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Sechsundzwanzigstes Kapitel

Republiken werden öfter als andere Regierungen der Undankbarkeit gegen Männer angeklagt, welche ihnen gute Dienste geleistet haben. Man stellt Vergleiche zwischen den Ländern mit absoluten und freien Staatsformen an, um zu zeigen, daß Könige und Fürsten dankbarer in Belohnung ihrer treuen Diener sind. Die Thatsache des Undankes läßt sich allerdings in Republiken weniger in Abrede stellen, allein die Anklage wird vielleicht deshalb zuweilen übertrieben, weil man die Ursache dieser Erscheinung zu erklären unterläßt. Die in einer Person concentrirte souveräne Macht hat mehr persönliches Interesse, den Vollstreckern ihres Willens ihre Dankbarkeit zu beweisen als eine Regierung, die in der Regel aus Mehreren besteht und bloß zeitweise das Volk repräsentirt. Die Natur des Staates schließt an sich die Dankbarkeit aus. Es sind zu Viele in Aemtern oder trachten darnach, welche die volle Aufmerksamkeit der Regierung für sich in Anspruch nehmen und sie schwer zur Anerkennung der Dienste Anderer gelangen lassen. Die Todten werden vergessen und die, welche nicht mehr im Amte sind, natürlich übersehen. Die große Masse des Volkes hat ein kurzes Gedächtnis, sie wird nur durch den Trieb des Augenblicks bestimmt und controllirt sich gegenseitig durch den Instinkt ihrer engherzigen Interessen. Hier und da bestätigt eine glänzende Ausnahme die allgemeine Regel, wie z. B. in den Vereinigten Staaten die Washington von jeher und einstimmig bewiesene Verehrung. Alle die schweren Mühsale, alle die harten Kämpfe, alle die ruhmvollen Aufopferungen großer Männer würden bald vergessen sein, wäre es nicht die fromme Pflicht des Geschichtsschreibers, ihre Thaten zum Besten künftiger Geschlechter aufzubewahren.

Weit entfernt dankbar zu sein, haben die Vereinigten Staaten sich des Vergessens ihrer großen Männer ganz besonders schuldig gemacht. In keinem Lande der Welt prahlt man so pomphaft mit ihnen und erinnert sich so wenig an das, was sie gethan haben. Zeuge dessen sei aus der Zeit, die uns hier beschäftigt, Nathaniel Greene! Er war nach Washington der bedeutendste General des Revolutions-Krieges, der Retter des Südens, ein Mann, der in einer großen Periode kaum seines Gleichen hatte und wesentlich zur Begründung der Unabhängigkeit seines Volkes beitrug; allein er ist so gut wie vergessen, und sein Grab ist unbekannt. Von Alexander Hamilton, dem großen Gesetzgeber und Staatsmanne, dem hervorragendsten unter den Schöpfern der Verfassung der Vereinigten Staaten, wird selbst von Leuten kaum gesprochen, die auf Bildung Anspruch machen; die große Masse des Volkes kennt ihn nicht, während in anderen Ländern, wo man, wenn nicht immer die lebenden, doch die verstorbenen großen Männer ehrt, öffentliche Plätze mit ihren Bildsäulen, Hörsäle mit ihren Büsten und Privathäuser mit ihren Bildern geschmückt sein würden. Die enthusiastische Verehrung Washingtons scheint wirklich hier zu Lande jede Erinnerung an die Thaten seiner ebenbürtigen Kampfgenossen auszuschließen.

Doch dem sei, wie ihm wolle, wir verlangen keine Dankbarkeit Seitens einer Regierung; Alles, was wir fordern können und zu fordern ein Recht haben, ist Gerechtigkeit und strenge Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten; denn Regierungen haben wie ihre Rechte, so auch ihre Pflichten, und die Erfüllung dieser ist ihr bester Titel für die Beanspruchung jener. Selbst in dieser Hinsicht haben die Vereinigten Staaten den Offizieren des Revolutionskrieges gegenüber schnöde gefehlt, ja sie haben ihnen nicht einmal ihr Wort gehalten.

Einen schlagenden Beweis dafür liefern die achtjährigen Unterhandlungen Steuben's mit dem Congresse über die Anerkennung seiner Ansprüche. Es liegt uns die unangenehme Pflicht ob, die Geschichte dieser Verhandlungen ausführlich mitzutheilen, weil sie oft benutzt wurden, um einen Schatten auf Steuben's Charakter und Uneigennützigkeit zu werfen. Um aber diese Ansprüche gerecht, klar und im Geiste ihrer Zeit darzustellen, müssen wir, bevor wir in die betreffenden Einzelnheiten eingehen, einen Rückblick auf die Behandlung werfen, die allen übrigen Offizieren des Revolutionskrieges von den Vereinigten Staaten zu Theil ward. Wir theilen zu diesem Zwecke aus George Ticknor Curtis gehaltvoller und ausgezeichneter Geschichte des Ursprungs, der Bildung und Annahme der Verfassung der Vereinigten Staaten folgende Stelle über die Abfindung der Revolutions-Offiziere mit. George Ticknor Curtis' History of the origin, formation and adoption of the Constitution of the United States, Vol. I. pag. 158-170, New-York 1854 8°

»Als die Aussichten auf den Frieden immer gewisser wurden, herrschte in der Armee sowohl unter den Offizieren als unter den Soldaten wegen des rückständigen Soldes eine große und gefährliche Unzufriedenheit, denn sie besorgten, daß sie ohne genügende Vorkehrungen für ihre Bezahlung aufgelöst und ohne Geld von dem Lande in die weite Welt gestoßen werden würden, dessen Unabhängigkeit sie errungen hatten. Zu dieser Zeit ereigneten sich wegen der halben Zahlung die bekannten Vorgänge unter den Offizieren, welche man die Adressen von Newburgh nannte und welche mir eine kurze Aufzählung der Ansprüche der Armee verständlich macht.

Ihr Sold war beim Ausbruch der Revolution ursprünglich nach einem so niedrigen Maßstabe bestimmt, daß Männer, die Familie hatten und von ihrem Einkommen abhingen, wenig Lust verspüren konnten, lange in einem Dienste zu bleiben, dessen Ende nur mit einem Patente auf wenige hundert Acker Land in irgend einem Theile der westlichen Wildniß belohnt werden sollte. Im Jahre 1778 war es Washington klar geworden, daß irgend etwas geschehen müsse, um die Folgen einer schlecht verstandenen Politik abzuwenden, welche der Congreß der Armee gegenüber befolgt hatte. Als er in Valley Forge stand, schrieb er über diesen Gegenstand an den Präsidenten des Congresses den ersten einer Reihe von geschickten und belehrenden Briefen, welche sich durch die fünf darauf folgenden Jahre hinziehen.

Der Congreß beschloß demzufolge am 21. April 1778, daß für die Bezahlung der Offiziere nach Schluß des Krieges Vorkehrungen getroffen werden sollten. Am 26. April ging ein Vorschlag durch, wonach ihnen Halbsold auf Lebenszeit gewährt wurde. Tags daraus ward beschlossen, daß die Vereinigten Staaten das Recht haben sollten, den Halbsold auf Lebenszeit durch Gewährung eines sechsjährigen vollen Gehaltes abzulösen, und am 15. Mai setzte der Congreß an die Stelle des ganzen Planes eine neue Bestimmung, welche für alle Fälle den Halbsold auf sieben Jahre festsetzte und die Wahl des Halbsoldes auf Lebenszeit beseitigte. Diese erbärmliche und schwankende Gesetzgebung zeigt die Unpopularität einer solchen aus Gründen der Gerechtigkeit und Politik gleich mächtig geforderten Maßregel. Der Geist, welcher eine Zeit lang einen großen Theil des amerikanischen Volkes gegen die Männer aufregte, die für Erringung der Unabhängigkeit der Nation so viel ertragen hatten, verräth die äußerste Besorgniß für die abstrakten Grundsätze bürgerlicher Freiheit und ist weder durch Gerechtigkeit, noch durch Dankbarkeit gemildert. Dieser Geist war im Congreß nur zu sehr vertreten. Die Hauptgründe, welche man außerhalb des Congresses anführte, waren, daß Pensionen den Grundsätzen und dem Geiste unserer Institutionen entgegen seien; daß die den Offizieren auf Lebenszeit gewährte Zahlung von Halbsold auf die Gründung einer privilegirten Klasse von Leuten hinauslaufen würde, welchen gestattet sei, den Rest ihrer Tage vom Publikum zu leben und daß endlich die Offiziere auf Grund der ihnen ursprünglich gebotenen Besoldungen und Vortheile in den Dienst getreten, ohne daß ihnen irgend ein Versprechen oder eine Aussicht auf eine künftige Belohnung gemacht worden wäre. Diese Art von hartnäckigem Anklammern an ein unpraktisches Prinzip verursachte natürlich im vorliegenden Falle die größte Ungerechtigkeit, führte zuletzt zu einem Bruche der öffentlichen Treue und trug demzufolge das Meiste dazu bei, den Krieg zu verlängern und ihn so kostspielig an Aufopferung, Blut und Geld zu machen. Das Volk der Vereinigten Staaten hing so steif an Prinzipien und war so ängstlich um seine Freiheit besorgt, daß es selbst in der Zeit, wo es einen Krieg für seine eigene Sicherheit und Unabhängigkeit gegen einen auswärtigen Feind unternommen hatte, keine Regierung mit der Macht zu direkter Besteuerung einsetzen und keine Armee mit angemessener Belohnung für den Dienst organisiren wollte. Der Mangel einer solchen Macht der Regierung führte zur Ausgabe einer ungeheuren Menge von Papiergeld, welche eine lange Reihe von Opfern und Unglücksfällen herbeiführte und zuletzt in einem National-Bankerott endigte. Der Mangel an Gerechtigkeit gegen die Armee stürzte die bürgerliche Freiheit des Landes in drohende Gefahr und führte endlich zur grausamen Unterdrückung von Männern, deren Tapferkeit dieselbe erst errungen hatte und deren Patriotismus sie dann vom Untergange rettete. In den sechs Monaten, welche auf die Abstimmung vom 15. Mai folgten, fand man, daß die neu erlassene Verordnung dem beabsichtigten Zwecke gar nicht entsprach. General Washington, damals in Philadelphia, lenkte von Neuem die Aufmerksamkeit des Congresses ernstlich auf diesen Gegenstand. Am 11. August 1779, als man den Bericht eines darüber niedergesetzten Ausschusses in Erwägung zog, ward ein Antrag gestellt, jener Verordnung ein Amendement durch Einschaltung der Bestimmung anzuhängen, daß der durch den Beschluß vom 15. Mai 1778 gewährte Halbsold dahin ausgedehnt werden solle, daß er sich auf Lebenszeit erstrecke. Dieser Antrag passirte bei der Abstimmung mit acht Staaten gegen vier. Am 17. beschloß der Congreß, daß die Erwägung über die die Ausdehnung des Halbsoldes betreffenden Theile des Berichtes ausgesetzt, so wie, daß den verschiedenen Staaten, welche die dahin abzielenden Maßregeln nicht bereits angenommen hätten, empfohlen werden solle, solche anderweite Bestimmungen zu Gunsten der für den Krieg angeworbenen und bis zum Friedensschluß im Dienste bleibenden Offiziere und Soldaten zu treffen, welche ihnen eine angemessene Vergütung für ihre Gefahren, Verluste und Strapazen sichern, sei es entweder durch Gewährung von Halbsold auf Lebenszeit für die Offiziere und geeignete Belohnungen der Soldaten, oder in irgend einer andern Weise, wie es den Gesetzgebungen der Verschiedenen Staaten am angemessendsten scheinen möchte.

Schon vor der Annahme dieses Beschlusses hatte der Staat Pennsylvanien seinen Offizieren Halbsold auf Lebenszeit ausgesetzt, und zwar mit dem glücklichsten Erfolg. Allein kein andrer Staat folgte diesem Beispiel. So war Washington im Herbst 1780 genöthigt, sich abermals an den Congreß zu wenden. Endlich ward in Folge seiner ernstlichen wiederholten Anträge am 21. Oktober ein Beschluß angenommen, daß die Offiziere, welche bis zum Ende des Krieges im Dienste bleiben würden, zu Halbsold auf Lebenszeit berechtigt sein sollten, der von der Zeit ihrer Entlassung seinen Anfang nehmen solle. – Von dieser Zeit an blieben also die Offiziere im Vertrauen auf das Wort des Landes, wie es in der Abstimmung vom 21. Oktober 1780 ausgesprochen war, noch fernerhin im Dienste und glaubten, bis sie den Beweis des Gegentheils sahen, die ihnen verpfändete öffentliche Treue werde beobachtet werden. Aber sie waren bestimmt, eine harte Täuschung zu erfahren. Eine der Hauptursachen der letztern war die Annahme der Bundesartikel. Die Veränderung in der constitutionellen Stellung des Landes, von der man die glücklichsten Folgen erwartete, betrog die Offiziere in ihren Hoffnungen auf Erlangung des ihnen versprochenen Rechts. Der Congreß von 1780, welcher ihnen Halbsold auf Lebenszeit verbürgt hatte, war der Congreß der Revolution, aber der Congreß, welcher diese Bürgschaft aufheben sollte, war der Congreß des neuen Bundes, welcher die Stimmen von neun Staaten zur Bewilligung von Geld oder zum Beschluß eines Aufrufs an die Staaten zur Zahlung von deren Antheil erforderte. Als der Beschluß der Gewährung des Halbsoldes auf Lebenszeit angenommen wurde, waren weniger als neun Staaten zu Gunsten der Maßregel, und nach Gründung des Bundes konnten die Delegaten der Staaten, die ursprünglich der Bestimmung entgegen waren, nicht bewogen werden, dieselbe in ihrem wahren Lichte – in dem eines Uebereinkommens mit den Offizieren, zu betrachten. Man stellte sogar die Behauptung auf, daß der vor Verhandlung und Unterzeichnung der Gründung des Bundes angenommene Beschluß für den Congreß unter der Bundes-Verfassung nicht verbindlich sei, indem diese Urkunde die Stimmen von neun Staaten zur Bewilligung von Geld erfordere. In dieser Weise täuschten sich Männer selbst durch die Vorstellung, daß eine Veränderung in der Form einer Regierung oder in dem verfassungsmäßigen Wege zur Erhebung von Geld behufs Erfüllung der Verbindlichkeiten eines Vertrages, diese Verbindlichkeiten auflösen oder die Grundsätze der Gerechtigkeit ändern könne, von denen sie abhängen. Die der Maßregel abgeneigten Staaten wollten sich um keinen Preis zu einem ihrer Ansicht entgegen tretenden Votum verstehen. Im Herbst von 1782 überzeugten sich darum die Offiziere, daß sie vom Congresse nichts als eine Verweisung ihrer Ansprüche an die verschiedenen Staaten zu hoffen hätten.

Im November 1782 wurden die vorläufigen Friedens-Artikel von den Bevollmächtigten der Vereinigten Staaten und Großbritanniens festgesetzt. Für die Ansprüche der Armee war nichts vom Congresse gethan worden. Es war sehr wahrscheinlich, daß sie sogar ohne eine Ausgleichung der Forderungen der Offiziere werde aufgelöst werden und daß letztere in diesem Falle niemals die ihnen gebührenden Rückstände erhalten würden. Beunruhigt und erbittert durch die Vernachlässigung des Congresses, entblößt von Geld und Credit, ja von den Mitteln zum täglichen Lebensunterhalt, erdrückt von Schulden, verstimmt durch die Noth ihrer Familien zu Hause, und die Aussicht auf zukünftiges Elend, überreichten sie im Dezember dem Congreß eine Denkschrift, in welcher sie auf sofortige Berichtigung ihrer Rückstände drangen und den Vorschlag machten, den durch den Beschluß vom Oktober 1780 gewährten Halbsold in vollen Sold auf eine gewisse Reihe von Jahren, oder in eine solche Abfindungssumme zu verwandeln, wie dieselbe von dem Ausschusse angegeben werden würde, den sie nach Philadelphia zur Beiwohnung bei den im Hause über die Denkschrift vorkommenden Verhandlungen abzusenden gedächten. Sowohl aus diesem Dokumente als aus anderen Beweisen ergiebt sich augenscheinlich, daß die Offiziere fast zur Verzweiflung getrieben waren, und daß ihr Vorschlag zur Umwandlung ihnen von einem für das Land nicht eben rühmlichen Stande der öffentlichen Meinung abgedrungen war. Sie führten ihre Strapazen, ihre Armuth und ihre Anstrengungen für die Sache an. Alles was sie vorbrachten, ward vollkommen von ihrem großen General in dessen persönlichen Vorstellungen bei verschiedenen Mitgliedern des Congresses unterstützt. Die Offiziere versicherten, daß manche ihrer Brüder, welche sich auf das im Jahre 1780 gegebene Versprechen des Halbsoldes hin zurückzogen, nicht nur von jeder wirksamen Unterstützung entblößt, sondern auch Gegenstand der Verleumdung geworden seien, und bezogen sich mit Bitterkeit auf das gehässige Licht, in welches die Bürger nur zu vieler Staaten jene zu dieser Unterstützung berechtigten Männer zu stellen versuchten.

Von der herrschenden Stimmung im Congreß und im Lande konnte man indessen höchstens einen Vergleich statt der Erfüllung einer feierlich eingegangenen Verbindlichkeit erwarten. Kein amerikanischer Geschichtschreiber sollte verfehlen, diese Stimmung entschieden zu verdammen. Wenn diese Männer nur in der Eigenschaft öffentlicher Gläubiger aufgetreten wären, so würde eine öffentliche Stimmung, welche sie zu einem Vergleiche über ihre Ansprüche nöthigte, jeder Zeit strengen Tadel verdienen. Allein neben der Eigenschaft öffentlicher Gläubiger waren sie die Männer, welche die Schlachten geschlagen hatten, welche das Land von einem fremden Joche befreiten, welche alle Beschwerden bis zum Aeußersten, alle Art von Strapazen, die im Leben eines Soldaten vorkommen, ausgehalten, welche zwischen der gewöhnlichen Soldateska und der bürgerlichen Gewalt gestanden und oft ihr Leben gewagt hatten, um jene Disziplin und Subordination zu erhalten, welche von der bürgerlichen Gewalt nur zu sehr auf's Spiel gesetzt war. Sie waren mit einem Worte die Männer, welche, wie ihr General sagte, so viel Tugend, Tapferkeit, Selbstverleugnung und Ausdauer bewiesen hatten, daß in der Geschichte menschlicher Begeisterung und Aufopferung schwerlich ihres Gleichen gesunden werden konnten.

So peinlich daher auch diese Lehre des Unrechts ist, welches durch einen Bruch der öffentlichen Treue hervorgerufen wurde, so muß sie doch gelesen werden. Der Treubruch liegt in den Blättern der Geschichte offen vor Jedermanns Augen und verletzt diejenigen, deren tapferen Waffen das Volk dieses Landes die glänzende Erbschaft der Freiheit verdankt. Das Land war arm; kein geeignetes System der Finanzen war entwickelt worden oder konnte entwickelt werden von einer Regierung, die keine Macht zur Besteuerung hatte. Die Anschauungen und Ansichten des Volkes waren in manchen Staaten provinziell und ohne die Liberalität und den erweiterten Gesichtskreis der Denkungsart, welche aus dem Verkehr mit der Welt entspringen. Wenn aber selbst die weitgehendste Vertheidigung ihre Kraft erschöpft hat, so muß der denkende Leser der Geschichte die Verleugnung der öffentlichen Pflicht verurtheilen, muß zugeben, was die öffentliche Treue erforderte, und muß im Voraus die gefährlichen Folgen erkennen, welche den Bruch einer öffentlichen Verbindlichkeit begleiten und immer begleiten müssen. Die unmittelbaren Folgen, welche in diesem Falle eintreten müssen, waren vom General Washington vorausgesagt. Er hatte der Denkschrift der Offiziere die deutlichsten Warnungen über die Gefahren vorausgehen lassen, welche die fernere Vernachlässigung ihrer Ansprüche begleiten würden. Allein diese Warnungen scheinen unbeachtet geblieben zu sein oder nur geringen Eindruck auf die vorherrschende Abneigung gegen den unpopulären Gegenstand des Halbsoldes gemacht zu haben.

Das Comite der Offiziere wartete während des ganzen Winters am Sitze des Congresses auf eine Entscheidung; Anfangs März 1783 schrieb es aber seinen Auftraggebern, daß nichts geschehen sei.

Bei dieser Wendung der Dinge war die Lage, in der sich Washington in der doppelten Beziehung als Bürger und Soldat befand, bis zum Aeußersten schwierig und delikat. Im Laufe weniger Tage wurden seine Festigkeit und sein Patriotismus, alle seine Sympathien als Offizier einerseits und seine Treue gegen die Regierung andrerseits einer ernsten Prüfung unterworfen. Am 10. März ward eine anonyme Adresse unter den Offizieren in Newburgh in Umlauf gesetzt, wodurch eine Versammlung der Generale und Feld-Offiziere, so wie je eines Offiziers von jeder Compagnie und je eines vom ärztlichen Personal berufen ward, um den letzten Brief ihrer Abgeordneten in Philadelphia in Erwägung zu ziehen und zu bestimmen, welche Maßregeln zur Erreichung der vergeblich nachgesuchten Abstellung der Beschwerden angenommen werden sollten. Dieser Aufruf war mit großer Fähigkeit und Gewandtheit von Major John Armstrong geschrieben. Er drückte sich in der Sprache eines stark verletzten Gefühls aus, wies geradezu auf das Schwert als das Mittel gegen Ungerechtigkeit, und sprach zu Männern, welche schwer unter der öffentlichen Undankbarkeit und Vernachlässigung litten. Die Beredtsamkeit und Leidenschaftlichkeit der Sprache drang daher zu Herzen, die nicht unempfänglich waren. Ein gefährlicher Ausbruch schien bevorzustehen. Washington trat der Krisis fest aber auch besänftigend entgegen. Er erließ einen Tagesbefehl, worin er eine Versammlung auf Grund einer anonymen Schrift verbot und die Offiziere anwies, sich Sonnabend den 15. zu versammeln, um einen Bericht ihres Comite's zu vernehmen und zu berathschlagen, welche weiteren Maßregeln am Besten angenommen werden sollten, um für ihre wichtigen und billigen Forderungen Gerechtigkeit zu erlangen. Der im Range älteste Offizier ward angewiesen, den Vorsitz zu führen und das Resultat dem Oberfeldherrn zu berichten.

Am nächsten Tage nach Erlassung dieser Befehle erschien eine zweite Adresse von demselben Verfasser. In dieser Schrift gab er sich den Anschein, die Befehle General Washington's anzuerkennen, indem er die Anweisung zu der Versammlung als eine Bestätigung des ganzen von ihm vorgeschlagenen Verfahrens darstellte. Washington erkannte sofort, daß er anwesend sein müsse oder daß sein Name zur Rechtfertigung von Maßregeln benutzt werden würde, welche er zu unterbrechen oder zu verhindern beabsichtigte. Er besuchte also die Versammlung und unter seinem Einflusse, unterstützt von Putnam, Knox, Brooks und Howard lief das Resultat auf Annahme gewisser Beschlüsse hinaus, in denen die Offiziere nach Wiederholung ihrer Beschwerden und Mißbilligung aller Versuche, sie zum Bruche ihrer bürgerlichen Treue zu verleiten, den ganzen Gegenstand ihrer Ansprüche abermals der Erwägung des Congresses anheim stellten.

Selbst heute, so lange nach jener Zeit, kann man die Gefahr jener Krisis kaum ohne Schauder betrachten. War der Oberbefehlshaber ein anderer als Washington, waren die Ton angebenden Offiziere, von denen er umgeben war, weniger als die edelsten Patrioten, so würde das ganze Land mit dem Blute eines Bürgerkrieges überfluthet worden sein. Allein Männer, welche ausgehalten, was die großen Offiziere der Revolution aushielten, hatten die Lehren der Selbstbeherrschung gelernt, welche durch Beschwerden gelehrt worden. Die harte Schule der Widerwärtigkeiten, in der sie so manche Jahre zugebracht hatten, machte sie für eine Aufforderung empfänglich, die nur solch ein Chef wie Washington aussprechen konnte. Als er ihre Beschlüsse dem Congreß übermachte, bezeichnete er sie treffend, »als den letzten rühmlichen Beweis von Patriotismus, welchen Männer an den Tag legen konnten, die nach der Auszeichnung einer patriotischen Armee streben,« wobei er nicht allein ihre durchaus gerechten Forderungen bestätigte, sondern auch ihren voll begründeten Anspruch an die Dankbarkeit ihres Vaterlandes hervorhob. Dieses Verfahren hatte den Erfolg, daß der Congreß am 22. März 1783 verschiedene Beschlüsse annahm, wodurch der Halbsold auf Lebenszeit, in fünfjährigen vollen Sold vom Schlusse des Krieges an, verwandelt ward. Er konnte aber nach Wahl des Congresses in Geld oder in solchen Papieren verabreicht werden, die auch den anderen Gläubigern der Vereinigten Staaten gegeben würden. Es ward zugleich bestimmt, daß am 4. Juli die Rechnungen der Armee vorgelegt, berichtigt und daß Certifikate der fälligen Summen in der von dem Superintendenten der Finanzen angewiesenen Form ausgestellt werden sollten. Am 18. Oktober wurde die Proklamation über Auflösung der Armee erlassen. Von dieser Zeit an gingen die Offiziere in die allgemeine Masse der Gläubiger der Vereinigten Staaten über.


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