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Fünftes Kapitel.

Die See-Routine tritt in Kraft. – »Umziehen für die Nacht!« – Schlafzeit an Bord. – Wache und Nichtwache. – Die Hängematte. – »Rauschen.« – Die Tücken der Hängematte. – Das widerspenstige Schwingbett. – Die Runde. – Die Positions-Laternen. – Die Posten singen. – »Schot-ten-dicht!« – Zusammenstoß bei Nacht. – Ein Gespenst kommt an Bord. – Schwersenzke als Samariter. – »Wart du Krot!« – Die Seekrankheit. – Die Raupe mit sechstausend Beinen. – Schwersenzke steckt Kette aus. – Ein Glas Maschinen-Öl.


Während des Vormittags ist an Bord noch allerlei zu tun. Vor allem müssen in der Batterie die Geschütze, die für den Kaiser-Salut gebraucht wurden, sorgfältig geputzt werden. Dann muß aber alles seefest gemacht werden, denn sobald die »Moltke« in die lang dahinrollenden Wogen der Nordsee gekommen ist, wird alles im Schiffe lebendig. Das stehende Gut der Takelage muß »nachgesetzt«, d. h. schärfer angezogen werden, die Boote, die Geschütze in der Batterie und auf dem Deck müssen fester »gezurrt« werden. Man muß sich eben darauf vorbereiten, daß von jetzt ab das Schiff sich ununterbrochen hin und her bewegt. Alle nicht sorgfältig festgemachten Gegenstände würden mit der Zeit sich losreißen und dann viel Unheil anrichten.

Von Mittag ab tritt die Seeroutine in Kraft, welche sich von der Routine im Hafen in verschiedenen Punkten unterscheidet:

Täglicher Dienst in See.

Vormittags.

3 h 45' Morgenwache und Freiwächter oder Morgenwache, Freiwache und Freiwächter Hängematten zurren.
3 h 50' Musterung mit Hängematten; Hängematten verstauen. Posten ablösen.
4 h Mittelwache Hängematten.
4 h 5' Klarmachen zum Waschen.
4 h 20' Sich waschen, Tagesanzug.
4 h 50' Posten ablösen. Pfeifen und Lunten aus.
5 h Oberdeck waschen und aufklaren.
6 h Klarmachen zum Waschen der Mittel- oder der Mittel- und Abendwache.
6 h 20' Mittelwache oder Abend- und Mittelwache wecken. Hängematten
auf. Sich waschen, Tagesanzug. Die Morgenwache (und ev. Freiwache) die unteren Decke reinigen.
6 h 40' Kadetten Hängematten zurren.
6 h 50' Backen und Banken.
7 h Frühstück.
7 h 20' Posten ablösen.
7 h 30' Kranke ins Lazarett.
7 h 35' Pfeifen und Lunten aus.
7 h 40' Decke aufklaren.
8 h Wachwechsel.
8 h 10' Geschütze reinigen.
8 h 45' Handwaffen reinigen.
9 h Klarmachen zur Musterung.
9 h 10' Musterung; darauf spätestens
9 h 30' Zum Dienst.
11 h 30' Klar Deck.
11 h 45' Backen und Banken.
12 h Mittag.

Nachmittags.

12 h 30' Wachwechsel; Reinigung des Backsgeschirrs.
1 h 45' Pfeifen und Lunten aus.
2 h Divisionsdienst oder Musterung, Instruktion pp.
4 h Klar Deck. Wachwechsel.
4 h 30' bis
5 h 30' Exerzitien nach Befehl.
5 h 30' Umziehen für die Nacht.
5 h 50' Backen und Banken.
6 h Abendbrot.
6 h 20' Wachwechsel.
7 h 30' Decke räumen und fegen.
7 h 40' Kadetten Hängematten unter Deck.
7 h 45' Wachwechsel, Abendwache-Musterung.
7 h 50' Hängemattsausgabe.
8 h 50' Pfeifen und Lunten aus in den unteren Schiffsräumen.
9 h Ruhe im Schiff.
9 h 10' Hauptrunde.
10 h Ruhe in der Kadetten- und Deckoffiziermesse.
11 h Ruhe in der Offiziermesse.
11 h 45' Mittelwache wecken.

Wenden wir uns dem Dienst an Bord der »Moltke« erst um 5 Uhr 30' nachmittags wieder zu, wo das Kommando ertönt: »Umziehen für die Nacht!«

Die Leute legen ihre bisherige Kleidung ab und ziehen älteres Zeug an, welches die Leute auf dem Leibe behalten, bis wieder am Morgen, gewöhnlich beim Frühstück oder schon um 6 Uhr 20', der Tagesanzug bestimmt wird. Um dieses Umziehen zu verstehen, muß näheres über den Wachdienst an Bord, insbesondere bei Nacht, mitgeteilt werden.

Sämtliche Mannschaften, mit Ausnahme der sogenannten Freischläfer und der Maschinisten, sofern diese Dienst in der Maschine haben, sind in zwei Wachen eingeteilt. Es hat also jeder Mann und jeder Maat vier Stunden Dienst und vier Stunden Ruhe, doch diese Ruhe gilt nur für die Nacht und wenn keine besondere Störung eintritt. Am Tage befindet sich, wenn das Schiff unter Segel in See ist, immer die Hälfte der Mannschaften an Deck auf Wache und die andere Hälfte tut den vorgeschriebenen Dienst mit Geschütz- und Waffenputzen, bei der Musterung usw.

Es befindet sich also von abends ab, nachdem die Hängematten herausgegeben sind, die Hälfte der Mannschaften auf Deck, die andere Hälfte schläft unten in der Batterie und im Zwischendeck. Aber auch diese Schläfer müssen stets gewärtig sein, auf das Kommando »Alle Mann auf!« ihre Hängematten zu verlassen und sich auf Deck einzufinden. Sie dürfen, wenn »Alle Mann auf!« gepfiffen und gerufen wird, keine Zeit damit verlieren, sich erst anzuziehen, die Leute schlafen deshalb angekleidet, das heißt wenigstens in Hose und Bluse.

Unmittelbar nach dem Umziehen für die Nacht findet laut Routine die Vorbereitung zum Abendbrot statt und dann kommt dieses selbst. Um 7 Uhr 40' bringen die Kadetten ihre Hängematten unter Deck. Da die Kadetten meist doch noch junge Leute und im Wachstum begriffen sind, gewährt man ihnen einige Zeit mehr zum Schlafen, als den Mannschaften. Sie bekommen ihre Hängematten zehn Minuten früher und brauchen erst zwanzig Minuten später aufzustehen, als die Mannschaften. Die Schiffsjungen sind noch als Kinder zu betrachten, für welche es von großer Wichtigkeit ist, die Nacht durchzuschlafen. Die Schiffsjungen treten daher nur in dem alleräußersten Notfälle und wenn das Schiff sich in Gefahr befindet, nachts zum Dienst an. Man läßt sie vielmehr die ganze Nacht hindurch schlafen. Selbst bei wichtigen Arbeiten der Takelage, welche bei Nacht vorgenommen werden müssen, braucht man die Schiffsjungen nicht, denn es sind außer den Schiffsjungen genug Matrosen an Bord, um alle notwendigen Arbeiten und Manöver auszuführen.

Die Offiziere haben auf größeren Schiffen, wie auf der »Moltke«, dann einen bequemeren Dienst, wenn vier Wachoffiziere vorhanden sind. Bei vier Offizieren hat nämlich jeder die vierte Nacht frei, das heißt natürlich auch immer nur unter der Voraussetzung, daß nicht »Alle Mann auf!« gepfiffen wird, weil dann auch der Offizier sofort seine Kammer oder sein Bett verlassen muß. Sonst folgt für den Offizier gewöhnlich auf vier Stunden Wache acht Stunden Ruhe, das heißt bei Nacht, bei Tage hat der Offizier Dienst wie die Mannschaften.

Infolge dieser Einteilung der Wache geht auf den Kriegsschiffen der Begriff »Tag« und »Nacht« eigentlich vollständig verloren, Offiziere und Mannschaften kennen nur den Unterschied zwischen Wache und Nichtwache, und auch letzteres eigentlich nur bei Nacht, denn – wie gesagt – bei Tage muß alles zum Dienst antreten.

Die Unteroffiziere und Matrosen kommen in der Nacht abwechselnd immer sechseinhalb und in der nächsten Nacht viereinhalb Stunden in die Hängematte. Sie benützen daher am Tage jede freie Zeit, um zu schlafen und gewöhnen sich daran, selbst im Gehen wenigstens eine Art Halbschlaf zu genießen. Sie schlafen in den unglaublichsten Stellungen und auf den härtesten Planken, und alle die Muttersöhnchen, welche zu Hause früh nicht aus dem Bett zu bringen sind, sollen es sich gesagt sein lassen, daß für sie der Schiffsdienst das Furchtbarste ist, was es gibt, da vom langen Schlafen, ja selbst von so viel Schlaf, wie der Mensch eigentlich zum Leben braucht, zeitweilig auf dem Schiffe gar keine Rede ist. Bei stürmischem Wetter kommt die ganze Besatzung kaum stundenweise an mehreren Tagen zum Schlafen, und schließlich sind Offiziere und Mannschaften so durch den Mangel an Schlaf erschöpft, daß sie sich nur mühsam aufrecht erhalten.

Damit die Mannschaften und Offiziere bei dem Wechsel der Wachen nicht immer genau zu derselben Tages- und Nachtzeit auf Wache kommen, findet nachmittags zwischen vier und acht Uhr ein zweimaliger Wachwechsel statt. Die betreffenden Offiziere und Mannschaften gehen von vier bis sechs und von sechs bis acht nur zwei Stunden Wache, wodurch sich die Reihenfolge, in der sie in den nächsten vierundzwanzig Stunden zur Wache anzutreten haben, gegen den vorhergangenen Tag vollkommen verschiebt.

Maate, Matrosen, Kadetten und Schiffsjungen schlafen an Bord der Schiffe in Hängematten. Der Binnenländer verbindet mit dem Begriff »Hängematten« die Gedanken an träumerisches Ruhen, Sichgehenlassen und Faulenzen. Es ist so hübsch, wenn man in der Sommerfrische eine Hängematte im Freien zwischen zwei Bäumen befestigt, um sich dann zum Schlafen oder zum Träumen niederzulegen. Schade nur, daß die Hängematte aus dem Schiffe ganz anders aussieht als das gestrickte Netz, das der Sommerfrischler als Hängematte bezeichnet.

Die Schiffs-Hängematte ist ein Stück starken Segeltuches von ungefähr 2,50 Meter Länge und 1,09 Breite. An jeder Schmalseite sind sieben Fäden befestigt, welche in einer Entfernung von ungefähr einem Meter von der Schmalseite zu einem Knoten zusammengebunden sind, aus dem nur noch zwei einzelne Fäden heraushängen. In der Batterie und im Zwischendeck sind an der Decke in mehreren Reihen eiserne Haken befestigt, und zwar in einen Abstand von 36 Zentimetern voneinander. Mit den beiden Bindfäden an jedem Ende der Hängematte befestigt der Matrose sein Lager an den beiden Haken, die für ihn bestimmt sind.

Schon beim Anbinden der Hängematte muß der Matrose eine gewisse Erfahrung besitzen. Knüpft er den Knoten nämlich nicht vorschriftsmäßig und fest genug, so löst sich durch den Druck, der entsteht, wenn der Mann in der Hängematte liegt, der Knoten auf, und die Hängematte mit dem Schlafenden fällt herunter. Es gehört außerdem zu den Neckereien an Bord, die jüngeren Kameraden zu »rauschen«, und dieser Brauch findet sich sowohl bei den Kadetten wie bei den Schiffsjungen und den Matrosen. Wer es nicht versteht, den Knoten so sicher zu schürzen, daß er gegen das »Rauschen« geschützt ist, der liegt in den ersten Nächten mehr außerhalb der Hängematte, als in derselben. Ist nämlich der Knoten nicht sicher geknüpft, so genügt ein Ziehen an einem der herunterhängenden Bindfaden-Enden, um ihn zu lösen, und der Gerauschte stürzt im Schlaf auf den Boden herunter.

In der Hängematte liegt eine Matratze, jetzt meist mit Seegras gefüllt. Ein Kopfkissen haben die Matrosen und Schiffsjungen nicht. Sie legen ihre Schuhe und ihre Mütze unter das Kopfende der Matratze, damit sie diese Sachen bei Alarm sofort finden und für den Kopf ein erhöhtes Lager haben. Der Mann erhält außerdem eine Wolldecke, um sich in der Hängematte zuzudecken.

Hat man aber mit aller List seine Hängematte so angebracht, daß die Knoten sich nicht lösen und auch nicht von Kameraden, die einen Schabernack spielen wollen, gelöst werden können, dann kommt die zweite schwere Aufgabe, nämlich überhaupt erst in die Hängematte hinein zu gelangen. In der ersten Zeit brauchen Schiffsjungen, Kadetten und junge Matrosen, die noch nie in der Hängematte geschlafen haben, viel Zeit, ehe sie sich ausstrecken können. Sechs- bis achtmal fallen sie beim Einsteigen auf der anderen Seite heraus oder überschlagen sich mit dem Lager, ehe es ihnen gelingt, sich mit einem geschickten Satz so in die Hängematte hineinzuschwingen, daß sie nicht wieder hinausfallen. Aber in dem Augenblick, in dem man in der Hängematte festliegt, baucht sich dieselbe halbmondförmig nach unten aus, gleichzeitig schlagen die Längsseiten zusammen und schließen sich dicht an den Körper an. Diese Lage ist in der ersten Zeit sehr unbequem, so daß die jungen Seeleute nicht schlafen können. Aber auch hier tut die Gewöhnung sehr viel und der strenge Schiffsdienst sorgt dafür, daß der Schlaf kommt, selbst in der unbequemen und ungewohnten Lage. Nach einiger Zeit schlafen die Leute ganz vortrefflich in den Hängematten, und bald sehen sie ein, daß es – besonders bei unruhigem Wetter – kein bequemeres und besseres Schlafen gibt.

Die Offiziere und Deckoffiziere haben Kammern und schlafen entweder in Kojen oder in Schwingbetten. Eine Koje ist eine Art Kiste, halbmannshoch, auf deren Boden eine Matratze ruht. Auf dieser liegen Decken und Kopfpolster. In die Kiste kriecht der Offizier oder Deckoffizier hinein, und dadurch, daß die Seitenborde sehr hoch sind, fällt der Schläfer nicht hinaus, wenn das Schiff selbst weit überholt und sich der Boden der Kammer ganz schräg stellt.

Die unruhige Bewegung des Schiffes wirft aber den Schläfer innerhalb seiner Kiste hin und her, und ist das Wetter sehr ungünstig, so wird er hin und her geschleudert wie ein Bund Flicken. Natürlich erwacht er davon, denn er stößt sich meist schmerzhaft, und nun kann er alle möglichen Experimente machen, um sich gegen das Hin- und Hergeworfenwerden zu schützen. Mit Hilfe von zwischengestopften Kleidungsstücken und dicken Büchern muß sich dann der Kojen-Insasse so zwischen die beiden Wände der Koje festklemmen, daß ihn selbst die wildesten Bewegungen des Schiffes nicht aus seiner Lage bringen können. Ob es sich in diesem eingeklemmten Zustande gut schlafen läßt, das ist eine andere Frage.

Auf den neueren Schiffen haben die Offiziere und Deckoffiziere Schwingbetten, wie man sie auch auf älteren Schiffen in den Lazaretten anwendet, um die Kranken und Verwundeten vor dem schmerzhaften Hin- und Herschütteln zu bewahren. Ein solches Schwingbett besteht aus einem eisernen kastenartigen Rahmen. Der Boden und die Wände dieses Rahmens sind mit Segeltuch bespannt, so daß ein viereckiger Kasten entsteht. An den beiden Schmalseiten hat dieser Kastenrahmen Bügel, die mit Zapfen versehen sind. Die Zapfen ruhen beweglich in Lagern, die entweder direkt in die Kammerwand eingelassen sind, oder an der Spitze von Trägern sich befinden, die mit dem Fuße am Boden der Kammer festgeschraubt sind.

Ein solches Bett steht, selbst wenn das Schiff sich noch so sehr bewegt, immer senkrecht, und der in dem Schwingbett liegende Schläfer merkt gar nichts von den Bewegungen des Schiffes. Und doch haben diese Schwingbetten zwei abscheuliche Eigentümlichkeiten: erstens ihre Beweglichkeit und zweitens das Quietschen der Zapfen in den Lagern. Wenn es schon schwer ist, in eine Hängematte hineinzukommen, so gehört geradezu die Kunst und die Gewandtheit eines Akrobaten dazu, um in einem solchen Schwingbett Platz zu nehmen. Die Zapfen müssen so in den Lagern ruhen, daß sie sich frei und leicht bewegen können, damit eben das Schwingbett bei jeder Bewegung des Schiffes in Ruhe bleiben kann. Infolgedessen ist aber der Kasten mit den Segeltuchwänden, in dem die Matratze und die Kopfpolster mitsamt der Decke liegen, in einer unheimlichen Weise beweglich, und sowie er nur den geringsten Stoß bekommt, überschlägt er sich und kentert. Man muß diesen Höllenkasten geradezu überraschen und überrumpeln, und in einem genau zu bemessenden Augenblick, der von der Bewegung des Schiffes abhängt, so in ihn hineingleiten, daß man nicht – wie es leider meist der Fall ist – im nächsten Augenblick wieder draußen liegt.

Aber auch wenn man sich glücklich in dem Kasten zurechtgelegt hat, ist man vor einem Hinausfallen und Umkippen nicht sicher, denn jede heftige Armbewegung nach rechts oder links, um vielleicht nach dem Licht zu greifen oder um irgendeinen Gegenstand heranzuholen, bringt diesen Teufelskasten zum Kentern.

Sobald das Schwingbett aber besetzt ist, entsteht natürlich durch das Gewicht des Schlafenden ein Druck auf die Zapfen und durch diese auf die Lager, und wenn sich dann das Bett hin und herbewegt, beginnen die Zapfen in den Lagern zu quietschen und zu singen. Der Binnenländer, der über gute Nerven verfügt, wird glauben, daß dies wenig ausmache, aber an Bord der Schiffe werden alle Insassen, auch die Offiziere, durch den anstrengenden Dienst und den wenigen Schlaf, durch die beständige Aufregung so nervös, daß sie das regelmäßig sich wiederholende Quietschen der Zapfen absolut nicht zur Ruhe kommen läßt. Ist vielleicht aber der Insasse des Bettes noch nervenstark genug, um doch einzuschlafen, so wird er von den Nachbarn geweckt, von denen er nur durch eine dünne Holzwand getrennt ist.

Durch Schmieren mit Öl, durch Dazwischenklemmen von Papier, feinen Holzspänen oder Stoffstücken sucht man das Quietschen der Zapfen zu vermeiden, und auch in dieser Beziehung muß sich der Inhaber eines Schwingbettes an Bord erst im Laufe der Zeit praktische Kenntnisse erwerben.

Nehmen wir jedoch an, daß alle Mann in der Batterie und im Zwischendeck glücklich in ihre Hängematten gekommen sind und sich in denselben, auch wenn sie nicht schlafen, ruhig Verhalten, sobald das Kommando: »Pfeifen und Lunten aus! Ruhe im Schiff!« ertönt ist.

Zehn Minuten dieser Stille sind vergangen, als die wachhabenden Maate durch die Decke rufen: »Runde!« und wer in der Hängematte liegt, beeilt sich noch, sich schleunigst zurecht zu legen oder die wollene Decke, die etwas hinaushängt, einzuziehen, denn nun beginnt der erste nächtliche Revisionsgang.

Die Runde besteht aus den Unterleutnants der Decke, dem Maschinen-Ingenieur, dem Detail-Deckoffizier, dem Stabswachtmeister, dem Lasten-Unteroffizier, dem Zimmermannsmaaten der Wache und zwei Matrosen, die mit Laternen versehen sind. Hat sich die Runde versammelt, so wird dies dem ersten Offizier gemeldet, und dieser setzt sich nunmehr an die Spitze dieser eigentümlichen Revisionskommission. Er geht mit den Mitgliedern der Runde über das gesamte Oberdeck und prüft, ob alles seefest für die Nacht ist und ob die sogenannten Positionslaternen in der Mitte der beiden Langseiten des Schiffes brennen. Die Steuerbord-Laterne ist, wie wir bereits wissen, grün, die Backbord-Laterne rot. Die Laternen sind aus sehr starkem Glase angefertigt, und alle möglichen Vorkehrungen werden getroffen, daß sie weder durch Wind, noch durch Seewasser ausgelöscht werden können. Sie dürfen ihren Schein nur nach vorwärts und zum Teil nach seitwärts werfen, und deshalb befinden sich hinter den Laternen Schutzbretter, so daß selbst ein anderes Schiff, das genau hinter dem ersten fährt, nichts von dem Lichte der Positionslaternen sehen kann. Nach internationalem Abkommen ist jedes Schiff, sei es Handels- oder Kriegsschiff, Dampfer oder Segelschiff, sei es ein Riesenfahrzeug oder ein kleiner Schlepper, verpflichtet, nachts diese Positionslaternen zu führen.

Die Signallichter dienen vor allem dazu, um sich begegnenden Schiffen genaue Auskunft über die Stellung (Position) der beiden Fahrzeuge zueinander zu geben. Wenn man in See vor sich ein Schiff sieht, das (vom Beobachtenden aus gerechnet) rechts rotes und links grünes Licht hat, so weiß man, daß das Schiff entgegenkommt. Sieht man nur das grüne Licht eines fremden Schiffes, so zeigt dies an, daß das Schiff unseren Kurs rechtswinklig kreuzt, und zwar in der Richtung nach rechts. Sieht man vor sich das rote Licht eines Schiffes, also die Backbord-Positionslaterne, so ist dies ein Zeichen, daß das Schiff ebenfalls unseren Kurs rechtwinklig kreuzt, aber in der Richtung nach links.

Durch das Batteriedeck geht die Runde gebückt unter den Hängematten. Es wird darauf geachtet, daß niemand überflüssige Kleidungsstücke in die Hängematte genommen hat, und mit den schwersten Strafen wird derjenige belegt, der sich unterstehen würde, in der Hängematte zu rauchen. Hängt ein Schläfer ein Bein oder gar beide Füße zur Hängematte heraus, so wird er energisch zurechtgelegt. Jede Laterne, die im Batteriedeck brennt, wird sorgfältig auf ihre Sicherheit und ihren Verschluß untersucht. Ebenso werden die blechernen, an der Wand hängenden Luntenröhren untersucht, in denen sowohl auf dem Ober- wie im Batteriedeck in der Freizeit langsam brennende Lunten sich befinden, damit sich die Leute stets ihre Zigarren oder Pfeifen anzünden können und nicht durch die Benützung von Streichhölzern beständige Feuersgefahr verursachen. (Wir kennen ja aus der Dienstroutine bereits den Befehl, der auf See um 8 Uhr 50' gegeben wird, nämlich: »Pfeifen und Lunten aus.«)

Auch im Zwischendeck revidiert die Runde genau so wie im Batteriedeck. Dann geht es hinunter in die Lasten, wo sich die Runde davon überzeugt, daß jeder einzelne Vorratsraum vorschriftsmäßig, verschlossen ist. Auf dem Rückweg über die Decke überführt sich die Runde davon, daß alle Fenster und Luken vorschriftsmäßig zugemacht sind, damit nicht etwa nachts, wenn das Schiff überholt, Wasser eindringen und das Schiff zum Sinken bringen kann. Auch daraus hat die Runde zu achten, ob in den Decken brandiger Geruch sich bemerkbar macht. Die Küchen werden aufgesucht, damit sich die Runde überzeugt, daß dort alle Feuer gelöscht sind. Im Lazarett sieht die Runde nach, ob alle Kranken auch die gehörige Pflege und Ordnung, haben. Dann begibt sich der erste Offizier zum Kommandanten, um ihm zu melden, daß die Runde vollzogen und das Schiff für die Nacht vorbereitet ist.

An diese Hauptrunde schließt sich stündlich eine Nebenrunde, welche ein Kadett oder Fähnrich zur See mit dem Unteroffizier der Deckswache oder dem Feuerwerksmaaten geht. Von dem Resultat dieser Nebenrunde wird jedesmal dem Wachoffizier auf der Brücke Meldung gemacht.

Es war am 8. Juli 1899, als die »Moltke« sich bereits im Kanal befand, nachts gegen drei Uhr. Es war starker Nebel eingetreten. Eben hatten noch, als die Schiffsglocke 6 Glas anzeigte, die Posten vorschriftsmäßig sich gemeldet, indem sie in eigentümlich singendem Ton laut ausriefen:

»Auf der Back ist alles wohl.«

»Steuerbord-Fallreep alles wohl! Laterne brennt.«

»Rettungsboje alles wohl.«

»Backbord-Fallreep alles wohl! Laterne brennt.«

Es stehen an den beiden Fallreeps, vorn auf der Back und hinten, am Heck zusammen vier Posten. Am Heck hängt die Rettungsboje, und' es steht ein Posten daneben, um sie in dem Augenblick, in dem der Schreckensruf ertönt: »Mann über Bord!« ins Wasser zu werfen. Geschieht dies bei Nacht, so reißt der Posten an der Rettungsboje einen eisernen Griff aus einer Büchse heraus, und sofort entsteht: ein helles Feuer, das auch im Wasser weiter brennt und dem über Bord Gestürzten den Ort anzeigt, wo sich die Rettungsboje befindet. Die beiden Fallreeps-Posten melden getreulich, ob die Positionslaternen brennen, weil dies, wie wir wissen, von höchster Wichtigkeit für die Sicherheit des Schiffes ist.

Kurz nach drei Uhr morgens wurden die Schläfer im Schiff durch die fünf Schläge der Schiffsglocke geweckt. Dann schrillten die Pfeifen der Maaten der Wache und wenige Sekunden darauf schrien alle Vorgesetzten, wo sie sich auch befanden, rasch hintereinander:

»Schot – ten dicht!«

Dann gab es einen mächtigen Krach, und wer noch nicht aus Hängematte oder Bett gesprungen war, fuhr jetzt heraus. Das Schiff erzitterte von dem Hin- und Herlaufen der Menschen, die sich auf ihren Posten begaben, um die Schotten zu schließen.

Es war ein wirklicher Zusammenstoß erfolgt, und zwar mit einem Kauffahrteischiff. Dasselbe war mit der berühmten englischen Sorglosigkeit und Rücksichtslosigkeit drauflosgefahren, ohne sich um das zu kümmern, was ihm in den Weg kam. Der fremde Dampfer nahm nur einen Teil des Vorgeschirrs der »Moltke« fort, das heißt den Klüverbaum mitsamt den Segeln und den Tauen. Zum Glück blieb das Bugspriet stehen.

In mangelhafter Bekleidung erschien auf das zweite Signal »Alle Mann auf Deck!« die gesamte Besatzung. Bald aber stellte sich heraus, daß die »Moltke« fast gar keinen Schaden erlitten hatte, dagegen der englische Dampfer einen ziemlich großen. Er hatte sich den Bug zum Teil eingedrückt, aber, wie sich ergab, war auch für ihn keine unmittelbare Gefahr vorhanden.

Die Segel wurden backgebraßt, so daß der Wind nicht mehr hineinfahren konnte, und die »Moltke« kam zum Stehen. Es wurde ein Offizier mit mehreren Mann in einem Kutter nach dem Handelsdampfer hinübergeschickt, um den Namen des Schiffes und des Kapitäns festzustellen. Der Offizier untersuchte auch den Zustand des Dampfers und stellte fest, daß das Schiff imstande sei, ohne Hilfe der »Moltke« nach dem englischen Hafen, aus dem es kam, zurückzukehren.

Dann nahm die »Moltke« die Fahrt wieder auf. Die alarmierten Schläfer wurden zu Bett geschickt, und im Logbuch machte am Schluß der Wache der Offizier die Bemerkung über den Zusammenstoß. Auf den Bericht, den das Schiffskommando nach Hause schickte, wurde später der Besitzer des englischen Dampfers gezwungen, den Schaden, der an der »Moltke« entstanden war, auf Heller und Pfennig zu bezahlen, zumal kein Zweifel darüber bestand, daß der Engländer die Schuld an dem Zusammenstoß trug. Er hatte das weiße Licht nicht geführt, daß jeder Dampfer ungefähr in der Höhe des Marses tragen muß.

Es hat also ein Dampfer nachts drei Positionslaternen: oben die weiße, unten die rote und grüne. Die weiße Laterne muß so eingerichtet sein, daß ihr Licht nach vorn, nach rechts und links sichtbar ist. Liegt ein Schiff vor Anker, oder ist es aufgelaufen und kann sich nicht bewegen, so führt es außer den beiden Positionslaternen oben am Mars ein rotes Licht, durch welches es allen vorüberkommenden Schiffen zuruft: Hier liegt ein Schiff, welches nicht manövrieren kann! Geht mir aus dem Wege!

Als die Morgenwache um vier Uhr antrat, schliefen sämtliche Kadetten und Schiffsjungen schon wieder fest, und die Mittelwache, welche ihre Hängematte erhalten hatte und noch eineinhalb Stunden schlafen durfte, lag bald im Schlummer, ohne noch an die aufregende Szene, die man soeben durchgemacht hatte, zu denken.

Um sieben Uhr morgens beim Frühstück, bestehend aus gesüßtem Kaffee, natürlich ohne Milch, nebst Brot und Butter, gab es selbst unter den Schiffsjungen, die immer mit einem barbarischen Appetit »behaftet« sind, einzelne, die gar nichts aßen und nur hastig den Kaffee hinuntergossen. Man sah viel blasse, ja bei einzelnen Kadetten und jungen Matrosen sogar grünliche Gesichter.

Ohne daß die scharf auslugenden Posten und der überaus aufmerksame Wachoffizier etwas bemerkt hatten, war ein unheimliches Gespenst gegen Morgen an Bord gestiegen – die Seekrankheit.

Der Wind hatte aufgefrischt und heftiger und kürzer wurde der Wellenschlag. Die Masten ächzten und knarrten. Man hörte das Singen des Windes in den zum Platzen festgespannten Drahttauen des stehenden Gutes. Das riesige Schiff machte beständig eine Doppelbewegung: es legte sich bald nach links, bald nach rechts schwer hinüber, es »rollte«, wie der Kunstausdruck heißt. Dann aber begann das Bugspriet, das wieder festgemacht worden war, nachdem man die Überbleibsel des zerschmetterten Klüverbaums beseitigt hatte, eine unangenehme Neigung zu zeigen, seine Spitze in die See zu tauchen. War ihm dies aber gelungen, dann richtete es sich wieder hoch auf, als wollte es sich als Blitzableiter etablieren und senkrecht gen Himmel zeigen. Das Schiff »stampfte« und bewegte sich jetzt aufwärts und abwärts auch in der Längsrichtung.

»Kranke ins Lazarett!«

riefen die Maate um 7 Uhr 30'. Es meldeten sich eine ganze Anzahl von Schiffsjungen, die erklärten, es sei ihnen gotterbärmlich zu Mute. Sie wurden aber ausgelacht und man sagte ihnen:

»Ihr bekommt die Seekrankheit, das ist keine Krankheit, wegen deren man ins Lazarett kommt, die muß eben ausgehalten werden.«

Um 7 Uhr 40' beim Decke-Ausklaren, das heißt beim Inordnungbringen der Decke, um den Dienst beginnen zu lassen, gab es schon verschiedene »Leichen«. Es lagen Kadetten, Schiffsjungen und junge Matrosen an der Leeseite des Schiffes auf dem Oberdeck und konnten nicht leben und nicht sterben. Sie hatten dem Neptun geopfert, indem sie den Inhalt ihres Magens über Bord gehen ließen.

Die älteren Matrosen mahnten die armen Kranken höhnisch, die Fische nicht so viel zu füttern und nicht so viel »Kette auszustecken«, denn leider ergossen sich aus dem krampfhaft geöffneten Mund der armen Kranken Fluten mit jener Geschwindigkeit, mit welcher die Ankerkette aus der Klüse des Schiffes herausstürzt.

Franz Schwersenzke, unser Freund, war vorläufig gesund geblieben, und das veranlaßte ihn, seine bereits erkrankten Kameraden zu hänseln und zu verhöhnen. Wir wollen das dem Schiffsjungen Franz Schwersenzke nicht allzuübel nehmen. Die Seekrankheit ist eines jener merkwürdigen Leiden, die dem von ihnen Befallenen, ähnlich wie der Katzenjammer, immer Spott und Hohn eintragen.

Ergründet hat noch niemand das Wesen der Seekrankheit. Es gibt Menschen, die niemals von ihr befallen werden, und wiederum Leute, die sie immer bekommen, sobald sie auf einem Schiffe nur in unruhiges Wasser geraten. Es gibt selbst Seeleute, welche jedesmal, wenn sie eine größere Fahrt antreten und in den Ozean kommen, längere oder kürzere Zeit unter der Seekrankheit leiden. Der berühmte Admiral Nelson zum Beispiel litt tagelang und jedesmal, wenn schlechtes Wetter kam, an der Seekrankheit. Es ist vorgekommen, daß Kadetten und Schiffsjungen, sowie Freiwillige der Marine, entlassen werden mußten, weil sie, sobald das Schiff in unruhiges Wasser kam, die Seekrankheit überhaupt nicht mehr los wurden und dadurch vollständig dienstunfähig waren.

Mittel gegen die Seekrankheit gibt es nicht, obgleich alljährlich von Berufenen und Unberufenen angeblich solche erfunden werden. Der eine bekommt die Seekrankheit bei leerem, der andere bei vollem Magen. Mancher bekommt sie nur zeitweise, das heißt, er kann lange Reisen machen, ohne krank zu werden, und bei der nächsten Reise glaubt er, sein Leben verlieren zu müssen. Auch wer viele Reisen macht und die Seekrankheit niemals gehabt hat, ist nicht sicher davor, daß er sie schließlich doch noch bekommt.

Die Seekrankheit erzeugt bei dem von ihr Befallenen eine tiefe seelische Depression, die mit Zunahme der Krankheit sich steigert. Die Kranken haben erst das Gefühl der Wurstigkeit gegen das Leben, dann kommt der Wunsch zu sterben, nur um den schrecklichen Zustand los zu werden. Aber die Krankheit verläuft niemals tödlich. Die sehr seltenen Ausnahmen sind wahrscheinlich auf andere Gründe als auf die Seekrankheit zurückzuführen. Ist die Krankheit überstanden, dann ist der innere Mensch ausgeputzt, als wäre in ihm von der ganzen Besatzung »Rein Schiff« gemacht worden, und der Appetit steigert sich ins Ungemessene.

Gräßlich aber ist dem von der Seekrankheit Befallenen der Gedanke an Fett, besonders an Speck.

Franz Schwersenzke hatte von den Matrosen eine Nichtswürdigkeit gelernt, die er nun gegen seine leidenden Genossen in Anwendung brachte. Er setzte sich teilnehmend zu den Kranken und riet ihnen, ein Stück Speck an einen Bindfaden zu binden und zu verschlucken, dann aber den Speck an dem Bindfaden wieder hoch zu ziehen. Diese Erzählung verursachte bei den Unglücklichen, die sie hörten, erneute, schreckliche Ausbrüche der Krankheit.

Endlich kam Zimmermannsmaat Klampe dazu, als Schwersenzke seine kranken Genossen verhöhnte, und mit den Worten:

»Wart, du Krot!«

gab er dem verblüfften Schiffsjungen ein paar Ohrfeigen und schüttelte ihn dann so energisch, daß Franz ein ganzes Stück über das Deck flog.

Aber Hochmut kommt vor dem Fall. Der Wind nahm nachmittags an Heftigkeit noch zu. Selbst die Matrosen, die aufentern mußten, um Reefe in die Seegel zu stecken, wurden oben auf den Masten und Raaen von der Seekrankheit befallen, und es regnete manches auf Deck herunter, was gerade nicht angenehm war. Als es um sechs Uhr zum Abendbrot gehen sollte, hatte auf einmal der Schiffsjunge Franz Schwersenzke die Empfindung, daß Essen eine »blödsinnige Erfindung« sei. Er war selbst erstaunt über diesen Gedanken, denn er hielt sonst das Essen für die schönste Einrichtung der Welt, neben dem Schlafen. Er mußte wohl irgendetwas Unverdauliches zu Mittag gegessen haben. – So glaubte er wenigstens, denn sein Magen war wie mit Zement ausgegossen, der dort zu einem Stein erstarrt war. Dieser Druck auf den Magen hatte etwas Beängstigendes und wurde immer schmerzhafter. Dann hatte Franz das Gefühl, als ob der Zement lebendig würde und nach oben herausstiege. Ihm lief das Wasser im Munde zusammen und er begann heftig zu schlucken. Mit Gewalt suchte er die aus dem Magen aufsteigenden Massen herunterzudrücken. Es begann ihm dunkel vor den Augen zu werden und krampfhaft hielt er sich an der Reling des Schiffes fest. Plötzlich hing er seinen Kopf weit über die Reling hinaus und – »steckte Kette aus«.

Fünf Minuten später lag er zusammengeklappt an der Leeseite des Schiffes und dachte an das Sterben. Er fühlte, wie eine schreckliche, mindestens zwei Kilometer lange Raupe, dicht mit Haaren bewachsen, die so scharf waren wie Eisendrähte, eine Raupe, welche mindestens sechstausend Beine hatte, jedes Bein mit fünf Krallen versehen, sich langsam aus dem Inneren seines Leibes nach seinem Schlund schob und dort stückweise herausschoß. Wenn jemand jetzt unserem Freund Schwersenzke ein blinkendes Goldstück geboten hätte, er wäre nicht imstande gewesen aufzustehen oder nur sich zu bewegen. Er hatte nichts zu tun, als entsetzlich zu würgen, um wenigstens stückweise die kratzende, mit Draht besetzte Raupe los zu werden.

Da tönten Worte an sein Ohr und er erkannte trotz seines schrecklichen Zustandes die Stimme des Zimmermannsmaaten Klampe:

»Siehst du, du Krot', jetzt hat's dich auch gepackt! Das ist dir recht, du entfahmter Bengel! Das kommt davon, wenn man Kameraden zum besten hat. Aber wart', mein Jung', ich werde dir helfen. Ich werde dir ein Glas Maschinenöl holen, so recht hübsch warmes, das kannst du trinken.«

In dem Augenblick, in dem Franz an das Maschinenöl dachte, dessen warmen, ranzigen Geruch er schon kannte, fuhr die Raupe gleich einen Kilometer weit aus seinem Leibe heraus. Er murmelte etwas von Roheit, hörte noch das teuflische Gelächter des Schiffszimmermannsmaaten Klampe und verfiel dann in halbe Bewußtlosigkeit.


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