Arthur Kahane
Willkommen und Abschied
Arthur Kahane

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1.

Florentin wachte auf und fand sich am Ufer eines Sees, in seinen Mantel eingewickelt, auf dem Erdboden liegend, naß vom Nachttau und von der Sonne beschienen, die, jung und prall, mit ihrer roten Kugel soeben über dem See aufgestiegen war und ihm: »Guten Morgen!« sagte und: »Gegrüßt in der Heimat!«

Durch das dichte Buschwerk über seinem Kopfe war ein Sonnenstrahl gebrochen und lachte ihm keck ins Gesicht, Tautropfen fielen ihm ins Haar, ein Falter tanzte kitzelnd über seine Stirne und Frühwind wehte ihm um die Nase. So war er erwacht.

Er sprang auf, daß er mit dem Kopf an das Laubdach stieß, schüttelte sich, bis ihm der Schlaf aus den Gliedern stob, und kam zu sich.

Florentin lachte. Aus abenteuerlichen Lagen kam er nun schon einmal nicht heraus: dies schien seine Bestimmung. Jeder andere wäre, wenn schon die Villa, der späten Nachtstunde wegen, rücksichtsvoll durchaus umgangen werden sollte, gestern beim Seewirt abgestiegen; denn daß die Herreise aus der Hauptstadt, in der er sich keine Viertelstunde aufhalten wollte, den letzten traurigen Rest seiner Barschaft gekostet hatte, war doch kein ernsthafter Grund: morgen hätte er sich schon irgendwie auslösen können; er aber, verdrießlicher Wirtshausgastlichkeit übersatt, mußte sich durch die dunkle Nacht hierhertasten, bis er, mit den Händen fast, die Gartenmauer des Landhauses entdeckt hatte und den 10 schmalen Weg ertastet, der, an der Gittertür der Villa vorüber, zwischen Mauer und See führte. Und in das niedrige Gebüsch von Ginster und Rotdornsträuchen, in das der Weg endigte, war er gekrochen und hatte dort, nach vielen Jahren der Fremde, das gastliche Obdach seiner ersten Nacht auf der einst so vertrauten Erde aller Sommer seiner Jugendjahre gefunden.

Und war es so nicht schöner? Erkältung hatte ihm nichts an und das kleine Getier störte ihn wenig, jedenfalls weniger als in Gasthausbetten. Und dann hatte er hier seinen geliebten See.

Ja, hatte er ihn denn? Er sah durch das Blattwerk seiner buschigen Behausung wie durch ein Fenster hinaus. Der See war verschwunden. Ganz in dicken Nebel gehüllt war er, ein graues Nichts, an einigen Stellen von spärlichen Sonnenblitzen erhellt.

Aber die Stellen wechselten, mehrten sich. Und in wenigen Minuten war das Bild verändert. Die Nebeldecke begann zu reißen, Blau schimmerte durch, die Sonnenhelle schoß hinein, der Nebel hob sich, stieg, und auf einmal lag der See in schimmernder Feuchte da, nur noch leise von zarten, rosigen Schleiern überhaucht. Und der Nebel wich in die Berge.

Ganz still war es. Lautloses Schweigen atmete. Wie ein Heiliges umfing den Heimgekehrten die Friedlichkeit der Heimat und es wurde in ihm unsäglich ruhig, feierlich und erinnerungsfromm.

Als plötzlich das Geräusch schneller Schritte aufklang, ticktack, ticktack, im schönsten Gleichmaß, und dahinter andere, noch schnellere, unregelmäßig, und die Gartentüre aufsprang und ein junges Mädchen herausschoß, barfuß, in einen weißen Bademantel eingehüllt, der im Morgenwinde flatterte, und neben ihr ein schlankbeiniges Windspiel, und dahinter ein zweiter Hund, und alle drei auf den See los, als wollten sie sich in eiligem Lauf hineinstürzen, hemmten aber plötzlich den Schritt und standen, geblendet von 11 der hereinbrechenden Fülle des Sonnenlichts. Das Mädchen breitete die Arme, als wollte es beten, so daß der Mantel herabglitt und die junge Gestalt im schwarzen, seidigen, enganliegenden Schwimmtrikot sichtbar wurde, ganz in das Gold der Haare gehüllt, das lang und locker herabfiel und in der Mitte von einem schwarzen Bande gehalten wurde.

Florentin atmete kaum, als könnte der leiseste Hauch das süße Wunder verscheuchen. Wie ein Traum, wie ein goldenes Märchenbild stand das elfenzarte, kaum sechzehnjährige Mädchen, schlank, hoch und stolz, im edelsten Ebenmaß gebildet, in der gelösten, sich unbelauscht fühlenden Grazie ihrer unverhüllten, noch kindlichen Anmut, von Sonne übergossen da. Es ward ihm selber, als müsse er beten, und er faltete, ohne es zu wissen, die Hände.

»So grüßt mich die Heimat!« sang es in ihm.

Sie kniete nieder und tauchte die Hände in die Flut. Er sah – so nahe stand er – ganz deutlich den blonden Flaum ihrer Nackenhärchen, sah im Nackenausschnitt das zarte, sonnengebräunte Fleisch des Rückens, sah die kräftigschlanken Schenkel, sah das wunderbare rosige Gebilde der Füße, die feinen Knöchelchen, die dünnen Fesseln. Und erinnerte sich nicht, je Schöneres gesehen zu haben. Ganz rein fühlte er sich durch den Anblick.

Dann sprang sie auf, ergriff ein danebenliegendes Holzscheit und schleuderte es, das rechte Bein zurückgestemmt, den Oberkörper nach rückwärts biegend, daß alle Muskeln, straff gespannt, sich deutlich im Trikot abzeichneten, weitausholenden Arms in den See, so daß es, weit draußen, klatschend ins laut aufspritzende Wasser platschte. Und hinterdrein flog, der Herrin gehorsam, ihr schlankes Gespiel, ein russischer Windhund, sauste nach, das Holz zu holen. Nun folgte, während das russische Windspiel, das Holzstück im Maul, mit kräftigen Stößen zurückschwamm, ein zweites Holzstück: aber der andere Hund, ein langhaariger Dackel, lag 12 faul in der Sonne und rührte sich nicht, so sehr auch die Gebieterin mit Händeklatschen, Schreien, Schelten und Lachen ihn hetzte. »Na warte!« sagte sie und tat furchtbar streng, warf sich zu ihm in den Sand, riß ihn an den Ohren auf, und als er noch immer nicht wollte, wälzte sie sich, halb erzürnt, halb lachend, balgend, schlagend, strampelnd, wie ein sinnlos vergnügtes Kind, mit dem faulen Spielgefährten auf der Erde herum. Schließlich stieß sie ihn mit den Beinen fort und ließ diese, mit einem leisen Aufschrei, ins eisig kühle Wasser baumeln.

Der verborgene Zuschauer wurde ganz fröhlich mit ihr. »Nur nicht aufhören!« hätte er sie gerne gebeten. »Das Baden hat ja noch Zeit. Dann versteckt das Wasser deine Schönheit und das Spiel ist aus!« Und am liebsten hätte er mit ihr gespielt. Jung genug fühlte er sich, trotz seinen dreißig Jahren. Aber ihre Ahnungslosigkeit war ja gerade das Schöne daran. Was hätte die für Augen gemacht, wenn sie seine entdeckt hätte! Die beiden alten Juden fielen ihm ein, aus dem Alten Testament, wie sie Susanna im Bade belauschten.

Nun war, mit kräftigen, doch mühelosen Bewegungen, das andere Tier ans Land geschwommen, setzte leichten Schwunges, triefend noch, ans Ufer, schüttelte sich ein einziges Mal, kaum daß ein merkbares Zucken über den edlen Körper lief, und schmiegte sich, glänzend vor Feuchte und Sonne, des vollbrachten Auftrages stolz, an die geliebte Herrin. Und das frühere Spiel erneute sich nun mit ihm, indes der Dackel, ohne Eifersucht, sich ganz dem Genuß der Sonnenwärme überließ. Wie das junge Ding, mit den Tieren selbst wie ein junges Tier, ihnen glich an Unschuld und Unbewußtheit! Wie es sich der Nacktheit seiner Glieder freute! Wie sie fast zu schwellen schienen in der Lust an Sonne, Wasser und Einsamkeit! Sich spannten und bogen, sich rundeten und streckten, schimmerten und glänzten! Und dann dalagen, aufgelöst und hingegossen in das beseligte Gefühl der hemmungslosen Freiheit und Unbelauschtheit! Ganz ohne Scham, aber wieviel Scham lag 13 in dieser Schamlosigkeit! Und er stellte sich vor, wie diese Wangen erröteten, wenn ein Zufall der Ahnungslosen den Zeugen verriete. Der Gedanke jagte ihm selbst die Schamröte ins Gesicht. Das war's. Nicht in der Nacktheit, nicht in Anschauen und Genuß der Nacktheit lag die Gemeinheit, sondern darin, die Unschuld zum Erröten zu bringen. Pfui Teufel! Nur dieses Mädel nicht rot werden lassen! Nur diese Augen nicht zum Niederschlagen zwingen! Nur dieses Kindergemüt nicht beflecken! Und der plötzliche Entschluß zu fliehen stand fest.

Ohne es zu wissen, brach er, unwillkürlich, mit der Hand durch die Zweige, die Äste knackten. Beide Hunde sprangen bei dem Geräusch auf, drehten sich um, lauschten. Jetzt erkannte er sie erst. Verflucht! Es waren der Boz und die Hexe. Wer hätte gedacht, daß die beiden alten Freunde immer noch da seien!

Das Mädchen durfte ihn nicht sehen, um keinen Preis. Den Weg zurückzulaufen, war daher ausgeschlossen. Nach der anderen Seite gab es keinen Ausweg, der Strandweg endigte im Gebüsch, und durchs Gebüsch zu kommen, war unmöglich. Rückwärts lag die verwünschte Mauer, es blieb ihm also nur der See. Ohne lang zu überlegen, ob es auch irgendeinen Sinn hätte, warf er den Mantel ab, brach blitzschnell durch das Gestrüpp und glitt, mit den Kleidern, so leise er konnte, ins Wasser.

Wenn er es ein paar Minuten nur unter Wasser aushalten konnte! Daß die in ihr Spiel Verlorene, obwohl sie keine zehn Schritte von ihm entfernt lag, nichts bemerkt hatte, dessen war er sicher: zu sehr war sie in sich und das Gefühl des Moments versponnen und schien, wie sie so dalag, der Welt vergessend und in den Himmel starrend, zu sehr in traumhafte Menschenferne entrückt, als daß der Gedanke, sie sei in ihrer Nacktheit belauscht worden, in ihr aufsteigen konnte; auch war es seiner konzentrierten Anstrengung zu gut gelungen, jedes Geräusch, das sie hätte wecken können, zu vermeiden. Und wenn sie ihn schließlich weit draußen plötzlich auftauchen sah, konnte 14 ihr unmöglich einfallen, er sei vor einer Minute noch hinter ihr gestanden. Also nur paar Minuten noch getaucht und den Atem eingehalten, dann konnte er auf die Badeanstalt losschwimmen, wo, wie er wußte, um diese Zeit kein Mensch sein konnte. Es war allerdings verzweifelt schwer, sich in den Kleidern unter Wasser zu halten. Er nahm alle seine einst oft geübten, aber jetzt schon lange nicht mehr gebrauchten Taucherkünste zusammen. Und wenn er bis ans Ende des Sees, bis ans Ende der Welt hätte tauchen müssen, um dem Mädel die Beschämung zu ersparen, mußte es gehen. Ganz ruhig schwamm er und versuchte mit den Armen möglichst weit auszuholen, die Beine möglichst tief unter dem Leib heranzuziehen und kräftig nachzustoßen. Aber er fühlte, wie die Kreise, die er mit Armen und Beinen zog, immer enger wurden und es ihn immer wieder hinauftrieb. »Nur paar Stöße noch! Dann bin ich ungefähr in der Mitte des Sees«, sagte er sich und strebte mit äußerster Anspannung hinunter. Und es gelang, und er spürte, wie seine Bewegungen wieder ruhig, gleichmäßig und weit wurden. Ob er Sekunden oder Minuten geschwommen hatte, wußte er nicht: ihm schien es eine Ewigkeit.

Da fühlte er mit einem Male, wie etwas nach seinem Ärmel schnappte. Verwünscht! die Hunde hatte er vergessen. Schon riß es ihn in die Höhe. Und da kam auch schon von der anderen Seite ein zweites angeplätschert und biß sich mit den Zähnen in seine Kleider ein. Und wenn er nicht mit ihnen ersaufen wollte, mußte er, von den beiden Hunden gezwungen, aufsteigen. Aus dem Wasser aber sah er, zu seinem Schrecken, das Mädchen, bereits aufgesprungen, wie vom Schreck versteinert dastehen und dann in einem jähen Satze an die nächste Stelle laufen, um nachzuspringen. Nun blieb ihm nichts übrig, als den einen Arm gewaltsam aus den Zähnen des Tieres loszureißen, ihn aus dem Wasser zu heben und der Retterin abzuwinken. Und mit möglichst schnellen Stößen, Hund rechts, Hund links, friedlich in der Mitte wieder ans Land zurückzuschwimmen.

15 Als sie ihn kommen sah, atmete sie auf. Die Kniee zitterten ihr vor Schreck und Erregung und sie fühlte, wie sie im nächsten Augenblick niederfallen mußte, wenn sie sich nicht mit äußerster Kraft zusammennahm. Aber sie riß sich hoch, warf den Bademantel um, stürzte ihm entgegen, ihm ans Land zu helfen, ergriff seine Hand und zog ihn herauf. So rutschte er ans Land, erhob sich, schüttelte sich und, ehe er noch, Mund, Nase und Ohren von Wasser voll, ein Wort reden konnte, waren auch schon die beiden Hunde da und sprangen wie toll ihm an Brust und Gesicht, immer wieder, bis er, um sich ihrer zu erwehren, jeden von ihnen packte und ihm leise, daß sie es nicht hören konnte, ins Ohr raunte: »Kusch, Boz! Still jetzt, Hexe!« Dann erst beruhigten sie sich und legten sich gehorsam.

Die beiden Menschen aber waren so verlegen, daß sie kein Wort herausbrachten. Er stand da, triefend von Nässe, blamiert, beschämt, ratlos, wie er die Situation erklären solle. Und ihr war das alles wie ein Traum: erst der Morgen in der Sonne und dann auf einmal der Mann im Wasser und das Ringen mit den Wellen und das seltsame Benehmen der sonst so menschenscheuen Hunde, und die Rettung, und nun standen sie einander in diesem Aufzuge gegenüber. Und auf einmal durchschoß es sie: »er kann sich ja den Tod holen!« und ohne Besinnen riß sie den Bademantel herunter und warf ihn ihm um. Er wollte abwehren, aber sie ließ es sich nicht nehmen, nötigte ihn, ohne ein Wort zu sagen, nieder und rieb ihm Gesicht und Haare, Arme und Hände mit dem Mantel, in einem rührenden, kindlichen Eifer, der sich genau an die Vorschriften zur Errettung Ertrinkender hielt. Und plötzlich durchfuhr es ihn: »es ist ja gar nicht anders möglich: sie muß mich für einen Selbstmörder halten. Um so besser! Dabei lasse ich sie!« Das machte ihn aber nur noch verlegener, und er stammelte etwas wie: »Ein Unfall! Ich weiß selbst nicht, wie . . .«

Sie wurde hochrot bis in die Haarspitzen und sagte: »Bitte, 16 reden Sie nichts, sondern atmen Sie nur! Recht tief, bitte! So!« und rieb und arbeitete weiter.

Und auf einmal sagte er, in seiner Verlegenheit, um nur überhaupt etwas zu sagen: »Bitte, Fräulein, ist das hier die Villa, in der ein Herr Otto Moser wohnt?«

»Ja, das ist Papas Villa. Kennen Sie ihn?«

»Ihr Vater? Unmöglich!«

Zu dumm, wie konnte ihm das nur ausrutschen? Und er fuhr fort: »Verzeihen Sie! Ich war so überrascht. Ich wußte nicht, daß er schon eine erwachsene Tochter hat. Da wohnt er also. Ja, zu dem wollte ich.«

»Aber das trifft sich ja wundervoll.« Sie war ganz eifrig, in ihrer neuen Rolle als Lebensretterin, verbesserte sich aber, errötend. »Ich meine, weil Sie ja so schnell wie möglich trocken und warm werden müssen. Dann führe ich Sie leise hinein. Jetzt sieht Sie noch niemand. Papa steht gewöhnlich viel später auf. Und Sie haben Zeit, sich von dem – von dem Bade zu erholen und auszuruhen. Unterdessen finde ich auch schon etwas unter Papas Anzügen, was Ihnen paßt, und Sie können sich umziehen. Und dann bringe ich Ihnen einen warmen Tee, der Ihnen gut tun wird. Nicht wahr, so machen wir's?«

Er wurde ganz gerührt.

»Sie sind so gütig, Fräulein. Und dabei wissen Sie gar nicht, mit wem Sie es zu tun haben und wer ich bin und wie das gekommen ist.«

»Ach was! Das ist ja gleichgültig. Was geht mich Ihr Name an? Die Hauptsache ist jetzt, daß Sie warm und nicht krank werden. Bitte, denken Sie jetzt an nichts als daran, gesund und am Leben zu bleiben.« Und setzte dann, mit einer ganz kleinen, verlegenen Stimme, ganz voll von der Weisheit ihrer sechzehn Jahre, hinzu: »Glauben Sie mir, es wird schon alles wieder gut werden.«

Er sah sie lächelnd an, schämte sich aber innerlich nicht wenig.

17 »Ja, Ihnen glaube ich das. Und nehme es als gutes Omen, daß Sie mir das sagen. Aber ich darf Sie nicht in einem falschen Glauben lassen. Bitte, lassen Sie es mich Ihnen aufklären, und vor allem, lassen Sie mich Ihnen danken!«

»Bitte, nicht!« wehrte sie ab. »Bitte, reden Sie nicht! Sagen Sie nichts, was Sie später gereuen könnte. Ich will mich nicht in Ihr Geheimnis drängen. Und statt mir für etwas zu danken, was jeder einem Fremden, der im Unglück ist, schuldet, kommen Sie lieber und folgen Sie meinem Rate!«

Wie gerne wäre er ihrer kindlichen Weisheit gefolgt! Wie gerne hätte er sich von dieser jungen Hand durch alle Dummheiten des Lebens führen lassen! Aber es ging wirklich nicht an, so wohlgemeint ihr Rat auch war.

»Seien Sie mir nicht böse!« sagte er, »und halten Sie mich nicht für undankbar, wenn ich Ihren lieben Vorschlag nicht annehmen kann. Ich kann Ihnen nicht sagen, warum nicht, und halten Sie es nicht für einen dummen Stolz, wenn ich Ihnen aufrichtig erkläre, es wäre mir peinlich, gerade Herrn – Ihrem Herrn Vater in seinen eigenen Kleidern entgegenzutreten. Bitte, lassen Sie mich ruhig hier! Die Sonne trocknet mich am schnellsten und dort im Gebüsch habe ich meinen treuen Mantel, der mich warm halten wird. Und nur noch einen großen Wunsch habe ich an Sie: ich traue mich kaum, ihn auszusprechen.«

»Bitte, bitte, sagen Sie ihn!«

»Niemandem ein Wort von dem zu sagen, was vorgefallen ist. Auch – Ihrem Herrn Vater nicht. Ich weiß, es ist viel verlangt, daß Sie mit einem völlig Fremden ein Geheimnis teilen sollen, aber auf Ihre große Güte wage ich es.«

»Aber natürlich«, sagte sie eifrig. »Nicht ein Wort sage ich Papa. Auch Mutter nicht, und bei der ist es viel schwerer, denn Mutter errät alles und weiß alles, auch wenn man ihr nichts sagt. Aber ich schwöre Ihnen, kein Mensch erfährt etwas, und Sie können sich auf mich verlassen.«

18 »Ich danke Ihnen. Und in einer halben Stunde bin ich da, und dann hilft Ihnen nichts, dann erfahren Sie alles. Aber Sie allein, sonst niemand.«

Dann hing er ihr den Bademantel um und bemerkte: »Sehen Sie, auch um Ihr Bad habe ich Sie gebracht.«

»Das macht nichts, das hole ich schon noch nach«, erwiderte sie und gab ihm die Hand. »Also kommen Sie und, nicht wahr, Sie werden nicht traurig sein, Sie werden sehen, es wird alles wieder gut.«

»Ist es schon«, rief er ihr nach und setzte sich vergnügt in die Sonne, sich trocknen zu lassen. 19

 


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