Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Einundzwanzigstes Kapitel

Inzwischen stellte es sich mit jedem Tage klarer heraus, daß der ganze Süden aufgegeben und Greene's Armee geopfert werden mußte, wenn ihm nicht so rasch wie möglich Verstärkung zugeschickt wurde. Die über Virginien hängenden Wolken verdüsterten sich mehr und mehr, so daß sogar Steuben den Muth zu verlieren schien. Am 11. April schrieb er an den damaligen General-Adjutanten der Armee, den General Hand: Life of General Peter Mühlenberg pag. 245 und 246. »Ich wollte, daß ich Ihnen einen erfreulicheren Bericht über die hiesige Lage der Dinge geben könnte; aber Alles ist düster, sehr wenig versprechend und jede Aussicht gegen uns. Doch wir müssen unsere Pflicht thun und aushalten; und wenn wir den Preis auf irgend eine Weise erringen, so können unsere Opfer nie zu groß sein.«

Die befürchtete Vereinigung des Generals Phillips mit Cornwallis zeigte die Gefahr des Verzuges und veranlagte Washington, daß er Lafayette am 6. April 1781 befahl, zurück nach dem Süden zu marschiren und sich unter die Befehle des General Greene zu stellen. Lafayette wurde hierauf von Greene zum Commandeur in Virginien ernannt.

Trotz seiner Eilmärsche brauchte Lafayette drei Wochen, bis er, am 29. April, in Richmond eintraf. Bis dahin führte Steuben den Oberbefehl und hatte, wenn er auch nicht mit Erfolg gekrönt war, doch wenigstens die Genugthuung, bei Gelegenheit der Phillips'schen Invasion darzuthun, daß sich sogar aus Milizen Soldaten schaffen ließen, und daß sie unter tüchtiger Führung eine respektable Front gegen die britischen regulären Truppen zu machen im Stande waren. Unmittelbar nach Phillips' Ankunft in Virginien traf Steuben folgende Dispositionen über seine Streitkräfte: Steuben's Man.-Pap., Bd. XIV.

»Falls der Feind in's Land rückt, wird sich die ganze Miliz in's Feld stellen, alle verfügbaren Waffen zur Hand nehmen und sich in Bataillone, Regimenter oder Detachements formiren, je nachdem es General Mühlenberg anordnen mag. Sollte der Feind den General Mühlenberg von Broadwater verdrängen, so wird er sich nach Petersburg zurückziehen, von wo an seine Bewegungen darauf gerichtet sein müssen, daß er das Oberland zu halten im Stande ist. Sollte sich der Feind nach North-Carolina wenden, so wird sich General Mühlenberg's Corps auf dessen rechter Flanke zu halten suchen, während die auf der anderen Seite des Flusses befindlichen Truppen dem Feinde im Rücken zu folgen haben. Falls sich der Feind den James River aufwärts nach Richmond bewegen sollte, wird General Mühlenberg's erste Bewegung ebenfalls auf Petersburg gerichtet sein und von da an muß die weitere Bewegung des Feindes die seinige bestimmen.

Das Corps des General Nelson wird aus 800 Mann Infanterie und so vielen Reitern wie nur möglich, bestehen, für den Fall nämlich, daß der Feind unterhalb Im Original ausgelassen; es muß aber wohl Chickahominy heißen. ... River landet. Dieses Corps hat den genannten Fluß zu überschreiten und seinen Rückzug und sonstige Bewegungen nach denen des Feindes einzurichten. Aber sobald der Feind auf der Südseite landet, muß General Nelson's Corps sich bemühen, auf der geeignetsten Stelle über den James River zu gehen, um dem Feinde im Rücken zu folgen. Sollte der Feind den York River hinauf kommen, so muß Nelson's Corps nach Umständen handeln und den Feind beunruhigen. Da die Furth bei Hoods nicht im Verteidigungszustande ist und unsere Macht nicht ausreicht, um so tief unten am Flusse Widerstand zu leisten, so müssen die Waffen und Vorräthe vom Prince George Court House nach Petersburg geschafft werden.«

Nachdem General Phillips Portsmouth gehörig befestigt hatte, ging er am 16. April den James River hinauf, indem er seine Truppen in 25 Flachbooten, deren jedes 100 Mann trug, einschiffte. Steuben's Befehlen gemäß hatte Mühlenberg schon zuvor alle auf dem rechten Flußufer befindlichen Vorräthe aus der unteren Gegend nach Prince George Court House geschafft, aber selbst dieser Platz war dem James River zu nahe, als daß er ein sicheres Depot abgegeben hätte: Steuben hielt es deshalb für gerathen, sie noch weiter landeinwärts jenseits Richmond zu bringen. Gleichzeitig hatte Oberst Jones die Vorräthe auf dem linken Flußufer zusammen gepackt und hielt sie zum Fortschaffen in Bereitschaft. Am 18. April erschien die britische Flotte an der Mündung von Pagan's Creek. Mühlenberg, um sich in der Front des Feindes zu halten und um Steuben von seinen Bewegungen in Kenntniß zu setzen, brach am 19. April von Broadwater auf und marschirte über Wall's Bridge nach Cabin Point, während der Feind am 20. April nach Jamestown vorrückte und am 21. bei Sandy Point landete. Steuben hatte Petersburg zum Rendezvous-Platze für die Cavallerie bestimmt und den übrigen Truppen befohlen, sich vor jeder überlegenen feindlichen Macht nach Richmond zurückzuziehen. Er war um diese Zeit in Chesterfield Court House damit beschäftigt, ein Cavallerie-Corps zu bilden und mit Davies' Hülfe die Vorräthe von Powhattan Court House nach Cumberland Old Court House und Point of Fork zu schaffen. Am 23. April erreichte der Feind Westover, wo 200 bewaffnete und 300 unbewaffnete Milizen ihm keinen Widerstand zu leisten und beträchtlichen Plünderungen keinen Einhalt zu thun vermochten. Da die Zahl der Feldmiliz für ein Gefecht zu gering war, und eine Niederlage unausbleiblich gewesen sein würde, so befahl Steuben seinen Offizieren, jedes Engagement so viel wie möglich zu vermeiden. Er hielt es für das Zweckmäßigste, den Feind in kleinen Abheilungen zu beunruhigen, indem diese sich nach einer etwaigen Schlappe leicht auf ihren Rendezvous-Platz zurückziehen konnten. »Die Miliz« – schreibt Steuben am 21. April von Chesterfield Court House an Washington und den Kriegsrath Ebendas. Bd. XII. – »stellt sich sehr langsam ein. Es wird für sie an Musketen und für die etwa kommenden Artilleristen an Säbeln fehlen. Die Batterie zu Hoods ist nicht halb fertig; überall herrscht dieselbe Verwirrung, wie zur Zeit, als Arnold den Fluß hinauf zog. Es ist keine einzige Compagnie regulärer Truppen im Staate und die Miliz ist zu unerfahren, als daß man von ihr den geringsten Widerstand gegen den Feind erwarten könnte.«

Am 24. April erreichte derselbe City Point, welches an der Mündung des Appomatox in den James River, ungefähr 12 Meilen von Petersburg liegt. Steuben verließ Chesterfield Court House, wo er die Fortschaffung der Vorräthe und die Bewegung der Truppen geleitet hatte, am 22. April und ging nach Petersburg, wo er das Commando der amerikanischen Streitkräfte übernahm. Da es von einigen Seiten bezweifelt worden ist, Life of Mühlenberg pag. 247. ob Steuben bei den folgenden Gefechten zugegen gewesen sei, so halten wir es für angemessen, den Bericht hier mitzutheilen, welchen er den Generalen Washington und Greene, über die Affaire bei Petersburg erstattete. Er beweist, daß Steuben, und nicht Mühlenberg die Amerikaner bei dieser Gelegenheit befehligte. Auf dem Wege von Petersburg nach Chesterfield Courthouse, 10 Meilen von Petersburg, schreibt er am 25. April: Steuben's Man.-Pap. Bd. XII. und Greene's Man.-Pap.

»Am 24. rekognoszirte ich die feindliche Flotte, welche gerade bei Westover lag und aus 13 großen Schiffen und 23 bemannten Flachbooten bestand. Die ganze am Bord befindliche Truppenzahl schätzte ich auf 2500 Mann; ein zu uns übergelaufener Hessischer Sergeant gab sie auf 3000 an. Die Flotte segelte bald nachher stromaufwärts City Point zu, welcher Umstand mich in Zweifel darüber ließ, wo sie landen würden. Ich befahl deßhalb der unter General Mühlenberg stehenden Miliz, sich nach der Gegend von Blandford zurückzuziehen. Am selben Abend setzte der Feind seine ganze Macht bei City Point an's Land, woraus ich schloß, daß ihr nächstes Augenmerk auf Petersburg gerichtet sei. Da ich gezwungen war, starke Detachements nach der Landenge zwischen dem Appomatox und James River zu schicken, so blieben mir nicht mehr als 1000 Mann, um das Vorrücken des Feindes zu hemmen. Dies war ein kritischer Augenblick für mich. Riskirte ich ein Treffen, so mußte eine Niederlage den Verlust der Waffen herbeiführen, während andrerseits ein Rückzug ohne den geringsten Widerstand die Bewohner der Gegend entmuthigt und den Feind zu weiteren Einfällen veranlaßt hätte. Letzteres Bedenken veranlaßte mich, die Verteidigung der Gegend, soweit es bei unserer geringen Kraft ging, zu wagen. Ich wählte Blandford zum Vertheidigungspunkt und die Brücke von Pocahontas als Rückzugspunkt; die Truppen wurden demgemäß aufgestellt und blieben die Nacht unter Waffen.

Am Morgen des 25. erfuhr ich, daß der Feind bis auf 3 Meilen von unseren Vorposten stände und daß gleichzeitig 11 Flachboote mit Truppen den Appomatox aufwärts gingen. Gegen Mittag kam der Feind in Sicht, formirte sich und deployirte nach seiner Linken zu; doch erst gegen drei Uhr begann das Feuern. Es dauerte bis fünf Uhr, wo die überlegene Zahl des Feindes und Mangel an Munition mich zwang, den Rückzug und den Abbruch der Brücke zu befehlen; beides geschah trotzt des feindlichen Kanonen- und Musketen-Feuers in der größten Ordnung. In gleich guter Ordnung zogen sich die Truppen nach diesem Orte zurück, wo sie so eben ihr Lager aufgeschlagen haben.

Ich bin noch nicht im Stande unseren Verlust anzugeben; doch halte ich denselben nicht für bedeutend. Ich glaube nicht, daß der Feind einen einzigen Gefangenen gemacht hat. Auch über den feindlichen Verlust vermag ich mir kein Urtheil zu bilden.

General Mühlenberg verdient meine besondere Anerkennung für die guten Dispositionen, die er getroffen und für die große Tapferkeit, mit der er sie ausgeführt hat. Wahrlich, das tapfere Benehmen aller Offiziere und das besonders gute Verhalten der Soldaten hat, davon bin ich überzeugt, die Bewunderung des Feindes erregt. Ich habe das Vergnügen Ihnen zu melden, daß unsere Truppen dem Feinde das Terrain Zoll für Zoll streitig machten und daß die Manövers mit der größten Pünktlichkeit ausgeführt wurden.«

Jefferson beglückwünschte Steuben am 26. April über diese Einweihung der Miliz in das Kriegshandwerk und fand dessen Meinung gerechtfertigt, daß je mehr die Miliz im Kleinen beschäftigt würde, desto mehr sie zufrieden bleiben und sich verbessern würde. In seinem Briefe an Washington vom 9. Mai 1781 Correspondence of the Revolution III. 308. sagt er: »der Feind wurde von Steuben (also nicht von Mühlenberg!) mit einem Milizkörper von etwas unter 1000 Mann empfangen und es wurde ihm, obwohl er 2300 Mann stark war, das Feld zwei Stunden lang auf's Tapferste streitig gemacht, während welcher Zeit der Feind nur eine Meile und zwar zollweise gewann.«

In seiner Erwiderung auf Steuben's Bericht sagt Greene am 14. Mai 1781: Greene's Man.-Pap. »Ich bin glücklich darüber, daß Sie zu einem so vernünftigen Entschluß gekommen sind, kein Haupttreffen zu wagen und doch dem Feinde nicht zu erlauben, daß er ohne entschiedenen Widerstand vorrücke. Ihr Bericht über die gute Haltung Mühlenberg's und der unter ihm stehenden Truppen gewährt mir großes Vergnügen; sie haben Ansprüche auf mein ungetheiltes Lob. Dieser lebhafte Widerstand wird auf ihre künftige Thätigkeit einen ganz vortheilhaften Einfluß üben.«

Nachdem Phillips zu Petersburg die daselbst liegenden Schiffe zerstört und die Tabacks-Lagerhäuser verbrannt hatte, ging er nach Chesterfield Court House, wo er sein Zerstörungswerk fortsetzte. Arnold hauste in der Nähe von Warwick in ähnlicher Weise, indem er sämmtliche Tabacks-Magazine niederbrannte, und vereinigte sich dann in Manchester, Richmond gegenüber, mit Phillips. Ihr Hauptzweck ging dahin, sich des letzteren Platzes zu bemächtigen, da derselbe als Hauptstadt des Staates und als Schlüssel der strategischen Operationen nach dem Herzen Virginien's von doppelter Wichtigkeit war. Alles hing jetzt von Lafayette's Ankunft ab, den man stündlich erwartete. Zum Glück traf er rechtzeitig ein und da er alsbald durch 2000 Milizen verstärkt wurde, so wagte der Feind nicht, über den Fluß zu rücken, welcher, damals gerade ohne Brücke war. Lafayette, jetzt Befehlshaber der Virginischen Streitkräfte, nahm seine Stellung oberhalb der Fälle des James River an einem Punkte, wo sämmtliche Boote gesammelt waren, während Phillips am 2. Mai wieder langsam stromabwärts ging und bei Cobham Halt machte, wo Lafayette ihn scharf beobachtete.

Am 5. Mai wurde Phillips, als er sich noch bei Burwell's Ferry befand, vom Lord Cornwallis benachrichtigt, daß er auf dem Marsche nach Virginien sei und sich mit ihm in oder bei Petersburg vereinigen wolle. Lord Cornwallis hatte, nachdem er bis Wilmington in Nord-Carolina gekommen war, eingesehen, daß von diesem entlegenen Platze aus wenig oder gar nichts gegen den Feind geschehen und daß überhaupt in den beiden Carolina's und in Georgia kein entscheidender Streich geführt werden könne. Begierig ergriff er deßhalb den ihm durch Phillips' Ankunft in Virginien in Aussicht gestellten Vortheil, beschloß durch Nord-Carolina zu marschiren, zunächst zu Phillips zu stoßen und endlich eine Vereinigung mit Clinton zu bewerkstelligen. Nur achtzehn Tage blieb er, um auszuruhen mit seiner Armee in Wilmington und setzte sich am 24. April nach dem Norden in Bewegung. Es war eine der kühnsten Unternehmungen während des ganzen Krieges, welche mit Recht die Bewunderung von Freund und Feind verdient. Als Phillips Cornwallis Befehle empfing, war dieser in Halifax, 70 Meilen von Petersburg. Phillips rückte nun abermals den Strom hinauf und landete seine Truppen in City Point, von wo er sich nach Petersburg in Marsch setzte. Lafayette, der gleichzeitig von Cornwallis Anmarsch unterrichtet worden war, suchte eine Vereinigung zu verhindern. Er kam indessen zu spät, denn schon am 9. Mai zog Phillips unbelästigt in Petersburg ein. Dieser britische General starb am 13. Mai, worauf Arnold als temporärer Commandeur fungirte, bis Cornwallis eine Woche später in Petersburg ankam und den Oberbefehl der britischen Armee in ganz Virginien übernahm. Lafayette zog sich nach diesem Fehlschlagen seines Planes über den James River nach Wilton, ungefähr 20 Meilen unterhalb Richmond an der Nordseite des Stromes zurück; Lord Cornwallis aber setzte ihm am 24. Mai nach, ging bei Westover über den Fluß und verstärkt durch zwei britische Regimenter und zwei Anspacher Bataillone, also den Amerikanern weit überlegen, trieb er Lafayette in's Innere des Landes zurück. Zunächst beabsichtigte Cornwallis, Lafayette zu schlagen, und, nachdem dieses geschehen oder der Gegner wenigstens zum Rückzüge gezwungen worden, sämmtliche Magazine und Vorräthe, die er erreichen konnte, zu zerstören. Stedman's history of the American War II. 430, 8° edit.

Es liegt nicht in der Aufgabe dieses Werkes, den Bewegungen Lafayette's weiter zu folgen, als Steuben dabei betheiligt war. Dieser blieb so lange bei ihm, als noch die Wahrscheinlichkeit für ein Treffen vorhanden war. Während Phillips im Strome lag, commandirte er die Miliz und formirte die Nachhut der amerikanischen Truppen am oberen Theile des Chickahominy bei New Kent Court House und Bothom Bridge. Als aber Cornwallis Heranrücken gewiß war und die amerikanischen Truppen dadurch zu weit von ihrem Rendezvous weggedrängt wurden, da verwandte Steuben seine Zeit ausschließlich darauf, die Aushebung der Rekruten für die Südarmee zu beschleunigen, die Vorräthe zu schützen und die Vertheilung derselben zu reguliren.

»Nach der Ankunft des Marquis« – sagt Steuben in einem Briefe an Greene von Carters Ferry vom 15. Mai 1781 Greene's Man.-Pap. – »betrachtete ich mich um so mehr als von den Feldoperationen entbunden, als jener drei Brigadiers unter sich hatte. Ich richtete deßhalb meine Aufmerksamkeit darauf, die Rekruten zu sammeln und zu equipiren und bestimmte mit der Einwilligung des Marquis Albemarle Barracks zum Haupt-Rendezvous-Platz. Wir haben bis jetzt erst 430 Rekruten zusammen, ohne Waffen, Kleidung und sonstige Ausrüstung; dabei rechnen wir höchstens noch auf 400 weitere. Sämmtliche Bezirke südlich vom James River, so wie die nördlich an denselben und an die Küste gränzenden sind nicht zur Stellung von Rekruten verpflichtet, so lange sie noch Miliz im Felde haben. Wenn sich nun der Feind hier festsetzt, so werden zwei Drittel des Staates keine Rekruten liefern. Bekommen wir bei allen unseren Anstrengungen tausend Mann aus Virginien zusammen, so wird es das Höchste sein. Trotzdem hat mir meine Sorge für das Zusammenhalten und Equipiren dieser wenigen Leute den Tadel vieler hiesigen großen Männer zugezogen. Sie bestehen darauf, daß diese Rekruten zur Ablösung der Miliz sofort ins Feld geschickt werden sollten, oder sie beschweren sich darüber, daß ich sie so weit fortschicke, während ihre Plantagen dem Feinde preisgegeben seien. Es thut mir leid sagen zu müssen, daß die Desertionen unter den hiesigen Rekruten eben so häufig sind, wie bei Ihnen unter den virginischen Truppen. Ich verzweifle daran, mein lieber General, daß jemals eine virginische Linie zu Stande kommen wird. Es geht Alles verkehrt! Bei der größten Mühe finde ich es unmöglich, Offiziere und Mannschaften zusammenzuhalten, sobald ich einige aufgetrieben habe, höre ich von weiter nichts als von Urlaubsgesuchen der Offiziere und von Desertionen der Leute. Die wenigen Rekruten, die hier sind, habe ich unter Oberst Gaskins zu einem Regiment formirt; gegen 150 sind davon bewaffnet. Ich werde sie in ein Paar Tagen nach dem Fork beordern; die Bevölkerung wird dieses gern sehen, da sie die dort befindlichen Magazine beschützen können, während sie gleichzeitig disziplinirt und equipirt werden. Ich werde auch einige Offiziere nach Albemarle Barracks senden, um die von dem anderen Rendezvous etwa dahin gesandten Rekruten in Empfang zu nehmen, sie zu equipiren und dann nach dem Fork zu senden.

Sobald ich mit diesen Angelegenheiten fertig bin, werde ich zum Marquis stoßen, bis ich Ihre Befehle empfange. Ich muß Ihnen gestehen, daß meine Anwesenheit in diesem Staate wegen der vielen, täglichen Schwierigkeiten, deren ich Ihnen nur wenige erwähnt habe, durchaus nutzlos ist. Mit großer Freude werde ich eilen, mich unter Ihr unmittelbares Commando zu stellen und ich bitte Sie, mein lieber General, mich sobald wie möglich zu rufen, denn Niemand kann größeren Widerwillen gegen die hiesigen Vorgänge und Zustände haben als ich.«

Wenige Tage nach Abgang dieses Briefes empfing Steuben einen vom 1. Mai datirten Brief des General Greene, worin dieser, des Ersteren Verlangen zu ihm zu kommen voraussetzend, ihm folgende Weisung gab: Ebendas. »Der Marquis de Lafayette schreibt mir, daß er meinem Wunsche gemäß mit seinem Detachement nach Richmond beordert sei. Dieses giebt mir Gelegenheit, Ihrem Verlangen, zu mir zu kommen, zu willfahren. . Es ist daher mein Wunsch, daß Sie sobald wie möglich mit sämmtlichen diensttüchtigen virginischen Rekruten zu mir stoßen. General Wayne ist, wie ich höre, mit der pennsylvanischen Linie unterwegs. Schreiben Sie ihm gefälligst, daß er Ihnen baldmöglichst folgt. Unsere Lage verlangt sofortige Unterstützung. Ich bitte Sie, die besten Vorräthe aufzutreiben und mitzubringen; gleichzeitig schreiben Sie dem Kriegsrath, wie kläglich es bei uns um die Waffen bestellt ist. Wenn wir nicht frische Zufuhren bekommen oder größere Werkstätten zur Reparatur einzurichten vermögen, so können wir uns nicht im Felde halten. Ich bitte Sie, jede mögliche Maßregel zu ergreifen, um Beides zu bessern. Bringen Sie auch die dienstfähige Cavallerie mit sich, da die unsrige sehr heruntergekommen ist und sich zu der feindlichen wie eins zu zwei verhält. Sollten wir wieder eine Niederlage erleiden und der Feind uns dann an Cavallerie überlegen sein, so würden wir gänzlich vernichtet werden.

Den Marquis werden Sie gefälligst so gut wie möglich über den Stand der Dinge in Virginien unterrichten. Ich bin so sehr von Schwierigkeiten umringt, daß ich des Rathes und Beistandes von einem in der preußischen Schule erzogenen Offizier dringend bedarf und ich weiß, daß ich an Ihnen Beides, den Freund und den General habe, der mir fehlt.«

Steuben theilte diesen Brief sogleich im Staatsraths-Zimmer dem Gouverneur Jefferson und Lafayette mit. Gleichzeitig machte er, da die Kasernen zu Chesterfield Court House vom Feinde zerstört waren und dieser Ort keine Sicherheit mehr gewährte, den Gouverneur auf die Nothwendigkeit aufmerksam, daß ein weniger gefährdeter Platz zum Sammeln, Diszipliniren und Ausrüsten der Rekruten gewählt werde, worauf mit Lafayette's Zustimmung Albemarle Barracks dazu genommen wurden. Da der Gouverneur gesagt hatte, daß diejenigen Bezirke, welche Milizen im Felde hätten, keine Rekruten zu stellen brauchten, so fragte ihn Steuben, wie viel Rekruten die übrigen Bezirke aufbringen würden. »Gegen 1500,« erwiderte Jefferson im Beisein Lafayette's. Um diese Zeit waren im Ganzen 300 Mann, schlecht bewaffnet und noch schlechter gekleidet, in Manchester beisammen, Steuben verlangte, daß diese sofort nach Albemarle Barracks marschiren sollten, um daselbst gekleidet und equipirt zu werden; daß die übrigen Rekruten so rasch wie möglich einberufen und dann je nach Umständen entweder zum General Greene oder zum Marquis stoßen sollten. Demgemäß wurde befohlen, daß sie über Carter's Ferry nach ihrem Rendezvous marschiren sollten. Tags darauf erhielt Steuben einen Brief vom Oberst Davies, worin dieser ihm vorstellte, daß Albemarle Barracks ein aus vielen Gründen sehr ungeeigneter Platz sei; daß es große Schwierigkeiten kosten würde, Provisionen dahin zu transportiren, daß kein Holz in der Nähe und daß die Barracken beinahe zerstört seien. Er wies auf den Fork am James River als den geeignetsten Platz hin: dort seien bereits viele Ausrüstungsartikel für die Truppen und er werde daselbst alle weiteren zur Aufnahme derselben nöthigen Anordnungen treffen. Auf diese Nachricht begab sich Steuben nach Wilton zu Lafayette und beschloß mit ihm, daß Point of Fork zum Rendezvous gewählt werde, d. h. der Punkt, wo der Rivanna und Fluvanna sich vereinigen und dann James River bilden. Der Marquis wünschte, daß Steuben sogleich dahin eile, um die Equipirung der 1500 dort erwarteten Rekruten zu beschleunigen, die zu Greene oder Lafayette stoßen sollten. Steuben fand indessen bei seiner Ankunft daselbst nicht mehr als 540 Mann vor, von denen Viele ganz untauglich zum Dienste waren. Sie befanden sich ohne Waffen und Kleidung und ihre Zahl verminderte sich täglich durch Desertion und Krankheit. Mit Waffen wurden sie übrigens sogleich versehen, da deren gerade von Philadelphia angekommen waren.

Während Steuben hiermit beschäftigt war, ging Lord Cornwallis über den James River, worauf sich Lafayette tiefer ins Land zurückzog.

Die bedeutendsten continentalen Vorräthe befanden sich auf der Südseite des Flusses zu Prince Edward, Charlotte und Halifax Court Houses; die Magazine des Staates waren überall zerstreut, doch ein großer Theil derselben war auf Befehl des Gouvernements nach Point of Fork gebracht. Lafayette's Rückzug veranlasste Steuben, dem Agenten und Commissair des Staates vorzustellen, daß die Magazine am besten sofort höher hinauf in die Gebirge geschafft würden, um so mehr, als die Truppen durchaus nicht dazu bestimmt wären, die Vorräthe zu beschützen. In Folge dessen wurden die meisten derselben fortgeschafft, und nur wenige fielen durch Nachlässigkeit der Offiziere in die Hände der Feinde.

Im Allgemeinen aber blieben die Vorbereitungen zum Schutz des Staates gegen den Feind so schlecht wie immer. Alle Departements waren in Unordnung; es herrschte die größte Verwirrung, die ihren Gipfel erreichte, als sich die Exekutive und Legislatur beim Herannahen von Cornwallis eiligst von Richmond nach Charlotteville flüchteten. Der Feind schien es mehr darauf abgesehen zu haben, Eigenthum zu zerstören, als zu kämpfen. Die zum Schutz der Vorräthe zurückgelassenen Truppen waren so wenig auf ihrer Hut, daß sie beim ersten Erscheinen des Feindes verloren gewesen wären. Zu Prince Edward Court House zum Beispiel waren sämmtliche Offiziere und Inspektoren der Magazine, Laboratorien ec. abwesend, als ein von Steuben dahin abgeschickter Offizier daselbst ankam; die Wachen selbst waren ohne Offizier und außerdem nur wenige Milizen unter dem Commando eines Wirthes anwesend. Aus Mangel an Fuhrwerk konnten die Vorräthe kaum fortgeschafft werden und gegen 1500 Musketen waren unbrauchbar. Nur zwei Mann waren seit Januar von Staatswegen zur Waffenreparatur angestellt worden, es war aber keine Aussicht auf Abstellung dieser schmachvollen Nachlässigkeit vorhanden.

Die Staatsregierung hatte Waffen und Wagen, Pferde und Treiber, so wie alle zur Verteidigung des Staates nöthigen Mittel zu beschaffen; aber es war unmöglich, irgend welchen materiellen Beistand von dem schwachen und machtlosen Gemeinwesen zu erlangen. Die Offiziere, welche ihren persönlichen Credit für unvermeidliche Ausgaben verpfändet hatten, verloren das Vertrauen beim Volke, wenn sie in Folge der Zahlungsunfähigkeit des Staates ihre Verpflichtungen nicht erfüllen konnten, und statt der vom Publikum erwarteten Unterstützung wurden ihnen für ihre Opfer nur lieblose Schmähungen zu Theil. Der treffliche Claiborne, der Unter-Quartiermeister des Staates, welcher, wie er mit Recht von sich bemerkt, die Beförderung des allgemeinen Besten zu seiner Ausgabe gemacht und unermüdlich angestrebt hatte, suchte vergebens den Staat vor den üblen Folgen dieser Nachlässigkeit zu bewahren. »Es bekümmert mich sehr« – schreibt er am 18. Mai aus Richmond an Steuben Steuben's Man.-Pap. Bd. VIII. – »Sie versichern zu müssen, daß das, was ich Ihnen schon vor langer Zeit wiederholt gesagt habe, wirklich eingetroffen ist. Wegen Mangels an Material und wegen der Unsicherheit unserer an den schiffbaren Flüssen gelegenen Posten sind alle von mir errichteten Manufakturen so schlecht bestellt und herunter gekommen, daß ich wenig oder nichts von ihnen empfange. Ich habe bisher so gut als kein Leder von den Lieferanten des Staates erhalten. Handel und Wandel liegt darnieder und ich bin ohne Geld. Alles, was ich vermochte, habe ich gethan, um Pferde und sonstige Sachen auf Certificate oder durch einflußreiche und patriotische Männer zu bekommen; aber diese versichern mir, daß solch eine allgemeine Unzufriedenheit und solch ein Mißtrauen unter dem Volke herrsche, daß es entschlossen ist, sich nicht länger mehr durch Staats-Kontrakte hintergehen zu lassen. Ich versichere Sie, mein General, daß das Volk das Vertrauen zum Staate gänzlich verloren hat und daß, wenn es nicht durch die Nothwendigkeit gezwungen wird, nichts ohne Baar oder ohne persönliche private Verpflichtung von ihm zu haben ist.«

Andrerseits stand aber fest, daß die Magazine und Vorräthe, auf deren Anschaffung Davies viele Monate verwandt hatte, verloren gehen mußten, wenn man sie nicht unverzüglich jenseits Carter's Ferry transportirte, und daß der Staat nicht Mittel genug besaß, sie zu ersetzen. Da nun auf ihnen die Existenz von Greene's Armee beruhte, so hing das Geschick des Landes zum Theil von der Erhaltung dieser Vorräthe mit ab. »Selten« – sagt Steuben in Bezug hierauf – »gehen Fehler im Kriege ungestraft hin; so fühlt auch dieser Staat jetzt die Wirkung seiner Lässigkeit; während ein furchtbarer Feind im Herzen des Landes ist, fehlt es an Waffen und an allen sonstigen Vertheidigungsmitteln.«

Die gleiche Nachlässigkeit waltet bei der Rekrutirung ob. Von den im Februar aus dem Staate Virginien erwarteten 3000 Mann waren bis zum 18. Mai nur 500 gekommen: und das war zwei Tage vor der Vereinigung des Lord Cornwallis mit Arnold! »Capitain Reed benachrichtigt mich,« – schreibt Davies am 24. Mai an Steuben Ebendas. – »daß er nur sieben Soldaten empfangen hat, von denen zwei desertirt sind, daß es ungewiß ist, wann in den benachbarten Bezirken ausgehoben werde und daß er in der That nicht weiß, von welchen Bezirken die zu erwartenden Leute kommen werden. Major Posey schreibt von Hanton, er habe an Deserteuren und sonstigen Leuten 21 Mann zusammengebracht; in keinem der oberen Bezirke habe bis jetzt eine Aushebung stattgefunden, noch könne er mir sagen, wann dies geschehen werde, da das Volk sehr dagegen sei und dieselbe in Augusta und Rockbridge mit Gewalt verhindert habe. Er sagt, jede Woche würden ihm etliche Deserteure eingeliefert und er denke, nächstens eine aus denselben gebildete Compagnie hersenden zu können.«

Steuben hatte seine 500 Mann in ein Bataillon unter Oberst Gaskins formirt. Er disziplinirte und equipirte sie mit der größten Eile. Gleichzeitig sandte er Expresse nach allen Rendezvous-Plätzen und beorderte alle Rekruten sofort zu sich. Nach Rücksprache mit Lafayette beschloß er, mit seinen Rekruten zu Greene zu stoßen, da er sie bis Ende Mai equipiren zu können hoffte. »Es ist gewiß, mein lieber Marquis,« – schreibt er am 20. Mai 1781 aus Point of Fork an Lafayette, Ebendas. Bd. XII. – »daß wenn der General Greene keine anderen Verstärkungen als die meinigen erhält, er durch die Handvoll Leute, die ich mitnehme, nicht sehr furchtbar werden wird. Ich habe nur 550 Mann zusammen und bin ohne Hoffnung, daß sich ihre Zahl vermehren wird, es sei denn, daß ich meine Abreise noch um 14 Tage verschöbe; allein wenn Lawson zu mir stoßen könnte, wenn vielleicht Nord-Carolina einen Anlauf nehmen wollte, so würde unsere Streitmacht wahrscheinlich ein wenig respektabler sein. Doch dem sei wie ihm wolle, – ich bin der Meinung, daß meine 550 Mann und selbst wenn's 1000 wären, vereinigt mit Ihrer Streitkraft, den Lord Cornwallis niemals verhindern könnten, zu gehen wohin es ihm beliebte; allein die 500 Mann, welche mit mir über den James River gehen, werden ihn wahrscheinlich veranlassen, mir ein Detachement nachzusenden oder mich wenigstens zu beobachten. Dadurch würde seine Kraft geschwächt und sein Plan, möchte ich behaupten, ein wenig gestört werden. Der Brief des General Greene an Lawson, worin er ihn zu sich nach dem Süden entbietet, ist vom 12. d. datirt; ich bezweifle deßhalb nicht, daß er zu der Zeit schon von Cornwallis Manöver unterrichtet war. Aber gesetzt auch, daß dieses nicht der Fall war, so ist der Süden doch nicht erobert, so lange wir den Krieg in den Carolinas fortsetzen können. Dies ist meine Meinung und ich gestehe, daß, wenn es von mir abhinge, ich meine Abreise nach dem Süden keine vierundzwanzig Stunden aufschieben würde und daß ich es sehr bedaure, daß ich alle nothwendigen Artikel nicht so rasch, wie ich wünsche, zusammen bringen kann.

Ich habe Gewehre, aber keine Patrontaschen. Heute erwarte ich etwas Munition und etliche Decken, Schuhe und Hemden. Das ist Alles, was ich vom Staate hoffen kann. In vier bis fünf Tagen denke ich marschfertig zu sein. Ich habe vor, den Roanoke an zwei Punkten zu überschreiten; die Truppen werden wahrscheinlich bei Taylor's Ferry übersetzen und die Bagage etwas höher. Ich bin so fest überzeugt, daß mein Erscheinen auf der andern Seite des James River dem Lord Cornwallis störend sein wird, daß ich äußerst ungeduldig bin, fort zu kommen.«

Am 26. Mai berichtete Steuben, vom Albemarle Courthouse an Greene, daß er nach dem Süden aufzubrechen im Begriff stehe. »Ihren Befehlen gemäß,« – sagt er Greene's Man.-Pap. – »bin ich seit dem 21. hier, sammle die Rekruten und rüste sie zum Marsche aus. Gegen 550 sind jetzt zusammen, und morgen erwarte ich noch 60 dazu. Mehr werde ich wahrscheinlich nicht aufbringen können, außer etwa 30 von Armand's Corps, die ich zu equipiren bemüht bin. Die Gewehre von Philadelphia erwarte ich heute; es fehlen aber die Patrontaschen. Indessen habe ich noch einige alte und einige hoffe ich ferner von Fredricksburg zu erhalten. Die Verwirrung, in der sich Alles in diesem Staate befindet, macht es mir außerordentlich schwer, die nothwendigen Artikel aufzutreiben; aber seien Sie versichert, mein lieber General, daß nichts unterlassen werden soll, um meinen Abmarsch zu beschleunigen. Ich werde nicht auf Röcke warten, sondern wünsche nur Schuhe, Ueberzieher, Hemden und Decken. Trotzdem werde ich glücklich sein, wenn ich am 4. oder 5. Juni von hier fortkommen kann ... Ich muß Sie bitten, zu bestimmen, auf welchem Wege ich zu Ihnen stoßen soll.«

Steuben beabsichtigte inzwischen die Magazine des Staates in bessere Sicherheit zu bringen, bis seine Leute so weit wären, um ihren Marsch beginnen zu können. Er hoffte zugleich noch auf einen neuen Brief von Greene, da dieser, als er seinen letzten vom 1. Mai schrieb, noch nichts von Cornwallis' Zuge nach Virginien und von seiner Vereinigung mit Arnold wußte und da sich der Stand der Dinge im Staate seit dieser Bewegung sehr geändert hatte.

Doch von Greene kamen keine neuen Befehle, der Feind hatte sie aufgefangen.


 << zurück weiter >>