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Neunzehntes Kapitel

Das größte Unglück, welches Arnold's Invasion im Gefolge hatte, lag in den Hindernissen, welche sie den Vorbereitungen für die Unterstützung der südlichen Armee in den Weg legte. Die zu diesem Zwecke von Steuben eingeleiteten Maßregeln erlitten entweder eine gänzliche Stockung oder wurden wesentlich hinausgeschoben, der größte Theil der Vorräthe ward aufgezehrt, und sowohl die Rekruten als die Lebensmittel, welche Virginien zu stellen hatte, trafen erst ein paar Monate später ein. Alles, was der Staat an Waffen besaß, wurde unter die Milizen vertheilt, die sich auf kaum 4000 Mann beliefen.

Während die Mühlenberg'schen Truppen Arnold bei Portsmouth bewachten und einschlossen, war Steuben in Richmond thätig, um Lebensmittel, Waffen und Soldaten zusammen zu bringen. Mit diesen wollte er das Heer Greene's verstärken, welches sich aus Mangel an Zufuhren im kläglichsten Zustande befand. Die Aufgabe war sicherlich eine höchst schwierige, da er wenig oder nichts ohne die Mitwirkung der Staats-Regierung zu thun vermochte.

»Ich bin fest überzeugt« – sagt er Steuben's Man.-Pap. Bd. XI. – »daß ein Offizier, der Milizen zu überwachen und marschfertig zu machen hat und dennoch seinen Ruf nicht einbüßt, denselben bei allen anderen Gelegenheiten daran wagen darf.« – »Ich muß Ew. Exzellenz bitten« – schrieb er um diese Zeit an den Gouverneur Jefferson – »bedenken zu wollen, daß der elende Widerstand, der dem Feinde bei der letzten Invasion entgegen gesetzt wurde, zum Theil auf mich, als den im Staate commandirenden General fällt. Ich kann es daher nur als ein großes persönliches Unglück betrachten, daß ich gerade zu dieser Zeit hier gewesen bin. Ich wünschte eine Wiederholung dieser Schande zu verhindern, aber ohne den Beistand der Regierung kann ich nichts thun.«

Es scheint jedoch, daß die Regierung nicht die Kraft hatte, ihre Pflicht zu erfüllen, und daß sie zu Zeiten eifersüchtig auf die Macht des commandirenden Generals wurde. Es ist in der That zu verwundern, daß dieser Conflikt nicht schon früher ausbrach, da der Grund zu derartigen Mißhelligkeiten bei den schlecht abgegränzten Befugnissen der Militär- und Civil-Gewalt schon im Voraus angedeutet war, und da ein gemeinschaftliches Unglück, wie in diesem Falle Arnold's Einfall, solche unerquickliche Reibungen um so schneller zu erzeugen pflegt. Zudem hatte Steuben's Art und Weise, obwohl stets die beste Absicht durchleuchtete, oft einen sehr summarischen und gewaltthätigen Anschein, so daß er bei seinen strengen Begriffen von unbedingtem Gehorsam und sofortiger Ausführung der erlassenen Befehle, sehr häufig mit den ebenfalls zu schroffen demokratischen Ansichten des Gouverneurs Jefferson aneinander gerieth.

»Wir haben uns nicht bewogen gefühlt,« – schreibt dieser am 10. März 1781 an Steuben Ebendas. Bd. VI. – »uns und unseren Staat zu unbedingt in Ihre Hände zu geben, sondern wir glauben das Recht zu haben, für uns selbst zu urtheilen ... Wir können bloß Verantwortlichkeit für die Befehle übernehmen, welche wir geben; die Ausführung derselben liegt aber außer unserm Bereiche. Wenn sie aus Widerspenstigkeit oder Mangel an Zwang nicht befolgt werden, so ist das nicht unsre Schuld. Wir können nur auf den guten Willen des Volkes einwirken. Die Exekutive hat nach den Gesetzen dieses Staates nicht das Recht, einen freien Mann ohne seine Zustimmung selbst für das allgemeine Wohl zum Dienst einzuberufen, und ebensowenig können wir einen Sklaven ohne die Einwilligung seines Herrn dazu zwingen.«

Diese Worte enthalten den schlagendsten Beweis für die Unzulänglichkeit der gesetzlichen Befugnisse, welche namentlich zu Zeiten der höchsten Gefahr der Regierung hätten eingeräumt sein müssen, und ohne welche eine Behörde gar keinen Sinn hat. Wenn die Macht des Gouverneurs nicht hinreichte, die Leute zum Dienst für den Schutz des Vaterlandes zu zwingen, und ihnen Gehorsam gegen seine Befehle beizubringen, so nützte seine Stellung nicht allein nichts, sondern sie war vielmehr ganz überflüssig, ja entschieden schädlich, denn sie wurde zum Hemmschuh für die Militärgewalt, die neben den Zwecken für Erhaltung des Staates zugleich das Wohl der ganzen Conföderation im Auge haben mußte.

Steuben's nächstes Ziel ging nun dahin, die 3000 Achtzehn-Monats-Soldaten aufzubringen, welche in Folge des neuesten Planes der Staat zu liefern versprochen hatte. Virginien war zu diesem Ende in zehn Kreise getheilt, von denen ein jeder seine Quote zu stellen und zum allgemeinen Sammelplatz nach Chesterfield Courthouse zu transportiren verpflichtet war. Hier sollte sie Oberst Davies in Empfang nehmen und aus ihnen die einzelnen Detachements für die südliche Armee bilden. Bei der Aushebung dieser Rekruten zeigte sich indessen im ganzen Staate eine allgemeine Lethargie.

Am 12. Februar war noch kein Mann zur Stelle. Nur mit der größten Noth wurden allmählig 400 Mann zusammengebracht und in Chesterfield Courthouse eingekleidet. Entweder trafen die Leute sehr langsam ein, oder sie kamen gar nicht, entweder desertirten sie gleich nach ihrer Ankunft im Lager, oder sie schickten Zwerge oder Kinder, um ihren Platz auszufüllen. Am 4. März beschwerte sich Steuben beim Gouverneur über dieses indolente und gleichgültige Volk, welches gänzlich unbrauchbare Rekruten schickte, die er zur Verteidigung ihrer eigenen Heimath durchaus nicht annehmen könnte.

Wenn Steuben unter solchen Umständen seinem Zorne freien Lauf ließ und sich verächtlicher Worte bediente, so darf man sich darüber nicht wundern. North erzählt in seiner schon oben angeführten Broschüre eine in dieser Beziehung charakteristische Anekdote. »Nur mit der größten Mühe,« – sagt er – »waren so viel Mann in Chesterfield zusammen gebracht, um ein Regiment zu bilden. Das Corps ward paradirt und stand im Begriff abzumarschiren, als ein anständig aussehender Reiter in Begleitung seines Bedienten, wie es schien, heransprengte, sich selbst vorstellte und dem Baron Meldung machte, daß er ihm einen Rekruten gebracht hätte. ›Ich bin Ihnen von ganzem Herzen verbunden, mein Herr,‹ erwiederte Steuben. ›Sie sind gerade zur rechten Stunde angekommen! Wo ist denn Ihr Mann, Herr Oberst?‹ der Reiter war nämlich Oberst der Milizen und antwortete, ›hier ist er,‹ indem er seinem Jungen befahl abzusitzen. In den Zügen des Barons ging eine plötzliche Veränderung vor, – wir sahen und fürchteten den herannahenden Sturm. Ein Sergeant erhielt Befehl den Burschen zu messen, man zog ihm die Schuhe aus und entdeckte in ihnen eine Vorkehrung, welche des Knaben Länge erhöhte. Der Baron klopfte mit einer vor Wuth zitternden Hand dem jungen Burschen auf die Schulter und fragte ihn, wie alt er sei. Es stellte sich heraus, daß er noch sehr jung, fast noch ein Kind war. ›Herr,‹ sagte er zum Vater, ›Sie müssen mich für einen Hallunken gehalten haben.‹ ›O nein Baron, das habe ich nicht gethan.‹ ›Dann halte ich Sie für einen Hallunken, für einen elenden Hallunken, da Sie auf diese Weise Ihr Vaterland betrügen wollen. Nehmen Sie ihm die Sporen ab – stellen Sie ihn in Reih' und Glied – und machen Sie dem General Greene von mir die Meldung, Oberst Gaskins, daß ich ihm einen Mann geschickt habe, der besser im Stande ist, seinem Lande zu dienen, als ein Knabe, den er auf so gemeine Weise als seinen Stellvertreter unterschieben wollte! Geh' mein Junge, bring die Sporen und das Pferd des Obersten an seine Frau zurück – empfiehl mich ihr bestens, und sage ihr, daß ihr Mann für die Freiheit seines Vaterlandes kämpfen gegangen ist, wie es die Pflicht jedes braven Mannes erheischt. In Zügen rechts schwenkt, Marsch! ‹ Oberst Gaskins fürchtete die Folgen und ließ den Mann, als das Corps am Roanoke ankam, entwischen; dieser säumte nicht zurückzukehren und bei den Civilbehörden Genugthuung zu verlangen. Aber Gouverneur Jefferson, Herr Madison und andere Mitglieder der Regierung, welche die Reinheit der Motive und den edlen Eifer des Barons richtig würdigten, beugten den etwanigen unangenehmen Folgen vor, welche diese willkürliche Handlung hätte nach sich ziehen können.«

Auf den Dienst selbst übten derartige strenge Maßregeln eine günstige Wirkung aus. So sagt Davies in einem Schreiben vom 10. März 1781, Ebendas. daß seit dem Beispiel, welches an jenem Mann statuirt worden, die Leute Furcht zu haben schienen, fernerhin Zwerge und Kinder als Rekruten zu stellen.

In einigen Theilen des Staates gab es junge, durchaus dienstfähige Leute, die sich nicht stellten und damit entschuldigten, daß sie früher eine Zeit lang gedient hätten, weil nämlich nach den Miliz-Gesetzen, diejenigen nicht wieder einberufen werden konnten, welche schon einmal, wenn auch nur ein paar Tage gedient hatten. Auf der andern Seite war zufolge der Staatsgesetze kein Bezirk verpflichtet, Rekruten für die Continental-Armee auszuheben, so lange seine Milizen im aktiven Dienst standen. So kam es denn vor, daß gutbevölkerte Bezirke, wie z. B. Spottsylvania mit Frederiksburg, dessen Milizen während der letzten Invasion nur auf ein paar Wochen unter den Waffen gewesen war, am 1. April 1781 kaum ein Zehntel von dem von der Regierung festgesetzten Contingente auf den Beinen hatten.

Die Milizen aber gereichten dem Staate eher zum Schaden und zur Schande, als zum Vortheil und zur Ehre. Ihre Aufführung war im höchsten Grade zuchtlos und frech. Von allen Seiten des Staates liefen fortwährend Klagen gegen sie ein. die von Tag zu Tag lauter und häufiger wurden. »Ich habe hier« – schreibt E. Meade am 19. März 1781 von Edmundshill Ebendas. – »überall die größte Pflichtverletzung und die schreiendsten Mißbräuche gefunden; diese Milizen kennen keine Ehre, man kann sich kaum auf Einen von ihnen verlassen. Mein innerstes Gefühl hat sich gegen diese Schmach empört.« »Mir ist« – schreibt Jefferson selbst in einem Briefe an Steuben vom 24. Februar Ebendas. Bd. V. – »wiederholt berichtet worden, daß der entblößte Zustand der Milizen um Williamsburg herum, daß der Mangel an Schuhwerk namentlich eine derartige Unzufriedenheit unter ihnen hervorgerufen hat, daß sie nur noch einen Schritt bis zur offenen Meuterei haben. Abgesehen von der geringen Hoffnung, solche Leute länger im Dienste halten zu können, würde eine wirkliche Meuterei so unheilbringende Folgen haben, daß wir wohl oder übel auf deren gegenwärtige Stimmung Rücksicht nehmen müssen.« Und bei einer andern Gelegenheit am 27. April 1781 schreibt er: »Die Erfahrung hat uns gelehrt, daß die Leute aus den Distrikten, die vom Feinde besetzt sind, nicht im Felde gehalten werden können und daß sie mit den Waffen in der Hand desertiren.«

Oberst Innes berichtet aus York am 11. März, Ebendas. Bd. VI. daß es ihm an Provisionen auf den nächsten Tag fehle und daß die Unzufriedenheit der Milizen so überhand genommen habe, daß er jeden Augenblick der Meuterei und Desertion gewärtig sei. Major Fosey schreibt am 8. März von Stanton aus an Steuben: »Nicht ein einziger Mann konnte in dem Bezirk Augusta, der 344 Milizen zu stellen hat, aufgetrieben werden; die Einwohner haben in einer Eingabe an die Regierung sich gegen die Maßregel, Rekruten auf achtzehn Monate hin auszuheben verwahrt und gebeten, statt dessen eine dreimonatliche Dienstzeit festzusetzen.« Nicht viel besser stand es um die Milizen, welche schon eingekleidet waren. Hierüber hören wir am Besten Mühlenberg in seinem interessanten Berichte vom. 8. April 1781: »Von denjenigen Milizen, die ihre drei Monate abgedient haben, sagt er, hat sich ein Theil selbst vom Dienste befreit und dieser unverantwortliche Schritt zwingt mich, die Uebrigen auch zu entlassen. Ich habe kein mir zu Gebot stehendes Mittel unversucht gelassen, sie zum Bleiben zu bewegen, bis ich von anderswo Verstärkungen an mich ziehen könnte, aber vergebens. Ungefähr hundert Mann desertirten innerhalb zweier Nächte aus meinem Lager, und aus Oberst Duncan's Regiment, das in Chackatuck liegt, legten heute Morgen ebenfalls hundert Leute ihre Waffen nieder und marschirten ohne Weiteres ab. Die Uebrigen kamen mit ihren Waffen und Armaturstücken in's Lager und verlangten entlassen zu werden. Mir wird nichts anders übrig bleiben, als sie gehen zu lassen, da ihr Bleiben die wenigen noch übrigen Truppen verderben würde.«

Wir haben jedoch unter den unzähligen Beschwerden gegen die Milizen ein Schreiben gefunden, worin sie nicht getadelt werden. Aber selbst in diesem Falle gleicht das Lob einem harten Vorwurf. Capitain Singleton sagt nämlich in seinem Bericht über ein kleines Treffen, daß die Armee des General Greene am 15. März 1781 bestanden, »daß sich die Milizen ganz gegen ihre Gewohnheit tüchtig gezeigt hätten.«

Was aber den Dienst am meisten beeinträchtigte und störte, war nicht bloß der Umstand, daß die Desertion der Milizen in's Große ging, sondern daß man dieselbe im ganzen Staate duldete und sogar beschützte. So eifrig auch Steuben und Davies, um das Aeußerste abzuwenden, sich bemühten, dem Unwesen Einhalt zu thun und sich derjenigen wieder zu versichern, die schon weggelaufen waren, so waren sie doch gegen den ihnen aktiv und passiv entgegentretenden Widerstand ohnmächtig, Sie reichten zwar zu diesem Zweck der Assembly eine Denkschrift ein und wandten sich an den Gouverneur mit der Bitte, Gesetze zur Hebung des Uebels zu erlassen. »Ich habe so eben« – schreibt Davies von Chesterfield aus am 10. März 1781 an Steuben Ebendas. – »die genaue Liste und Beschreibung der Deserteure vollendet, die wir den Delegaten einhändigen müssen. Von diesem Mittel verspreche ich mir großen Erfolg. Ungefähr 200 Mann sind von hier desertirt, wenigstens 500 von den in den verschiedenen Bezirken ausgehobenen Rekruten haben sich nie bei der Armee eingefunden und täglich giebt es an verschiedenen Punkten Ausreißer, aber trotz alledem ist noch kein Schritt geschehen, ihre Namen zu veröffentlichen. Oberst Campbell hat mir eine Liste von Deserteuren seines Corps geschickt. Ich trage nun darauf an, daß auf Kosten der Regierung ein alphabetisches Register gedruckt werde, worin dem Namen jedes einzelnen Mannes die Personal-Beschreibung beigefügt ist, und daß jedem Mitglied der Gesetzgebung drei bis vier Exemplare gegeben werden, um an den Gerichtslokalen, den Kirchen und sonstigen Versammlungsorten veröffentlicht und angeheftet zu werden. Doch ich überlasse die Sache Ihrer Entscheidung. Alle diese Schritte und Beschwerden führten jedoch zu nichts. Es stand eben nicht in der Macht der Regierung, den Stand der Dinge, so ungeregelt und empörend er auch war, zu ändern, da das Volk mit unglaublicher Apathie sich allen Opfern zu entziehen suchte und im günstigsten Falle sich so theilnahmlos verhielt, als handelte es sich gar nicht um sein eigenes Schicksal. Ein Brief des Obersten Davies, der zehn Tage später als der oben angeführte geschrieben ist, giebt uns in dieser Beziehung ganz interessante Aufschlüsse.

»Trotz aller früheren Anstrengungen einzelner Abgeordneten« – meldet Davies – »hat die Legislatur bis jetzt noch keine Bestimmung zur Zurückerstattung des Handgeldes getroffen, welches die Divisionen denjenigen vorenthalten, welche sich als Stellvertreter haben einkleiden lassen. Sie werden mit einem Manne mit 6000-7000 Pfund Natürlich Papiergeld im Verhältniß von 140 zu 1. Handels einig, zahlen ihm zur Zeit 1000-1500 und versprechen ihm den Rest nach zwei bis drei Monaten. Der Soldat fragt, wie das Uebrige zu bekommen ist? Man sagt ihm, daß er nach seinem Eintritt Urlaub erhalten oder daß man ihm, wenn dieser ausbleibe, das Geld schicken ober bringen werde. Wenn so ein armer Teufel hier ankommt, so bittet er sofort um Urlaub, aber er erhält natürlich eine abschlägliche Antwort. Die Divisionen schicken ihm nie sein Geld, er giebt Alles aus, was er hat, bekommt weder Löhnung noch Kleidung und fühlt bald in seiner bedrängten Lage, daß er trotz seines nicht unbedeutenden Guthabens, nie einen Heller erhalten wird, so lange er bei der Fahne bleibt. So entsteht in ihm der Entschluß zu desertiren und sein Glück bei der Division zu suchen. Hier fährt er um nichts besser. Wenn er sein Gesuch vorbringt, wird er als Deserteur abgewiesen; aber das Interesse der Division bringt es mit sich, ihn nicht allein als solchen zu dulden, sondern sogar zu bestärken, da sie auf diese Weise den Rest des Handgeldes für sich behält und nebenbei jeder weiteren Gesetzesforderung entgeht. Das Landvolk zu Hause würde es für grausam halten, einen solchen Mann als Deserteur zu ergreifen und, nachdem ihm kaum die Hälfte des Handgeldes gezahlt ist, zu seiner Compagnie zurück zu schleppen, wo seiner vielleicht eine harte Strafe wartet. Da nun keine Macht existirt, welche die Division zur Erlegung des üblichen Guthabens zwingen könnte, so läßt man die ganze Sache fallen, und zwischen Betrug auf der einen und Mitleid auf der andern Seite leidet der öffentliche Dienst auf's Empfindlichste. Wenn diesem wachsenden Uebel nicht bald Einhalt gethan wird, so muß jedes spätere Rekrutirungsgesetz zwei Deserteure auf einen Soldaten hervorrufen, bis die ersteren für eine Controlle zu zahlreich werden, und der Rest der Bürger durch die häufigen Aushebungen, die zur Ergänzung der Lücken nothwendig werden, die Geduld verliert. Nur von einer Seite her können wir auf Linderung des Uebels hoffen, wir müssen an das partikuläre Interesse jeder einzelnen Division appelliren. Das allgemeine Beste liegt in zu weiter Ferne, als daß es auf das Volk Eindruck machte, es muß ein näheres greifbares Interesse vorhanden sein, um auf dasselbe zu wirken. Deßwegen möchte ich vorschlagen, daß jede Division, soweit die Desertion in Betracht kommt, für die Führung ihrer Stellvertreter verantwortlich gemacht werde, während alle anderen Mängel, wie z. B. der Ausfall an der vorgeschriebenen Zahl der Truppen, vom Staate im Allgemeinen berichtigt werden sollten.«

Angesichts dieser Schwierigkeiten wagte die Regierung es indessen nicht, zu energischen Mitteln zu greifen. Statt die ihr in den Weg tretenden Hindernisse zu beseitigen, wich sie ihnen aus und traf keine Maßregeln für die Completirung der Continentalstreitkräfte. Auch den Milizen gegenüber beschränkte sie sich auf die allergeringsten Ansprüche. So forderte der Gouverneur am 19. April 1781 Steuben Ebendas. Bd. VII. auf, daß er bloß versuchen sollte, die Milizen für die festgestellte zweimonatliche Zeit im Felde zu halten und daß er dieselben nur im Falle des Nichteintretens von Verstärkungen verpflichtete, noch eine Woche länger zu dienen.

Uebrigens war es nicht allein das Ausbleiben der Milizen und Continentaltruppen, wodurch Steuben beunruhigt und verhindert wurde, der südlichen Armee beizustehen. Es waren nicht minder die zur Vertheidigung des Staates so mangelhaft getroffenen und erbärmlichen Maßregeln, welche ihm unzählige und unvorhergesehene Hindernisse in den Weg legten und andere tüchtige Offiziere sogar bestimmten, den Dienst voll Mißmuth zu verlassen. Dem Staate fehlte es an Geld, an Credit, an Lebensmitteln; kurz, alle Hülfsquellen waren ihm abgeschnitten. R. Claiborne, der Staats-Quartiermeister, schrieb am 4. April 1781 an Steuben, daß er nicht im Stande sei, seinem Verlangen nach Armaturstücken, Wagen und Feldgeschirr für 500 Mann Infanterie zu entsprechen, »denn,« sagte er, »ich besitze keinen Heller Geldes, und auf Kontrakt zu kaufen, geht deßhalb nicht an, weil sich Niemand findet, der dem Staat auf zwei Tage Credit gäbe. Eben so nutzlos wäre es, die Sachen anschaffen oder fabriziren zu lassen, weil dazu die Zeit fehlt. Ich habe dem General-Quartiermeister und der Regierung dieses Staates früh und oft genug Vorstellungen gemacht, aber man hat mir wenig oder gar keine Hülfe gereicht. Alles was ich seit meiner Anstellung in diesem Departement erhalten habe, waren 500,000 Pfund Papiergeld. Rechnen Sie von diesen 140 zu 1 Pfund und Sie werden mir zugeben, daß man damit nicht weit reicht. Die Wagen, welche aus den verschiedenen Bezirken für den Gebrauch der Continentaltruppen anlangen sollten, sind geradezu ausgeblieben. Ich habe deßhalb die Instruktionen des Gouverneurs nicht so ausführen können, wie er sie vor einiger Zeit über den Transport an den mit der Ausführung des Gesetzes für die Zufuhren beauftragten Commissair erlassen hat. Der Häutelieferant dieses Staates, auf den ich einzig und allein für den Bedarf an Leder angewiesen bin, ist in Philadelphia und hat nicht eine Gallone Oel in seinem Magazin. Dies war schon seit langer Zeit nicht mehr anders, und es ist die Frage, ob die Kriegs-Commission, welche ihn ernannt hat, die Sache in die Hand nehmen wird. Ich habe dem General-Quartiermeister die Sache vorgestellt. Um auf die Wagen zurückzukommen, so steht mir nicht ein einziger mehr zur Verfügung, denn alle sind in Gebrauch für die nothwendigsten Fuhren, und die ledigen Pferde sind in einem solchen Zustande, daß sie Niemand verwenden kann. Miethen können wir deßhalb keine, weil Niemand den niedrigen Preis, auf den wir beschränkt sind, von uns nehmen will und weil er von Privaten das Dreifache bekommen kann. Ich fürchte sehr, daß wir zur Einrichtung einer Fourage-Station in Petersburg nichts zu thun im Stande sein werden. An Feldgeschirr sind wir ganz arm. Kurz, ich habe weder Geld, noch Mittel, noch Credit und muß Sie in Anbetracht dessen ersuchen, sich in keinem Artikel auf mein Departement zu verlassen. Ich sehe die sich immer steigernden Schwierigkeiten in meiner Geschäftsverwaltung ein und bin gezwungen, mein Amt niederzulegen. Zur Zeit, als ich meine Stelle antrat, hoffte ich, daß es mir gelingen würde, meinen Pflichten zu genügen; aber da mir keine Unterstützung bei den Einkäufen und Anschaffungen gereicht wurde, so konnte ich eine solche auch nicht im Felde erwarten. Um Ordnung in den Felddienst zu bringen, bin ich damit beschäftigt, die nöthigen Instruktionen vorzubereiten. Wenn mir die Ausführung überlassen bleibt, so bitte ich zu berücksichtigen, daß es mir von vornherein an Allem mangelt. Wenn ich daher nichts ausrichte, so darf ich hoffen, daß Sie meinen Mangel an Erfolg der wahren Ursache zuschreiben werden, – dem Mangel an Mitteln.«

Die von Claiborne gerügten Uebelstände beschränkten sich übrigens nicht bloß auf sein Departement, sondern herrschten im ganzen Staate. Zur Anschaffung von Röcken fehlte es an Tuch, es gab keine Schuhe, weil kein Leder da war, und Hemden konnten aus Mangel an Leinwand nicht gemacht werden, endlich aber wollte weder der Schneider noch andere Handwerker auf Credit für den Staat arbeiten. Selbst Jefferson erklärte, daß er an der Möglichkeit, Hüte oder Lederkappen anzuschaffen, verzweifle, und Decken wären zu theuer, als daß er die Truppen damit zu versehen vermöchte. Die Militär-Werkstätten stellten die Arbeit theilweise aus Mangel an Geld ein, theils weil die Arbeiter sich weigerten zu arbeiten. Durch diese Verzögerung war die Regierung z. B. im Bezirk Prince George gezwungen, jeden Mann, der zwölf Tage an den Batterien in Hoods gearbeitet hatte, auf sechs Wochen vom Militärdienst zu entbinden. Nelson beschwerte sich am 6. April 1781 bei Jefferson, daß er seit zwölf Monaten keine Löhnung für seine Leute empfangen habe. Eben so fehlte es den höheren Offizieren an Allem, und wandten sich diese, von der Regierung abgewiesen, stets zuletzt an Steuben um Abhülfe und Beistand. Einer von diesen hatte auf Grund unzulänglicher Mittel seine Befehle nicht ausgeführt. Steuben erklärte ihm kurz und bündig, obwohl in ziemlich schlechtem Englisch: »Es geht Sie nichts an, ob meine Befehle recht oder schlecht sind. Sie haben denselben zu gehorchen und nur dann haben Sie Ihre Schuldigkeit gethan.« Der große Mangel an Vorräthen aller Art verhinderte nicht, daß obendrein noch vieles durch die Nachlässigkeit der Offiziere oder die Untreue der Lieferanten verloren ging. Von 100 Paar Schuhen z. B., die von Petersburg an Oberst Davies abgeliefert waren, kamen später nur 53 Paar zum Vorschein, und in Warwick waren 100 Paar auf 32 zusammengeschmolzen. Aus 1495 Ellen Tuch, welche der Gouverneur als für 400 volle Anzüge ausreichend, abgeschickt hatte, bekam man nur 350 kurze Röcke, weil das Tuch nur die halbe Breite hatte. Die Schuhe waren so schlecht gemacht, daß sie nach einmaligem Tragen unbrauchbar wurden. Ebendas. Ein Beispiel der nichtswürdigsten Nachlässigkeit liefert aber Oberst Mumford, über welchen Davies an Jefferson folgendermaßen schreibt: »Die Fahrlässigkeit des Oberst Mumford, der als General-Commissair des Continentes für diesen Staat angestellt ist, trägt die Schuld an einer so nichtswürdigen Verschwendung von Provisionen und so vielen schändlichen Mißbräuchen in diesem Departement, daß es Einem schwer fällt, daran zu glauben. Seit vielen Monaten hat er sich gar nicht um seine Unterbeamten bekümmert und sogar geweigert, die nöthigen Austheiler von Lebensmitteln unten im Lande zu ernennen. Provisionen, welche Herr Brown für die Bedürfnisse der Armee in diesem Staate abgeliefert hat, werden Leuten zur Verfügung gestellt, die ihre Stelle einem beliebigen Dritten verdanken, dem es einfällt, sich einen commandirenden Offizier zu nennen. Noch nie ist über die Vertheilung des Proviantes Rechnung abgelegt worden, nie wird die Autorität dieser Gelegenheitscommandeure vom Congreß anerkannt werden, und eben so unzulässig werden natürlich die Quittungen der auf obige Weise zu ihrem Amte gekommenen Commissare sein, weil sie den Vereinigten Staaten nicht als Belege für die Provisionen dienen können, die der Staat für ihren Dienst geliefert hat. Außer den Schwierigkeiten, welche später bei der Regulirung der Rechnungen des Commissairs entstehen dürften, möchte ich noch auf die erstaunliche Verschleuderung hinweisen, die ihren Grund in dem regellosen Zustande dieser Departements hat. Trotzdem daß die Congreßbeschlüsse die Errichtung von Posten für Ausgaben von Lebensmitteln oder Fourage ausdrücklich an solchen Orten verbieten, wo keine Continentaltruppen liegen, haben sich doch in unserm Staate diese Winkel-Commissarien in verschiedenen kleinen Flecken festgesetzt, wo vielleicht nie in der Zukunft Continentaltruppen liegen werden und wo in zwölf Monaten keine zwölf Soldaten gelegen haben.«

Um einer ferneren Verschleuderung von Magazin-Vorräten vorzubeugen und um so viel als möglich Ordnung herzustellen, verordnete Steuben in einem Generalbefehle vom 10. April 1781, daß in Zukunft die Provisionen bloß für drei oder vier Tage auf einmal ausgegeben werden sollten, daß nur auf besondern Befehl eines commandirenden Generals oder Linien-Offiziers und zwar nur bei besonderen Gelegenheiten eine Ausnahme stattfinden könnte, und daß Niemand sich als Austheilungs-Commissair auf irgend einem Posten oder Lagerplatz geriren sollte, der nicht regelrecht und besonders hierzu vom General-Commissair ernannt worden.

Von nur wenigen tüchtigen Offizieren unterstützt, hatte Steuben gegen den Strom des Vorurtheils der niedern Klassen, gegen die nationale Eifersucht und mit fast allgemeiner Apathie zu kämpfen. Sein einziger Trost bestand darin, daß der General, zu dessen Verstärkung und Unterstützung er berufen war, seine schwierige Stellung begriff, daß Greene, der sich selbst in noch größere Unannehmlichkeiten verwickelt fand, die energischen, obwohl fruchtlosen Anstrengungen Steuben's schätzend anerkannte und über Virginien, diesen jedes Lebens und jeder Thatkraft baaren Staat, vollkommen mit sich im Reinen war. Engherzige Egoisten würden ihren bisherigen Mangel an Erfolg Steuben's unzulänglicher Mitwirkung zugeschrieben haben, während Greene ihm, wo er nur konnte, seine Achtung und Zustimmung aussprach. Den deutlichsten Beweis dafür, daß er Steuben nicht für die ungünstige Lage der Dinge verantwortlich machte, finden wir in mehr als einem seiner Briefe an ihn.

»Ihrer Geschicklichkeit und Ihrem Eifer« – schreibt er am 3. Februar 1781 – »bin ich vorzüglich für alle erhaltenen Zufuhren und Verstärkungen verpflichtet. Wie unglücklich auch Manches aus Mangel an Macht für uns ausfallen mag, unsre Schuld ist es nicht. Die südlichen Staaten befinden sich in einer so hülflosen Lage, daß sie dem Feinde anheim fallen müssen, wenn nicht auf's Schleunigste Verstärkungen aus dem Norden herbeirücken. Eine solche Vergeudung der öffentlichen Vorräthe (seitens der Milizen) reicht hin, um ein ganzes Volk zu verderben. Das sind aber einige der glücklichen Folgen davon, wenn man ein Land mit Milizen vertheidigt. Von diesen, o guter Gott, erlöse uns! hätten wir mir, um mit Heinrich V. zu reden, einige Wenige von den vielen Tausend, die müßig zu Hause bleiben.« Greene's Man.-Pap.

Wir erinnern uns, daß Greene nach seiner Trennung von Steuben am 20. November 1780 in Virginien, sich sofort tiefer in den Süden begab. Am 2. Dezember erreichte er das Lager der amerikanischen Armee bei Charlotte in Nord-Carolina. Zu derselben Zeit lag die Hauptstärke des britischen Heeres bei Winnsborough in Süd-Carolina zwischen dem Broadriver und dem Catawba. Greene's ganze Macht bestand aus nicht mehr als 970 M. Continentaltruppen und 1013 Milizen, von welchen im Ganzen bloß 800 Mann ordentlich gekleidet und für den Dienst ausgerüstet waren. Der entblößte Zustand und der unter ihnen herrschende Mangel an Disziplin erlaubte Greene nicht ein entscheidendes Treffen zu wagen. Alles, was er im Augenblicke thun konnte, war, seine Truppen an Disziplin und aktiven Felddienst zu gewöhnen, um den britischen Befehlshaber über seine Absichten und Bewegungen zu täuschen und einem unvorhergesehenen Angriff Seitens Cornwallis aus dem Wege zu gehen. Zu diesem Ende theilte er seine Streitkräfte und schickte die eine Hälfte unter Morgan ab, die gegen den linken Flügel und im Rücken der Engländer operiren sollte; er selbst setzte sich mit der Hauptmacht an einem starken Posten an der Gränze von Süd-Carolina am großen Pedee fest, um den rechten Flügel der britischen Armee zu bedrohen und ihm wo möglich die Communication mit Charleston abzuschneiden. Cornwallis schickte Tarleton gegen Morgan ab; es kam zum Gefecht bei Cowpens, wo die amerikanischen Waffen siegten. Cornwallis selbst brach sein Lager bei Winnsborough ab und marschirte nach Norden, um die Verbindung zwischen Morgan und Greene abzuschneiden. Dieser Plan gelang indessen nicht, da Morgan einige Stunden vor ihm am Catawba ankam und gerade Zeit hatte, diesen Fluß ungehindert zu überschreiten. Auf diese Weise bewerkstelligte Greene seine Vereinigung mit Morgan. Von Cornwallis verfolgt, zog er sich auf das linke Ufer des Yadkin zurück. Es lag in der Absicht des Lord Cornwallis, das amerikanische Heer daran zu verhindern, daß es auf Virginien zurückfiel, da es sich von hier aus nötigenfalls Zufuhren und Rekruten verschaffen konnte. Er marschirte den Yadkin stromaufwärts in der Richtung nach dem Dan; es gelang Greene aber, sich (14. Februar) nach Virginien zurückzuziehen, worauf sich Cornwallis, nunmehr Herr von Nord- und Süd-Carolina, in Hillsborough festsetzte. Dies lag im Mittelpunkte der Tories, die voller Enthusiasmus für die königliche Sache an einem Tage sieben Compagnien Freiwilliger aufbrachten und diese unter den Befehl des englischen Generals stellten. Ungefähr zu derselben Zeit erhielt Greene Verstärkungen, und war im Stande, über den Dan nach Nord-Carolina zurückzugehen und Cornwallis zu folgen. Letzterer hatte nämlich, um sich besser mit Provisionen versehen und die Tories nachhaltiger beschützen zu können, seine Quartiere verlassen und am Allimance Creek ein Lager aufgeschlagen. Greene's Armee zählte jetzt ungefähr 4500 Mann, worunter 1600 Continentaltruppen. Er hielt sich für stark genug, um Cornwallis eine Schlacht anzubieten. Dieser nahm sie an und schlug die Amerikaner am 15. März bei Guilford-Courthouse. Cornwallis gewann jedoch nichts durch diesen Sieg, er fand keine Lebensmittel um Guilford herum vor und zog sich nach Croß Creek (dem jetzigen Fayetteville) zurück; aber auch hier fand er sich in seinen Erwartungen getäuscht. So wandte er sich nach Wilmington an der Mündung des Cape Lear River, der Gränze von Nord- und Süd-Carolina. Greene wäre ihm gerne nachgeeilt, aber die virginischen Milizen forderten ihre Entlassung. Er war deßhalb gezwungen, die Verfolgung des Lord Cornwallis aufzugeben und den Kriegsschauplatz nach Süd-Carolina zu verlegen. Am 7. April schlug er den Weg nach Camden ein. Wenige Tage zuvor hatte er die Milizen, deren Dienstzeit abgelaufen war, nach Hause gehen lassen müssen. Trotz alles Zuredens und aller Gegenvorstellungen weigerten sie sich entschieden, auch nur einen Tag länger zu dienen. Von den Freiwilligen, die sich unter die amerikanischen Fahnen gestellt hatten, gingen Hunderte auf einmal davon, und auch bei diesen halfen weder Ueberredung noch Drohungen. Wären sie bei Greene geblieben, so wäre dieser im Stande gewesen, einen entscheidenden Schlag gegen Cornwallis auszuführen; hülflos und schwach wie er jetzt aber war, mußte er auf Verstärkungen von Virginien, Maryland und Delaware warten. Seine Haupthoffnung ruhte noch immer auf Virginien; allein ungeachtet der äußersten Anstrengungen, war es Steuben unmöglich, etwas zu seinem Beistande zu thun.

Vor der Invasion Arnolds, wie wir im 17. Kapitel gezeigt haben, konnte Steuben von seinen Leuten blos 456 zu Greene stoßen lassen. Später, als sich der Feind nach Portsmouth zurückgezogen hatte, gab er sich Mühe, ein neues Detachement nach dem Süden zu schicken, indessen wurde es ihm aus den oben angeführten Gründen diesmal Mal schwerer als vorher. Am 17. Februar 1781 meldete er Greene, daß 1000 Milizen aus den Bezirken Botetourt, Montgomery, Pittsylvanien, Washington und Henry den Befehl erhalten hätten, sofort zur südlichen Armee zu stoßen, und daß er alle Nerven angespannt hätte, um 400-500 Mann von Chesterfield aus direkt an Greene abzusenden. »Noch kann ich nicht sagen,« – heißt es weiter in seinem Briefe – »was wir vermögen werden, aber seien Sie versichert, daß meine ganze Aufmerksamkeit sich ungetheilt auf die Ihnen nöthige Hülfeleistung richten wird. Alles Andere soll diesem Zwecke untergeordnet sein; nur in diesem Lichte sehe ich Ihre Sache an.« Steuben wandte sich zu diesem Ende an Jefferson und kam mit ihm darin überein, die Milizen der Bezirke Bockbridge, Augusta, Rockingham und Shenandoah als die schnellste und wirksamste Verstärkung des Generals Greene mobil zu machen. Allein da es diesen Milizen nicht gefiel, auszumarschiren und auch keine anderen Truppen an ihrer Stelle da waren, so war der Gouverneur sowohl wie Steuben gezwungen, den Plan aufzugeben. Steuben stand zur selben Zeit mit dem General Smallwood und Gouverneur Gist in Verbindung, um zu ermitteln, auf welche Verstärkungen die südliche Armee aus Maryland und Delaware rechnen könnte.

»General Greene's Lage« – sagt er in einem aus Richmond am 12. Februar 1781 an Smallwood geschriebenen Briefe Steuben's Man.-Pap. Bd. XI. – »ist trotz seines letzten Erfolges sehr bedenklich und erheischt Seitens dieses Staates und Maryland's sofortige Anstrengungen zu seinen Gunsten. Ich muß Sie bitten, mein lieber Gouverneur, Ihren Staat anzutreiben, daß er Leute aushebt und ohne Verzug eine Verstärkung nach dem Süden schickt.«

Am 25. Februar gelang es Steuben endlich, ein Detachement unter Oberst-Lieutenant Campbell abzuschicken; es waren 400 Soldaten, die von Chesterfield über Petersburg und Taylor's Ferry abzogen. Steuben schließt seinen Brief am 27. Februar an Greene mit den Worten: Greene's Man.-Pap. »Mein Plan geht dahin, ein drittes Detachement Infanterie am 1. April, ein viertes am 15. April und das fünfte am 1. Mai marschfertig zu machen. Mit dem letzten denke ich selbst zu kommen, indem ich es Oberst Davies überlasse, die anderen in derselben Weise abzuschicken. Mein Vorhaben, Sie zu unterstützen, nimmt mich fast ausschließlich in Anspruch. Ich kann daher mir bedauern, daß der Erfolg so sehr hinter meinem Eifer zurückbleibt.«

Anstatt der 500 Rekruten aber, die er gegen Ende März 1781 an dem Sammelplatz zu finden und am 1. April an Greene abzusenden hoffte, hatten sich mir sieben gestellt und von diesen desertirten noch zwei, so daß also ein Bestand von fünf, d. h. ein Prozent bleibt. Beinahe ebenso schlimm erging es General Mühlenberg. Dieser hatte sich z. B. auf 104 Mann aus dem Bezirke Neu Kent Rechnung gemacht, traf davon aber nur neun Mann an. Giebt es einen schlagenderen Beweis dafür, daß das Volk nicht allein dem Dienste außerhalb des Staates abhold war, sondern daß es sogar nicht einmal die Kraft und den Willen hatte, seinen eigenen Heerd zu beschützen? Steuben war natürlich in Folge dieser Apathie des Staates nicht im Stande, weder jetzt noch später sein Versprechen zu erfüllen. Die Langsamkeit, mit der die Milizen eintrafen und die Schwierigkeit sie zusammenzuhalten, machte es geradezu unmöglich, die nöthigen Truppen zur Vertheidigung Virginiens zusammen zu bringen. Unter diesen traurigen Umständen konnte natürlich gar nicht mehr die Rede davon sein, sich außerdem noch durch Absendung von Detachements nach dem Süden zu schwächen. So waren es bloß die Corps unter den Obersten Greene und Campbell, die Steuben trotz aller Bemühungen zur südlichen Armee abzuschicken vermochte.


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