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Siebenundzwanzigstes Kapitel

Als Steuben sich in's Privatleben zurückzog, war seine Lage wesentlich von der seiner Kameraden verschieden. Während diese in alte bekannte Kreise zurückkehrten und meistens jung und mit Erfolg zu bürgerlichen Beschäftigungen griffen, war unser Held zu alt, um einen neuen Beruf wählen zu können und stand unbemittelt, einsam, hülflos und verlassen in einem fremden Lande da. Die Strapazen des Krieges hatten zudem seine Gesundheit angegriffen und ihm heftige Gicht-Leiden zugezogen, welche nur eine ruhige und sorgenfreie Existenz unschädlich machen konnte. Er hoffte Anfangs, daß der Congreß seine treuen und werthvollen Dienste anerkennen und ihn durch einen Ruhegehalt oder eine Abfindungssumme vor Noth und Elend sichern würde; allein er vergaß, daß wenn die eingeborenen Offiziere so schäbig und knausernd behandelt wurden, ein Fremder noch viel weniger die Anerkennung seiner contraktlichen Ansprüche erwarten konnte. Und wirklich dauerte es länger als sieben Jahre, ehe der Congreß Steuben gerecht wurde: eine halbe Ewigkeit für einen Mann, der nichts hatte, als das Bewußtsein, seinem Adoptiv-Vaterlande treu und redlich gedient zu haben und der ohne die Hülfe seiner Freunde im eigentlichen Sinne des Wortes beinahe Hungers gestorben wäre. –

Wir erinnern uns aus dem fünften Kapitel, daß, als er im Februar 1778 vom Congreß nach den Bedingungen seines Eintritt's in die Armee der Vereinigten Staaten gefragt wurde, Steuben dem an ihn abgesandten Comite erklärte, daß er vorläufig als Freiwilliger dienen und weder Gehalt noch Rang haben wolle und daß er, wenn die Vereinigten Staaten wider Erwarten unterliegen sollten oder wenn er in seinen Bemühungen für deren Sieg keinen Erfolg haben sollte, nicht das Mindeste beanspruche; daß er jedoch ihrer Großmuth die Belohnung seiner Dienste überlasse, wenn die Unabhängigkeit der Union erkämpft würde, und er am Ende des Krieges sich die Anerkennung des Obergenerals erworben haben sollte, und daß er endlich in diesem Falle nicht allein eine Wiedererstattung seiner Reisekosten, sondern auch eine Entschädigung für das Einkommen verlangte, welches er vor seiner Abreise in Europa aufgegeben habe, um den Vereinigten Staaten seine Dienste widmen zu können. Der Congreß nahm bekanntlich Steuben's edles und uninteressirtes Anerbieten an und ersuchte ihn, sofort zur Armee abzugehen, deren Disziplinirung er bald darauf übernahm.

Während des ganzen Krieges that Steuben seine Pflicht als ein guter General und als ein Mann von Ehre. Nachdem ein vorteilhafter Frieden erkämpft war, lag es dem Kongresse ob, seine Verbindlichkeiten gegen jenen zu erfüllen. Während des Krieges und namentlich gegen dessen Ende schien denn auch nicht der mindeste Zweifel über die Erfüllung dieser Verbindlichkeit obgewaltet zu haben. In der im Dezember 1782 beim Congreß eingereichten und im 24. Kapitel erwähnten Eingabe drang Steuben ganz ausdrücklich auf Rechnungsstellung Seitens des Congresses und Erneuerung der ihm bei seinem Eintritt in die Armee von den Vereinigten Staaten gemachten Zusicherungen. Das zur Beantwortung der Steuben'schen Ansprüche eingesetzte und aus A. Hamilton, Clark und Carroll bestehende Comite bemerkte in seinem am 30. Dezember erstatteten Bericht mit Bezug auf diesen Punkt: Journals of Congress VIII. 51.

1) daß Baron von Steuben in Europa einen ansehnlichen militärischen Rang und verschiedene einträgliche Ehrenposten bekleidet, die er aufgab, um nach Amerika zu kommen und seine Dienste ohne jede Bedingung in einem höchst kritischen Zeitpunkt des Krieges anzubieten;

2) daß er bei seiner Ankunft in sehr uninteressirter Weise und selbst ohne den anderen fremden Offizieren bewilligten Gehalt in die Armee der Vereinigten Staaten eintrat;

3) daß er unter ganz besonderen Schwierigkeiten und Verwicklungen in seinem Departement wichtige und unschätzbare Dienste leistete, indem er eine reguläre Formirung und strikte Disziplin in der Armee einführte und die innere Verwaltung der Regimenter mit einem Geist der Ordnung und Oekonomie durchdrang, die außer anderen Vortheilen den Vereinigten Staaten ungeheure Summen ersparte; daß er sich in den Commandos, mit denen er betraut worden, stets als ein tapferer und erfahrener Offizier bewährt hat,

weßhalb das Comite der Ansicht ist, daß die Opfer und Dienste des Baron Steuben ihn mit vollem Rechte der auszeichnenden Berücksichtigung des Congresses empfehlen und daß sie ihn zu einer generösen Belohnung berechtigen, sobald es die Lage der öffentlichen Angelegenheiten erlaubt.«

In diesem Bericht ist der Betrag der Steuben zuzusichernden Vergütung offen gelassen; indessen geht aus verschiedenen Briefen in den Steuben'schen Papieren, wie z. B. aus einem Schreiben von Richard Peters hervor, daß im Congreß ein mündlicher Antrag dahin gestellt wurde, ihm ein für alle Mal für alle seine Ansprüche und Forderungen ein Pauschquantum von 10,000 Pfund Sterling zu zahlen. Steuben fürchtete nämlich, daß die Zahlung der von ihm in Deutschland aufgegebenen Revenue, welche er auf Grund seiner Eintrittsbedingungen jetzt verlangen konnte, vielleicht als eine Pension betrachtet und in diesem Lichte dem Lande unangenehm erscheinen könnte. Er beschloß daher, seine Forderung auf obiges Pauschquantum zu beschränken und bat, um jeder Unbequemlichkeit für die Vereinigten Staaten vorzubeugen, ihm dasselbe in beliebigen Terminen in Europa auszuzahlen. Der Congreß verschob seine Entscheidung über diesen Punkt aus dem Grunde, weil er bei dem damals zerrütteten Zustande der Finanzen fürchtete, einen ihm lästigen Präcedenzfall für alle diejenigen fremden Offiziere aufzustellen, welche zu jener Zeit noch in Philadelphia waren und in Folge der Steuben gewährten Abfindung ihre Ansprüche an die Vereinigten Staaten bedeutend erhöhen möchten. Steuben war zart genug, unter diesen Umständen nicht auf augenblicklicher Befriedigung seines Guthabens zu bestehen und ging mit vollem Vertrauen in den Congreß wieder zur Armee ab.

Als Steuben fünf Vierteljahre später seine Entlassung einreichte, wiederholte er sein Gesuch um endliche Anerkennung seiner Forderungen. Der Abgeordnete E. Cerry schlug damals vor, ihm als Abfindung für alle seine Ansprüche die Summe von 40,000 Dollars zu zahlen, in welche Summe er auch die Steuben gebührenden 9000 Dollars Commutationsgelder einschloß. Der Beschluß des Congresses vom 15. April 1784 enthielt das Versprechen vollkommener Schadloshaltung für Steuben und wies ihm sofort eine Abschlagszahlung von 10,000 Dollars an, die dann auch in verschiedenen Raten geleistet wurde. Allein schon damals ward von einigen Seiten der Einwand erhoben, daß Steuben in seinen Ansprüchen zu weit gehend und unersättlich und daß er voraussichtlich mit keiner, selbst der größten Summe zufrieden zu stellen sei. In Wirklichkeit jedoch hatte Steuben seine Forderung ganz bestimmt formulirt, indem er auf Grund des bei seinem Diensteintritte getroffenen Uebereinkommens entschädigt zu werden verlangte. Wir theilen hier von seinen verschiedenen zwischen den Jahren 1783 und 1790 aufgestellten Rechnungen an den Congreß diejenige von 1787 mit, weil sie die einzelnen Posten am genauesten spezifizirt. Steuben's Man.-Pap. in Utica und Bd. XI. u. XIII. in Newyork, welche alle Papiere über seine Geld-Entschädigung, Eingaben, Briefe etc. im französischen Original und in der englischen Uebersetzung enthalten. Er beansprucht darin:

1) Erstattung seiner Equipirungs- und Reise-Kosten nach Amerika, 620 Lsd'ors (von Beaumarchais geliehen)
Dll. 2,815. 80.
Zehnjährige Zinsen zu 7%
1,971. 08.
2) Rückzahlung eines bei dem französischen Minister Gérard und Beaumarchais' Agenten, de Francy contrahirten Darlehns für Feldequipage, Pferde ec. 1400 Louisd'ors
6,358. 32.
Neunjährige Zinsen zu 7 %
4,005. 72.
3) Schadloshaltung für die in Deutschland aufgegebene Revenue von 580 Lsd'ors pro Jahr, capitalisirt zu
52,683. 32.
4) Jährliche Zahlung dieser Revenue vom März 1783 bis September 1787, d. h. vom Zeitpunkt von Steuben's Verabschiedung, also 4½ Jahr ohne Interessen
11,853. 72.
Im Ganzen Dll. 79,688. 8/96.
Davon ab, als bereits erhalten: Reisekosten für das Jahr 1779 150 Louisd'ors
Dll. 681. 24.
Achtjährige Zinsen
381. 48
Commutations-Gelder als General-Major
9,090.
Gratifikation von
7,000
17.152. 72

_____

Bleibt Rest
Dll. 62,535. 32/96

Aus dieser Rechnung ergiebt sich, daß die Summe von 10,000 Pfund Sterling, die Steuben als Pauschquantum für alle seine Ansprüche an die Vereinigten Staaten verlangt hatte, nicht allein nicht maßlos war, sondern auch noch 13,000 Dollars weniger betrug, als ihm rechtlich zukam. Ehe er übrigens sein Guthaben also modifizirte, hatte er mit verschiedenen Congreß-Mitgliedern Rücksprache genommen, die seine Forderung durchaus gerecht und mäßig fanden, ihm ihre unbedingte Unterstützung zusagten und nur aus den oben erwähnten Gründen dies Mal nicht durchdrangen.

Bald darauf verlegte der Congreß seinen Sitz von Annapolis nach Trenton im Staate New-Jersey. Mit diesem Umzuge erhielt auch die Behandlung von Steuben's Ansprüchen eine entschiedene und zwar ungünstige Wendung. Bisher war er stets mit Achtung und Anerkennung behandelt worden; aber jetzt wurde die Sprache plötzlich eine andere, und einige Congreßmitglieder setzten seinen Forderungen nicht allein eine heftige Opposition entgegen, sondern gingen sogar so weit, ihn durch ungerechtfertigte und böswillige Anschuldigungen an seiner Ehre anzugreifen. Sie bestritten die Gültigkeit des vom Ausschuß des Congresses im Jahr 1778 mit ihm eingegangenen Vertrages, auf welchen Steuben seine Ansprüche gründete, verkleinerten seine Dienste und gaben zu verstehen, daß er gar kein Einkommen in Europa aufgegeben habe und wie hundert andere hungrige Abenteurer nur nach Amerika gekommen sei, um hier eine Stellung zu finden; ja Einige gingen so weit zu behaupten, daß er vom französischen Hofe für seine Dienste bezahlt wäre, kurz bedienten sich der abgeschmacktesten und gehässigsten Einwände, um die Befriedigung von Steuben's Forderungen zu hintertreiben.

So kränkend und ärgerlich diese Anschuldigungen auch waren, so blieb Steuben doch der Trost, daß sie nur von einer kleinen Minorität im Congreß ausgingen; indessen hatten sie leider die schlimme Folge, daß sie die Wünsche seiner Freunde in's Unbestimmte hinausschoben und die Berücksichtigung seiner Forderungen ganz zu vereiteln drohten.

Im Monat Januar 1785 zog der Congreß von Trenton nach New-York. Hier drang die Majorität auf endliche Entscheidung der Steuben'schen Ansprüche und setzte wenigstens ein Comite durch, welches deren Richtigkeit zu untersuchen beauftragt war. Die Minorität stellte die Existenz des in York zwischen Steuben und dem Ausschuß des Congresses geschlossenen Vertrags in Abrede, war aber darüber mit ihren Gegnern einverstanden, daß jener eine Belohnung verdient habe. Anfangs ward eine Summe von Dll. 20,000 vorgeschlagen, dann ging man noch weiter herunter und zuletzt passirte den Kongreß folgender Beschluß:

»In Erwägung, daß Baron Steuben in Europa verschiedene Ehrenposten und einträgliche Aemter aufgegeben und den Vereinigten Staaten wesentliche Dienste geleistet hat, wird ihm zu den bereits früher gemachten Bewilligungen die Summe von 7000 Dollars aus dem Vereinigten Staaten-Schatze bezahlt.«

Dieser Akt erkennt den Vertrag nicht an, auf den Steuben seine Forderung stützte, denn er spricht ausdrücklich nur von einer Belohnung seiner Dienste und Opfer. Steuben nahm deßhalb trotz seiner Armuth den ihm hingeworfenen Bettelpfenning nicht an; er wollte keine Belohnung und Gnade, sondern nur sein Recht. »Der arme Baron – schreibt um diese Zeit Alexander Hamilton an Washington Correspondence of the American Revolution IV. 122. – geht immer noch den Kongreß mit Befriedigung an und befindet sich in der äußersten Noth. Er hat seine Unklugheiten; allein er hat doch ganz unschätzbare Dienste geleistet, und seine Verdienste, so wie die Ehre unsers Landes verlangen, daß wir ihn keinen Mangel leiden lassen sollten. Wenn es irgend einen Weg gäbe, auf dem Sie Ihren Einfluß zu seinen Gunsten geltend machen könnten und wenn Sie vielleicht wegen seiner an Ihre Freunde im Congreß schrieben, so würde der Baron und seine Freunde Ihnen zu großem Danke verpflichtet sein.«

Steuben suchte jetzt zunächst die Existenz des Vertrages zu beweisen, dessen Bedingungen der Congreß in Abrede stellte oder zu umgehen trachtete. Es war dies keine so leichte Aufgabe, denn zur Zeit, als er den Vereinigten Staaten seine Dienste anbot, dachte er natürlich nicht daran, vor einem öffentlichen Notar einen Contract aufsetzen zu lassen, er glaubte, daß der Souverain, in dessen Armee er einzutreten im Begriffe stand, die erforderlichen Beweise für sein Engagement sammeln und in seinen Archiven bewahren würde. Er selbst hatte deßhalb keine Zeile schriftlich aufzuweisen. Auch in den Journalen des Congresses sind sich keine Aufzeichnung und nicht einmal eine Hindeutung auf diesen Punkt. Es blieb also Steuben nichts Andres übrig, als sich an die Mitglieder des Ausschusses zu wenden, mit denen er seinen Vertrag in York abgeschlossen hatte. Er schrieb zunächst an Dr. Witherspoon, den Vorsitzenden des Comite's, und an die übrigen Mitglieder desselben, ferner an die Herren Peters, Gerry und Duer. Alle antworteten Steuben umgehend und bestätigten die Richtigkeit seiner Angaben. Um zugleich die übrigen Einwände und Verdächtigungen zu widerlegen, als sei er ein gewöhnlicher Abenteurer gewesen, so schrieb Steuben an seine Freunde in Europa und erhielt von ihnen, wie z. B. dem Prinzen Heinrich von Preußen, dem Grafen Vergennes in Paris die anerkennendsten und schmeichelhaftesten Zeugnisse über seine soziale Stellung in Deutschland und Frankreich.

So sehr nun Steuben auch vom Rechte seiner Forderung überzeugt war, so wollte er seine Ansicht doch nicht unbedingt darüber entscheiden lassen, und bat deßhalb, ehe er sich von Neuem an den Congreß wandte, einige Freunde, in deren Gerechtigkeitssinne er unbedingtes Vertrauen setzte, um ihren unparteiischen Ausspruch darüber, ob sie seine Forderung als gerecht und begründet billigten. Zu diesem Ende legte er den Herren John Jay, Kanzler Livingston, Alexander Hamilton, James Duane und John Duer alle auf diese Angelegenheit bezüglichen Briefe und Thatsachen vor. Die genannten Herren kamen mehrere Male im Hause Duane's in der Nassaustraße in New-York zusammen und erklärten sich nach sorgfältiger Prüfung der ihnen vorgelegten Papiere einstimmig dahin, daß die von Steuben mit dem Congreß geführten und überall durch Beläge erwiesenen Verhandlungen, wenn auch nicht der Form, so doch ihrem Wesen nach einem in gutem Glauben mit dem Congreß abgeschlossenen Vertrage gleichkämen.

Darauf erst ließ Steuben den Thatbestand mit den betreffenden Briefen und Beweisstücken drucken, gab jedem Congreß-Mitglied ein Exemplar dieser Schrift und legte sie zugleich dem Congresse mit dem Gesuche um endliche Gewährung seines ihm schon so lange vorenthaltenen Rechtes vor.

»Ich sende Ihnen« – schreibt Alexander Hamilton an Washington am 30. Oktober 1787 Ebendas. 189. – »auf den Wunsch des Baron Steuben einliegend eine Broschüre, welche die Beweisstücke für seine kürzlich dem Congreß eingereichte Eingabe enthält. Er sagt mir, daß er sich darin auch auf Sie bezieht und glaubt, daß Sie ihm in dieser Angelegenheit von großem Nutzen sein können. Es liegen in seinem Falle politische Rücksichten vor, die mich ganz besonders ängstlich für seinen Erfolg machen. Steuben ist mit Materialien versehen, welche in Europa unbedingt als Beweis für den von ihm angeführten Contrakt gelten würden. Die Dokumente, die er für seine uns geleisteten Dienste besitzt, könnten leicht eine übertriebene Vorstellung von deren Werthe erzeugen. Mag die ihm gezahlte Summe im Verhältniß zu der den amerikanischen Offizieren gewährten Entschädigung auch beträchtlich sein, so ist sie doch nach Europäischen Ansichten sehr gering für einen Fremden, dessen bedeutende Dienste allgemein anerkannt sind. Unser Ruf steht in diesem Augenblick im Auslande gerade nicht zu hoch. Er wird aber sicherlich nicht dadurch gehoben, daß wir einen alten Soldaten dürftig und hülflos in die Welt stoßen und an die Freigebigkeit Anderer verweisen, von denen er nichts zu fordern hat, ja, daß er sich über Undank und Vertragsbruch beschweren kann. Ich muß zudem bekennen, daß mein Gefühl mich treiben würde, in diesem Falle selbst mehr zu thun als wir rechtlich zu thun verbunden sein dürften, denn es wäre hart, einen Mann im Alter und von den Verdiensten des Baron's zum Aeußersten zu treiben. Dazu würde es aber unbedingt kommen, wenn sein gegenwärtiger Versuch wieder fehlschlägt. Was er verlangt, läuft im Wesentlichen darauf hinaus, daß wir ihm einen Jahresgehalt für seine in Deutschland aufgegebene Revenue von fünfhundert fünfzig Louisdor's bewilligen. Er wünscht bloß eine Anerkennung seines Vertrages. Er weiß, daß er kein Geld erhalten kann, so lange sich unsere Finanzen nicht bessern. Ich weiß natürlich nicht, in wie weit Sie ihm nützlich sein können; allein ich glaube im Voraus annehmen zu dürfen, daß Ew. Exzellenz den eben von mir ausgeführten Beweggründen auch einiges Gewicht beilegen.«

»Ich danke Ihnen« – antwortet Washington am 10. November 1787 Washington's Writings by J. Sparks IX. 275 und 276. – »für die mir mit Ihrem letzten Briefe übersandte Broschüre. Herr Sekretär Thomson hatte sich schon früher im Auftrage des Congresses an mich wegen einer Abschrift des Berichtes des Comite's gewandt, welches mit dem Baron Steuben bei seiner Ankunft in Amerika zu unterhandeln angewiesen war. Präsident Laurens hatte mir damals diesen Bericht eingesandt, und habe ich denselben jetzt an den Congreß geschickt. Er wirft kein nettes Licht auf den Gegenstand, aber er beweist das uninteressirte Benehmen des Baron's. Er stellte keine Bedingungen und wollte nur von der allgemeinen einstimmigen Billigung eine Belohnung seiner Dienste annehmen. Ich habe indessen in meinem den obigen Bericht begleitenden Schreiben an den Sekretär Gelegenheit genommen, meinen unzweideutigen Wunsch dahin auszusprechen, daß der Congreß den Baron für seine uns gebrachten Opfer, seine Dienste und Verdienste reichlich belohnen sollte. Dies war der einzige Weg, auf welchem ich jenem ehrenwerthen Körper meine Ansicht in der Sache vorlegen konnte, denn ich habe es mir zur Regel gemacht, nichts von ihm zu fordern.«

In Folge dieser von Hamilton und Washington unterstützten Bemühungen Steuben's ward ein neues Comite zur endlichen Erledigung seiner Ansprüche ernannt; allein ihm von verschiedenen Seiten ein heftiger Widerstand entgegengesetzt. Einige Gegner Steuben's gingen sogar soweit, anzudeuten, daß das Zeugniß des Dr. Witherspoon nicht echt sei. Dieser wurde deßhalb vor das Comite geladen, und gefragt, ob der Ausschuß, dessen Vorsitzender er gewesen, einen Contrakt mit Steuben abgeschlossen hatte. Als der Doktor darauf der Wahrheit gemäß antwortete, daß sie einen derartigen Auftrag nicht gehabt, sondern daß sie einfach angewiesen worden wären, Steuben's Bedingungen zu hören und dem Congreß zu berichten, wurde diese Antwort als ein genügender Beweis für die Nicht-Existenz des Vertrages angesehen. Es ward ferner eingewandt, daß Steuben das Zeugniß von nur einem Mitglied des Ausschusses beigebracht hätte, während dieser doch aus mehreren bestand. Er schrieb also auch an diese, und auch ihre Aussagen stimmten mit der Witherspoon's überein. Endlich aber wurden von ihm Beweise dafür verlangt, daß er wirklich die von ihm angegebenen Posten bekleidet und die spezifizirte Revenue davon bezogen habe. Steuben antwortete darauf, daß die Briefe seiner europäischen Freunde sowie das Empfehlungsschreiben Beaumarchais' und Franklin seinen Rang und seine Stellung in Europa bezeichneten und daß er, um die Ehre der Vereinigten Staaten im Auslande nicht zu diskreditiren, von einem weitern Beweise dieses Punktes abstände.

Bevor übrigens etwas Entscheidendes in der Sache gethan wurde, traten einige Mitglieder des Comite's aus dem Congreß. So ward eine Ergänzung des ersteren nöthig; aber auch das neue Comite kam zu keinem Beschluß. Es brachte zwar einen Bericht ein; allein die Majorität des Congresses verwarf ihn, und so wurde die ganze Angelegenheit von Neuem an einen Ausschuß verwiesen. Dieses erstattete einen Steuben's Ansprüchen günstigeren Bericht; allein es konnte nicht mehr darüber abgestimmt werden, weil die Congreßsitzung sich ihrem Ende näherte. Schließlich schlug Steuben, um die Sache endlich aus der Welt zu schaffen, vor, daß die Frage über die Gültigkeit seines mit den Vereinigten Staaten abgeschlossenen Vertrages drei Richtern des obersten Gerichtshofes zur Entscheidung vorgelegt werden sollte. Dieser Vorschlag wurde indessen verworfen, so daß sich der ganze Anspruch bei Auflösung des alten Congresses im November 1788 noch unerledigt fand.

Ein Brief des Generals John Armstrong an General Gates vom 30. März 1788 wirft ein grelles Licht auf die elende Lage, in welche sich Steuben durch diese unverantwortliche Verzögerung versetzt sah. »Der Baron« – schreibt jener Gate's Man.-Pap. in der Newyorker Historischen Gesellschaft XIX. 238. – »wohnte den ganzen Winter in demselben Kosthause mit mir. Dahin ist es endlich mit ihm gekommen. Der ›Louvre‹ ist zerfallen und verlassen, und Steuben ist an die Gerechtigkeit und Generosität des Publikums gewiesen; allein dieses besitzt beide Eigenschaften nicht, und jener hat nun zwischen dem Hungern hier und dem Betteln drüben zu wählen. Das ist ein Unglück für ihn und eine Schande für uns. Er lebt jetzt mit North.«

So standen Steuben's Angelegenheiten, als im Jahre 1789 der erste Congreß unter der neuen Constitution zusammentrat. Steuben war in diesem Augenblicke ärmer denn je zuvor. Die Abschlagszahlungen, welche er hie und da erhalten, hatten kaum zur Bestreitung der unentbehrlichsten Bedürfnisse und zur Deckung der drückendsten Schulden ausgereicht. Den guten Willen seiner Freunde konnte er aber nicht mehr in Anspruch nehmen, da sie bereits für ihn gethan hatten, was in ihren Kräften stand, und da sie meistens selbst ohne Mittel waren. Am 25. September 1789 verwies das Haus Steuben's letzte Denkschrift, welche alle bereits angeführten Thatsachen und Beweise zusammenfaßte, an den damaligen Finanzminister Alexander Hamilton, welcher am 6. April 1790 dem Hause seinen Bericht vorlegte und nach sorgfältiger Prüfung aller Beweisstücke, Briefe und Dokumente zu folgenden Schlüssen gelangte: American State Papers, Vol. entitled Claims, Washington 1834, fol. pag. 11-16 sub No. 5, Ist Congress 2d Session.

»Die von Ihrem Bittsteller eingereichte Darlegung über die Vorgänge bei der fraglichen Conferenz in Yorktown wird durch so viel starke, direkte und indirekte Beweise bestätigt, daß nach Ansicht des Ministers der faktische Theil seiner Ansprüche erschöpfend begründet ist. Es ist wenigstens, selbst abgesehen von des Bittstellers eigenen Anführungen, nicht vorauszusetzen, daß er, wenn seine Angaben falsch wären, dafür die Bekräftigung so vieler uninteressirter Personen erhalten hätte, die als Augenzeugen oder Agenten die Verhandlungen genau kannten. Nichts destoweniger mag aber aus dem geschriebenen Berichte des Ausschusses und aus anderen Umständen gefolgert werden, daß der wirkliche Abschluß eines Vertrages gar nicht beabsichtigt war. Es ist sogar wahrscheinlich, daß, da die Schadloshaltung für die von Steuben gebrachten Opfer und die Belohnung seiner Dienste von dem Erfolge unserer Revolution abhängig gemacht war, diese Punkte mehr im Hinblick auf einen künftigen Vertrag als mit der Absicht auf einen sofort abzuschließenden Contrakt erwähnt wurden. Zudem mußte bei der damaligen Lage der Dinge der Congreß Steuben's Eintritt in seine Dienste als eine äußerst werthvolle Acquisition und eine spätere Belohnung desselben als eine sich so sehr von selbst verstehende Sache betrachten, daß er sogar einen ausdrücklichen Vertrag für ganz überflüssig hielt.

Diese Ansicht der Sache erscheint dem Sekretär als die befriedigendste Lösung der Schwierigkeiten, welche aus etwa sich widersprechenden Thatsachen hervorgehen könnten; sie stellt alle Einzelheiten der Verhandlung in ihr richtiges Licht.

In Anbetracht dessen kann es also anständiger Weise nicht wohl bezweifelt werden, daß bei der Conferenz in York eine Unterredung über die vom Baron angegebenen Punkte stattfand. Es ist deßhalb die Ansicht des Sekretärs, daß, einerlei ob die dort gepflogenen Verhandlungen rechtlich einem Contrakte gleich geachtet werden oder nicht, sie im Einklang mit der Würde und Gerechtigkeit der Vereinigten Staaten als die Grundlage für eine endgültige Erledigung seiner Ansprüche dienen sollten. Wenn diese Ansicht der Sache als wohlbegründet angenommen wird, so kommt es auf Festsetzung des Maßstabes an, nach welchem die nothwendigen Ausgaben Steuben's bestimmt werden sollen. Nimmt man als ausgemacht an, daß seine wirklichen Ausgaben nicht den richtigen Maßstab abgeben, so dürfte als solcher der laufende Gehalt dienen, welcher mit den von ihm bekleideten Posten verbunden war. Dieser schließt aber den halben Sold oder dessen Umwandlung aus. Der Sekretär nimmt an, daß der laufende Gehalt der Offiziere der amerikanischen Armee bloß mit Rücksicht auf ihre gegenwärtige Stellung ausgesetzt, daß aber der halbe Sold als eine Belohnung für die Zukunft bestimmt war. In Uebereinstimmung mit diesem Prinzip hat der Sekretär eine Rechnung aufstellen lassen, in welcher Steuben seine Emolumente als General-Major und General-Inspektor (mit Ausnahme des Halbsoldes oder dessen Umwandlung), so wie eine Jahresrente von fünfhundertachtzig Guineen als Betrag des von ihm in Europa aufgegebenen Einkommens, mit sechs Prozent Zinsen bis zum letzten Dezember 1789 gut geschrieben werden, während er darin mit allen Summen, die er je unter irgend einem Namen von den Vereinigten Staaten erhalten hat, belastet ist. Diese Rechnung ergiebt zu Gunsten Steuben's einen Saldo von Siebentausend dreihundert und sechsundneunzig Dollars und vierundsiebenzig Cents. Außerdem wäre er aber noch für den Rest seines Lebens zu einer Jahresrente von fünfhundert und achtzig Guineen und zu einer solchen Belohnung berechtigt, welche die Regierung ihm zu gewähren für gut befinden wird, für welch letzteren Zweck eine mäßige Landschenkung wohl hinreichen dürfte.

Der Sekretär erlaubt sich ferner zu bemerken, daß er guten Grund zu der Annahme hat, daß der obengenannte Saldo kaum hinreichen wird, um die Schulden zu zahlen, welche Steuben für seine Reise hierher und für seinen hiesigen Unterhalt contrahirt hat. Zugleich aber wird die dringende Berücksichtigung seiner Ansprüche durch den Umstand verstärkt, daß er als Fremder den Vereinigten Staaten sein Schwert in einem höchst kritischen und gefährlichen Augenblick anbot, daß er in dieser Eigenschaft keine Aussicht auf Belohnungen hat, welche in den meisten Fällen die Eingeborenen des Landes erwarten, und daß er sich endlich nicht wie die französischen Offiziere an sein Vaterland um eine entsprechende Belohnung wenden kann. Es steht zugleich fest, daß seine Dienste für uns sehr bedeutend und wichtig waren. Oeffentliche und persönliche Gründe stellen deßhalb die gebieterische Forderung an uns, daß wir Steuben aus seiner gegenwärtigen bedrängten Lage und der ihm drohenden noch größern Noth befreien. Werden seine Ansprüche auf Grund der in diesem Berichte aufgestellten Prinzipien befriedigt, so finden sie eine für die Vereinigten Staaten eben so ehrenvolle wie für ihn selbst erfreuliche Erledigung.«

Hamilton drang mit seinem Antrage durch. Das Haus ernannte am 19. April 1790 ein aus den Herren Gerry, Wadsworth, Vining, Lawrence und Smith von Süd-Carolina bestehendes Comite, The Debates and Proceedings in the Congress of the United States. By Jos. Gales sen., Washington 1834, II. 1584. welches im Einklange mit den Ansichten des Schatzsekretärs eine Gesetzes-Vorlage zu machen beauftragt war. Es brachte bereits am 30. April seine Bill für endliche Erledigung der Steuben'schen Ansprüche ein. Indem es den halben Sold oder dessen Umwandlung ausdrücklich ausschloß, schlug es vor:

»Steuben den Gehalt und die übrigen Emolumente als General-Major und General-Inspektor zu bewilligen, so wie dieselben in verschiedenen ihn betreffenden Congreß-Akten vom 10. März 1778 an bis zum 15. April 1784 spezifizirt seien;

ihm eine mit dem 1. Oktober 1777 anfangende Jahresrente von 2706 Doll. zu zahlen; und

ihm – – tausend Acker Land im westlichen Gebiete der Vereinigten Staaten zu schenken und in der später gesetzlich zu bestimmenden Weise zu loziren.«

Als die Bill am 7. Mai 1790 zur Verhandlung kam, nahm sich Herr Page derselben ganz besonders warm an. Seine Rede ist von den bei dieser Gelegenheit gehaltenen die einzige, welche uns in den Journalen des Congresses aufbewahrt ist. Sie lautet: Ebendas. 1606-1609.

»Ich bin gegen den Antrag, daß wir die obigen 2706 Doll. streichen und statt ihrer 500 Doll. sagen, weil das unverträglich mit den in der Bill ausgestellten Grundsätzen sein würde und weil wir laut Bericht des Schatzsekretärs dem Baron 2706 Doll. schulden. Außerdem aber würde eine solche Aenderung einen Zweifel an der Ehre und Wahrhaftigkeit der Ausschußmitglieder in sich schließen, auf deren Zeugniß der Anspruch des Barons sich stützt. Einige Herren legen großes Gewicht auf den Umstand, daß es an Beweisen für einen Vertrag mit dem Baron fehle; ich glaube indessen, daß wir alle Beweise haben, welche die Natur des Falles zuläßt; und ich für meinen Theil brauche keine anderen Beweise als den Brief des Herrn Lee an Steuben.

Dieser berühmte Veteran bot uns sein Schwert unter so großmüthigen Bedingungen an und leistete uns so wesentliche Dienste, daß ich für den Congreß erröthen würde, falls die Ansichten einzelner Mitglieder zu Beschlüssen erhoben werden sollten. Es ist des Congresses unwürdig, daß, nachdem er so lange die Vortheile dieser Dienste genossen hat, er jetzt ängstlich die Bedingungen untersuchen will, unter denen sie angetragen wurden, oder daß er gar von ihnen als unbedeutend spricht. Ich wäge sie nicht mit den oben vorgeschlagenen Dollars ab; ich halte sie für bedeutender als die höchste Summe, die wir dafür geben können. Wenn es von mir abhinge, eine Belohnung für die Opfer vorzuschlagen, die er brachte, um nach Amerika zu kommen und unsere Schlachten zu schlagen, so würde ich, darauf können Sie sich verlassen, eine viel größere Summe bestimmen, als irgend Einer von Ihnen vermuthet.

Hätte Steuben bei seinem Eintritt in den Dienst ausgemacht, daß ihm zwei Prozent von allen Artikeln unter seiner Aufsicht oder nur von dem, was er ersparte, bewilligt würden, so wäre er jetzt zu einer viel größeren Forderung berechtigt als wir ihm geben wollen. Die von ihm in der Armee eingeführte Oekonomie ersparte uns ungeheure Summen. Wer kann jetzt genau berechnen, was wir in Folge dessen an Waffen, Armaturstücken und Munition und durch Reduktion der Bagage und Fourage weniger ausgaben? Man hat mir gesagt, daß Offiziere, welche vor Steuben's Ankunft einen ganzen Wagen mit ihrem Gepäck beluden, später mir noch ein einziges Packpferd hatten.

Zudem war der Baron als General-Adjutant und General-Inspektor ganz besonders dazu geeignet, die amerikanische Armee zu diszipliniren. Da er zweiundzwanzig Jahre im preußischen Heere gedient hatte, welches die Amerikaner als die beste Kriegsschule in der Welt zu bewundern gelehrt waren, so wurde seine Disziplin um so williger angenommen und viel mehr Vertrauen in sie gesetzt, als wenn ein irgend einer andern Nation Angehöriger Offizier diese schwere Aufgabe unternommen hätte. Das Lob, welches wir jetzt dem Baron spenden, kann deßhalb auch nicht die Verdienste anderer tüchtiger Offiziere schmälern. Der Obergeneral bedurfte eines Adjutanten wie Steuben war, wegen der besondern Beschaffenheit der Armee. Er hat überall seine Dienste gebührend anerkannt, und kommt es uns daher am allerwenigsten zu, als unbedeutend davon zu sprechen oder uns darüber hinwegzusetzen, wie dies jetzt von einigen Seiten versucht wird. Nein, die Wichtigkeit dieser Dienste würde Ihnen von verschiedenen hier im Hause sitzenden Offizieren gehörig erklärt und bewiesen worden sein, wenn sie nicht mit jenem feinen Gefühle, das den in die Reihe der Bürger zurückgetretenen amerikanischen Offizieren eigen ist, befürchteten, als wollten sie den Schein erwecken, daß sie in militärischen Angelegenheiten mehr als andere Mitglieder des Hauses wüßten. Ich sage, wäre es nicht wegen dieser delikaten Zurückhaltung, so würden wir eine vollständige Darlegung der Verdienste Steuben's gehört haben. In der That konnte sich ein ehemaliger Offizier (Oberst Bland) nicht enthalten, mit einer ihn ehrenden Wärme seines Herzens einige Worte zur Unterstützung der Steuben'schen Ansprüche zu sagen. Allein ich habe einige Offiziere – und darunter sind welche in diesem Hause – gefragt, ob ich vielleicht jene Ansprüche nicht verstanden oder überschätzt habe; indessen hat man mir beständig gesagt, daß dies keineswegs der Fall sei. Obgleich ich nicht die Ehre hatte, in der Armee zu dienen, so wurde ich doch von meinen Correspondenten stets über die wichtigsten Vorgänge daselbst unterrichtet und auf meine Frage, worin denn eigentlich die Wirkungen der von dem neuen General-Inspektor eingeführten Maßregeln sich äußerten, dahin bedeutet, daß sie in vielen ökonomischen Anordnungen, in der Disposition der Corps bei Manövern, Märschen und im Lager, so wie namentlich in den schnellen lautlosen Bewegungen und Vorbereitungen für's Treffen bestanden. Man sagte mir u. A., daß, als der Marquis von Lafayette mit einem unter seinem Commando stehenden Detachement bei seiner Rückkehr zur Armee Gefahr lief abgeschnitten zu werden und als General Washington ihm zu Hülfe zu eilen beschloß, die ganze Armee in weniger als fünfzehn Minuten vom Augenblick des gegebenen Signales an unter Waffen und marschfertig dastand.

Die Wirkungen dieser Disziplin, Herr Präsident, waren sichtbar bei den Märschen unsrer Armee. Sie passirten Flüsse in kürzerer Zeit als die besten europäischen Truppen. In dieser Beziehung war ihr sogar das vortreffliche französische Heer untergeordnet, welches im Feldzuge von 1781 mit ihr diente. Die Ueberlegenheit unserer Soldaten in der Geschwindigkeit ihrer Bewegungen zeigte sich u. A. beim Sturm der beiden Redouten von Yorktown in Virginien auf's Glänzendste.

Wenn aber der obige Betrag ausgestrichen werden soll, so bin ich dafür, daß ein größerer an seiner Stelle eingerückt werde. Was werden unsere Offiziere sagen zu dieser für den Baron so günstigen Abstimmung? sind wir gefragt worden. Ich wage in ihrem Namen zu antworten, daß sie sich darüber freuen werden. Sie erkennen die Verpflichtungen an, unter denen sie jenem großen Manne gegenüber stehen, sie betrachten seine Ansprüche ganz in demselben Lichte, wie jener tapfere Offizier, der jetzt Finanzminister ist (Hamilton) und – zu seiner Ehre sei es gesagt – den Bericht verfaßte, auf welchen die Ihnen vorliegende Bill sich stützt. Wenn irgend ein Bericht verdient, ohne Debatte angenommen zu werden, so ist es dieser. Ich hoffe daher, daß Sie ihn namentlich in seinen wesentlichen Punkten unbedingt annehmen.«

Nach verschiedenen Berathungen über diese Bill, strich das Haus in seiner Sitzung vom 10. Mai 1790 die Landschenkung und beschränkte die Jahresrente auf 2000 Doll. Den Senat passirte endlich am 27. Mai die Bill des Hauses mit einem Amendement, in dem er die Jahresrente auf 2500 Doll. erhöhte. Nachdem diese Veränderung vom Hause angenommen, lautet der »Akt für endgültige Berichtigung und Befriedigung der Ansprüche des Friedrich Wilhelm von Steuben« also: Der auf ein besonders feines Blatt gedruckte Beschluß findet sich in den Steuben'schen Man.-Papieren in Utica.

»Es wird hiermit von dem im Congreß versammelten Senate und Hause der Abgeordneten der Vereinigten Staaten von Amerika verordnet, daß, um Friedrich Wilhelm von Steuben eine volle und gerechte Gegenleistung für seine den Vereinigten Staaten während des letzten Krieges gebrachten Opfer und geleisteten ausgezeichneten Dienste zu gewähren, dem besagten Steuben eine lebenslängliche Jahresrente von zwei Tausend fünf Hundert Dollars vom 1. Januar 1790 an in vierteljährigen Raten aus dem Vereinigten Staaten-Schatze gezahlt werde, welche Jahresrente zugleich als volle Entlastung für alle Ansprüche und Forderungen gelten soll, welche der besagte Steuben an die Vereinigten Staaten haben sollte oder könnte.«

Friedrich August Mühlenberg, Sprecher des Hauses der Abgeordneten.
John Adams, Vize-Präsident der Vereinigten Staaten und Präsident des Senats.
Genehmigt am 4. Juni 1790.
George Washington, Präsident der Vereinigten Staaten.

Dies sind die Verhandlungen, welche zu Gunsten der Vereinigten Staaten entstellt, die Ursache wurden, daß Steuben hier vielfach noch heute mit einem gewissen Vorurtheil betrachtet wird. Man hört häufig die Bemerkung, daß er weder auf den Dank, noch auf die Achtung des amerikanischen Volkes Ansprüche habe, weil er nur in gewinnsüchtiger Absicht und äußern Vortheils halber in die Dienste des Congresses getreten sei; man rechnet ihm sogar seine ehrenvolle Armuth als Verbrechen an und vergleicht ihn, um seinen Egoismus außer Zweifel zu stellen, mit dem reichen Lafayette. Der obige Congreßbeschluß widerlegt am Besten die Ungerechtigkeit dieser aus der Luft gegriffenen Anschuldigung; er rettete die Vereinigten Staaten wenigstens vor der Schande, daß keiner ihrer besten Generale im Armenhause starb. Die Leser aber werden mit Hülfe der hier mitgetheilten Thatsache entscheiden, wer im vorliegenden Falle die feilschende Krämerseele war und wer es zuletzt nur den wiederholten und energischen Vorstellungen von Männern wie Washington und Hamilton zu danken hatte, daß er nicht wortbrüchig wurde.

In dieser Privatangelegenheit tritt uns wie in den großen politischen Tagesfragen jener Zeit ganz dieselbe Verschiedenheit der Ansichten und Parteistellung entgegen. Es waren beinahe ganz dieselben Männer für Verwerfung der Steuben'schen Ansprüche, welche die politischen und ökonomischen Gründe bekämpften, aus denen Hamilton, der große Staatsmann, für die Fundirung der öffentlichen Schuld war; sie hielten es für eine Verschwendung, ihren Verpflichtungen nachzukommen und ihre Schulden zu bezahlen. Glücklicher Weise sind diese Zeiten gewesen, das bloße Wort Repudiation ist in der ganzen civilisirten Welt diskreditirt, und die Vereinigten Staaten haben auch durch ihre jüngsten reichen Schenkungen an die Nachkommen der Revolutions-Offiziere und Soldaten zur Genüge bewiesen, daß sie die frühere Politik des Congresses gegen die Männer mißbilligen, welche die Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten erkämpften.


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