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Die Plünderer.

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. An demselben Abend, als die Gemeinde Gorkums sich beim Gottesdienst erbaute, saßen im Gasthause »Zum grünen Busch« zwei Männer in lebhaftem Gespräch; vor ihnen auf dem Tisch standen gefüllte zinnerne Krüge und der reichliche Genuß des geistigen Getränks schien sich an Beiden schon bemerkbar zu machen. Der eine derselben, seinem Anzuge nach ein einfacher Handwerker, hatte einen widerlichen Gesichtsausdruck; er mochte ein Mann von ungefähr vierzig Jahren sein, der augenscheinlich über seinen Gefährten große Gewalt ausübte; dieser trug halb städtische, halb bäuerische Kleidung, während man ihm ansah, daß schwere Arbeit ihm nicht gewohnt.

»Es bleibt also dabei, Elbert,« sagte der ältere der beiden Männer leise, »diese Nacht machen wir uns in aller Stille auf nach Liethorp Liethorp. Ist Liethorp dasselbe was jetzt Leiderdorp ist, eine halbe Stunde von Leyden gelegen, so muß dies Dorf schon am Ende des zehnten Jahrhunderts bestanden haben. Vor Zeiten lag hier ein Kloster oder eine Priorei regulärer Kanoniker, Engelthal genannt. ( Orlers. Beschr. van Leyden, Oudh. en geschichten van Rijnland.)

»Schweig doch! es könnten Lauscher in der Nähe sein,« entgegnete der Angeredete seinem Genossen mit den Augen winkend und auf drei Bauern hindeutend, die an einem kleinen Tisch in einer entfernten Ecke des Zimmers ihr Abendbrod einnahmen.

»Ei was, sie verstehen kein Wort,« entgegnete der Andere und fügte flüsternd hinzu: »zu essen und zu trinken hab' ich nichts mehr, so müssen wir stehlen.«

»Nun, damit werden wir schon fertig werden,« meinte Elbert, »aber sag', wer war der verkleidete Edelmann, der dich mit jener Sache beauftragte?«

»Verkleidete plaudern nicht,« versetzte der Aeltere.

»Und du hast auch keine Vermuthungen?«

»Nein, ich kannte ihn nicht, doch sicher war er ein großer Seigneur, das verriethen Haltung und Sprache; deshalb dürfen wir unserer Sache so gewiß' sein, als des klingenden Lohnes.«

In diesem Augenblick warf einer der drei Bauern seinen Stuhl um, welches für alle das Zeichen des Aufbruchs wurde. Der Wirth begleitete sie nach der Hausthür und die beiden Fremden blieben eine Weile allein.

»Hoffentlich wird die Nacht uns günstig sein,« versetzte Elbert jetzt in seinem Bauernplatt, »aber im Grunde wär's doch besser gewesen, wir hätten jenen Seigneur selbst handeln lassen; zwar wird er uns gut bezahlen, aber wenn man uns nun ertappt?«

»Schäm' dich, Elbert, so feige zu fragen! ich hätte Besseres von dir erwartet. Ertappt? Verlaß dich drauf, dem Ersten der uns ertappt, drehe ich den Hals um!« und der Mann, den wir Valentin nennen wollen, hob seine muskulöse Faust auf und ließ sie alsdann mit solcher Kraft auf den Tisch fallen, daß die zinnernen Krüge in's Schwanken geriethen.

»Also ein Mord! Fürwahr, Valentin, hättest du mir das früher gesagt, ich hätte mich nicht mit dir verbunden! Aber es ist ja noch nicht zu spät, ich kann ja noch zurücktreten.«

»Zurücktreten? Versuch's einmal!« spottete Jener, »und bei St. Michael! eher dreh' ich dir selbst den Hals um, ehe du lebendig zum Verräther an mir werden kannst. Du siehst, viel Wahl bleibt dir nicht – aber die Gräfin läßt uns auch keine Wahl, bei ihr heißt's: hungern oder stehlen.«

»Oder arbeiten,« verbesserte Elbert.

»Arbeiten!« rief Valentin aus, »was gibt's in dieser Jahreszeit zu arbeiten! Nein Elbert, Arbeit ist ein gutes Wort für reiche Leute, für uns arme Handwerker aber bedeutet es nicht viel; da ist der große Seigneur, er möge denn sein was er will, besser für uns; er sagt: thut das und ich lohn's Euch reichlich. Aber hör' Elbert, du bist 'n braver Kerl und besser als ich, deshalb versprach ich dir, morden wollen wir nicht; wir thun einfach, was uns aufgetragen ist und nehmen nebenbei mit, was wir gebrauchen können. Die regulären Mönche mögen hernach ihr Engelthal zu einer wirklichen Stätte für Engel wieder aufbauen und sich durch Fasten für ihr geistliches Amt bereiten – ha, ha, ha!«

»Spottvogel!« versetzte Elbert. »Wohlan, schwöre denn, daß du den Mönchen nichts zu Leide thun und dein Gewissen nicht durch Mord beschweren willst und ich folge dir wohin du willst.«

»Nun, das ist die Sprache eines verständigen Mannes,« sagte Valentin in zufriedenem Ton, »ja, ich schwöre, es soll keinem der Mönche ein Haar gekrümmt werden –«

»Und auch dem alten Geizhals, dem Prior, soll nichts Böses zugefügt werden?« fragte Elbert weiter.

»Wenn er nicht eben auf seinen Geldsäcken sitzt, von denen wir ihn doch herunterjagen müßten,« antwortete Valentin lachend und rief dem jetzt wieder eintretenden Wirth zu, seinen Krug auf's Neue zu füllen.

Bald danach standen die beiden Gefährten auf und verließen das Gasthaus; langsam gingen sie vorwärts durch die stille Nacht; Hoogmade lag hinter ihnen, Liethorp vor ihnen, seitwärts das Kloster Engelthal mit der kleinen, dem heiligen Michael geweihten Parochiekirche, ein Eigenthum der regulären Mönche. Nach diesem lenkten sie ihre Schritte, machten aber bei einem Dickicht am Wege Halt. Valentin nahm eine kleine Flöte und ahmte das Geschrei der Elsther nach, worauf sofort von allen Seiten Gestalten auftauchten, die sich zusammenschaarten.

Die Nacht war sehr dunkel; Schnee fiel in großen dichten Flocken auf die Erde. Valentin sprach flüsternd mit seinen Leuten und gab ihnen die nöthigen Befehle.


In dem Kamin des Wohnzimmers der Familie Wendenberg brannte ein helles Feuer; die Lichter, eben angezündet, erhöhten die Wohnlichkeit des traulichen Gemachs und verhießen, einen schwachen Schein auch durch die Fenster auf das Schneefeld werfend, dem müden Wanderer von fern schon erquickliche Ruhe. In einen bequemen Sessel zurückgelehnt finden wir Catharina, sichtlich leidend; ihre Kräfte haben langsam abgenommen und die hochgerötheten Wangen, die ihr ein so liebliches Ansehen geben, so Manchen täuschen, erfüllen die treue Mutter mit banger Sorge. Der Vater ist abwesend, dringende Geschäfte im Gemeinderath halten ihn in diesen aufgeregten Tagen länger als sonst fern, denn auch nach Liethorp waren die Kriegsunruhen gedrungen, und Mancher blickte sorgenvoll auf Hab und Gut, nicht wissend wie lange es noch sein eigen sei, während Alles ringsum der Zerstörung preisgegeben schien. Man wußte bereits, daß die Truppen der Gräfin bei Gorkum gesiegt hatten, bestimmte Nachrichten aber über die Gefallenen waren bis jetzt nicht gekommen und jede Familie bangte und hoffte – was war aus ihren Söhnen geworden? So bangte und hoffte auch Catharina, der Heimkehr ihres Vaters voll Ungeduld harrend, denn er hatte versprochen sich auf der Kastellanei zu erkundigen, ob neue Berichte eingegangen seien.

Es wurde später und später, draußen war es bereits völlig dunkel und der Vater kam immer nicht. Catharina war bleich geworden, sie zitterte bei der Vorstellung, es könne ihm irgend ein Leid geschehen sein. Frau Griete errieth die Gedanken ihres Kindes und suchte ihr Muth einzusprechen, fühlte sich aber selbst von einer unerklärlichen Angst erfaßt. Endlich ließ der wohlbekannte Schritt des Vaters sich hören und gleich darauf trat er selbst ein, von dem Priester von Liethorp begleitet. Des Letzteren ist in diesen Blättern schon öfter erwähnt und wir wollen ihn deshalb jetzt etwas genauer ansehen.

Wenn wir uns der Abneigung erinnern, die Catharina gegen den Geistlichen hegte, so erscheint uns diese, beim ersten Eindruck seiner Persönlichkeit, eben so unbegreiflich als unbegründet; seine äußere Erscheinung ist keineswegs unangenehm und sein Antlitz wohl ernst, aber weder abstoßend, noch unfreundlich. Der schwarze Priesterrock steht ihm gut und nichts an ihm gibt Veranlassung ihn unter diejenigen zu zählen, die ihre Tage in Ueppigkeit verbringen oder durch weltliche Fesseln gebunden sind. Auch in der Art, wie er zuerst Frau Griete, dann die Jungfrau begrüßte, lag nichts, das gegen ihn hätte einnehmen können, und doch berührte Catharina die Herzlichkeit, mit der er ihrer Mutter die Hand reichte, fast unangenehm. Sie nahm indessen hin und wieder an dem Gespräch Theil, hielt aber die eine Frage, die ihr beständig auf den Lippen schwebte, immer noch zurück; der Vater bemerkte die Unruhe ihres Gemüthes und sagte leise, sich nahe zu ihr beugend:

»Die Nachrichten für uns, mein Kind, sind nicht grade erfreulich, doch wirst du guten Muth behalten, wenn du weißt, daß Wilhelm lebt.«

»Er lebt, er lebt, Gott sei gelobt!« flüsterte Catharina, »aber sagt mir Alles, mein Vater, Alles, – ist er verwundet? laßt mich die ganze Wahrheit hören und dann zu ihm eilen;« nur die Todtenblässe ihres Antlitzes verrieth ihre gewaltige innere Erregung.

»Zu ihm kannst du nicht, Catharina, meine liebe Tochter! und verwundet ist Wilhelm nicht, obwohl er wacker gekämpft hat; er ist gefangen.«

»Gefangen! Er, mein edler, tapferer Freund in einer düsteren Gefangenenzelle! o mein Vater!« und weinend lehnte das junge Mädchen das Haupt zurück.

Jetzt trat auch der Priester zu ihr. »Betrübt Euch nicht so, Catharina, die Gefangenen sind gut versorgt und vielleicht befindet sich Herr Wilhelm unter denen, die zuerst ausgewechselt werden. Das Beste ist, Ihr folgt meinem früher schon gemachten Vorschlag und sucht unter die jungen Damen der Gräfin aufgenommen zu werden, so könnt Ihr Ihre Gnaden selbst um seine Freiheit bitten.«

»Niemals, niemals!« rief Catharina erregt aus, »Wilhelm selbst würde der Erste sein, es zu hindern, könnte ich mich so weit vergessen, durch jämmerliche Kriecherei etwas erreichen zu wollen.«

»Ihr seht die Sache nicht richtig an, meine Tochter,« entgegnete der Priester ernst, während eine dunkle Röthe sein Gesicht überzog; »ich gab Euch ja nur einen Rath in Eurem eignen Interesse –«

»Und überdieß bin ich gewiß, meine Mutter würde mich ungern entbehren,« unterbrach ihn die Jungfrau.

»O, was das anbelangt, liebes Kind,« versetzte Frau Griete, »unser Priester weiß, wie willig ich bin, jedes Opfer zu bringen.«

»Wir werden uns über diese Sache nimmer einigen, liebe Mutter,« sagte Catharina, und als sie bemerkte, wie Jene sich ihren eignen Gedanken überließ, trat sie zu dem Vater, der sich an's Fenster gesetzt hatte und in die dunkle Nacht hinaus blickte. Leise legte sie ihren Arm in den seinen und fragte: »Lieber Vater, wer brachte Euch die Kunde von Wilhelm?«

»Abt Bernhard, mein Kind; er hat Wilhelm gesprochen, der dich grüßen und dir sagen läßt, du mögest nicht um ihn sorgen.«

»Weshalb hat er nur denn nicht geschrieben?«

»Weil es den Gefangenen verboten ist. Doch, nur Geduld, Catharina, meine Liebe, der Abt wird in unserem Interesse thätig sein und wir wollen hoffen Wilhelm bald zurückkehren zu sehen, auch ohne daß du zur Gräfin gehst – doch sieh, wie der Himmel plötzlich roth gefärbt ist; man könnte es für ein Nordlicht halten.«

Catharina blickte hinaus; es war ein prachtvoller Anblick: die kleinen Hütten und Häuser zeichneten sich vom Schnee ab, und der Himmel war purpurroth, während schwarze Wolken emporstiegen und sich übereinander häuften.

»Es muß irgendwo brennen, Vater,« sagte sie rasch und winkte die Mutter und den Priester herbei, die in lebhaftem Gespräch am Kamin saßen.

»Ja, das ist Feuer,« bestätigte der Priester und eilte hinaus, während Vater Wendenberg noch drinnen blieb, bei seiner erschreckten Frau. »Wer weiß,« sagte er, »ob nicht die beiden Strolche, die uns vorhin begegneten, es angelegt haben. Hört, die Brandglocke läutet,« fuhr er fort – »das Feuer scheint in der Richtung nach der Heerstraße zu sein – aber ich darf nicht länger säumen, muß zur Stelle sein, wo Gefahr ist.«

Damit stand der Greis auf, bat Frau und Tochter sich nicht zu beunruhigen, versprach, falls irgend etwas geschehe, das bedenklich für sie werden könne, ihnen Hülfe zu senden und eilte, nachdem er Beide umarmt, aus dem Hause.

Rasch hatte er die Unglücksstätte erreicht. Engelthal, der Lieblingsaufenthalt der Mönche, war eine Feuergluth, aus der nach allen Richtungen Funkenstrahlen sprühten, um, weiter zündend, noch mehr Verderben zu bringen. Dicker Rauch stieg wirbelnd in die Höhe, und so rasch wie bei heftigem Gewitter der Donner dem Blitz folgt, bald aus dieser, bald aus jener Richtung des Himmels herabfahrend, so rasch mischte sich ein Feuermeer mit den schwarzen Wolkensäulen, die das Kloster von allen Seiten einhüllten. Wasser zum Löschen war in der Nähe nicht vorhanden, und das mühevolle Schöpfen und Herbeischleppen aus einiger Entfernung vermochte nicht der Gewalt des Feuers Einhalt zu thun.

Die Bewohner der umliegenden kleinen Dörfer suchten eiligst ihre Habe zu retten; überall Noth, Verwirrung, lautes Angstgeschrei und zwischendurch hallte das eintönige Glockengeläute schauerlich durch die dunkle Nacht. Heftige Stoßwinde fachten die Flammen immer mehr an, kein Stern zeigte sich am Firmament, nur das Feuer beleuchtete einen weiten Umkreis und die entsetzlichen Verwüstungen, die es anrichtete.

Kurz vor seinem Ausbruch hätte man mehrere verdächtige Persönlichkeiten in einem, Engelthal nahe gelegenen, Dickicht wahrnehmen können, denen es gelang durch eine Seitenthür unbemerkt in's Kloster zu dringen und die sich bald danach – mit großen und kleinen Bündeln beladen wieder in's Freie tretend – eiligst entfernten. Es geschah dies im westlichen Flügel des Gebäudes, zur Zeit als die Mönche in der, im nördlichen Flügel gelegenen, Kapelle den Abendgottesdienst hielten. Jene Männer schlugen die Landstraße nach Hoogmade ein und es gelang ihnen wiederum auf dem einsamen Wege unbemerkt zu entkommen. Einer nur war in unmittelbarer Nähe Engelthals zurückgeblieben, um in aller Stille etwas Holz an der Klosterpforte aufzustapeln, es mit Zündstoff zu bestreichen, war für ihn das Werk eines Augenblicks; dann legte er Feuer daneben und folgte rasch seinen Genossen. Einmal noch schaute er, still stehend, auf sein vollbrachtes Werk zurück und mit der Hand auf die schon emporlodernde Flamme zeigend, rief er aus: »Bei Gott! der Brand ist herrlich! Rache, Rache über dich, elender Prior, der du den Armen das Brod weigerst, um deine eignen Säcke zu füllen, uns zwingst uns zu zerarbeiten, damit du müßig gehen kannst! Rache über euch, ihr jämmerlichen Mönche, die ihr in Buße und Gebet vor dem Altar knieet und nicht daran denkt, wie Mancher nach den Brosamen eurer üppigen Tafel schmachtet! Mögen sie alle umkommen, die um des eignen Gewinnes willen uns zu Sclaven machen. Bei Gott, die Rache ist schön!« und seinen Mantel über den Kopf ziehend, um nicht erkannt zu werden, eilte er fort, in der Dunkelheit verschwindend.

Kein Löschen hilft indessen auf der Brandstätte, das herbeigeschaffte Wasser reicht kaum, den Eingang zur Kapelle, durch welche allein die Mönche sich retten konnten, vor den Flammen zu schützen. Voll Angst laufen sie jetzt umher, blicken jammernd auf ihr brennendes Heim und suchen was möglich ist zu bergen, als plötzlich ein Nothschrei zu ihnen dringt, der sie vor Schreck erstarren macht.

»Der Prior! der Prior! hat Keiner unsern Prior gesehen?«

Man sucht, man frägt, man rennt hin und her; »der Prior, wo war der Prior beim Ausbruch des Feuers?«

»In der Sakristei!« ruft Jemand laut, »eilt durch den Gang dahin, es ist die höchste Zeit!« Aber schon ist der Vorgiebel vom Feuer erfaßt, und von den Wänden des Ganges lecken die Flammen in kleinen Zungen herab – wer wagt hier vorzudringen? Jeder steht wie gefesselt an seinem Platz, ringt die Hände und blickt auf seinen Nebenmann. Die Mönche sind in Verzweiflung, denn Keiner von ihnen hat den Muth sich in das brennende Gebäude zu wagen, um eine kleine Seitenthür aufzuschließen, die möglicherweise noch freien Ausgang gewährt, während man von der Kapelle aus der Sakristei nicht mehr nahen kann. Da drängt sich plötzlich ein Mann durch die Menge. »Feiglinge Ihr!« ruft er laut, »wißt ein Menschenleben in Gefahr und wagt nichts? Zeigt mir den Weg zur Sakristei!«

»Durch diesen Gang, die letzte Thür rechts, sie ist von Außen geschlossen,« ruft einer der Brüder ihm zu, blickt ihn fest an und sagt laut: »O Wendenberg, Ihr? denkt Ihr nicht an Weib und Kind?«

»Grüßt sie von mir, kehre ich nicht zurück!« ist die hastige Antwort, mit welcher der muthige Mann in den Gang stürzt. Einen Augenblick steht er still, geblendet von der hellen Gluth, eilt dann aber entschlossen vorwärts; er findet die Thür, öffnet sie und stolpert über einen Menschen, der am Boden liegt. Fort! Fort! die Flammen erfassen schon seine Kleider, aber er achtet es nicht; er nimmt den Ohnmächtigen auf seine Arme, trägt ihn mit Riesenkräften mitten durchs Feuer, sieht, daß ihm das Wagniß gelingt. »Gott sei Dank, er ist gerettet!« ruft der Greis aus und bricht zu den Füßen der Löschmannschaft zusammen. Man trägt ihn fort, sucht ihn in's Leben zurückzurufen – vergebens! Edler Mann! dein Gedächtniß wird im Segen bleiben – so zu sterben ist nicht schrecklich. Mögen jetzt die Flammen wüthen, mag Alles zerstört werden, kein Menschenleben kann mehr verloren gehen! Ein Windstoß folgt dem andern, immer weiter greift das Feuer um sich, immer höher steigen die Rauchwolken, während von allen Seiten Mauersteine und Balken mit lautem Getöse herunterstürzen.

Leise und langsam trägt man indessen eine Bahre die Dorfstraße nach Liethorp entlang. Vor Wendenberg's Landhaus hält man an, die Thür wird geöffnet und Frau Griete sieht, wer auf der Bahre liegt. Sie bringt kein Wort hervor; geht schweigend den Männern, welche die theure Last tragen, voran nach einem einsamen Zimmer – sie jammert nicht, sie hofft noch! Armes Weib! arme Gattin und Mutter!

Catharina eilt herbei, sieht und begreift gleich Alles. »Mein Vater!« schreit sie auf, »mein Vater!« Die Mutter zwingt sie sich zu entfernen, und als auch die Träger fortgegangen, beugt sich Frau Griete über den Entseelten, untersucht seine Brandwunden, befühlt seine Brust, lauscht, ob sie nicht noch einen Athemzug vernehme – vergebens! vergebens!


»Elbert, Elbert! – hast du dich verletzt, Kamerad?« So fragte flüsternd ein Mann einen andern, der beim raschen Vorwärtsgehen gefallen war und nicht wieder aufstehen konnte.

»Der Teufel hole das Wagstück! Verletzt, frägst du? sicher hab' ich das Bein gebrochen, Dank der elenden Beutejagd! Geh' Valentin, bring dich in Sicherheit und laß mich liegen – ich kann nicht weiter.«

»Dich liegen lassen? nein, das würde unsern Wahlspruch: »Freunde in der Noth, Freunde im Tod,« zu Schanden machen; kannst du nicht gehen, so trag' ich dich. Unsere Gefährten werden den Kahn schon erreicht haben und auf uns warten.«

Elbert versuchte sich aufzurichten, aber ein Schmerzensschrei entfuhr ihm, worauf Valentin flüsternd sagte:

»Still, still! halt' dich fest an mein Wamms, so, nun leg den Arm um meinen Hals« – und rasch, als wäre die Bürde so leicht wie eine Feder, hatte Valentin seinen Freund aufgehoben und trug ihn fort.

»Hurrah! wir sind freie Männer,« rief er, indem er sich dem Boot näherte, in welchem die Kameraden der beiden Gefährten harrten; »seht, ich bringe kostbare Beute; holla! angefaßt! dieser hier hat ein Bein gebrochen, muß aber mit uns fort, um nicht in Henkershänden ein Verräther zu werden.«

»Hol' Euch der Teufel!« schalt Elbert; »was haben wir jetzt gewonnen? Als elende Verbannte müssen wir herumtreiben, um nicht als Brandstifter abgefaßt zu werden.«

»Laßt das Schwatzen, Leute!« gebot Valentin; »wir sehen uns jetzt in fremden Ländern um und ist unsere Beute – bei St. Martin, sie war heut' Nacht extra reich – ist unsere Beute verzehrt, kommen wir wieder und holen mehr. Was nützt uns ein Vaterland, das uns so stiefväterlich behandelt? Doch still, ich höre Geräusch, ich erwarte meinen Unbekannten,« – und dem Boot einen Stoß gebend, daß es forttrieb, sagte er leise: »Wartet nur fünf Minuten und ich komme mit klingender Münze zurück.«

Damit ging er fort, am Ufer entlang, bis zu einer verabredeten Stelle einer kleinen Anhöhe, wo ein Mann in einen Mantel gehüllt stand, die Pelzmütze so tief in's Gesicht gedrückt, daß fast nur der Schnurrbart sichtbar blieb; als er Jemanden nahen hörte, zog er den Mantel noch fester um sich und sagte leise:

»Reguläre Mönche.«

»Ihr habt Wort gehalten,« antwortete Valentin, die Parole erkennend, »und seht, ich habe mein Wort auch nicht gebrochen,« fügte er hinzu, nach der Richtung deutend, wo das Feuer wüthete.

»Ihr habt nach Ehre und Versprechen gehandelt; empfangt deshalb aus meiner Hand, was Euch rechtmäßig zukommt,« versetzte der Unbekannte, und reichte dem Brandstifter einen schwer gefüllten Beutel.

»Habt Dank, edler Herr! Ist noch etwas zu Euren Diensten?«

»Nichts. Nur sollt Ihr schwören, daß Ihr Euch niemals selbst unbedachtsam verrathen wollt. Und nun fahrt wohl.«

»Ich schwöre!« sprach Valentin lachend, indem er spottend zwei Finger in die Höhe streckte. Darauf eilte er zu seinen Gefährten nach dem Boot zurück und Jener trat den Heimweg an.

Der Himmel war noch dunkelroth, aber die Flammen schlugen nicht mehr so hoch, man war augenscheinlich des Feuers Herr geworden. Der Unbekannte schritt rasch vorwärts, während er zu sich selbst sagte: »Bei Gott, es war ein prachtvolles Feuerwerk von der kleinen Anhöhe gesehen! Möge vergehen, was unserer Partei feindlich ist! Doch jetzt muß ich zu meinem Herrn, ihm zu berichten, wie redlich die armen Teufel unserer Sache gedient haben; – kein Mensch aber hat in dieser Verkleidung den Edlen in mir erkannt.« Und noch einmal zurückschauend, eilte er fort.

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