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Dreiundzwanzigstes Kapitel

Ehe wir Steuben in den Norden begleiten, liegt uns die Pflicht ob, die Beziehungen zu prüfen, in welchen er während der Zeit seines Commando's in Virginien, sowohl zur Regierung des Staates, als zum Marquis Lafayette stand. Diese Beziehungen sind auf Grund einseitiger und parteiischer Darstellungen bisher meistens falsch aufgefaßt und beurtheilt worden, so daß man den wahren Sachverhalt ganz aus den Augen verloren hat. Prüfen wir darum mit Hülfe unserer Quellen die Thatsachen genau.

Wir haben im vorigen Kapitel gesehen, wie der übertrieben dargestellte Verlust der Magazine und Vorräthe am Point of Fork den Feinden Steuben's als willkommener Vorwand zum Angriffe gegen ihn diente. Es ist ein hoher, wenn auch indirekter Beweis für den Werth und die Tüchtigkeit des Mannes, daß mehr als sechs Monate vergehen mußten, ehe seine Gegner einen verwundbaren Punkt an ihm entdeckten und daß sie ihn erst zu verläumden wagten, als er den Staat zu verlassen im Begriffe stand.

Es war aber nur zu natürlich, daß die uneigennützige Energie und unbeugsame Bestimmtheit, mit der er seine Pflicht erfüllte, Steuben viele Feinde zuzog und auch die Staatsbehörden theilweise gegen ihn einnahm.

Die vorhergehenden Kapitel liefern den erschöpfenden Beweis dafür, daß der Staat für seine eigne Vertheidigung entweder nicht sorgen konnte oder wollte, während Steuben alle Kräfte aufbot, um so viel als möglich zu retten. Aber sein großer Fehler bestand darin, daß er die Dinge beim rechten Namen nannte und daß, wenn er dasselbe Pflichtgefühl nicht in Anderen vorfand, er mit seiner Kritik nicht zurückhielt. Da er zudem ein Fremder war, so schien das Volk nur um so geneigter, seine gerechten Vorwürfe mehr als eine Beleidigung denn als einen wohlverdienten Tadel aufzunehmen. Lafayette, der nach Allem haschte, das zu seiner Selbstvergrößerung beitragen konnte, spricht sich wider Willen zu Steuben's größtem Ruhm aus, wenn er am 23. Mai 1781 an Hamilton schreibt, Alexander Hamilton's Works I. 263. daß er sich über Steuben's Weggang freue, da »der Haß der Virginier gegen denselben ganz verderblich für den Dienst geworden.«

Steuben kannte selbst die öffentliche Meinung und das Vorurtheil der Virginier gegen ihn sehr gut und wünschte namentlich aus diesem Grunde, vom ersten Augenblick seines Eintreffens im Staate an, sobald als möglich zu Greene zu stoßen.

Er giebt in einem ausnahmsweise deutsch geschriebenen, aber unvollendet gebliebenem Briefe neun Gründe für sein gespanntes Verhältniß zum Staate an. Steuben's Man.-Pap. (Sprague in Albany). »Die Ursachen,« sagt er, »warum das hiesige Gouvernement so aufgebracht gegen mich ist, sind 1) weil ich auf die Erfüllung des vom Congreß festgesetzten Planes zur Rekrutirung der virginischen Linie von Anfang an ernstlich gedrungen; 2) weil ich gegen die schändlichen Einrichtungen in der Miliz die entschiedensten Vorstellungen gemacht; 3) weil ich mit dem üblen Betragen der sogenannten Volontairs meine Unzufriedenheit bezeugt; 4) weil ich die nichtswürdige Plünderung eines englischen Cartel-Schiffes nicht genehmigen wollte, indem die Miliz-Offiziere hier gegen alle Subordination, gegen Völkerrecht und gegen Ehre gehandelt, sogar meine Briefe aufgefangen und mich selbst als eine verdächtige Person behandelt haben; 5) weil ich dagegen war, daß etwa dreihundert nackte und rohe Rekruten statt in der Miliz, Dienste in der Linie thun sollten; 6) weil ich die Nachlässigkeit in den verschiedenen Departements gemißbilligt. Die beste Artillerie war unter der Direktion eines Obersten, welcher mir niemals zu Gesicht kam und welcher als Feldmesser im obern Lande umher reiste. Das Ingenieur-Corps ward von einem stets betrunkenen alten Manne dirigirt. Das Kriegs-Departement war in der Hand eines bankerotten schottischen Kaufmanns, welcher beständig mit Weibsbildern sich umher trieb und weder Kenntnisse noch Applikation hatte. Der General-Quartiermeister war zugleich Gefängnißwärter und ein nichtswürdiges Subjekt. In der Notwendigkeit die Resourcen von diesen Leuten zu ziehen, lernte ich ihre Nichtswürdigkeit kennen und beklagte mich über ihre Untauglichkeit. Dieses Alles verursachte mir Feinde beim Gouvernement und bei den Anhängern dieser Leute; 7) weil ich mich wiederholt beschwerte und Vorstellungen machte, daß keine Anstalten zur Reparatur der Gewehre getroffen würden. Sechstausend Musketen waren unbrauchbar, halb verrostet oder verfault und im Salzhause oder an anderen feuchten Orten übereinander geworfen. Das Gouvernement setzte seine Gewehr-Manufakturen außer Stande zu arbeiten. Ich habe es schriftlich vorn Feld-Commissair, daß während sechs Monaten nur zwei Büchsenmacher angestellt waren, um eben so viel Tausend Gewehre zu reparieren; 8) weil ich bereits im Monat November dem Gouvernement eine vollständige Liste von allen Artikeln übergab, so zur Eröffnung der Campagne für die virginischen Truppen, sowohl Infanterie als Cavallerie, nöthig wären. Im Januar wiederholte ich meine Vorstellungen und empfahl insbesondere die zwei Artikel, als Sättel und Patrontaschen zeitig zu verfertigen, indem sie mehr Zeit als die andern Sachen erforderten. Indessen ist meines Wissens nicht eine einzige Patrontasche, noch weniger ein Sattel angeschafft worden; 9) weil zur Zeit, als die Anstalten zur Expedition gegen Portsmouth gemacht wurden, mir der Gouverneur erklärte, daß kein Blei und keine Kugeln angeschafft werden könnten, indem die Adern in den Bleiminen verloren wären, während mir nach der Hand versichert worden, daß solches bloß aus Nachlässigkeit der Aufseher entstanden und daß Blei genug gegraben werden könnte, wenn gehörige Maßregeln genommen würden.«

Dagegen ließ sich nichts sagen, doch kränkt die rücksichtslose Wahrheit in solchen Fällen immer, und ward auch die Offenheit, mit der Steuben im Interesse des Ganzen auf eine Verbesserung dieser kläglichen Zustände hinzuwirken suchte, äußerst übel aufgenommen. Steuben forderte durch seinen Diensteifer die kleinliche Rache gegen sich heraus; indessen fand man während des ganzen Winters keine Gelegenheit, sie auszuüben. Da lieferte sein Rückzug von Point of Fork die ersehnte Losung für einen offenen Angriff. In der gesetzgebenden Versammlung des Staates passirte sofort ein Beschluß gegen Steuben, durch welchen sie den Marquis von Lafayette ersuchte, über den Verlust der Magazine beim Point of Fork eine Erklärung von den unter seinem Commando stehenden Offizieren einzufordern. »Es thut mir leid zu hören,« – schreibt Ternant am 4. Juli 1781 an Steuben Ebendas. Bd. VIII. – »daß Sie in Virginien selbst Männer zu Feinden haben, von denen ich das nie erwartet hätte; allein da man meine Anhänglichkeit an Sie kennt, so scheute man sich, mir vertrauliche Mittheilungen zu machen.«

»Ich sah Ternant« – schreibt B. Walker am 13. August an Steuben Ebendas. Bd. VIII. – »diesen Morgen und erklärte ihm sowohl, wie kurz vorher dem General Varnum die Ursachen, die zum Verlust unserer Magazine führten. Beide sahen jetzt die Sache in einem ganz anderen Lichte als vorher an. Ich glaube in der That, daß, nach dem Geschrei zu urtheilen, welches von dieser Affaire gemacht wird, viele Leute wähnen, es wären in Point of Fork alle Magazine genommen, die der Feind seit seiner Anwesenheit in Virginien geplündert oder zerstört hat.«

»Baron Steuben« – schreibt Washington am 6. Oktober 1781 an Greene Washingtons Writings VIII. 175. – »ist durch sein aufbrausendes Temperament in eine unangenehme Geschichte mit dem Staat verwickelt und muß sowohl zu seiner eignen Ehrenrettung als des Staates Genugthuung dieser Theil seiner Führung einer genauen Untersuchung unterworfen werden.« Die Untersuchung fand jedoch nie statt, so sehr sich auch Steuben Mühe gab, sie zu Stande zu bringen und so eifrig er es sich angelegen sein ließ, alle vorbereitenden Schritte dafür zu thun. Er schrieb zugleich an Greene und Lafayette und erbat sich deren Ansicht über seine Thätigkeit in Virginien.

»Ihr Brief vom 13. August« – antwortete Greene am 17. September 1781 Greene's Man.-Pap. – »hat mich höchst schmerzlich berührt. Ich bedaure, daß ein so eifriger und für das öffentliche Wohl so besorgter Mann wie Sie, statt der Anerkennung, Aerger und Kummer, für seine wohlgemeinten Bemühungen erntet. Aber lassen Sie, mein theurer Baron, ich bitte Sie darum, die gemeinen Angriffe eines mißleiteten Pöbels nicht zu tief auf sich einwirken. Das Verdienst ist oft für eine Zeit lang verschleiert, die besten Absichten sind einem parteiischen Tadel bloß gestellt und zwar in einem republikanischen Lande mehr als irgend anderswo. Allein es kommt selten vor, daß ein verdienter Mann lange ohne die ihm schuldige Belohnung bleibt, beim so sehr auch die Menschen sich eine Zeit lang irren, so sind sie doch, wenn sie eines Bessern belehrt werden, gern bereit, ihre Anklage zurückzunehmen und die Wahrheit anzuerkennen. Ich bin so sehr davon überzeugt, daß Sie in jeder Beziehung die richtigen Maßregeln ergriffen haben und vertraue so sehr auf die endliche Gerechtigkeit des Volkes, daß meine Ansicht, wie ich nicht zweifle, sich in Ihrem Falle bald bestätigen wird.«

Auch Lafayette, so wenig er sonst mit Steuben harmonirte und so frisch noch sein Streit in den Laufgräben von Yorktown war, konnte nicht umhin, Greene's Zeugniß und Ansichten unbedingt zu bestätigen.

»Ich habe« – schrieb er mit 26. Oktober 1781 Steuben's Man.-Pap. Bd. VIII. – »Ihre werthe Zuschrift vom heutigen Tage nebst dem einliegenden Briefe vom General Greene erhalten. Der anerkennende und lobende Ton, in welchem er über die fragliche Angelegenheit spricht, scheint mir die vollste Genugthuung für Sie zu enthalten, so daß es überflüssig sein dürfte, wenn ich meiner Seits einer Ansicht noch etwas hinzufügen wollte, vor der ich eine so große Hochachtung hege. Ich will deßhalb nur von dem sprechen, was ich in dieser Beziehung persönlich weiß und beobachtet habe.

Zu Anfang des Feldzuges betrachtete ich Sie und die neuen Aushebungen als zur Armee von Carolina gehörig. Die Briefe, in welchem General Greene und ich wünschten, daß Sie zu mir stoßen sollten, wurden vom Feinde aufgefangen. Lord Cornwallis' Absicht, wie ich seitdem noch bestimmter ermittelt habe, ging dahin, mich an einer Vereinigung mit General Wayne zu verhindern. Seine Bemühungen waren vergeblich; indessen brachte mich sein Marsch auf unsere Magazine einige Zeit in eine ziemlich große Entfernung vom Feinde. Der Bericht, den Sie erhielten, kam vom Major Call, den ich ersucht hatte, die Bewegungen des Lord Cornwallis in jenem Theile des Staates zu beobachten. Die Ihrigen mußten zu dieser Zeit durch die Ihnen gewordenen Nachrichten und durch das, was Ihnen General Greene's Absicht schien, bestimmt werden.

Ich war glücklich über Ihre Vereinigung mit mir und glaube, daß sie Lord Cornwallis zur schleunigen Räumung von Richmond veranlaßte. Lassen Sie mich hinzufügen, daß während der ganzen Zeit, die wir zusammen dienten, ich mit Ihrer Unterstützung so zufrieden war, daß ich es sehr bedauerte, als Ihre Gesundheit Sie zwang, die Armee zu verlassen, der Ihre Erfahrungen und Bemühungen so nützlich wurden. Sollte ich irgend etwas vergessen haben, das noch zu Ihrer Befriedigung dienen könnte, so will ich keine Mühe scheuen, um Sie von der Aufrichtigkeit meiner Gefühle für Sie zu überzeugen.«

Seitens des Staats geschah indessen nichts in der Sache, obgleich sie Steuben vor seiner Abreise in den Norden erledigt zu sehen wünschte.

»Da meine Pflicht« – schrieb er am 1. November 1781 von Williamsburg an Gouverneur Nelson Steuben's Man.-Pap. Bd. VIII. – »mich jetzt in den Norden ruft, so kann ich diesen Staat nicht verlassen, ohne Ew. Exzellenz zu ersuchen, mich in einem amtlichen Schreiben benachrichtigen zu wollen, ob die Regierung, seit ich die Ehre hatte in Virginien zu dienen, Beschwerden gegen mich hat, damit, wenn sie dergleichen haben sollte, ich mich vor meiner Abreise rechtfertigen kann. Mein während sieben und zwanzig Dienstjahren erworbener Ruf heißt mich in diesem Punkte besonders delikat sein.«

Steuben erhielt keine Antwort auf diesen Brief, und da er eine Gelegenheit wünschte, sich nicht allein vor dem Staate Virginien, sondern vor der ganzen Welt zu rechtfertigen, so wandte er sich wegen einer definitiven Antwort an General Harrison. »Der Tadel,« – schrieb er diesem am 13. Dezember 1781 Steuben's Man.-Pap. Bd. VIII. – »der in dem Beschluß der gesetzgebenden Versammlung indirekt gegen mich ausgesprochen worden ist, konnte mich natürlich nur schmerzlich berühren. Der Staat Virginien hatte mir früher ein ganz besonderes Vertrauen bewiesen, und da ich mir bewußt bin, daß ich Alles aufgeboten habe, um diesen Beweis seiner Achtung zu verdienen, so bin ich nicht Willens, den Staat zu verlassen, bevor ich meine Führung vollständig gerechtfertigt habe. Ich schrieb in diesem Sinne bereits an Gouverneur Nelson, und bat ihn, mich von der Natur der Beschwerden in Kenntniß zu setzen, die der Staat gegen mich haben könnte, allein ich empfing nie eine Antwort.

Ich stelle deßhalb dieselbe Bitte: wiederholt an Sie Die Obersten Davies und Meade, so wie General Lawson werden meine Zeugen darüber sein, daß ich am Point of Fork den Umständen entsprechend gehandelt habe.«

»Die Beschlüsse der legten gesetzgebenden Versammlung,« – antwortete deren Sprecher Harrison am 28. Dezember 1781 Steuben's Man.-Pap. Bd. VIII. – »welche sich auf den Verlust der Magazine am Point of Fork bezogen, wurden dem Marquis Lafayette eingesandt, welcher die jetzige Versammlung brieflich benachrichtigt hat, daß er bisher anderweitig zu sehr beschäftigt gewesen, als daß er eine Untersuchung hätte einleiten können. Dabei blieb es bis jetzt und glaube ich hinzufügen zu dürfen, daß die Sache nie wieder aufgenommen werden wird.«

Es war also nicht Steuben's Schuld, wenn diese Angelegenheit auf sich beruhen blieb, und es ist nur ein Beweis mehr dafür, daß sie lauge nicht so gefährlich war, als man sie zu machen sich bemühte, weil man froh war, in Lafayette's Unthätigkeit einen plausiblen Vorwand zum Fallenlassen der Anschuldigung gefunden zu haben.

Was nun Steuben's Verhältniß zu Lafayette betrifft, so erinnern wir uns, daß dieser im Februar 1781, als Washington die Einnahme von Portsmouth erwartete, mit Hintenansetzung Steuben's zum Höchstcommandirenden in Virginien ernannt worden war. Bis zu jener Zeit hatten Beide wenig mit einander zu thun. Mit Ausnahme eines Briefes, den Lafayette kurz nach Steuben's Ankunft am 12. März 1778 an diesen über den edlen Charakter Washington's schrieb, enthalten die Steuben'schen Papiere und Lafayette's Memoiren keinen schriftlichen Beweis von einem freundschaftlichen Verkehr zwischen ihnen. Dagegen steht ein paar Monate später Lafayette mit den Generalen Lee und Mifflin an der Spitze der Generale und Stabsoffiziere, die gegen Steuben's Reformen in der Armee intriguiren und es dahin bringen, daß die kaum begonnene neue Ordnung der Dinge wieder umgestoßen wird. Warum sich Lafayette dieser Clique anschloß, ist nicht recht klar, da er der Anciennität nach über Steuben stand; ein sachliches Interesse kann ihn auch nicht dazu bestimmt haben, da er so gut wie jeder andre verständige Offizier die üblen Folgen der bisherigen Unordnung erkennen mußte. Es scheint also, daß Lafayette entweder den wachsenden Einfluß Steuben's fürchtete und in ihm einen gefährlichen Concurrenten erkannte, oder daß er in dem Haschen nach Popularität, das ihn bis an seinen Tod nicht verließ, mit den übrigen Offizieren gemeinsame Sache machte. Auf der andern Seite geht aus den gelegentlichen Bemerkungen von Steuben's Adjutanten, wie Walker und North hervor, daß sie sowohl als ihr General sehr gering von Lafayette's militärischen Fähigkeiten dachten. Steuben sagt selbst hier und da, daß er Lafayette nicht liebte und daß er von der unbändigen Eitelkeit und Ruhmsucht des jungen Mannes um so unangenehmer berührt würde, als dieser sich sehr gern die Verdienste und Thaten Anderer anmaßte. Rechnen wir dazu noch den Unterschied in dem Alter und folglich in den Ansichten der beiden Männer, deren Einer ein offener und ehrlicher alter preußischer Soldat, der Andere aber ein junger und ehrgeiziger Franzose war, so werden wir leicht den Mangel an gegenseitiger Anziehungskraft zwischen Beiden verstehen. Außer diesen persönlichen Verschiedenheiten in Charakter, Geschmack und Lebensrichtung, gab es noch politische Gründe, welche Lafayette und Steuben einander mehr als die Natur entfremdeten und welche jenem namentlich eine hervorragende Bedeutung verliehen, diesen aber ungebührlich in den Hintergrund drängten.

Lafayette's Ernennung zum Oberbefehlshaber der amerikanischen Streitmacht gegen Portsmouth war ein an sich höchst weiser Akt, allein nichts als eine dem mächtigen Bundesgenossen erwiesene Artigkeit, von dessen guten Willen gerade zu jener Zeit so viel abhing. Washington konnte sich natürlich nicht darum kümmern, wenn er bei dieser Gelegenheit die Gefühle eines andern, noch so verdienstvollen Generals verletzte, dem keinerlei derartiger politischer Einfluß zur Seite stand.

»Es war unerläßlich nöthig« – sagt Washington Washingtons Writings VIII. 17. – »einen General mit dem von hier abgehenden Detachement abzusenden, und da der Erfolg der beabsichtigten Bewegung zum großen Theil von der Mitwirkung der französischen Land- und Seemacht abhing, so deuteten politische Beweggründe auf den Marquis Lafayette als die geeignete Persönlichkeit.« Es war natürlich nicht Steuben's Wunsch, gerade in dem Augenblick von der Bühne abzutreten, als sich augenscheinlich der letzte Akt in Scene setzte, und nachdem er mit unermüdlicher Energie und endloser Arbeit Alles für ein glückliches Resultat vorbereitet hatte. Dagegen war er wieder ein zu guter Offizier, als daß er nicht sofort gehorcht und sich ohne Klagen den Befehlen des Obergenerals gefügt hätte. So bildete er eine ehrenwerthe Ausnahme von der allgemeinen in der amerikanischen Armee herrschenden Regel, wo Insubordination unter den Stabsoffizieren an der Tagesordnung war, wo Obersten wie Neuville sich weigerten, einem General-Major zu gehorchen und wo neu ernannte General-Majore, wie Smallwood, mit Abschiednehmen drohten, wenn sie sich auf Befehl des Obergenerals unter das Commando eines im Dienste ältern Kameraden wie Steuben stellen sollten.

So sehr Lafayette's plötzliche Ernennung auch den Anschein hatte, als wäre Steuben seinem Commando nicht gewachsen gewesen, oder als hätte er begründeten Anlaß zur Unzufriedenheit gegeben, so beschwerte er sich doch nie über seine Zurücksetzung und spielte nur in seinen Briefen an Greene auf den Schmerz an, den ihm diese Verdrängung aus seinem Posten verursachte, sagt aber in demselben Satze, daß er trotzdem in seinem Eifer für das gemeine Beste nicht nachlassen würde. Deßhalb steht Steuben als das Muster eines alten Soldaten und als der tüchtige Repräsentant der preußischen Kriegsschule im würdigen Gegensatz zum Benehmen seiner amerikanischen Kameraden da.

Weniger also auf Grund seiner Ernennung als auf Grund der Art und Weise, wie Lafayette von den ihm eingeräumten Gewalten Gebrauch machte, entstanden bald Mißverständnisse und Differenzen zwischen ihm und Steuben, welche das Anfangs zwischen ihnen herrschende gute Einvernehmen störten. Lafayette war zu jung, unerfahren und zu ruhm- und prunksüchtig, als daß er die einem guten General angeborne Ruhe und Unparteilichkeit besessen hätte. So hielt er sich ausschließlich für fähig, die ihm zugewiesene Aufgabe auszuführen, und glaubte, daß er schlagende Beweise für seine Geschicklichkeit lieferte, wenn er Alles kritisirte und schlecht fand, das Andere vor ihm gethan hatten. So schreibt er ein paar Tage nach seiner Ankunft in Virginien, Correspondence of the Revolution III. 265. daß die Werke des Feindes noch nicht rekognoszirt worden wären, und daß er es für nöthig hielte, mit eigenen Augen zu sehen. Indessen vermochte er noch nicht die Gründe zu würdigen, welche Steuben verhindert hatten, jene Werke zu prüfen, und zuletzt führte auch Lafayette seinen eigenen Vorsatz nicht aus. Im Uebrigen that er nichts. Da Steuben schon früher alle ausführbaren Anordnungen getroffen hatte und Lafayette keine Aenderung vorschlug, so muß sein Stillschweigen als Billigung ausgelegt werden. Seine aktiven Pflichten bestanden somit im bloßen Zusehen.

Er schrieb am 23. Mai 1781 an Hamilton, A. Hamilton's Works I. 263. daß es seine Pflicht gewesen, die verschiedenen Departements in Ordnung zu bringen, welche er in der schrecklichsten Verwirrung und Untätigkeit gefunden habe, und dem Obergeneral meldete er, daß zur Zeit seiner Ankunft in Virginien noch gar kein Departement existirt und daß er sie alle erst einzurichten gehabt habe. Abgesehen von dem Widerspruch, der in seinen eigenen Worten liegt, vergaß der junge Marquis, daß Alles was gethan werden konnte, bereits gethan worden war, daß die Departements, so gut es ging, von Steuben und seinen Gehülfen bereits organisirt waren, daß er sich wenn er Auskunft und guten Rath brauchte, stets nur an diesen wandte, und daß er ihn gleichzeitig in den höflichsten Ausdrucken um seinen Beistand bat, »da er ohne ihn nicht im Stande sein würde, den in ihn, Lafayette, gesetzten Erwartungen zu entsprechen.« In der That bestanden alle vorgenommenen Aenderungen darin, daß er verschiedene Offiziers-Stellen anderweitig mit Individuen von höchst zweifelhafter Fähigkeit besetzte. Lafayette besaß in hohem Grade das Talent des Colorirens oder Gruppirens, wie die Franzosen zu sagen pflegen. Als Steuben ihn verließ, um zu Greene zu stoßen, schrieb er an Washington: Correspondence of the Revolution III. 360 u. 361. »Der Baron steht im Begriffe, mich mit den Virginischen Truppen zu verlassen, Phillips hat sich mit Arnold vereinigt und steht mir mit seiner ganzen Macht unmittelbar gegenüber, Cornwallis ist im vollen Marsche auf Hillsborough, nein, das ist zu viel, mein General, drei Armeen gegen die geringen Streitkräfte unter meinem Befehl!« Alle diese Thatsachen waren in gewisser Beziehung wahr, aber sie waren es nicht in dem Sinne, den Lafayette hineinzulegen suchte. »Mein Eintritt in diesen Staat« – schrieb er später am 29. Juli 1781 an Washington – »wurde glücklicher Weise durch einen seiner Hauptstadt geleisteten Dienst bezeichnet, Cornwallis hatte die Schande eines Rückzuges;« derselbe Cornwallis, der mehr als zweihundert Meilen Lafayette im eiligsten Rückzuge vor sich hergetrieben hatte, der Richmond räumte, weil Steuben zu Lafayette stieß und später aus ganz anderen Gründen als Furcht vor ihm zur Küste hinunter zog. – Es sei uns gestattet, hier nur noch ein Beispiel des prahlerischen und anmaßenden Wesens dieses französischen Lieutenants anzuführen, der über Nacht plötzlich in einen General verwandelt war. Als Lafayette glaubte, daß der Kriegsschauplatz von Virginien nach Newyork verlegt würde, bat er um ein Kommando unter Washington. »Der Krieg in diesem Staate,« sagt er, »würde dann nichts als ein Plünderungszug werden und große Operationen würden ganz außer Frage sein. Für diesen Fall wäre ein kluger Offizier vollkommen hinreichend, die Geschäfte hier zu besorgen und Steuben ist das im höchsten Grade; sollte daher der Feind sich im Staate ruhig verhalten, so würde Steuben ganz gut ausreichen.« Correspondence of the Revolution III. 360 u. 361. Diese Selbstgefälligkeit ist wirklich bewunderungswürdig und liefert einen bessern Schlüssel zu Lafayette's Charakter, als alle seine Memoiren!

Es liegt nichts Außerordentliches darin, daß Lafayette sich einbildete, seine Erfahrungen und Umsicht als untergeordneter französischer Offizier und Salonheld seien reifer und höher als diejenigen eines Mannes, der den größten Theil seines Lebens im aktiven Dienste zugebracht und unter den tüchtigsten und bedeutendsten Feldherren seines Jahrhunderts sich ausgezeichnet hatte. Es ist aber befremdend, daß sich das amerikanische Volk im Laufe der Zeit wirklich daran gewöhnt hat, Lafayette für einen großen General zu halten und ihn sogar Washington als den einzigen Ebenbürtigen an die Seite zu stellen. Seine späteren Schicksale und sein Besuch in den Vereinigten Staaten trugen selbstredend dazu bei, das allgemeine Interesse für ihn zu erhöhen. Das dankbare Volk hat sein Bild mit einem romantischen Nimbus umgeben und feiert in ihm eine der größten Heldengestalten der Neuzeit.

Allein die Geschichte ist keine 4. Juli's Rede An diesem Tage wird in den Vereinigten Staaten die Unabhängigkeits-Erklärung gefeiert, und gewöhnlich aus patriotischem Eifer über die Heldenthaten der Väter so viel zusammen gelogen und so sehr übertrieben, daß eine »4. Juli's Rede« ganz gleichbedeutend mit parteiischer, abgeschmakter, urtheilsloser Lobhudelei geworden ist.. Man darf daher nicht vergessen, daß, indem man Lafayette einseitig erhöht, dies nur auf Kosten anderer verdienter Männer geschehen kann. Pflicht und Gerechtigkeit erheischen darum auch eine ruhige und unparteiische Würdigung der Stellung Lafayette's in der amerikanischen und späteren französischen Revolution.

In Lafayette's Thätigkeit in den Vereinigten Staaten sind zwei Seiten wohl zu trennen, die politische und militärische. Was die ersten betrifft, so kann seine Bedeutung nicht hoch genug angeschlagen werden, ja man kann sagen, daß ohne ihn vielleicht nie ein Bündniß mit Frankreich zu Stande gekommen wäre, und daß im entscheidendsten Augenblicke des Krieges, wo alles auf eine rechtzeitige Unterstützung in Geld und Waffen ankam, die Vereinigten Staaten hauptsächlich seiner persönlichen Vermittlung den endlichen Erfolg verdankten. Lafayette war durch seine Familienbeziehungen und einflußreichen Verbindungen am französischen Hofe der bedeutendste Repräsentant jener glänzenden Schaar französischer Edelleute, die, wie wir im vierten Kapitel gesehen haben, in ihrem Haß gegen England und ihrer unklaren Schwärmerei für das vermeintliche Rousseausche Ideal der Republik die Betheiligung Frankreichs am amerikanischen Kriege durchsetzen halfen. Diesem edlen Enthusiasmus verdankt Lafayette seine historische Bedeutung und einen ehrenvollen Platz, sowohl in der amerikanischen als französischen Geschichte, wogegen Alles, was er sonst als General in den Vereinigten Staaten und als Theilnehmer an der französischen Revolution gethan hat, unerheblich ist und eher zur Schmälerung als Erhöhung seines Ruhmes beiträgt.

Lafayette war ein neunzehnjähriger junger Lieutenant, als er nach Amerika kam und seine Dienste dem Congresse anbot. Daß er keine kriegerische Erfahrung hatte und haben konnte, liegt auf offener Hand, der unbekannteste französische Capitän war ihm darum vorzuziehen, wenn es sich bloß um militärische Befähigung handelte. Allein dem Congreß entging gleich von vornherein der große Vortheil nicht, den er aus einem Engagement Lafayette's ziehen konnte. Er handelte daher wie ein kluger nüchterner Geschäftsmann, als er ihm nach kurzem Bedenken und Schwanken die höchste militärische Würde des Landes verlieh. Der Beschluß vom 31. Juli 1777 spricht diese Motive des Congresses so deutlich aus, daß er jeden Commentar überflüssig macht: Journals of Congress (Dunlap's edition) 1777 III. 303.

»Da der Marquis von Lafayette aus großem Eifer für die Sache der Freiheit der Vereinigten Staaten seine Familie verlassen hat und auf seine eigenen Kosten hierher gekommen ist, um ohne Gehalt und ohne Pension den Vereinigten Staaten seine Dienste anzubieten, und da er vor Verlangen brennt, sein Leben für unsere Sache auf's Spiel zu setzen,

so sei beschlossen, daß seine Dienste angenommen werden, und daß er in Anbetracht seines Eifers, seiner berühmten Familie und deren ausgezeichneten Verbindungen den Rang eines General-Majors in der Armee der Vereinigten Staaten bekleide.«

Der Congreß hatte richtig gerechnet. Dieser Beschluß trug wesentlich dazu bei, Frankreich für die amerikanische Unabhängigkeit zu gewinnen. Wäre Lafayette der Unterthan eines kleinen deutschen Fürsten gewesen, so würde sein Dienstanerbieten so gut wie hundert andere nicht berücksichtigt worden sein. Sein Vorzug und Glück war eben, daß er durch seine Geburt dem höchsten Adel eines Landes angehörte, welches der langjährige und mächtige Nebenbuhler England's war. – »Sobald Paris« – erzählt Graf Ségur Memoirs of the Count de Ségurl. 111 (Londoner Uebersetzung von 1825). – »die Berichte über die ersten Schlachten hörte, in welchen Lafayette und seine Waffengenossen den Ruhm des französischen Namens erhöht hatten, wurde der Hof selbst stolz auf die Thaten des jungen Marquis, der bald der Gegenstand des Neides für alle junge Leute wurde. So erklärte sich die öffentliche Meinung unbedingt für den Krieg und machte denselben unvermeidlich.«

Der eben angeführte Congreß-Beschluß charakterisirt Lafayette's Stellung. Auch Washington betrachtete ihn als die passende Persönlichkeit zur Herbeiführung eines Bündnisses zwischen Frankreich und Amerika. Die Bewunderung und Freundschaft, welche der junge Marquis für den amerikanischen Obergeneral hegte, wurde bald von diesem mit einer großen Herzlichkeit erwidert, die nicht wenig dazu beitrug, Lafayette noch inniger an die Vereinigten Staaten zu fesseln. Wo Washington nur konnte, stellte er ihn an die Spitze von Unternehmungen, die von vornherein, wenn auch keine wichtige Entscheidung, doch einen glänzenden Erfolg versprachen. Er führte die ihm gewordenen Aufträge nicht besser und nicht schlechter als ein General von gewöhnlichen Talenten aus, und seine Operationen bewiesen weder großen Geist noch großen Mangel an Urtheil; sein Hauptverdienst bestand darin, daß er sich aus allen Affairen so ziemlich mit einem blauen Auge herauszog. Auch im virginischen Feldzuge, dessen glückliche Beendigung hauptsächlich Lafayette auf die Rechnung gesetzt wird, wich er dem englischen Heerführer nur behutsam aus, und als er bei James Town wirklich einen Angriff auf Cornwallis wagte, wurde er total geschlagen. Zudem darf man nie vergessen, daß er stets die Kerntruppen der amerikanischen Armee unter seinem Commando hatte, dieselbe leichte Infanterie, welche von Steuben ausgesucht und gebildet war, während die übrigen Generale der Revolutions-Armee meistens mit jungen, schlecht disziplinirten und noch schlechter equipirten Rekruten zu operiren gezwungen waren.

Wenn Lafayette wirklich das gewesen wäre, was man in den Vereinigten Staaten aus ihm machte, so hätte er nach seiner Rückkehr nach Frankreich volle Gelegenheit gehabt, die Verheißungen seiner Jugend zu erfüllen. Als die französische Revolution ausbrach, stand sein Ruf schon fest begründet. Sein Name war allgemein geachtet und beliebt, so daß Lafayette Einer der Wenigen war, die mit einer ehrenvollen und populären Vergangenheit an diesem Weltereignisse gleich von vornherein sich beteiligten. Wohl selten bot das Glück einem Manne so verschwenderisch seine schönsten Gaben als ihm. Das Schicksal der Welt lag zu seinen Füßen, alle Parteien boten es ihm an, er brauchte nur zuzugreifen! Allein er wagte nicht das Scepter in die Hand zu nehmen. Lafayette besaß nicht jenen gründlichen Abscheu gegen äußern Glanz und den Besitz der Gewalt, noch jene hochherzige Gewissenhaftigkeit, welche Washington die ihm angebotene Krone mit Verachtung von sich weisen ließ. Washington wollte sie nicht, Lafayette wagte nicht sie zu ergreifen, so sehr ihn auch darnach gelüstete. Ueberhaupt ließen ihn kleinliche Rücksichten und Bedenken, persönlicher Ehrgeiz und versteckte Intriguen nie dazu kommen, einen entscheidenden Schritt zu thun oder eine große That zu wagen. Heute beantragte er die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte und proklamirte den Krieg gegen den Despotismus als eine heilige Pflicht; Morgen intriguirte er mit dem Hofe gegen den Herzog von Orleans und Tags darauf trat er mit erheucheltem Pathos gegen dieselbe Revolution auf, mit der er zwei Tage vorher so schön gethan hatte. Jedem Eindruck zugänglich, den Eingebungen des Augenblicks nachgebend, ließ er sich von den Umständen und Ereignissen beherrschen, statt daß er sie lenkte. Hin und her schwankend klammerte er sich an jede Partei, brach mit jeder und stand zuletzt – die gerechte Strafe für diesen politischen Wankelmuth! – allein und von allen Parteien verlassen da.

Es ist deßhalb nichts als eine Unkenntniß der Geschichte, welche Viele verleitet, Lafayette's Schwäche für Mäßigung zu nehmen, und jedenfalls ist es eine unverdiente Ehre, wenn man ihn, wie das in Amerika so oft geschieht, den französischen Washington nennt. Abgesehen davon, daß in Frankreich ein Washington eben so unmöglich ist, als ein Napoleon in den Vereinigten Staaten, so ist Lafayette einer jener schwächlichen aristokratischen Charaktere, die ein Opfer nicht um der Sache selbst willen, sondern nur dann bringen, wenn es als solches anerkannt und geschätzt wird, die sogar großer Aufopferung fähig sind, so lange äußere Ehre und Ruhm dabei zu ernten sind, die aber sofort die Feinde derselben Sache werden, für die sie eingetreten, sobald ihre Hingabe und ihr Enthusiasmus als sich ganz von selbst verstehend angesehen werden. Seine maßlose Eitelkeit ließ ihn zuerst in allen Dingen sich selbst sehen. Er war darum auch nur so lange auf Seiten der Revolution, als sie seinem herzlosen Egoismus Befriedigung zu versprechen schien, und wurde in dem Augenblick ihr erklärter Feind, als er nicht mehr die erste Rolle spielen konnte. Lafayette copirte in Frankreich die Einfachheit der amerikanischen Sitten und Ansprüche, ohne sie zu besitzen; er copirte Washington sogar bis auf seinen Schimmel, ohne jedoch einen einzigen Zug von dessen Charakter oder Talente zu haben. Er war der Don Quixote der amerikanischen Republik in Europa, der Prätendent des Heldenthums, ohne in irgend einer Weise ein Held zu sein, er war nichts als eine Carrikatur von Washington, und als er den wirklichen, wohl unterrichteten und weit sehenden Washington vor der gesetzgebenden Versammlung Frankreich's spielen wollte, vergaß er, daß der Original-Washington vom Lager aus an den Congreß schrieb, während er in der Stunde der höchsten Gefahr die Armee verließ und, als die gesetzgebende Gewalt seine Führung mißbilligte, zu den Feinden seines Vaterlandes überging. Napoleon nannte ihn bezeichnend einen » niais en politique«. Während er die hervorragendsten Generale der Republik auf's Aeußerste verfolgte und ins Exil trieb, drang er auf die Befreiung Lafayette's aus den österreichischen Kerkern und bot ihm einige Zeit nach seiner Rückkehr, als wollte er ihn noch ganz besonders verhöhnen, die Gesandtschaft nach den Vereinigten Staaten an, die für den Politiker des europäischen Continents damals so gut wie außerhalb der Welt lagen. Selbstredend war Napoleon in Lafayette's Augen ein Usurpator, aber nichts destoweniger fügte er sich ihm gehorsam und rächte sich erst nach den hundert Tagen mit ein paar Fußtritten an dem gefallenen Kaiser. Nach dem Sturze der Bourbonen endlich verhalf Lafayette, » en cheveux blancs« als würde er es nicht müde, den Voltaireschen Candide zu spielen, den Banquiers und Industriellen zum Bürger-König, in welchem er die beste aller Welten, la meilleure république verwirklicht fand!

Steuben's Stellung in der amerikanischen Armee steht im entschiedensten Gegensatz zu Lafayette. Er verdankt Alles seiner Persönlichkeit, und seine Nationalität tritt ihm eher in den Weg als daß sie ihn fördert. Er hatte sich jeden Fuß breit erst zu erobern und Jahre lang mit Mißtrauen und Anfeindungen zu kämpfen, ehe er sich Bahn zu brechen vermochte. Washington selbst, obwohl er die Bedeutung von Steuben's Reformen sofort erkannte, stellte ihn persönlich Anfangs auf dieselbe Stufe mit jener Unzahl von Abenteurern, die damals das Land überschwemmten und den Congreß mit Gesuchen um Anstellung bestürmten. Seine Kameraden legten ihm seine ersten Versuche zur Disziplinirung der Truppen und Einrichtung der Inspektion als ein ehrgeiziges Streben nach Macht aus, dem auf's Ernstlichste entgegen gewirkt werden müßte. Erst allmählig gelang es ihm, die Vorurtheile zu überwinden und sich die seinen Verdiensten gebührende Stellung zu sichern. Seine Dienstthätigkeit war von Anfang bis zu Ende ein Akt persönlicher Entsagung und einzig das Gefühl erfüllter Pflicht, die Aussicht auf den täglich gewisser werdenden Erfolg, so wie vielleicht die Ueberzeugung, daß seine Dienste schwerlich ersetzt werden könnten, konnten ihn zur Freudigkeit des Schaffens begeistern. Es giebt keinen Offizier in der amerikanischen Armee, der mit so viel Anfeindungen und Zurücksetzungen zu kämpfen hatte, und der trotzdem doch nie in seinem Eifer nachließ, weil bei Steuben zuerst die Sache, das Wohl des Ganzen und dann erst seine eigene Person in Betracht kam.

Wenn es übrigens wahr ist, daß der junge Lafayette höchst uneigennützig und edel große Summen für den Krieg verwandte, so ist es nicht minder wahr, daß Steuben, der am Abend seines Lebens stand, ebenfalls that, was in seinen Kräften lag, daß er Alles, was er hatte, hingab und eine ehrenvolle, sichere Stellung in der Heimath einer Ungewissen Zukunft in der Fremde opferte. Hätte der Congreß seine Dienste nicht angenommen, so wäre er arm wie ein Bettler gewesen, denn er gab mit den Zinsen zugleich das Kapital und sein Vaterland auf. Lafayette dagegen fand bei seiner Rückkehr immer noch sein Vermögen vor und vor Allem ein ' Vaterland, das ihn ehrte und belohnte. Nicht auf das wie viel kommt es an, um den Charakter des Schenkers zu beurtheilen, sondern auf den Geist, in welchem gegeben wird, und auch in dieser Beziehung steht Steuben, wenn er überhaupt mit Lafayette verglichen werden soll, nicht hinter ihm zurück.

Man wird vielleicht einwenden, daß diese Kritik Lafayette's nicht zur Sache gehöre; allein wir haben es deßhalb für unsere Pflicht gehalten, die bedeutendsten Ereignisse seines politischen Lebens kurz zu berühren, weil nur in ihnen sich sein Charakter in geschichtlichem Lichte zeigt und weil an die Leistungen Steuben's so oft der Maßstab der Thaten Lafayette's gelegt ist.

Die größte Ehre, welche man einem geschichtlichen Charakter erweisen kann, besteht nicht darin, daß man ihn apotheosirt, sondern daß man ihn gerecht würdigt und richtig auffaßt. Es war nicht unsere Absicht, durch obige Bemerkungen Steuben zu vergrößern und Lafayette zu verkleinern. Wir glauben vielmehr, daß des Letztern politische Dienste für die Vereinigten Staaten bedeutender waren, als diejenigen irgend eines anderen Fremden; allein wir wünschen den Irrthum zu berichtigen, daß er in militärischer Beziehung eine hervorragende oder gar Steuben überlegene Größe gewesen sei. Wenn beide Männer, so sehr sie sonst auch in Charakter und Ansichten von einander abwichen, das gemein hatten, daß sie der amerikanischen Republik mit Hingebung und Eifer dienten, und wenn anzuerkennen ist, daß Lafayette's Beziehungen zum französischen Hofe und seine gesellschaftliche Stellung seiner Betheiligung am Unabhängigkeitskampfe eine hohe politische Bedeutung verlieh, so sollte nicht minder anerkannt werden, daß Steuben's aktiver Dienst im Lager, im Felde, in Washingtons Kriegsrath, von gleichem, wenn nicht größerem Werthe war.


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