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Winter

.Nun schneit es.

Ich öffne ein Fenster des Bankettsaales und versuche, die Hand meines kranken Armes hinauszustrecken.

Zwei Flöcklein fallen darauf – süße, silberne, sechseckige Sterne.

Da ist es, als ob ein neues Kräftegefühl heraufzöge nach meinen Wunden.

Was sagst nur du, du grüne Wintersaat? Das neue Flanelltüchlein mag dir gar schön stehen auf dem dichten Buschelkopf. Ganz verstohlen bloß blitzten deine hellen, grünlichen Äuglein darunter herauf, und wie ein schelmisches Kind kokettierst du mit dem Winde, der mit dir tanzen möchte wie ein wilder Bursche.

Tanze nur nicht zu wild! Laß dir nur nicht dein Tüchlein nehmen, junges Kind! Das Tüchlein hält dich nicht bloß sicher und warm wie einen Philister; es hält dich auch schön und gesund, du junges Kind!

Spaziert da ein Häslein dicht am Burggraben. Es ist so nachdenklich wie ein würdiger Philosoph und wippt mit dem Kopfe wie einer, der nicht recht Rat weiß.

Sein Weib kommt nach. Sie sitzen ganz still. Vier lange Ohren starren in die Luft, aber ein Ohr klappt herunter, das zweite, dritte, vierte. So sitzen sie sich gegenüber. Sie schauen sich an und schweigen. Was wäre auch da zu sagen? Höchstens, daß das Schneien eine sehr schäbige Sache ist. Endlich hüpfen sie schwerfällig weiter. Im Frühjahr und im Sommer haben sie sich sehr geliebt; jetzt schweigen sie sich schon an, und in ein paar Tagen, wenn sie beide Lust haben werden, denselben Kirschbaum anzunagen, werden sie sich zanken.

Nun ja! Zu den meisten glücklichen Ehen gehört viel Futter.

Einen Spatzen sehe ich und eine Kohlmeise. Das Spätzlein hebt den Schnabel in die Höhe und schilkt so vergnügt und dreist, als ob eben in der Allee die ersten Kirschen reif wären. Das Meislein sitzt auf dem Aste wie eine rechte Tränenliese.

Der Spatz hat drüben im Turme ein prachtvolles Quartier und steht in Kost und Pflege bei Frau Baumann. Er holt sich seine Mahlzeiten vom Fensterbrett und verspeist sie mit Muße; denn er weiß, daß die Katze nicht durchs Glas kann.

Das Meislein geniert sich und muß hungern. Da bläht sich der Spatz auf wie ein Protz und hält das Meislein für ein dummes Gelichter. Fürs Futter wagt er alles: Ehre, Freiheit und Leben; denn ohne Futter, denkt er, gibt es eben weder Ehre, noch Freiheit, noch Leben.

Das Meislein, das dumme Ding, fliegt nach den grünen, leeren Tannen; der Spatz lungert im Hofe herum und frißt endlich aus dem Hundenapfe; denn er hat sich überzeugt, daß Hektor schläft.

Inzwischen schneit es weiter, immerfort weiter. Wie entzückend das ist! Es geht nichts in der Natur so leise wie eine Schneeflocke. Und doch ist flickernde, schimmernde, millionenfache Bewegung dabei. Eine lautlosere, friedlichere Freude gibt es nicht.

Wie ich mich so in Träumereien verlieren kann! Ich fühle, daß ich in kurzem wieder einmal ein lyrisches Gedicht schreiben werde! –

Da geht unten die Pforte. Ein Mann tritt in den Burghof.

Es ist Hartwig!

Ich habe ihn nicht mehr gesehen seit damals, als er mich heimtrug.

Was will er?

O, wie mir plötzlich das Herz klopft!

Wie plötzlich der schöne Winterfriede vorbei ist!

Ich fühle nach meiner Armwunde. Die liegt von meinem Herzen nur eine Spanne weg.

Was will Hartwig?

Gestern ist er getraut worden. Waldhofer erzählte es mir.

Was will er jetzt?

Ich horche hinunter.

Es kommen Tritte die Treppe herauf. Ich muß mich fest an einen Stuhl halten, und ich weiß nicht, ob es bloße Aufregung ist oder nervöse Furcht.

Da klopft es, und die Tür öffnet sich.

Waldhofer!

»Herr Doktor, möchten Sie den Hartwig auf ein paar Minuten empfangen? Er bittet Sie inständig darum. Es ist in einer wichtigen Angelegenheit. Er wird auch nicht lange hierbleiben!«

»Bitte, bringen Sie ihn! Aber seien Sie dabei; ich fühl' mich noch schwach -«

Waldhofer nickt und geht, und dann kommen sie.

Hartwig sieht kurz auf, zwei Schritte macht er; dann sinkt er in seine Knie.

Er will etwas sagen, aber er bringt keinen Laut heraus.

Auch mir schnürt's die Kehle zusammen. So stehe ich vor dem Knienden. Es ist mir fürchterlich, wenn ein Mensch vor einem Menschen kniet. Da fasse ich mich endlich.

»Stehen Sie auf, Hartwig! Setzen Sie sich auf den Stuhl.«

Er steht auf, aber er setzt sich nicht. Der starke Mann zittert am ganzen Körper. Und endlich spricht er: »Ich – ich will Sie bloß noch – noch um Verzeihung bitten – denn ich – ich reise heute ab.«

»Sie reisen ab? Wohin?«

»Nach Südafrika! Zu den Buren!«

Das trifft mich.

»Das – das ist nicht möglich, Hartwig!«

Waldhofer faßt ihn am Arme und zwingt ihn auf einen Stuhl. Dort schlägt Hartwig beide Hände vor das Gesicht und sitzt regungslos. Auch ich vermag wieder nichts zu sagen. Da spricht Waldhofer:

»Es ist so, Herr Doktor; in einer Stunde ist Hartwig fort.«

Eine lange Pause folgt. Da ringt sich ein krampfhaftes Schluchzen von Hartwigs Brust, und er weint. O Gott, wie er weint! Wenn ich doch – nein, mir gebricht es an Worten.

Da legt ihm Waldhofer eine Hand aufs Haupt.

»Gelt, das fällt schwer? Sie hatten Ihre Heimat lieber als alle andern. Ich weiß es. Aber es muß doch sein! Sie müssen freibleiben, Hartwig, und hier können Sie's nicht! Die Freiheit ist mehr als die Heimat! Und Sie helfen einer edlen Sache! Sie lassen auch keinen Groll hier zurück – nicht wahr, Herr Doktor?«

Ich gehe hin und ergreife Hartwigs Hand.

»Hartwig, daß das hat so kommen müssen. Ihr Groll gegen mich war ja ganz umsonst! Die Ingeborg wird mir ja ebensowenig gehören wie Ihnen, Hartwig; sie liebt mich ebensowenig wie Sie.«

Da weint er wie ein Kind, und es ist wieder eine Pause. Plötzlich fällt mir seine Frau ein.

»Aber Hartwig, Sie können ja nicht! Sie haben doch gestern geheiratet. Was wird denn aus Ihrer Frau?« Da faßt er sich.

»Die Martha hat mich geliebt – und ich sie auch – früher – eh' die Ingeborg heim kam – und da – ich brauch' mein Geld nicht – ich hab' auch keinen Menschen sonst – ich wollt's ihr lassen und ihrem Vater – es geht ihnen schlecht – und dann – sie wollte doch immer meine Frau werden – da wollt' ich's ihr zu Gefallen tun – es ist ja alles egal –«

»Und sie weiß nichts, Hartwig, nichts?«

»Sie kann nichts wissen – sie schreit sonst durch's ganze Dorf. Herr Waldhofer wird sich ihrer ein bißchen annehmen.«

»Aber das geht doch nicht; Sie werden doch Ihre junge Frau nicht heimlich verlassen. Das dürfen Sie nicht, Hartwig!«

Er sieht mich traurig an.

»Ich muß ja – sonst komm ich ins Zuchthaus, und da ist's noch tausendmal schlimmer – auch für die Martha.«

Da weiß ich freilich wenig Trost. Dann spricht Waldhofer wieder. Es sei noch die beste Lösung, sagt er. Im Kriege unter heldenmütigen Kameraden würde Hartwig am ehesten das Gleichgewicht wiederfinden. Das würde auch alles seiner Natur am besten entsprechen. Und inzwischen würde sich die Sache hier verbluten. Vielleicht fände auch Hartwig drüben eine neue Heimat und könnte dann seine Frau nachkommen lassen.

Da rast jemand die Treppe herauf – die Tür wird aufgerissen –

Hartwigs Frau.

»Joseph!«

»Martha – was willst 'n du?«

»Joseph – biste noch do – biste noch do?«

Sie klammert sich an ihn wie eine Wahnsinnige.

»Jeses, dei Brief, dei Brief, du willst furt!«

»Ich muß, Martha, ich muß! Sunst kumm ich ei's Zuchthaus.«

»Lieber ei's Zuchthaus. Bloß ni ei a Krieg, bloß ni ei a Krieg!«

»Schrei ni, Martha, schrei doch ni asu!«

»Ich loß dich ni, ich loß dich ni, und wenn sie dich tut macha und mich derzu – oder du nimmst mich mit!«

»Martha, du gute Martha – asu gutt meenst es mit mir?«

»Ich labe mit dir, und ich starbe mit dir, Joseph!«

Da schloß er sie in seine Arme und küßte sie. – Der Heimatlose, der Verbrecher, der Ausgewiesene wurde so heiß geliebt.

Dann richtete sich Hartwig auf, und es war, als ob er sich schwer besänne.

»Geht das? Geht das?« fragte er Waldhofer, »daß ich die Martha –«

»Es geht,« antwortete Waldhofer,«und überhaupt, jetzt muß es gehen!« Da jauchzte das junge Weib auf und schlang wieder die Arme um den Hals ihres Gatten.

»Ich bleib' bei dir – immer!«

»Ja, Martha – meinetwegen – du gute Martha!«

Bleich lehnte ich am Fenster. Da sagte Waldhofer zu Hartwig und seiner Frau:

»Kommen Sie jetzt; es ist noch vieles zu besprechen.«

Hartwig nickte. Dann kam er zu mir.

»Herr Doktor, daß Sie mich nicht ins Zuchthaus geschickt haben, das wird schon unser Herrgott mit Ihnen abmachen – und gelt, mir verzeihn Sie alles – wer weiß, was aus mir wird!«

Ich war erschüttert im tiefsten Herzen.

»Hartwig, behüt' dich Gott! Scheiden wir als Freunde!«

Da reichten wir uns die Hände und schauten uns zum letzten Mal in die Augen. Dann kam auch das junge Weib, und dann war ich allein. – –

Müde ging ich über den Saal und schaute durchs Fenster. Das kühle Glas tat meiner heißen Stirn wohl. Und dann sah ich sie noch einmal.

Sie gingen in die anbrechende Nacht hinaus – Hand in Hand. Waldhofer begleitete sie ein kleines Stück.

Es schneite draußen, schneite! Sie gingen aber dahin, wo jetzt Sommer war.

Gott, war das weit!

Da ging ich nach meiner Schlafstube und sank müde auf mein Bett.

Eine Stunde lang lag ich ganz still. Im Bankettsaale brannte längst die Lampe.

Da klang das Klavier oben: eine alte, feierliche Choralmelodie tönte zu mir herunter. »Befiehl du deine Wege!«

Du fremdes Mädchen, dachte ich, wie gut weißt du, was mir wohltun kann! Jetzt könntest du meiner Seele nichts Besseres sagen, als daß ein Gott sei der regiert im Süden und im Norden, und dessen Liebe wacht über Gerechte und Ungerechte.

Getröstet erhob ich mich. Ich trat wieder ans Fenster und ließ mir die kühle Nachtluft ins Gesicht wehen.

Da klopfte es, und der Oberförster kam, ernster, als ich ihn je gesehen.

»Guten Abend,« sagte er, »ich muß einmal mit Ihnen reden. Ich hoffe, daß Sie jetzt stark genug für sowas sind. Länger kann ich auch nicht mehr schweigen. Da sehen Sie, was ich draußen am sogenannten Saustege gefunden habe.«

Er trug zwei Dinge in der Hand – meinen Hut und meinen Stock von damals.

»Na, erschrecken Sie nicht, es nützt jetzt nichts mehr. Sie müssen schon endlich raus mit der Sprache. Ich hab's ja sowieso bald gewußt, daß der Hartwig nach Ihnen geschossen hat.«

Ich war ratlos.

»Zunächst setzen Sie sich doch, Herr Oberförster.«

»Ja, meinetwegen. Aber nicht lange! Hartwig muß heute noch verhaftet werden. Ich trau dem Halunken nicht. Er rückt am Ende aus!«

»Haben Sie denn gar kein Erbarmen mit ihm?«

»Erbarmen? Schnickschnack! Der Kerl hat ja auch kein Erbarmen. Stiehlt mir jahrelang das Wild weg und hätte sich den Teufel was draus gemacht, wenn er Sie mausetot geschossen hätte.« »Halt, halt, Herr Oberförster! Da tauschen Sie sich! Da lassen Sie sich erst mal was erzählen.«

»Zum Erzählen habe ich keine Zeit. Ich wollte bloß, daß Sie's endlich vom Hartwig zugeben sollten, und das haben Sie ja jetzt. Das genügt! Im übrigen, mit Waldhofer verkehr' ich nicht mehr. Der Deibel hol' seinen sogenannten Edelmut, wenn er bloß dazu da ist, Räubern und Mördern um die Strafe rum zu helfen!«

»Schämen Sie sich, Herr Oberförster!«

»Schämen, ich? Nanu! Ich denke, ich bin von der ganzen Blase hier der einzige, der noch ein bißchen Gewissen im Leibe hat.«

»Darauf tun Sie sich nur ja nichts zugute.«

»Zugute tu ich mir nischt drauf. Ich weiß ganz gut, daß es kolossal viel bessere Leute auf der Welt gibt, als wie zum Beispiel ich bin. Aber Recht muß Recht bleiben, und wenn der Deibel rein platzt! Lassen Sie mich zufrieden mit Ihrem lausigen Edelmute. Das ist Quatsch in solchem Fall. Guten Abend, ich hab's eilig!«

»Dann werden Sie eiligst ein fürchterliches Unrecht begehen.«

»Wieso? Hat der Hartwig auf Sie geschossen oder nicht?«

»Er hat nach mir geschossen.«

»Na also! Mahlzeit!«

Da schlug ich einen energischen Ton an.

»Hören Sie mal, Herr Oberförster! Haben Sie den Hartwig beim Wildern erwischt?«

»Nee, das nich!«

»Hat er nach mir geschossen oder nach Ihnen?«

»Na, doch nach Ihnen!«

»Schön! Also sage ich Ihnen, Herr Oberförster, daß Sie die ganze Geschichte rein gar nichts angeht, verstehen Sie mich?«

»Mich rein gar nichts angeht?«

»Jawohl!«

»Sie – Sie sind ja ein schrecklich grober Kerl!«

»Ich werde noch viel gröber werden und werde Sie überhaupt nicht mehr über die Schultern ansehen, wenn Sie jetzt eine Unbesonnenheit begehen, die gar nicht mehr gut zu machen ist. Wollen Sie mich jetzt anhören oder nicht?«

Er war verdutzt.

»Wie kommen Sie mir denn eigentlich vor?« sagte er. »Wie können Sie sich erlauben, mir so saugrob zu kommen?«

»Das werden Sie alles hören. Also setzen Sie sich wieder hin!«

Er setzte sich wirklich.

»Meinetwegen! Aber machen Sie gar keine Anstrengungen, an mein gutes Herz zu appellieren!«

»Nein, denn das haben Sie gar nicht! Zunächst will ich Ihnen nur mal ausführlich und wahrheitsgetreu erzählen, wie das Unglück geschehen ist.«

Da sah er mich in gespanntester Erwartung an.

»Ganz wahrheitsgetreu?« fragte er mißtrauisch.

»Jawohl, ganz wahrheitsgetreu, so wie ich's vor Gericht unter meinem Eide auch erzählen würde.«

Und ich versuchte zunächst eine Schilderung von Hartwigs Gemütszustand zu geben und erzählte dann das fürchterliche Ereignis im Walde, erzählte vor allem, wie Hartwig mich verbunden, aufgerafft und nach Hause geschleppt habe. Wie ich verblutet wäre ohne ihn. Wie verzweifelt er sich selbst angeklagt, nachdem der Rausch wahnsinniger Leidenschaft einer plötzlichen Ernüchterung gewichen war. Wie es ihm da um mein Leben mehr gewesen sei, als um seine Ehre, seine Freiheit, ja, wie um sein eigenes Leben. Und so schloß ich:

»So handelt ein Mensch, bei dem die guten Charaktereigenschaften überwiegen, verstehen Sie? Ein feiger Mörder hätte mir den Gnadenstoß gegeben und wäre entschlüpft. Und ich – ich weiß noch viel genauer als Sie, Herr Oberförster, daß es unzählige Menschen auf der Erde gibt, die bedeutend besser sind als ich – aber ich, ich habe ihn im Schmerze meiner Wunden freigegeben, als ich einmal aus meiner Bewußtlosigkeit erwachte, und Sie, der Sie nichts darum gelitten, den es gar nichts angeht. Sie wollen ihn denunzieren.«

Da starrte er vor sich hin. Das brave Herz regte sich viel mehr in ihm, als ihm lieb war.

»Denunzieren – pfui Deibel – das Wort paßt gar nicht in Ihre Geschichte! Ich sage Ihnen, es ist ein greuliches Wort, es ist ein stinkiges Wort! Nein, denunzieren will ich ihn nicht. Es ist bloß meine Pflicht, daß ich als Forstbeamter nicht in meinem Revier Wilderei und Mord und Totschlag passieren lasse und immerfort aus lauter Edelmut das Maul halte. Das können Sie nicht verlangen. Deswegen bin ich doch kein Schubiak.«

Ich rückte ganz nahe an ihn heran und sah ihm in die Augen. Dann erzählte ich ihm, was noch vor einer Stunde hier bei mir passiert sei. Da kam er in starke Erregung.

»Also er ist fort!«

»Ja, er ist fort; freilich nicht weit genug, als daß ihn die Polizei nicht einholen würde, wenn Sie jetzt Alarm schlügen.« »Fort ist er, fort! Donner ja! Fort! – Zu den Buren sagen Sie?«

»Zu den Buren!«

Er stand auf und schritt in großer Aufregung durch das Zimmer. Er gestikulierte mit den Händen, raufte sich an den Haaren, kratzte sich den Bart und brummte immer vor sich hin.

Plötzlich platzte er ganz spontan und mit einem Anflug von Begeisterung los:

»Er würde ein ganz doller Bure sein!«

»Ja, das denke ich auch,« sagte ich. »Er will sein Leben einsetzen für eine gerechte Sache und damit seine Sünde abbüßen. Aber Sie glauben, daß er das besser tun könnte, wenn er im Zuchthause Zigarren machte.« Da schreitet er immer stürmischer durch den Saal. Die Rührung hat ihn gepackt. Gewissensskrupel hat er freilich noch reichlich. Plötzlich hustet er.

»Also Sie meinen, daß der Hartwig gewildert hat, kann ich nicht beweisen, und daß er nach Ihnen geschossen hat, geht mich einen alten Quarg an?«

»Ja, das meine ich.«

»So! Am Ende haben Sie recht! Ganz genau weiß ich's freilich nicht. Sie machen einem so einen miserablen Dunst vor, daß man ganz dumm davon wird. Ich muß fort, ich muß mir's noch zurecht klauben. Das ist ja eine dolle Sache! Zu den Buren! So ein Kerl! Es war doch gut, daß ich mal vorher raufkam. Na ja, dann auf Wiedersehen!«

Er geht. Der Stock und der Hut bleiben bei mir.

Dankbar schaue ich ihm nach. Nun erst ist Hartwig gerettet.

Ich bin plötzlich so glücklich. So, als wenn ich erst jetzt für Hartwig was Rechtes getan hätte.

Ich öffne wieder das Fenster. Es schneit noch immer. Die Burgbrücke ist ganz weiß; auch der Wald steht in friedlichem Feierkleide.

Durch das Schneewirbeln gehen die beiden Flüchtlinge. Ihr Weg ist weit, ein Weg durch Not und Gefahr. Gott gebe, daß am Ende dieses schweren Weges eine glückliche Hütte stehe!


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