weiteres in die Deckoffiziermesse.


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