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Einunddreißigstes Kapitel

In seinem Aeußern war Steuben eine stattliche und edle Erscheinung, in deren Wesen sich Entschiedenheit mit Wohlwollen gepaart aussprach. Sein Kopf war rund, seine Stirn hoch, seine Nase adlerartig gebogen, sein nußbraunes Auge durchbohrend, während der Mund und die etwas dicke Unterlippe nicht ganz mit dem männlich schönen Ausdruck des obern Theiles seines Gesichtes im Einklang standen. Steuben war etwa fünf Fuß sieben Zoll groß, hatte eine vornehme Haltung und einen leichten Gang, den er selbst beibehielt, als er gegen das Ende seines Lebens etwas beleibt wurde, Er trug Perrücke und Zopf à la Frédéric le Grand. Ueberhaupt erinnerte sein Kopf entschieden an den unverkennbaren Typus der Aufklärungs-Periode des vorigen Jahrhunderts.

Steuben war ein vortrefflicher Reiter. Bischof Ashbel Green, der ihn als junger Mann im Juni 1780 bei der Affaire in Connecticut Farms sah, sagt von ihm: Ich hatte weder früher noch später eine so lebhafte Anschauung von dem fabelhaften Kriegsgott der Alten, als damals, wo ich zuerst den Baron Steuben erblickte, er erschien mir wie der personifizirte Mars. Das reichverzierte Pferdegeschirr, die mächtigen Pistolenhalfter und die stämmige, martiale Gestalt Steuben's trugen nur dazu bei, diesen ersten Eindruck zu bestätigen.

Steuben ist in seinem Charakter lebhaft, sanguinisch und rasch. Er zeigt sich überall stolz, offen, freimüthig, thatkräftig, leicht zugänglich und herzlich im geselligen Verkehr, wohlwollend, gerecht und ebenso streng gegen sich als gegen Andere. »Bei einer Revue nahe bei Morristown« – erzählt North – »ward ein Lieutenant Gibbons, ein tapfrer und tüchtiger Offizier, auf der Stelle arretirt und hinter die Front wegen eines Fehlers beordert, der, wie sich später ergab, von einem Andern begangen war. Der Regiments-Commandeur benutzte einen günstigen Augenblick und erklärte Steuben, daß Gibbons unschuldig sei und sich durch die ihm widerfahrene unverdiente Behandlung beschimpft glaube. ›Lassen Sie den Lieutenant Gibbons sofort vor die Front kommen, Oberst!‹ befahl Steuben. ›Mein Herr,‹ fuhr er an den bald darauf vortretenden Gibbons gewandt fort, ›der Fehler, welcher die Linie in Unordnung brachte, hätte vor dem Feinde sehr verderblich für uns werden können; ich ließ Sie arretiren, weil ich Ihnen die Schuld beimaß, allein ich habe mich seit dem überzeugt, daß ich mich irrte und daß Ihnen kein Vorwurf gemacht werden kann. Ich bitte Sie wegen des Ihnen angethanen Unrechts um Entschuldigung, kehren Sie an Ihren Posten zurück. Ich bin weit entfernt, irgend Jemanden, geschweige denn einen Offizier von Ihrem Verdienste und Charakter ungerecht behandeln zu wollen!‹ Der Baron sprach das mit entblößtem Haupte, auf welches der Regen in Strömen fiel. Glauben Sie« – schließt North – »es wäre ein Offizier ober Soldat gegenwärtig gewesen, den nicht Zuneigung und Ehrerbietung gegen den General-Inspektor durchdrungen hätte? Nicht Einer!«

»Bei der Auflösung der Revolutions-Armee, wo Männer, welche dasselbe Zelt, dasselbe Lager sieben Jahre lang mit einander getheilt hatten, sah ich« – berichtet North ferner – »wie der Baron sich bemühte, wenigstens so weit es in seinen Kräften stand, durch einen Sonnenstrahl die allgemeine Trauer zu unterbrechen und den Schmerz der Abschiedsstunde durch herzliche Theilnahme zu lindern. Die Meisten wußten nicht, wohin sie gehen sollten; sie hatten entweder die bürgerlichen Gewerbe nie gekannt oder im Felde ganz vergessen. Arm, hülflos und verlassen wurden sie in die weite Welt hinausgestoßen. Ein tapfrer, alter Offizier, der Oberst-Lieutenant Cochrane aus den grünen Bergen (Vermont), der von seiner Jugend an mit Gefahren und Widerwärtigkeiten zu kämpfen gehabt und dessen durchfurchtes Gesicht bis auf diesen Augenblick noch keine Thräne gekannt hatte, sagte beim Abschied zu Steuben: ›Wegen meiner ist mir nicht bange, ich kann's zur Noth tragen, ich habe mich schon in viel schlechteren Lagen befunden; allein meine Frau und Tochter machen mir Sorge, sie sind dort oben in der Dachstube jener erbärmlichen Kneipe. Ich weiß nicht, wohin ich mit ihnen soll, es fehlen mir alle Mittel zur Abreise.‹ Kommen Sie, mein Freund, unterbrach ihn Steuben, lassen Sie uns gehen und mich Ihren Damen meine Aufwartung machen. Ich (North) folgte ihnen durch die unteren Räume, die alle mit betrunkenen, verzweifelten und fluchenden Soldaten angefüllt waren, bis in das Dachzimmer. Als der Baron ging, ließ er wenigstens Hoffnung auf baldige Hülfe und Alles, was er selbst zu geben hatte, bei den Unglücklichen zurück. Ein Schwarzer, den seine noch nicht geheilten Wunden am Gehen verhinderten, saß in Newburg am Ufer des Flusses und weinte, denn er konnte seine Passage nicht bezahlen, um in seine Heimat zu gelangen. Steuben rührte das grenzenlose Elend dieses Mannes, um den sich kein Mensch bekümmerte, und er gab ihm mit Thränen in den Augen seinen letzten Dollar. Gott der Allmächtige segne Euch, Massa Baron, rief der Neger ihm nach, als die Schaluppe abfuhr.«

In seinen Gewohnheiten ist Steuben vornehm und einfach. Krieg und Soldaten sind seine Freunde; Landbau, Jagen und Reiten, Lektüre und fröhliche Gesellschaft seine Erholung. Er verlor nie die Herrschaft über sich selbst, außer wenn er durch Rohheit oder grobe strafbare Pflichtvernachlässigung gereizt wurde. In solchen Augenblicken riß sein Zorn gleich einem verheerenden Sturm Alles vor sich nieder. In seilten Genüssen war er äußerst mäßig. Im Umgange zeigte er ganz jene feinen und verbindlichen geselligen Formen, welche uns in den Salons des vorigen Jahrhunderts so häufig begegnen und anziehen. Im Hause der Mutter des Kanzlers Livingstown wurde er einst einer schönen und liebenswürdigen Miß Sheaf vorgestellt. »Ich freue mich der Ehre ihrer Bekanntschaft, sagte er obwohl sie mir sehr gefährlich zu sein scheint, denn schon in früher Jugend bin ich vor mischief ( Miss Sheaf) – Unglück auf Deutsch – gewarnt worden, allein ich hatte mir nie vorher dessen Reize so anziehend und mächtig gedacht.«

Steuben war nie verheiratet. Mulligan glaubt, daß er in seiner Jugend eine unglückliche Liebe gehabt haben müsse, und erzählt zur Motivirung dieser Ansicht, daß er einst, als er auf Steuben's Geheiß ein Etuis aus dem Schubfache seines Schreibtisches habe holen müssen, ein falsches gebracht und daß dieses das Miniaturbild eines bildschönen Mädchens enthalten habe. Nachdem Steuben das Etuis geöffnet, sei ihm unter heftiger Gemüthsbewegung der Ausruf entfallen: »O sie war ein herrliches engelgleiches Weib!« Doch habe er die Frage seines Sekretärs, wer die schöne Dame sei, absichtlich überhört und diesen Gegenstand später nie wieder berührt. Doch sei dem wie ihm wolle, wir finden nirgends in den Steuben'schen Papieren und in seinen zahlreichen freundschaftlichen Briefen einen einzigen an eine Frau, geschweige denn die leiseste Anspielung auf ein weibliches Wesen. Das Beispiel Friedrichs des Großen hatte vielleicht in dieser Beziehung wie auf so viele Zeitgenossen, so auch auf Steuben den Einfluß, daß er von verheiratheten Männern sehr gering dachte und sich als Hagestolz freier und unabhängiger fühlte. Duponceau, der Zeit nach sein erster, und Mulligan, sein letzter Sekretär, erzählen beide übereinstimmend, daß, als sie in die Dienste Steuben's getreten, er ihnen als Bedingung der Fortdauer ihres Verhältnisses gestellt habe, daß sie keine Zeitungsartikel schreiben und sich ja nicht verheirathen sollten. »Verlieben könnt Ihr Euch, so viel Ihr wollt;« – so schloß er seine Ermahnung – »aber thut mir das Leid nicht an, daß Ihr Euch verheirathet, denn dann ist es aus mit uns.«

Dagegen war das Gefühl für Freundschaft desto stärker in Steuben entwickelt. Er zeigte sich auch darin dem Geiste der Aufklärungsperiode des vorigen Jahrhunderts treu, daß er herzliche, bis an das Ende seines Lebens dauernde Freundschaften schloß und in der Betätigung dieses Gefühls sein Glück und seine Befriedigung fand. So giebt es kaum ein schöneres Verhältniß als das zwischen Steuben und seinen Adjutanten. Es umfaßte nicht bloß ihre dienstlichen, sondern erstreckte sich auf alle ihre Beziehungen. Steuben ist ihr Freund, Rathgeber und Vater. Seine freie Zeit gehört ihnen, er macht es sich zur Pflicht, für ihre Bedürfnisse zu sorgen, und sie wieder thun keinen Schritt, ohne ihn um seinen Rath zu fragen. Aus Philadelphia z. B. sendet er seinem Lieblings-Adjutanten Walker Kleider und Leinwand in's Lager, um ihn in den Stand zu setzen, im Hauptquartier zu erscheinen, Duponceau versieht er mit allem Nöthigen, als er ihm seine Noth klagt, North schenkt er, als er ihn krank in Virginien zurücklassen muß, sein letztes Goldstück und seine Uhr und bedauert, daß er nicht mehr für ihn thun kann, und Ternant versorgt er mit einem guten Cognac und Tabak, damit er nicht im kalten Lager friere. Er hat für alle freundschaftliche Beinamen, le petit Walker et sa grande femme, le paresseux North, der Pfaff Adams (Duponceau), die angewandt werden, wenn er eine ganz besondere Anstrengung und Leistung verlangt. Wenn Steuben abwesend ist, muß ihm Walker oder North Bericht über alle Ereignisse in ihrer kleinen Familie erstatten, und er selbst erzählt dann umständlich in oft ernsten, oft scherzenden Briefen halb englisch, halb französisch, was ihm seit ihrer Trennung passirt ist. Bei den kleinen Streitigkeiten der Adjutanten unter einander ist Steuben immer der Schiedsrichter. Es gab vielleicht wenig Menschen, die, wie er, Freunden und Untergebenen gegenüber in so feiner und schonender Weise ihren Tadel oder ihre Mißbilligung aussprachen und so schön und anregend zu loben verstanden; darum sah auch selten ein General, so weit es auf seine nächste Umgebung ankam, seine Befehle so prompt ausgeführt als Steuben. Wenn alle übrigen Nachrichten von seiner Wirksamkeit verloren gegangen, wenn alle seine Thaten vergessen wären, so würde die blosse Existenz der Briefe von Männern wie Walker, North, Davies, Fleury, W. S. Smith, de l'Enfant, Popham, Fairlie und Duponceau den großen Werth und die militärischen Verdienste eines Generals beweisen, der im Stande war, so talentvolle Schüler zu erziehen.

Eine solche Persönlichkeit ist eine Macht; sie nützt der von ihr verteidigten Sache in unberechenbarer Weise, ihr Eindruck war darum auch auf alle Umgebungen ein sehr mächtiger und oft bestimmender. Steuben's Fehler, die Folge von Unüberlegtheit, Rücksichtslosigkeit und Verschwendung scheinen ihm in den Augen seiner Zeitgenossen vielfach geschadet zu haben, verwickelten ihn in Unannehmlichkeiten und machten seine ökonomische Lage oft sehr unerfreulich. Er kannte und würdigte nie den Werth des Geldes. Wenn er hatte, so gab er unbekümmert um die Folgen mit vollen Händen. Selbst die größte Summe schien ihm nicht groß genug, wenn er für einen seiner Freunde zu sorgen oder einen Lieblingsplan auszuführen gedachte. Es fand nie eine Revue oder Inspektion statt, wo er nicht aus seiner eigenen Tasche den Soldaten, deren Waffen in bester Ordnung waren, eine Belohnung zahlte. Seine Tafel war stets mit Gästen gefüllt. Wer sich im Dienste auszeichnete, konnte sicher sein, vom General-Inspektor eine Einladung zu Tische zu erhalten. Alle Schwierigkeiten, welche er acht Jahre lang mit dem Kongreß hatte, alle Demüthigungen, die er von engherzigen Menschen ertragen mußte, sind dieser seiner chevaleresken Geringschätzung des Geldes zuzuschreiben. Wäre er ein geriebener Geschäftsmann gewesen, ein Offizier, der mit seinen Kenntnissen ebenso handelte und spekulirte, wie ein Kaufmann mit einem Stapelartikel, so hätte Steuben, dem Rathe des weitblickenden Grafen Vergennes folgend, vor seinem Eintritt in den Dienst der Vereinigten Staaten mit diesen einen schriftlichen Vertrag abgeschlossen, sich dadurch eine feste Position geschaffen und die ganze Gehässigkeit seiner Verhandlungen auf den Congreß geworfen, der in Wirklichkeit zu einem viel höheren Betrage sein Schuldner war als Steuben selbst je Anderen schuldete. Allein da er diese ganz gewöhnliche Vorsichtsmaßregel vernachlässigte, so hatte er es sich nachher selbst zuzuschreiben, daß der Congreß ihn den vorurtheilsvollen Massen als einen prinzipienlosen, hungrigen Abenteurer darstellte, welcher der amerikanischen Unabhängigkeit seine Dienste nur aus persönlichen und egoistischen Interessen gewidmet habe.

Zum Schlusse noch ein paar Worte über Steuben's militärische Stellung und Bedeutung im Revolutions-Kriege!

Er stellt sich durch seine persönlichen Leistungen ebenbürtig neben die besten Revolutionsgenerale. Er ist ein Offizier aus der glänzendsten Zeit der preußischen Armee, wo sie sich sowohl durch tüchtige Organisation als bedeutende kriegerische Thaten auszeichnete. Er hatte den siebenjährigen Krieg in den mannichfachsten Dienststellungen mit durchgemacht und seine Erfahrungen gesammelt; er hatte den blutigsten Schlachten beigewohnt, in deren jeder gewöhnlich mehr Mannschaft außer Gefecht gesetzt wurde, als Washington im Ganzen oft commandirte. So mußte ihm die militärische Seite des Kampfes in Amerika wie ein leichtes Spiel erscheinen. Es war aber wichtig, als General-Inspektor einen Mann zu besitzen, der die amerikanischen Gefechte wie bloße Scharmützel im Verhältnis zum siebenjährigen Kriege ansah, der die strategischen Wirkungen von Prag, Dresden, Torgau, Breslau und Schweidnitz beobachtet, der das verschanzte Lager bei Burkersdorf, die Niederlagen bei Hochkirch und Kunersdorf mit durchlebt hatte, der die Conceptionen des Königs, des Prinzen Heinrich und des Herzogs Ferdinand von Braunschweig mit hatte durchdenken müssen.

In der Kriegskunst als einem Akte des feindlichen Verkehrs der großen Staatsgesellschaften kommt zur sichern, haltungsvollen Durchführung desselben sehr viel darauf an, längere Zeit und in bedeutenden Momenten darin thätig gewesen zu sein. Wenn das Bedeutendste und Entscheidendste die große Schlacht, so ist das Allermühseligste und Allerschwierigste die Organisation eines Heeres, damit es sich gut schlägt und dem mörderischen Feuer, sowie allen furchtbaren Eindrücken des Kampfes während einer gewissen Dauer widersteht. Daß Steuben nach dieser Richtung hin viel gewirkt, zeigt sich bei fast jeder Gelegenheit im Großen und im Kleinen. Der Rückzug von Barrenhill, die Schlacht bei Monmouth, und die Einnahme von Stony Point sprechen deutlich für den Erfolg seiner Bemühungen, denn alle Augenzeugen erkennen an, daß ohne die gute, durch Steuben eingeführte Disziplin, ohne das Vertrauen, welches die Soldaten seit seiner Ankunft bei der Armee in ihre Führer setzten, die Amerikaner bei diesen Gelegenheiten entweder geschlagen oder doch nicht so glücklich gewesen sein würden. Bei Monmouth brachte Steuben die Truppen mitten im feindlichen Kanonenfeuer zum Stehen. Es wird sogar als ein ganz besonderer Beweis von deren Fortschritten in der Disziplin gerühmt, daß sie ihm im Feuer eben so gut gehorchten als auf dem Exerzirplatze und sich Wie Veteranen schlugen. Stony Point ward von der leichten Infanterie gestürmt, welche Steuben gebildet hatte und sein Unter-Inspektor Fleury anführen half. Als Westpoint ernstlich bedroht war, schickte der Obergeneral unsern Helden dahin ab, damit er dem dortigen Commandanten mit Rath und That zur Seite stände. Greene übernahm den Oberbefehl im Süden nur unter der Bedingung, daß Steuben die virginischen Truppen für ihn organisirte und für den Kampf bildete, und Washington schrieb ihm bei dieser Gelegenheit, daß er bei dem allgemeinen Chaos im Süden noch besser am Platze wäre als im Norden, wo seine Dienste freilich sehr schwer entbehrt werden könnten. In den Jahren 1782 und 1783 hält die amerikanische Infanterie bereits den Vergleich mit der besten der damaligen Zeit aus, und Steuben, um den französischen Offizieren die Mühe zu sparen, nach Schlesien zu gehen, führt Manöver mit ihr aus, welche die Bewunderung aller Sachkenner erregten.

Es war darum ein großer Gewinn und ein ungewöhnliches Glück, daß die amerikanische Armee, welche gerade jetzt zum ersten Male auf europäischem Fuße gegen ein europäisches Heer Krieg zu führen hatte, von einem so tüchtigen ehemaligen preußischen Offiziere disziplinirt und neu formirt wurde. Im achtzehnten Jahrhundert waren die Offiziere der preußischen Armee berühmt als fähige Taktiker, als gute Lehrer in den Evolutionen, gute Instruktoren und Manöver-Generale; sie exerzirten darum auch fast überall fremde Armeen ein; so z. B. von Alvensleben in Spanien, Graf Lippe in Portugal, von Salis in Neapel, Schomburg, Manstein und Bruce, welche sich in Preußen gebildet hatten, in Rußland, von Pirch und Luckner in Frankreich und unzählige Andere, wie selbst Steuben der Vater, in Rußland. So kann das Reglement Friedrich Wilhelms II. von 1718 und 1726 für Offiziere und Unteroffiziere, die Grundlage aller Exerzir- und Dienst-Reglements der Welt genannt werden. Die Kriegskunst war nach Untergrabung des Landsknechts- und des Condottieri-Wesens im 16. und 17. Jahrhundert in den drei Beziehungen des Dienstes, der Elementar-Taktik und der Disziplin, den wichtigsten für die stehenden Heere, zuerst von den Holländern und zwar unter der Aegide des großen Oraniers cultivirt worden. Die Schweden, schon unter Gustav Adolf die Meister des Krieges, blieben es bis auf Carl XII. Dann ist es Brandenburg und Preußen, welches die wohlgekannte und wohlgepflegte Schule der Oranier und Schweden in eigenthümlicher Weise weiterführt und der Schöpfer einer ganz besonders hohen Kunst des Ausbildens, Disziplinirens und Dienstes bei den Truppen wird. Schon Friedrich Wilhelm I. hatte in sein ganzes Offizier-Corps jenen Geist gebracht, welcher das schwierige Organisationsgeschäft einer Armee in verhältnismäßig kurzer Zeit möglich macht. Die Spezial-Revuen waren während Steuben's Dienstjahren (1747-1763) noch so scharf, daß der jüngste Offizier eine vollständige Ueberzeugung von der Güte und Brauchbarkeit der Truppen nach allen Richtungen und von den Mitteln, dieselben auszubilden, erhalten mußte. Die Amerikaner schöpften also aus der besten Quelle, indem sie den aus einer solchen Schute stammenden Steuben an die Spitze ihrer Militär-Organisation stellten. »Der Baron« – sagt Herr Page in seiner bereits angeführten Rede vom 7. Mai 1790 – »war ganz besonders dazu geeignet, die amerikanische Armee heranzubilden. Da er zweiundzwanzig Jahre (Kriegsjahre doppelt) in dem preußischen Heere gedient hatte, welches die Amerikaner als das bestdisziplinirte in der ganzen Welt zu bewundern gewohnt waren, so wurden seine Anweisungen und Instruktionen mit viel mehr Vertrauen und Freudigkeit befolgt, als wenn der Angehörige irgend einer andern Nation sich dieselbe große Aufgabe gestellt hätte.«

Steuben kämpfte vor Allem für gediegenere Organisation einer Volksbewaffnung im Gegensatze zu dem in diesem Kriege ganz unpassenden und für dessen Zwecke mangelhaften Werbesystem. Er verstand es, die Leistungen junger Truppen und selbst Milizen auf eine verhältnißmäßig bedeutende Stufe zu erheben. Er verglich sich darum in einer spätern Unterhaltung mit Dietrich von Bülow gern mit denjenigen Generalen, welche zu Anfang der Französischen Revolution Insurgenten-Armeen kommandirten. D. von Bülow: »Der Freistaat von Nord-Amerika in seinem neuesten Zustande,« Berlin 1797, II. 84. Er hat aber auch in hohem Grade wie Paoli, Laroche Jaquelin, Schill, Zumala Carregui und Cabrera sogar unter einem fremden Volke die Fähigkeit bewiesen, nicht nur die Kraft seiner Leute für den Krieg zu organisiren, sondern sie auch mit Glück ins Gefecht zu führen: offenbar die höchste Leistung im Kriege!

Die Gefechts- und Belagerungs-Pläne zu dem Amerikanischen Unabhängigkeitskriege zeigen deutlich, wie die starken Positionen der meistens auf kleinen Halbinseln gelegenen Küsten-Plätze, ihre Belagerungen und Verteidigungen, die Festhaltung längerer Defensionslinien an den Strömen und Sümpfen den wichtigsten Theil des strategischen Netzes bilden, welche Punkte nebst seinen ungeheuren Dimensionen es namentlich veranlaßten, daß die Engländer darin nicht Meister bleiben konnten. Es kam offenbar nur darauf an, hinlängliche Besatzungen dieser Linien oder hinlängliche Blokade-Corps gegen die festen Küstenplätze fortwährend in Bereitschaft zu halten und anzuwenden, um endlich die Engländer dahin zu bringen, daß sie, wie Franklin es sehr bezeichnend ausdrückt, unfähig wurden, den Krieg weiter zu führen. Welche bedeutenden Dienste Steuben in einem solchen temporisirenden Kampfe leistete, den Friedrich der Große von 1759-1763 in vielen Beziehungen ganz ähnlich hatte führen müssen, ergiebt sich aus seinen Gutachten und Vertheidigungsplänen, die wir im Laufe unsrer Darstellung mitgetheilt haben.

Besonders vortheilhaft und gut wirkte Steuben aber durch das tüchtige Beispiel, das er als ein in den vorzüglichsten Offiziercorps jener Zeit aufgewachsener und vorzüglich herangebildeter Soldat seinen Kameraden gab. Ohne Intriguen thut er seine Pflicht aus persönlichem Ehrgefühl, er braucht keinen äußern Anstoß, um sich vom frühen Morgen bis zum späten Abend mit aller Kraft dem Dienste zu widmen. Dabei ist er von einer unumwundenen Derbheit und Offenheit, jederzeit bereit, seinen Forderungen mit dem Degen Nachdruck zu verleihen, scharf in seinem Tadel und Urtheile und ein Treiber der Lässigen. So wenig angenehm ein solcher Mann dem Faulen und Ungeschickten ist, so nützlich wirkt er, wo große Massen rasch in eine gewisse Ordnung zusammengewürfelt werden müssen. Dagegen ist Steuben auf der andern Seite ein ebenso unbedingter Lobredner jeder tüchtigen Leistung. Wenn irgend ein Zug seinen offenen und edlen Charakter in das hellste Licht stellt, so ist es die Bereitwilligkeit, mit der er überall fremdes Verdienst anerkennt und sogar noch über sein eignes setzt, die Freude, die er ob jeder tapfern That empfindet, und die Prunklosigkeit und Selbstverleugnung, mit welcher er unverdrossen in seinem schwierigen Amte arbeitet.

Im Verhältniß zu seinem neuen Vaterlande sticht Steuben aufs Vorteilhafteste ab gegen einen Lee, Gates und Conway und eine große Anzahl von Ehrgeizigen und Verräthern. Er, der Fremde, ist der eifrigste Patriot. Er fügt sich stets den Befehlen des Obergenerals, auch wo sie ihn persönlich verletzen oder zurücksetzen und widmet selbst dem Lande seiner Wahl unausgesetzt noch seine Kräfte, als der Krämer-Congreß ärger wie ein Pfandjude um ein wohlverdientes Jahresgehalt mit ihm feilschte. Er betheiligt sich an allen Fragen von öffentlichem Interesse, schreibt Abhandlungen über die Militär-Einrichtungen in Friedenszeiten, über die Schöpfung einer wirksamen Miliz und verwendet sogar die letzten Monate seines Lebens dazu, um die westliche Wildniß zu erforschen und durch Auswahl geeigneter Punkte für feste Plätze das Land gegen feindliche Einfälle zu sichern. Diese vielseitige und auf der genaueren Kenntniß der schwierigsten Zweige der Kriegswissenschaften beruhende Thätigkeit widerlegt am Schlagendsten die namentlich in den Vereinigten Staaten verbreitete Annahme, als sei Steuben nichts als ein idealisirter Unteroffizier, als der bloße Exerzirmeister des Amerikanischen Heeres und im Uebrigen durchaus unbedeutend gewesen. Im Gegentheil kein Amerikanischer Offizier steht ihm an wissenschaftlicher Vorbildung, an praktischer Erfahrung und als Generalstabsoffizier gleich. Alle lernten von ihm, und der beste Beweis für seine Tüchtigkeit und Bedeutung liegt darin, daß Washington keine entscheidende That unternahm und keine wichtige Maßregel traf, ohne Steuben vorher um seine Ansicht und seinen Rath gefragt zu haben.

Wenn Washington die Seele des revolutionären Widerstandes, sein Haupt ist, so ist Steuben, der an Verdienst nur ihm und Greene nachsteht, einer seiner starken und geschickten Arme, welcher der Seele das Vertrauen zum glücklichen Ausgange des Kampfes einflößen halfen. Er verdient darum mit Recht einen Ehrenplatz in der dankbaren Erinnerung des Amerikanischen Volkes, und auch wir Deutschen, die wir wenige solcher Männer in den Vereinigten Staaten aufzuweisen haben, erfüllen nur eine Pflicht der Pietät, wenn wir das Andenken Steuben's hoch halten und ehren. Das Monument, welches ihm sein Amerikanischer Freund errichtete, ist zerschlagen und zerfallen; möge ihm statt dessen ein um so unvergänglicheres Denkmal im Gedächtniß Deutschlands und Amerikas erhalten bleiben!


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