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Siebenzehntes Kapitel

Während in den Jahren 1779 und 1780 sich die beiden feindlichen Armeen beobachtend und unthätig im Norden gegenüber standen, war der Krieg im Süden mit Erbitterung und wechselndem Erfolge geführt worden. Schon Ende 1778 hatte Clinton eine Expedition nach Georgien gesandt, Savannah genommen und einen Theil seiner Truppen in Georgien und Süd-Carolina gelassen. Der Besitz dieser Staaten war für die Engländer von der äußersten Wichtigkeit, weil er bei deren natürlichem Reichthum an Lebensmitteln und Fourage gute Vorrathskammern abgab, den Amerikanern einen großen Theil ihrer Anfuhren abschnitt und ihrem Einfall in Florida vorbeugte. Den Streif- und Verheerungs-Zügen, welche die Engländer in's Innere unternahmen, setzte die heiße Jahreszeit bald ein Ende. Beim Eintritt des Winters 1779 bis 1780 schiffte sich Clinton indessen selbst nach dem Süden ein und belagerte zu Anfang 1780 Charleston, das sich schon im Mai unter Lincoln übergeben mußte. Dieser Erfolg der Engländer hatte die Unterwerfung von ganz Süd-Carolina zur Folge. Cornwallis, dem Clinton bald nach der Einnahme Charleston's das Commando übergeben hatte, drang nun ungehindert in's Land vor, und stand seinem Marsche bis Virginien kein Hinderniß entgegen, wenn der Kongreß nicht sofort eine neue Armee und einen neuen tüchtigen Feldherrn zur Unterwerfung der bedrängten südlichen Staaten absandte. Bei dieser drohenden Gefahr waren die Augen der Mehrheit des Kongresses auf Gates gerichtet. Obgleich der glänzende Erfolg, der ihm bei Saratoga geworden, weniger sein Verdienst war, als das seines Vorgängers im Commando, des Generals Philipp Schuyler, so wurde er doch, wie das in ähnlichen Fällen gewöhnlich geschieht, Gates ausschließlich angerechnet, und da sich seitdem nichts ereignet hatte, das seinen so leicht erworbenen Ruhm hätte schmälern können, so galt er allen als ein, Washington wenigstens ebenbürtiger, Vielen sogar als ein ihn überragender General. Ohne deshalb nur des Obergenerals Ansicht zu hören, wurde Gates sofort zum Oberbefehlshaber der südlichen Armee ernannt. Er eilte voller Hoffnung auf neue Triumphe an den Ort seiner Bestimmung. Hier glaubte er seines Erfolges so sicher zu sein, daß er den guten Rath erfahrenerer Offiziere, wie des Generals von Kalb, nicht achtete und einem an Truppenzahl und persönlichen Talenten so sehr überlegenen Gegner wie Cornwallis gegenüber die Entscheidung des ganzen Feldzuges von einer einzigen Schlacht abhängig machte. So wurde Gates am 16. August 1780 bei Camden völlig geschlagen, der tapfere v. Kalb tödtlich verwundet, die amerikanische Armee vernichtet, die Miliz, namentlich die Virginische, in schimpfliche Flucht getrieben und der ganze Süden der Verwüstung durch Lord Cornwallis preisgegeben.

In dieser kritischen Lage der Dinge hing Alles von der Wahl von Gates Nachfolger ab. Der Congreß traute jetzt seinem Urtheil nicht so unbedingt mehr, und überließ Washington dessen Anstellung. Dieser traf eine in jeder Beziehung glückliche Wahl in Nathanael Greene, dem fähigsten, genialsten und zugleich edelsten und energischsten Generale der Revolution, der sich auf diesem großen, seinen Talenten und seiner Kühnheit eröffneten Felde unsterbliche Lorbeeren errang. The life of Nathaniel Greene, Major General in the Revolutionary Army by his grandson. G. W. Greene. Boston 1847.

Greene's Ruf war zu jener Zeit schon fest begründet. Als der treue Freund Washington's und dessen vertraute Stütze, hatte er an dessen Seite einen hervorragenden und ehrenvollen Antheil an den bisherigen Feldzügen genommen. Geboren im Jahre 1742 in Rhode Island, als der Sohn eines unbemittelten Müllers und Schmiedes, der zugleich Quäkerprediger war, hatte Greene so gut als gar seinen Schulunterricht genossen. Was er war und wurde, verdankte er nur sich selbst, seinem begeisterten und ehrlichen Streben. Während er am Tage durch seiner Hände Arbeit am Pfluge oder in der Schmiede seinen Lebensunterhalt verdiente, benutzte er seine Nächte dazu, sich herauf zu arbeiten und heran zu bilden. Seinem Wissensdurste war kein Ziel unerreichbar. Geschichte und Mathematik waren seine Lieblingsstudien; Cäsar und Plutarch seine liebsten Schriftsteller. Beim Ausbruch des Zwistes mit England stand der junge enthusiastische Greene natürlich auf Seiten der Colonien. Er hatte in seinem engen Kreise schon eine große persönliche Bedeutung gewonnen und ward im Jahr 1770 in die gesetzgebende Versammlung von Rhode Island gewählt. Als der Kampf unvermeidlich geworden war, warf er sich mit großem Eifer auf das Studium der Kriegswissenschaften. Bald nach dem Gefechte bei Lexington sammelte sich die Miliz von Rhode Island, und Greene führte als Brigade-General dieser Colonie seine 1600 Mann in's Lager vor Boston, wo er einige Monate später in derselben Eigenschaft in die Vereinigte Staaten- (Continental-) Armee aufgenommen wurde.

Washington sagt in der Greene gemachten Anzeige von seiner Ernennung und in den ihm gegebenen Instruktionen lt. A. Folgendes Washington's Writings by Jared Sparks VII. pag. 272 und 276.

»Ich beabsichtige zu gleicher Zeit, den Baron Steuben in den Süden zu senden. Durch sein Talent, seine genaue Kenntniß des Dienstes, seinen Eifer und seine rastlose Thätigkeit wird er sich Ihnen in jeder Beziehung nützlich machen, besonders aber in der Ausbildung der rohen Truppen, aus denen die Virginische Armee hauptsächlich bestehen wird, Ihnen unschätzbare Dienste leisten. Sie werden ihm ein seinem Range angemessenes Commando geben und ihn zugleich als General-Inspektor verwenden. Falls der Congreß damit einverstanden ist, wird er Ihre Befehle in Philadelphia entgegen nehmen.«

In einem zu Preakneß am 22. October 1780 geschriebenen Briefe setzt Washington in der schmeichelhaftesten Weise Steuben von seiner Ernennung in Kenntniß. Washington's Writings by Jared Sparks VII. pag. 272 und 276. »Obgleich ich sehr gut fühle,« – sagt er – »wie sehr wir Ihrer Dienste in unserer nächsten Nähe bedürfen, so sind Sie doch noch unumgänglicher im Süden nöthig, wo erst eine Armee geschaffen und formirt werden muß. Da ich nun überzeugt bin, daß Ihre Neigung Sie dahin führt, wo Sie am nützlichsten sein können, so habe ich dem Congresse empfohlen, Sie mit dem General Greene zur südlichen Armee zu senden. Sollte der Congreß meinen Vorschlag billigen, so wollen Sie sich vom General Greene Ihre weiteren Befehle erbitten und möglichst schnell abreisen. Ich hoffe, daß inzwischen ihr Departement zu Ihrer Zufriedenheit regulirt worden ist. Es wird während Ihrer Abwesenheit uns noch viel nothwendiger und unentbehrlicher werden als es bisher war. Sollte aber in dieser Angelegenheit nichts gethan sein, so lassen Sie sich dadurch nicht von Ihrer Reise abhalten und seien Sie versichert, daß, wo Sie auch sein mögen, meine besten Wünsche für Ihren Erfolg und Ihr Glück Sie begleiten.«

Der Congreß genehmigte in seiner Sitzung vom 30. October 1780 die vom Obergeneral erfolgte Ernennung des Generals Greene für die südliche Armee, trat dessen Ansicht bei, daß die Talente und Dienste des Generals und General -Inspektors Baron Steuben im südlichen Departement sehr nützlich sein würden und wies diesen an, sofort dahin abzugehen.

Greene und Steuben waren alte Freunde. Sie hatten sich einander in Valley Forge genähert, wo dieser in seinen Reformen von jenem unterstützt wurde. Greene hatte gleich von Steuben's Eintreffen an dessen Bedeutung für die Armee erkannt und war fortan der aufrichtige und beredte Vertheidiger von dessen System; Steuben lieh Greene in seinem neuen Amte als General-Quartiermeister seinen Rath und Beistand. Beide arbeiteten auf einander nahe verwandten Gebieten und hatten hier Gelegenheit sich genau kennen und hoch schätzen zu lernen. Steuben stellte sich daher mit Freuden unter den Befehl seines alten Freundes, mit welchem ihn gleicher Diensteifer und gleiche Neigungen verbanden. Ihr Verhältniß erhielt sich während des ganzen Feldzuges rein und ungetrübt und bildet einen erfreulichen Gegensatz zu den mannichfachen Chicanen und Eifersüchteleien, mit denen sich andere Generale oft ihren Beruf verbittern.

Steuben traf die Vorbereitungen zu seiner Reife zu Ende October in Philadelphia und verließ diese Stadt Anfangs November in Gemeinschaft mit Greene, dessen Gefolge aus seinen zwei Adjutanten, Major Buntet und Oberst Morris bestand, während Steuben seinen Adjutanten B. Walker und Sekretair Duponceau mit sich nahm. »Wir brachten« – sagt der letztere Duponceau's M. S. Lettres No. XI. vom 9. September 1837. – »wenn ich mich recht erinnere, die erste Nacht in Ehester zu. General Greene hatte einige Geschäfte mit den Gouverneuren von Delaware und Maryland abzumachen, wir trennten uns daher von ihm im Staate Delaware und verfolgten unsere Reise nach Richmond. Unterwegs stattete Baron Steuben der Frau des Generals Washington einen Besuch in Maunt Vernon ab. Wir wurden dort sehr herzlich empfangen und zum Mittagessen eingeladen. Das äußere Ansehen des Hauses machte auf den Baron keinen günstigen Eindruck. Wenn Washington, sagte er, kein besserer General als Architekt wäre, so würden die Angelegenheiten Amerika's schlecht stehen. Das Haus mochte zu jener Zeit als schön und vielleicht als elegant gelten; aber das Beste, was jetzt davon gesagt werden kann, ist daß es eine ganz bescheidene Wohnung war und im Einklang mit den Vorstellungen stand, die wir von Cincinnatus und den übrigen großen Feldherren der Römischen Republik haben. Im Innern des Hauses fanden wir nur ein Empfangs- und ein Speise-Zimmer, die durch einen Gang von einander getrennt und anständig, aber keineswegs luxuriös meublirt waren. Bei Tische befand sich in Gesellschaft der Frau Washington eine junge Dame, eine Verwandte, Namens Custis wenn ich nicht irre. Die Tafel war reichlich, aber keineswegs verschwenderisch besetzt.

Greene kam etwa Mitte November in Richmond an und ging nach kurzem Aufenthalte daselbst weiter in den Süden. »Die Noth und Leiden der Bewohner von Nord- und Süd-Carolina« – schrieb er am 20. November an Jefferson Greene's Manuscript-Briefe. – »müssen so schnell als möglich gelindert werden, um jenen Unternehmungsgeist aufrecht zu erhalten, durch den sie sich kürzlich so rühmlich hervorthaten. Es ist viel leichter, dem Feinde in jenem Staate Widerstand zu leisten, so lange der Strom der öffentlichen Meinung für uns ist, als es möglich sein wird, Virginien zu schützen, sobald es vom Feinde besetzt ist, ein Ereigniß, welches für das Glück und die Unabhängigkeit Amerika's ganz verhängnißvoll werden müßte.« Greene war zu gleicher Zeit ein zu guter General, um nicht sofort einzusehen, daß sein Erfolg im Süden vor Allem vom Stande der Dinge in Virginien abhing, daß, wenn dieser sich dort nicht besserte, er die Erwartungen nicht erfüllen konnte, die man allgemein von seiner Uebernahme des Commando's hegte. Wollte er die beiden Carolinas wieder erobern, so mußte er sich auf Virginien verlassen können, da es seinen Rücken zu decken und zu sichern und ihm die nothwendigen Mittel für die Fortführung des Krieges zu liefern hatte.

Greene rechnete für diesen Fall auf Steuben und ließ ihn deßhalb als Commandirenden in Virginien mit der Weisung zurück, ihm Verstärkungen und Zufuhren jeder Art nachzusenden. Am 20. November 1780, ehe er von Richmond nach Hillsborough abreiste, gab er ihm folgende Instruktionen: Steuben's Man.-Pap. Bd. III.

»Da der Feind noch in der Chesapeake-Bai und es noch ungewiß ist, ob er diesen Staat verlassen wird oder nicht, so übertrage ich Ihnen das Commando in Virginien. Ich habe ein so unbedingtes Vertrauen in Ihre Fähigkeiten und Erfahrung, daß ich Ihnen keine ins Einzelne gehende Instruktion gebe, weßhalb es Ihnen frei steht, je nach der Lage der Dinge zu thun und zu lassen, was Ihnen gut dünkt. Sie werden so bald als möglich eine Uebersicht über die Streitkräfte, so wie über die verschiedenen Truppentheile ausstellen, welche der Staat jetzt auf den Beinen hat, die Länge der Dienstzeit genau angeben und mir diese Uebersicht, mit den erforderlichen Bemerkungen begleitet, zustellen. Es ist ebenfalls mein ernster Wunsch, daß Sie möglichst schnell alle zur Linie des Staates Virginien gehörende Offiziere sammeln und mir die Namen und Anzahl Derer, welche im Dienst bleiben werden, einsenden. Die Beschlüsse des Congresses mögen Ihnen in diesem Punkte als Leitfaden dienen. Ferner ersuche ich Sie, den Zustand aller öffentlichen Vertheidigungs-Werke und Magazine zu prüfen, welche den Bereinigten Staaten in Virginien gehören, auch mir einen genauen Bericht aller der Artikel einzusenden, welche Eigenthum der verschiedenen Departements sind. Das Amt des General-Quartiermeisters in diesem Staate ist vollständig in Verfall gerathen und nicht einmal ein Unterquartiermeister angestellt. Sie werden unverzüglich den Gouverneur zur Ernennung eines geeigneten Mannes für diesen Posten veranlassen und dem Neuangestellten Anweisung geben, sowohl Proviant und Fourage einzulegen, als die von Norden kommenden Vorräthe durch den Staat nach Süden zu befördern. Diese gehen nämlich von Philadelphia über Lancaster, York, Frederick in Maryland und Fredericksburg in Virginien. Dies ist eine Angelegenheit von der äußersten Wichtigkeit, die Ihre unmittelbare Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen muß. Man sagt mir, daß eine große Anzahl Waffen in Virginien beschädigt ist, daß aber der größte Theil davon leicht reparirt werden kann. Da für diesen Artikel ein bringender Bedarf existirt, der sich noch vermehren wird, sobald die im Staate auszuhebenden Rekruten eintreffen; so wird es höchst wichtig für den Dienst, sich über einen Plan zur Ausbesserung der Waffen zu verständigen. Sie werden deßhalb, da diese Staatseigenthum sind, mit dem Gouverneur über die besten Maßregeln zu ihrer Reparatur übereinkommen.

Es ist mein Wunsch, daß das Infanterie- und Cavallerie-Corps des Obersten Lawson sofort zur südlichen Armee marschirt; Sie werden darum die entsprechenden Befehle geben, nachdem Sie vorher mit dem Gouverneur festgesetzt haben, ob sie oder ob sie nicht unter dem Befehle der Vereinigten Staaten (des Continents) stehen sollen.

Stellen Sie sofort einen Offizier an, der den Rekrutirungs-Dienst im Staate überwacht und weisen Sie ihn an, daß er die Rendezvous-Plätze bestimmt, wo die Rekruten sich versammeln. Oberst Davies scheint mir für diesen Dienst ganz die geeignete Persönlichkeit zu sein. Ich werde Ihnen eine Abschrift der an den Staat gemachten Requisition zurücklassen und bitte Sie, daß Sie auf sofortige Annahme derselben dringen. Sie werden dem Congreß und Kriegsrath über die Lage der Dinge, so wie über unsere Aussichten auf Zufuhren von Montirungen und Transportmitteln Bericht erstatten.

Sobald Major Lee's Corps hier ankommt, werden Sie dasselbe ohne Zeitverlust zur südlichen Armee beordern.

Ich bin mit dem Zustande des schweren Geschützes in diesem Staate ganz unbekannt. Ich bitte Sie deßhalb, sich an den Obersten Harrison zu wenden, welcher die Artillerie in der südlichen Armee commandirt, und von ihm eine Aufstellung über den Stand der Artillerie und des schweren Geschützes in den südlichen Staaten einzufordern, wovon Sie mir dann eine Abschrift mittheilen wollen. Ich bitte Sie schließlich, mir so oft als möglich Nachrichten von Ihnen und eine Uebersicht über den Stand und Fortgang der öffentlichen Angelegenheiten zukommen zu lassen.«

Die Steuben zugetheilte Aufgabe war somit eine äußerst schwierige und verantwortliche, namentlich der Theil derselben, der ihn anwies, so viel als möglich Zufuhren und Verstärkungen aus Virginien in den Süden zu senden. So sehr ihn auch gesundes Urtheil, richtiger Takt und große militärische Erfahrung zur tüchtigen Erfüllung dieses Zweiges seines Berufs befähigte, so mußte er doch seiner Natur nach unvermeidlich zu Conflikten mit der Regierung des Staates Virginien führen. Steuben befand sich daher in einem sehr unangenehmen Dilemma; er mußte entweder dem Staats-Gouvernement gefallen und die allgemeinen Interessen vernachlässigen, oder den letzteren dienen und unfehlbar den Haß des Staates und seiner Behörden auf sich ziehen. Es bedarf wohl kaum der Erwähnung, daß Steuben die letztere Alternative wählte und lieber seine Popularität opferte. So bereitwillig auch Anfangs seinen Eingaben und Anforderungen entsprochen wurde, so war die Natur der gegenseitigen Beziehungen zwischen dem commandirenden General und den Staats-Beamten doch derartig, daß sie im Laufe der Zeit einander überdrüssig wurden, und daß der Gouverneur die Interessen des Staates oft für gefährdet hielt, wenn er den von Steuben im Interesse des öffentlichen Wohles gestellten Forderungen nachkam.

Alle späteren Verwickelungen Steuben's mit der Staats-Regierung ergeben sich aus dieser von vorn herein schiefen Stellung von selbst. Man hat ja von verschiedenen Standpunkten ausgehend, einseitig die Exekutive und Legislative und eben so einseitig Steuben gelobt und getadelt, oder von dem Einen die Last der Vorwürfe auf den Andern geladen. Allein mit Unrecht! Steuben war in Virginien, um die Interessen des ganzen Continents wahrzunehmen und zu schützen, er betrachtete daher den Staat bloß als ein untergeordnetes Mittel zur Förderung und Erreichung dieses höheren Zweckes; der Staat aber sah sich als Selbstzweck an und hatte, wenn auch guten Willen, doch nicht immer Einsicht genug, um die Nothwendigkeit der durch die Umstände gebotenen militärischen Maßregeln zu erkennen. Er glaubte sich mehr als einmal geopfert und übervortheilt, wenn Steuben im Interesse der südlichen Armee, ja des ganzen Südens und der ganzen Union über die Kräfte des Einzelstaates verfügte, er erblickte eine Anmaßung von Befugnissen und Ueberschreitung von Vollmachten in den Befehlen des commandirenden Generals, die allerdings oft gegen die landesüblichen Begriffe von Freiheit und Unabhängigkeit verstießen, indessen stets im Interesse des Ganzen geboten waren. Ein Krieg auf demokratische Prinzipien hin geführt ist ein Unsinn, ein Widerspruch in sich selbst, und wenn irgend ein Volk für alle Zeiten den Beweis für die Ungereimtheit dieser Ansicht liefert, so sind es die Amerikaner. Sie errangen erst dauernde Erfolge, als ihre Armee sich disziplinirte, d. h. gehorchen und sich unter den absoluten Willen des Obergenerals zu beugen gelernt hatte. Allerdings mochte Steuben mit seinen altpreußischen Anschauungen und Begriffen von striktem Gehorsam für die amerikanischen Verhältnisse oft zu weit gehen und persönlich verletzen; allein wenn er hie und da einen Mißgriff beging, so geschah es aus Eifer für das Wohl des Ganzen und stand in keinem Verhältniß zu seinen übrigen Verdiensten. Andererseits geht hier die Parteileidenschaft so weit, daß sie den damaligen Gouverneur Jefferson anklagt, daß er für die Vertheidigung des Staates zu wenig gethan habe. Auch diese Anschuldigung ist falsch und würde gewiß nie erhoben sein, wenn Jefferson nicht später eine so große politische Bedeutung erlangt hätte. Er that, so viel er konnte und vom Kriege verstand und kam allen Requisitionen Steuben's nach, so lange es in seiner Macht stand; allein so energisch und thätig er war, so konnte er doch die von der Bevölkerung des Staates ihm in den Weg gelegten Hindernisse nicht überwinden. Das Uebel, woran ganz Virginien litt und zu Grunde zu gehen drohte, war eine gränzenlose Unordnung, eine in allen Klassen herrschende Zuchtlosigkeit, eine ins Unglaubliche gehende Verschleuderung und Verwüstung aller Hülfsmittel. Der Zustand, den Steuben bei seiner Ankunft in Valley-Forge vorfand, herrschte in vergrößertem Maßstabe in Virginien. Nicht daß der Staat und seine Einwohner anfangs nichts thaten und opferten, sie thaten Alles zur unrechten Zeit, ohne Controlle und System und schadeten damit meistens mehr, als sie nützten. Alles ging wild durcheinander. Disziplin war nirgends zu finden; es wurde veruntreut und verschwendet, geraubt und gestohlen. Die natürliche Folge dieser Verwirrung war, daß bei der Nutzlosigkeit der bisherigen Anstrengungen die Bewohner des Staates in ihrem Eifer erkalteten, über dem persönlichen Elend die allgemeine Noth vergaßen, verbargen was sie hatten, zu keinem Opfer mehr zu bewegen waren, und sogar den Mann, der erst Ordnung in dies Chaos bringen sollte und wollte, als ihren Gegner ansahen und sich Steuben's Anordnungen, wo sie nur konnten, entzogen.

Wir werden im Laufe unserer Darstellung noch oft auf diese Zustände zurückkommen, weil ihre Kenntniß zum Verständniß des langen Ganges des Krieges im Süden unerläßlich ist.

Was nun das Verhältniß Steuben's zu Jefferson betrifft, so sei gleich hier bemerkt, daß, so oft sie auch in ihren Maßregeln und Forderungen aus Zweckmäßigkeitsgründen auseinander gingen, sie doch persönlich einander anerkannten und hochschätzten. Steuben suchte die Ursache der einzelnen Verzögerungen und Fehler der Regierung nicht im Gouverneur, sondern in der langsamen Legislative und in dem Mangel an Enthusiasmus in der Bevölkerung. Jefferson dagegen erblickte in Steuben nicht den polternden, eigenwilligen, sondern für das Wohl seines Vaterlandes besorgten und sich redlich abmühenden General und bewahrte Steuben seine freundliche Gesinnung bis an dessen Ende.

Um jedoch den Faden unserer Erzählung wieder aufzunehmen, so kam es Greene vor Allem darauf an, sich gegen das Vorrücken des Lord Cornwallis nach Nord-Carolina zu sichern, weßhalb er wiederholt in Steuben drang, Lawson's Corps unverzüglich zu seiner Verstärkung in den Süden abzuschicken. Lawson indessen machte trotz der Anweisung Steuben's und der Befehle des Gouverneurs keine Anstalten zum Abmarsche. Er kam zwar schon am 26. November in Richmond an, meldete sich aber erst am 28. bei Steuben. Laut seinen Listen bestand sein Corps aus 378 diensttüchtigen Leuten. Steuben befahl sie auf den 30. November zur Revue und beabsichtigte, sie am 1. Dezember zur südlichen Armee abzusenden. Er besichtigte das Corps wirklich am 30. November in Petersburg, fand jedoch nur 57 Mann Cavallerie und 280 Mann Infanterie, denen er Befehl gab, am nächsten Morgen auszurücken. Hier erklärte Lawson indessen Steuben, daß durch die gesetzgebende Versammlung des Staates ein Beschluß passirt wäre, wonach seine, bloß für drei Monate angeworbenen Leute, in Petersburg entlassen werden sollten. Am folgenden Tage sandte der Gouverneur den Beschluß wirklich an Steuben, der sich vergebens bemühte, die Leute für eine längere Zeit im Dienste zu halten; sie waren alle von dem Wunsche beseelt, möglichst bald nach Hause zurückzukehren und konnten nicht bewogen werden, auch nur einen Tag länger zu bleiben, geschweige denn aus dem Staate zu gehen. Steuben fragte darauf den Obersten und Lawson über ihre Meinung, ob die Leute unter ihrem gegenwärtig noch nicht abgelaufenen Engagement sich zum Abmarsch verstehen würden; wurde indessen bedeutet, daß sie es nur mit Widerstreben thun und haufenweise desertiren würden. Unter diesen Umständen freilich mußte Steuben in ihre Entlassung willigen. Steuben's Brief in den Papieren Greene's

»Ich kann Sie versichern« – sagt er in seinem Privatschreiben vom 4. Dezember 1780 an Greene – »daß Sie nicht zu bedauern brauchen, daß das Corps nicht zu Ihnen stößt, denn es würde Ihnen bei seinem Mangel an Disziplin, an Waffen und allem Nöthigen, so wie bei dem baldigen Ablauf seiner Dienstzeit von nur geringem Nutzen gewesen sein.«

»Es thut mir im Ganzen nicht leid« – antwortete Greene am 28. Dezember 1780 vom Pedee Greene's Manuscript-Briefe. – »daß General Lawson's Corps nicht hierher marschirte; es würde mir wenig Dienste geleistet haben, da seine Dienstzeit zu kurz war. Ihr Bericht über die Offiziere der Virginischen Linie erregt nicht im Mindesten mein Erstaunen. Sie sind bisher zu sehr vernachlässigt worden, und hat man ihnen deshalb nachgesehen, daß sie so viel nach Hause gingen, bis sie zuletzt alles Pflichtgefühl und allen Sinn für Disziplin verloren haben. Der Staat schätzt entweder ihre Dienste zu gering oder hat nicht die Mittel, seine Offiziere zu unterhalten. Sie sind entweder arm oder zu tadeln; welches von beiden der Fall ist, bin ich hier nicht im Stande zu entscheiden. Sie müssen indessen eine Sprache zum Staate und eine andere zu den. Offizieren reden. Der Staat muß gedrängt werden, sie mit dem Nöthigen zu versehen, und die Offiziere müssen gehorchen. Unsre Streitmacht ist so gering und so schlecht ausgerüstet, daß es von der größten Wichtigkeit und durchaus nöthig für uns ist, daß die Verstärkungen sobald als sie nur ausgerüstet werden können, zu uns stoßen, um so mehr, als der Feind jüngst eine bedeutende Verstärkung erhalten hat, während unsere Kräfte getheilt sind.«

Steuben that was er konnte, um Greene's Wünsche zu erfüllen und die Staatsregierung zur Absendung einer ansehnlichen Streitmacht zu veranlassen; indessen drang er mit seinen Vorstellungen nicht durch. »Statt dem General Greene die erwarteten Verstärkungen zu senden,« – schreibt er am 27. November 1780 an Gouverneur Jefferson Steuben's Manuscript-Papiere Bd. IV. – »haben wir eine Anzahl Corps im Staate und an Orten zerstreut, wo sich seit acht Tagen kein Feind gezeigt hat; wir zehren auf diese Weise nicht allein unsere geringen Vorräthe auf, sondern setzen Greene mit seiner geringen Truppenzahl den Angriffen der ihn an Zahl bedeutend überlegenen Engländer aus.«

Die Generale Mühlenberg, Weedon und Nelson standen immer noch an der Spitze selbständig operirender kleiner Corps, deren Unterhalt von Tag zu Tage kostspieliger und überflüssiger wurde, nachdem Leslie am 25. November 1780 den Staat verlassen und Mühlenberg in Steuben's Auftrag die Festungswerke von Portsmouth zerstört hatte. »Ich finde« – schreibt Greene am 27. November 1780 Greene's Manuscript-Brief. an Steuben – »meine Befürchtungen wegen Virginiens bestätigt: die zahlreiche bei den Fahnen gehaltene Miliz hat beinahe das ganze Land ausgesogen. Wenn man mit dieser Politik fortfährt, so muß es innerhalb kurzer Zeit durchaus unmöglich werden, hier einen regulären Truppenkörper zu unterhalten, der hinreichend wäre, dem Staate Schutz und Sicherheit zu gewähren. Die Ausgaben, welche aus dieser planmäßigen Vertilgung der verschiedenen Vorräthe erwachsen, sind beinahe unglaublich. Man sagt mir, daß seit dem letzten Frühjahr allein zwölf Millionen Dollars in dieser unnützen Art ausgegeben sind. Ich hoffe, daß Virginien endlich diese, seine Hülfsquellen zerstörende Politik aufgeben wird, und erlaube mir, sowohl dem Gouverneur als Ihnen dringend zu empfehlen, daß Sie keinen Mann mehr im Felde halten, als unumgänglich nöthig ist, um den Staat vor den Verwüstungen des Feindes sicher zu stellen.«

Steuben theilte und würdigte Greene's Befürchtungen und legte dessen Wünsche dem Gouverneur vor. Er schlug ihm vor, sofort alle diejenigen Milizen zu entlassen, welche nicht für den Süden bestimmt wären; indessen kostete es lange Zeit, ehe er mit seinen Vorstellungen durchdrang. Es war selbst unmöglich einen genauen Bericht über die Dienstzeit und Zahl der Truppen zu erhalten, welche der Staat auf den Beinen hatte. Als sie endlich entlassen wurden, waren die Waffen und sonstigen Artikel, mit welchen sie bei ihrem Eintritt in den Dienst versehen worden, entweder verloren oder stark beschädigt.

»Je schwieriger es ist« – schrieb Steuben am 18. Dezember 1780 an Washington Steuben's Manuscript-Papiere in Utica (Copierbuch). – »unsre Armee zu rekrutiren, desto nothwendiger wird es, die Mißbräuche abzuschaffen, welche die Verminderung der Zahl unserer Bataillone im Gefolge hat. Auf Grund der Befehle Ew. Exzellenz sind bereits viele Mißbräuche dieser Art in der nördlichen Armee beseitigt, allein in der südlichen wuchern sie noch ungehindert fort, untergraben alle militärische Ordnung und sind in der Virginischen Linie auf die Spitze getrieben. Während dieser Staat nur eine Handvoll Leute im Felde hat, wird er von Offizieren und Soldaten durchzogen, die unter verschiedenen Vorwänden nie zu ihren Regimentern stoßen, während der ganzen Zeit Sold und Rationen beziehen und im ganzen Lande Exzesse begehen, ohne den mindesten Dienst zu leisten. Seit die Virginische Linie zur südlichen Armee detachirt ist, war sie nie regelmäßig formirt; nein seit ich mich in den Vereinigten Staaten befinde, hat sie nie eine Formation gehabt. Ew. Exzellenz werden sich wohl erinnern, daß in Valley Forge die Brigaden von Woodford und Scott nur aus ein paar Soldaten und Offizieren bestanden, die ohne jeden Compagnie- oder Regiments-Unterschied confus durcheinander gewürfelt waren. Daher rührt denn auch das Uebel, das den Ruin jedes Corps zur Folge hat. Die Offiziere kümmern sich nicht um ihre Soldaten und diese kennen kaum die Offiziere, welche sie befehligen.« Diese Vernachlässigung Seitens der Letzteren nahm in Virginien noch mehr überhand.

Um wenigstens einen Anfang mit den Truppensendungen an General Greene zu machen, beschloß Steuben zunächst die 400 besten Leute aus Mühlenberg's Corps auszusuchen, das zu jener Zeit aus etwa 900 Mann bestand, und sie sofort unter dem Kommando des Obersten Green zur südlichen Armee abzuschicken. »Bei Ausführung dieses Planes« – schreibt Steuben am 4. Dezember 1780 an General Greene Greene's Man.-Papiere. – »ereignete sich ein Vorfall, der mir ganz außerordentlich erscheint. Gestern wurde mir ein von den Offizieren unterzeichnetes Papier eingehändigt, worin sich diese über ihre und der Soldaten schlechte Behandlung Seitens des Staates beklagen und fortfahren, daß wenn nicht irgend etwas für sie geschähe, sie auch nicht marschiren würden. Sie können sich denken, wie empört ich ob eines solchen Verfahrens war. Da die Adresse indessen nicht an mich gerichtet war, so hielt ich es für das Beste, keine andre Notiz davon zu nehmen, als mit dem General Mühlenberg über die Sache zu sprechen. Ich stellte ihm und den Obersten Harrison und Green die schlimmen Folgen dieses Schrittes vor; sie versprachen mir, mit den Offizieren darüber zu sprechen.«

Mühlenberg und die Obersten thaten denn auch, was in ihren Kräften stand, um Steuben's Wunsch nachzukommen und erreichten durch ihren Einfluß auf Offiziere und Soldaten, daß die ungebührliche Beschwerde und Drohung zurückgezogen wurde. So ward das Corps, das im Ganzen aus 456 Mann bestand, zur Vernunft gebracht. Mit Waffen, Kleidern und den nöthigen Ausrüstungsgegenständen versehen, marschirte es endlich am 13. Dezember in den Süden ab und nahm noch zehn leere Wagen und fünfundzwanzig Artillerie -Pferde für die südliche Armee mit. Der friedliche Weg, den Steuben einschlagen mußte, um diese Meuterei zu dämpfen, spricht nur zu deutlich für seine Hülfslosigkeit und die Unzulänglichkeit seiner Mittel.

Wir werden Mühlenberg später noch oft begegnen, da er unter Steuben in Virginien commandirte und während dieser Zeit in fast tägliche Berührung mit ihm kam. Johann Peter Gabriel Mühlenberg, The life of Major General Peter Mühlenberg of the Revolutionary Army by Henry A. Mühlenberg, Philadelphia 1849. geboren am 1. October 1746 in Trappe in Montgomery County im Staate Pennsylvanien, war eine Steuben verwandte, offene und biedere Soldaten-Natur und ein in jeder Beziehung tüchtiger und zuverlässiger Offizier, der sich vom Geistlichen zum General emporgearbeitet hatte. Sein Vater Heinrich Melchior Mühlenberg aus Eimbeck in Hannover, war im Jahr 1742 auf Veranlassung des Francke'schen theologischen Kreises in Halle nach Amerika gesandt worden, und wurde hier der Gründer der deutschlutherischen Kirche. Er war wohl der bedeutendste und einflußreichste Deutsche, der im vorigen Jahrhundert in Amerika einwanderte und erfreute sich sowohl bei seinen Landsleuten als bei den Amerikanern der größten Achtung und Anerkennung. Sein ältester Sohn Peter war ebenfalls zum Pfarrer bestimmt und wurde nach einer in den Bergen und Wäldern Pennsylvaniens verbrachten Jugend im Jahre 1763 zu seiner ferneren Ausbildung nach Halle a/S. gesandt. Der lebhafte frische und kräftige Junge paßte indessen schlecht für den ihm zugedachten Beruf. Er trieb sich lieber in Wald und Feld umher, als daß er auf den Schulbänken des Waisenhauses saß und war natürlich ein sehr schlechter Schüler. Etwas über ein Jahr hielt er es aus, da vergriff er sich thätlich an einem seiner Lehrer und lief vom Gymnasium weg. Er wählte den einzigen Ausweg, der sich ihm in der Noth bot: er trat in ein gerade durch Halle passirendes Dragoner-Regiment als Gemeiner ein. Von einem Freunde seiner Familie erkannt, wurde er auf dessen Verwendung nach kaum einjährigem Dienste vom Obersten wieder entlassen und kehrte, durch die eiserne Regiments-Disziplin der damaligen Zeit etwas mürbe gemacht, direkt nach Amerika zurück, wo ihm der Vater aus Freude über seine Rückkehr alle früheren Sünden vergab. Hätte Mühlenberg seiner eignen Neigung folgen dürfen, so würde er Jäger und Bauer geworden sein; er mußte sich aber dem Wunsche des Vaters fügen und Pfarrer werden. In dieser Eigenschaft wirkte er zuerst in Somerset County im Staate New-Jersey und später in Woodstock in Dunmore County in Virginien. Hier nahm er lebhaften Antheil an den ausbrechenden Streitigkeiten und Unruhen gegen England, trat in Verbindung mit den bedeutendsten politischen Männern des Staates, wie Patrik Henry und Washington und wurde Mitglied des Hauses der Bürger und der späteren Staats-Convention in Williamsburg. Als im Winter 1775/1776 die Feindseligkeiten in Virginien ausbrachen und sechs neue Regimenter zu den beiden bereits vorhandenen geschaffen wurden, ward Mühlenberg zum Obersten des achten ernannt. Von jetzt an wurde er ein eifriger Soldat. Als er Mitte Januar 1776 von seiner kleinen Gemeinde Abschied nahm und am Ende seiner Rede hervorhob, daß die Zeit des Kampfes gekommen, warf er seinen Talar ab, stand plötzlich in voller Uniform auf der Kanzel, befahl den Tambouren Marsch zu schlagen und ließ die Listen für die anzuwerbenden Rekruten auflegen. Fast 300 ausschließlich deutsche Gemeindeglieder drängten sich heran, ihre Namen einzuschreiben und folgten Mühlenberg's Fahnen. Dieses Corps zeichnete sich während des ganzen Krieges als das »Deutsche Regiment« durch seine gute Disziplin und Tapferkeit aus. Nachdem Mühlenberg das Jahr 1776 hindurch zum Schutze der südlichen Provinzen verwandt worden war, wurde er im Sommer 1777 zur Haupt-Armee commandirt, bei der er bis zum Winter 1779/1780 blieb, zu welcher Zeit er wieder nach Virginien beordert wurde, wo er bis zur Ankunft Steubens das Ober-Commando führte.

Dieser hatte jetzt die Absicht und Aufgabe, den Rest der regulären Truppen unter Mühlenberg – das einzige Continental-Corps in Virginien – zur südlichen Armee zu schicken, sobald er die erforderlichen Waffen, Kleider und Vorräthe für ihre Ausrüstung erhalten hätte und sobald als an ihrer Stelle die auszuhebenden Rekruten eingetroffen wären.

Die Legislatur von Virginien hatte nämlich bereits am 16. Oktober eine Aushebung von 3000 Mann ausgeschrieben, die zur Verstärkung der südlichen Armee abgehen sollten; allein bei der Erschöpfung des Staates an Menschen und Vorräthen und bei der Apathie der Einwohner war die Ausführung dieser Maßregel nicht so leicht und nur in sehr beschränktem Maßstabe möglich. Steuben stellte aber wenigstens in der Person des Obersten Wm. Davies einen tüchtigen Offizier in Chesterfield an, der die dort eintreffenden Rekruten sammeln, equipiren, diszipliniren und in den Süden schicken mußte, und errichtete zugleich daselbst zwei Magazine, eins für den Quartiermeister, ein anderes für die Lieferungen und Vorräthe des Feld-Commissairs, sowie endlich Baracken für wenigstens 300 Mann. Sobald 200 Mann zusammen und in der bestmöglichsten Weise equipirt wären, sollte Oberst Davies sie in vier Compagnien von je 50 Mann theilen und mit je zwei Offizieren für jede Compagnie zur südlichen Armee abschicken.

Indessen trafen leider so gut als gar keine Rekruten ein. Steuben befand sich deßhalb in großer Verlegenheit darüber, wie er die ihm im Wege stehenden Schwierigkeiten beseitigen und die Truppen nicht allein ausheben und vollzählig erhalten, sondern sie sogar mit Waffen, Kleidungsstücken und Lebensmitteln versehen sollte. Er selbst schreibt über seine und des Staates Lage am 8. Dezember 1780 an den Kriegsrath und General Washington: Steuben's Man.-Pap. in Utica (Copierbuch).

»Man fühlt hier die Verwirrung in den Finanzen empfindlicher als in irgend einem andern Theile des Continents. Alle Räder der Verwaltung sind gehemmt, der letzte Einfall des Feindes unter Leslie hat die Verwirrung vollendet. Die wenigen Artikel, welche sich sowohl in den Continental- als Staats-Magazinen fanden, sind ohne jede Ordnung unter die verschiedenen Freiwilligen-Corps und Milizen vertheilt worden. Obgleich ich die ausdrücklichsten Befehle gegeben habe, Alles zu sammeln, so fürchte ich doch, daß eine beträchtliche Zahl unwiederbringlich verloren ist. Fast alle Departements, das des General-Quartiermeisters an der Spitze, haben keinen Chef. Der exekutive Theil der Verwaltung wird höchst unzulänglich und bloß temporisirend geführt, während sich die Legislatur über gar kein System einigen kann. Sie debattirt jetzt über die Finanzen, allein das neue Arrangement der Armee ist noch gar nicht einmal in Betracht gezogen. Ich finde es durchaus unmöglich, Ihnen einen genauen Bericht über die Zahl der Truppen in diesem Staate zu geben. Ich habe unter den Befehlen des General Mühlenberg etwa 1100 Mann gefunden, wovon ein Theil auf achtzehn, ein anderer auf acht und ein dritter auf drei Monate engagirt ist; sie sind aber Alle fast nackt und möglichst schlecht bewaffnet. Außerdem waren die zerstreuten Ueberbleibsel von zwei Staats-Regimentern vorhanden, die aus 120 für die Dauer des ganzen Krieges angeworbenen Soldaten bestanden.

Nichts ist schwieriger, als die Offiziere des Staates in Uebereinstimmung mit der neuen Eintheilung der Armee zu vertheilen. Diejenigen, welche kürzlich ausgewechselt und die, welche noch Kriegsgefangene sind, die Offiziere ferner, welche zu den alten und die, welche zu den neuen Staats-Regimentern gehören, sie Alle haben verschiedene Ansprüche, welche endgültig zu entscheiden keine leichte Aufgabe ist. Es kann weder eine neue Eintheilung noch ein neues Arrangement stattfinden, als bis Offiziere und Mannschaften zur südlichen Armee abmarschirt sind. Ich werde deßhalb allen Linien-Offizieren sofort befehlen, sich in Chesterfield zu stellen, von wo sie ihre Detachements zur Armee abzuführen haben. Erst nachdem dies geschehen, kann in Uebereinstimmung mit den Befehlen des Congresses die neue Einrichtung Platz greifen.«

Dazu kam, daß Steuben keine Berichte aus dem Süden, wo nur noch das Regiment des Obersten Buford als das einzige reguläre Corps übrig geblieben war, über die Zahl der dort im Dienst befindlichen Virginischen Truppen erhielt und daß er in Folge dessen den Betrag der neu Auszuhebenden nicht bestimmen konnte. Der Congreß hatte ihre Gesammtzahl auf 6886 Mann festgesetzt, Ebendas. nämlich 5448 Mann Infanterie, 844 Mann Cavallerie, 544 Mann Artillerie und 50 Mann für Lee's Legion; allein es war sehr schwer, ja unmöglich, diesen Etat zu erfüllen. Einmal lief die Dienstzeit des größten Theils der in Charleston gefangen genommenen Truppen ab, ehe sie nur ausgewechselt werden konnten, es kam hier daher nur die kleine für die Dauer des ganzen Krieges angeworbene Zahl in Betracht; dann war die Mehrheit der Truppen für acht und achtzehn Monate engagirt und konnte deßhalb auf diese nur theilweise bei der neuen Einrichtung gerechnet werden. Von diesen waren, wie wir bereits oben gesehen, 400 Mann unter Green in den Süden gesandt; 600 hatten sich inzwischen in Chesterfield gestellt. Unter letzteren befanden sich viele Achtzehn-Monats-Leute, deren Dienstzeit schon halb abgelaufen war, ehe nur das neue Arrangement Platz greifen konnte. Die schlimme Folge dieses Systems war aber die, daß, indem man auf diese Leute rechnete, sie beständig ergänzen und daß man, sobald ihre Zeit vorbei war, neue Ziehungen veranlassen mußte, wodurch natürlich das Volk des Krieges immer überdrüssiger wurde. Um diese Uebelstände so viel als möglich zu beseitigen, schlug Steuben Mitte Dezember 1780 dem Gouverneur vor, die Einwohner des Staates in so viel Klassen einzutheilen, als Soldaten nöthig wären, diese Klassen in ihrem Vermögen einander möglichst gleich zu machen und eine jede derselben zu verpflichten, daß sie einen Mann für den Krieg während einer bestimmten Periode stelle. Wenn dies unterbliebe, so sollte Ziehung stattfinden und der in jedem dieser Fälle gelieferte Rekrut als der Repräsentant seiner Klasse betrachtet werden. Bei Desertion oder Tod müßte natürlich innerhalb eines Monats nach erfolgter Anzeige ein Stellvertreter gesandt werden, und sollte nur zur Belohnung der Tapferen, die auf dem Schlachtfelde geblieben, eine Ausnahme stattfinden, da es ungerecht wäre, eine Klasse für die Bravour ihrer Truppen leiden zu lassen. Die so Gebliebenen wären aus den freiwillig angeworbenen Rekruten des Staates, oder falls solche nicht vorhanden, durch eine allgemeine Ziehung zu ergänzen.

Allerdings wäre auf diese Weise Desertion vermieden und die Zahl der Truppen kriegstüchtig und vollzählig erhalten worden; allein die Staats-Regierung ging vorläufig nicht auf Steuben's Vorschläge ein und sanktionirte auf diese Weise die herrschenden Uebelstände. Ja sie ermuthigte dieselben noch, indem sie nach wie vor jedem Rekruten, blieb er auch nur ein paar Tage bei den Fahnen, ein Handgeld von 750 Pfund in Papier zahlte. Es war das bei dem Mangel jeder Controlle eine auf die Desertion gesetzte Prämie. Steuben beschränkte sich jetzt darauf, wenigstens dem schlimmsten Unfug, der Desertion der Truppen vorzubeugen und legte dem Gouverneur einen Plan vor, der von diesem genehmigt wurde und vor Allem eine ganz bestimmte Form der Dienstentlassung verlangte. Er beginnt also: Greene's Manuscript-Papiere. Dieser Plan ist mit großer Schrift in Plakatform gedruckt. »Bei der langen Dauer des Krieges ist es natürlich, daß die Schwierigkeiten und Ausgaben der Aufbringung von Soldaten sich vergrößern. Es sollte schon deßhalb jedes nur erdenkbare Mittel angewandt werden, um die Leute bei der Fahne zu halten, nachdem sie einmal eingestellt worden sind; alle dagegen sich geltend machenden Mißbräuche sollten ernstlich untersucht und diejenigen, die sie begehen, hart bestraft werden. Die stete Unvollständigkeit unserer Regimenter hat unter Anderm die schlechte Folge gehabt, daß sie einander einverleibt wurden und daß die Offiziere, um die man sich nicht weiter kümmerte, diejenige Anhänglichkeit an ihre Leute verloren, welche zu deren Erhaltung erforderlich ist. Ja es ekelte sie die Unbedeutendheit und Unbeständigkeit ihrer Commando's zuletzt völlig an und gaben sie in Folge dessen auf ihre Leute kein' Acht. Sie ließen dieselben gehen, wann und wie sie wollten, und bemühten sich nicht einmal, ihrer wieder habhaft zu werden, wenn sie von einer Krankheit wieder hergestellt waren. Sogar jeder Doctor ertheilte Urlaub und Entlassungen, wodurch eine Unzahl von Leuten dem Dienste verloren gegangen ist.«

Gegen Ende Dezember 1780 beschloß die Legislatur endlich, noch 3000 Mann theils für den ganzen Krieg, theils für nur 18 Monate auszuheben, um die Linie des Staates auf den in der neuen Verordnung des Congresses vorgeschriebenen Fuß zu bringen. Von der bisherigen Erfahrung ausgehend, daß auch diese Truppenzahl nicht zusammengebracht werden könne, falls nicht größere Vorsichtsmaßregeln als bisher ergriffen würden, bestimmte Steuben, daß Chesterfield der allgemeine Sammelplatz für alle Rekruten sein solle. Außerdem hätte die Legislatur wenigstens noch sechs und nicht mehr als acht andere Rendezvous-Plätze zu bezeichnen, wo die Rekruten von den Bezirks- (County) Lieutenants oder irgend einer von diesen bevollmächtigten Person abgeliefert werden sollten. An jedem dieser Orte sollte ein Capitain, zwei Subaltern-Offiziere und vier Sergeanten für den Empfang der Rekruten stationirt sein und der Capitain zugleich mit geschriebenen Instruktionen versehen werden, damit er wüßte, welche Rekruten anzunehmen und welche zu verwerfen wären. Mit jedem Rekruten sollte eine Personal-Beschreibung abgeliefert werden, die seine Größe und Alter, seinen Stand, Geburtsort, den Bezirk, für welchen er diente, angäbe und endlich sagte, ob er gezogen oder angeworben, für wie lange er diente und ob er die Staats-Vergütung erhalten. Da nun die Assembly beschlossen hätte, daß jeder Distrikt seine Rekruten mit gewissen Kleidungsstücken versehen solle, so wäre zugleich Alles, was der Rekrut an Kleidern erhalten, in diese Beschreibung mit aufzunehmen und dieselbe von der Person, welche ihn abgeliefert hat, zu unterzeichnen. Der den Rekruten in Empfang nehmende Offizier sollte dem Bezirks-Lieutenant zwei Empfangsbescheinigungen geben und dieser eine davon behalten, die andere aber dem Gouverneur als Belag für die Ablieferung des Rekruten einsenden. Von diesen Rendezvous-Plätzen wären die Rekruten, gehörig mit Offizieren versehen, zum allgemeinen Rendezvous abzuschicken, von wo sie equipirt, in Detachements zur Haupt-Armee zu befördern wären. »Bei Beobachtung dieser Vorsichtsmaßregeln« – schließt Steuben – »hoffe ich, daß der Ausfall nicht so groß sein wird, als er bisher stets war. Ich glaube, daß bis jetzt Niemand genau wußte, wie viel Rekruten vom Staate geliefert und wie viel bei der Armee angekommen sind.«

Als Steuben am 16. Dezember die Truppen in Chesterfield inspizirte, fand er nur 316 Mann diensttüchtig, 109 Mann krank in den Hospitälern und beinahe 100, die aus Mangel an Raum und Verpflegung in der Nachbarschaft untergebracht werden mußten. Von den Ersteren gab er die Staatsquote, nämlich 25 Mann, an Oberst Lee ab, dessen Corps somit completirt über Petersburg zur Armee des General Greene abmarschirte. Zwanzig Mann ersetzten die Deserteure aus des Obersten Green Corps, so daß also nur 271 dienstfähige Soldaten übrig waren. Steubens Man.-Pap. in Utica (Copierbuch). Allein da auch die gesund gebliebenen ohne jeden Schutz dem rauhen Wetter Preis gegeben waren, und sogar theilweise unter freiem Himmel schlafen mußten, so wurden die Hospitäler bald gefüllt und zu klein, um alle Kranken aufzunehmen. Die Soldaten waren fast alle im wörtlichen Sinne des Worts nackt. Die wollenen Decken und Kleidungsstücke, welche der Staat ausgegeben hatte, eignete sich das Corps Lawson's zu, dasselbe Corps, das, zum größten Theil aus vermögenden Leuten bestehend, sich geweigert hatte, in den Süden zu marschiren und dessen Dienstzeit bald abgelaufen war. »Schon die Humanität sollte Ihnen verbieten, die armen Teufel zollweise sterben zu lassen!« schrieb Steuben an den Gouverneur und verlangte sofortige Anschaffung von 500 Jacken mit Aermeln, 500 wollenen Decken, 500 wollenen Ueberwürfen, 1000 Hemden, 500 wollenen Mützen und 500 Paar Schuhen.

»Es fehlt uns an Allem, selbst dem Unentbehrlichsten,« – meldet Wm. Davies Ende Dezember an Steuben. Ebendas. Bd. III. – »Ich glaube nicht, daß mehr als 150 Mann augenblicklich in's Feld rücken können. Erhalten wir dagegen Kleider und Schuhe, so wird es möglich, 400 marschfertig zu machen. Der nackteste Indianer ist nicht halb so schlimm und elend daran, als unsere armen Leute. Wir haben siebenzig gute Zelte, aber ich bin trotz aller Gesuche bisher nicht im Stande gewesen, Seile oder Stricke zu erhalten, um sie zu befestigen. Meine größte Sorge aber ist die, daß die Offiziere nicht dahin gebracht werden können, hier am Platze zu bleiben. Sie betrachten ihre Leute gar nicht so, als wenn sie ihrer Sorgfalt anvertraut wären und schenken ihnen deshalb so gut als gar keine Aufmerksamkeit. So sind und bleiben sie den Soldaten wildfremd. Viele von diesen sind desertirt, aber kein Offizier weiß etwas davon, und noch jetzt treffen stündlich Soldaten ein, die zu keiner Compagnie gehören und um Einrangirung bitten. Einige Compagnien haben gar keine Offiziere, indem sich diese auf unbestimmte Zeit beurlaubt haben, so daß es sehr schwierig ist, die Listen zu completiren.«

»Es ist ganz unnütz« – schreibt Oberst H. Lee junior von Baleysburg am 17. December 1780 an Steuben Ebendas. Bd. IV. – »Ihnen unsre Hülflosigkeit und Nacktheit immer von Neuem zu schildern. Ich fühle täglich ihre schlimmen Folgen und habe allein seit heute Morgen drei alte Soldaten und einen Fahrer verloren. Schuhe, Stiefel, Ueberwürfe, Hemden, Decken, Röcke und Hosen fehlen uns am Meisten. Wir brauchen aber auch Axen und Hufeisen, da wir schon lange ohne diese Artikel sind.«

An demselben Tage verlangte Davies zwei Brettersägen und ein paar Handsägen, die er bisher geborgt und nun zurückgegeben hatte. »Wir bedürfen vor Allem,« schreibt er ein ander Mal, »ein paar Krankenwärter, die unsere Leute im Lager pflegen, da in den Spitälern kein Platz mehr ist. In den letzten vier Tagen starben aus Mangel an Verpflegung drei Mann in ihren Hütten.«

Diese Beispiele werden genügen, um die Unzulänglichkeit der Verpflegungsmittel, die Nacktheit der Truppen und die gränzenlose Vernachlässigung Seitens der Regierung zu beweisen; sie zeigen zugleich, daß es Steuben bei diesem absoluten Mangel an Mitteln, vorläufig unmöglich war, irgend etwas zur Unterstützung und Verstärkung der südlichen Armee zu thun.

Die natürliche Folge dieses Zustandes der Dinge war aber, daß, außer der Desertion, Mangel an Disziplin und Insubordination in erschreckender Weise überhand nahmen, ja daß selbst Diebstahl und Räubereien nicht ungewöhnlich waren. »Das Magazin, welches Kleidungstücke für mein Regiment enthielt« – schreibt Oberst Gibson am 22. December 1780 an Steuben Ebendas. – »wurde kürzlich erbrochen und beinahe ganz geplündert. Lieutenant Russel, der den Diebstahl zuerst entdeckte, fand den Corporal, statt auf seinem Posten, betrunken, ja er ist fast überzeugt, daß wenn die Wache nicht der alleinige Urheber dieser Schandthat war, sie jedenfalls wesentlich dabei geholfen hat. Die verschiedenen Räubereien, die bisher bloß von schurkischen Wachen verübt wurden, sind neuerdings auch sehr häufig von Soldaten in unserer Linie begangen. Da sie stets straflos geblieben sind, so scheinen sie diese Art, Geschäfte zu machen, als einen Theil ihrer Pflicht anzusehen. Ich hoffe zu Gott, daß einmal ein Beispiel statuirt werde, das die Elenden von ähnlichen Verbrechen abschreckt.«

Unter diesen Umständen machte Steuben in seinen Bemühungen für die Formirung der virginischen Truppen nur langsame Fortschritte. Es gelang ihm aber endlich, vom Gouverneur Anweisung auf Decken und Kleider für 500 Mann zu erhalten, womit der äußersten Noth in Chesterfield abgeholfen war. Es kam jetzt vor Allem darauf an, die erforderlichen Gewehre mit Bayonneten aufzutreiben, um ein zweites Detachement, wie das unter Oberst Green zur südlichen Armee absenden zu können. Steuben selbst beabsichtigte zu General Greene zu stoßen, sobald er die virginische Linie in Einklang mit den Congreßbestimmungen eingerichtet und formirt hatte. Aber selbst abgesehen von dieser erst zu erfüllenden Pflicht, so war er gegen Ende Dezember zu ernstlich unwohl, als daß er sein Zimmer, geschweige denn den Staat hätte verlassen können. Die unzähligen Verdrießlichkeiten, die ihm seine Stellung zuzog, und der Mangel an einem guten bequemen Quartiere hatten seine sonst so kräftige Natur stark angegriffen. »Dies ist die Art« – schrieb Davies am 25. Dezember 1780 an Walker Ebendas. Bd. III. – »in der dieser undankbare, ja ich hätte beinahe gesagt, nichtsnutzige Staat seine Offiziere behandelt. Wie gern wollte ich mein Quartier mit dem des Barons vertauschen, wenn er sich nur dazu verstände.«

Dem General Greene selbst war damals gerade sehr viel an Steuben's Hülfe und Beistand im Süden gelegen. »Da ich jetzt« – schreibt er diesem am 28. Dezember 1780 vom Pedee Greenes Man.-Briefe. – »ohne einen einzigen General bin, indem General Hüger, welcher augenblicklich im Lager ist, zu Süd-Carolina gehört und gern andere Truppen commandiren möchte, so wünsche ich, daß Sie, sobald Sie die Virginische Linie eingerichtet haben, zu mir stoßen. Wir haben jetzt Ruhe im Lager, und wenn wir Kleider erhalten werden, können wir auch unsere Disziplin verbessern. Ihre Unterstützung in dieser und anderen Angelegenheiten ist sowohl für mich als den Dienst von größter Bedeutung.«

So gern Steuben dem Rufe Greene's gefolgt wäre, so war er für's Erste doch verhindert, Virginien zu verlassen, einmal weil hier, wie der Verlauf dieses Kapitels zeigte, seine Geschäfte kaum angefangen hatten und dann, weil am letzten Tage des Jahres ein neues Hinderniß eingetreten war, das seine ganze Thätigkeit und Aufmerksamkeit in Anspruch nahm. Es war dies Hinderniß der plötzliche Einfall des Verräthers Arnold in den Staat.


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