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XII.

Ein Jules Vernescher Held (oder ein Karl May-Trapper mit Boxerfaust – ich habe Karl May als Junge verschlungen, denn er ist auch ins Schwedische übersetzt worden) – solche Helden hätten zufällig eine Bohrmaschine, Meißel und Hammer oder ähnliches bei sich gehabt.

Wir hatten auch etwas. Unsere Pistolen. Aber selbst Nickelmantelgeschosse vermögen gegen dicke Eisenplatten mit Betonauflage nichts auszurichten.

»Wenn's nun ein Dichterwerk wäre, das ich hier in meiner Laube mit Bleistift auf schlechtestes feuchtes Papier kritzele, dann würde ich den Kopf sinnend in die weiße, wohlgepflegte, nervöse Hand mit dem blauen Astwerk der Adern stützen (das heißt: meine Hand ist weder weiß noch nervös, sondern braun wie Nappaleder und muskulös wie die Pfote eines Klettermai) – sinnend stützen und den effektvollen Schluß überlegen ... Zum Beispiel könnte Coy Cala unser Verschwinden bemerkt haben und noch im letzten Moment mit seinen Bärenkräften einen zwei Zentner schweren Felsblock auf den Deckel des Loches im Ozean schleudern. Oder ...

Aber nein, es gibt ja so viele Möglichkeiten ...

Ich will lieber gleich nüchtern und kurz schildern, was in Wirklichkeit geschah.

Achim hatte soeben zu mir gesagt:

»Mein lieber Olaf, nun wird mein Junge vielleicht nie erfahren, weshalb sein Vater ihn und die Mutter verließ. Denn daß Ellinor ihm einmal alles wahrheitsgetreu schildern wird, bezweifle ich. Unser Sarg wird dieser runde Eisenschacht werden ...! Merkst du, daß der Sauerstoff der Luft immer geringer wird? Mein Schädel berührt auch schon den Deckel, und trotzdem reichte mir das Wasser bis zum Kinn. Es ist aus, Olaf. Dieses Ende – – pfui Teufel, ersaufen!! Nein, das paßt mir nicht. Noch kein Graf zu ...burg ist ersoffen. Eine Kugel, ein Degenstich, eine Granate – das hätte ich mir gefallen lassen! Aber so ...!! – Hör' nur, wie die Wogen droben rumoren ... Jeder Wellenkamm geht schon über uns hinweg, und ... – ja, weißt du –, was mag wohl aus dem Motorboot geworden sein, das wir droben vertäut haben?!«

Motorboot ...!

Himmel – – das Motorboot!! Ich hatte es so fest angekettet ...! Wenn Coy es bemerkte ...! Es mußte droben ja schon heller Tag sein!

Lächerliche Hoffnung ...!

Und als ob das unerbittliche Geschick uns die letzten Minuten noch durch Finsternis vergällen wollte, erloschen plötzlich die Lampen ...

Die tote Tatjana stieß mit dem haarumwallten Kopf gegen meine linke Hand, als ob sie sich als Gefährtin des Riesensarges melde ...

Finsternis ...

Achim meinte bitter:

»Im Dunkeln ersaufen!! Nein, Olaf, niemals ... Wenn's so weit ist, knalle ich mir eins vor die Stirn ... Ein Graf zu ...burg ersäuft nicht wie eine räudige ...«

» ... Katze« – hatte er sagen wollen ... Vielleicht auch Wanze oder Laus, obwohl das zu »räudig« nicht recht paßt ...

Sagen wollen ...

Vielleicht hat er's auch gesagt – Katze –, und ich hatte es nur nicht mehr gehört, denn mein Ohr war anderweit voll in Anspruch genommen ...

Durch den runden Schacht ging eine Erschütterung, als ob er einen bösen Stoß erhalten, dazu ein Krachen, Splittern, Dröhnen wie ein Donnerschlag ...

Und fast gleichzeitig riß dicht über unseren Köpfen eine ungeheuere Kraft den Klappdeckel aus den Fugen ... Drückte ihn beiseite. Licht flutete in die Finsternis, Wellen leckten herein, und über uns, die wir blitzschnell uns emporgeschwungen hatten, ragte der Bug eines hellen Fahrzeuges empor, einer Jacht mit wagerechtem, schnittigem Bugspriet ...

Die Jacht war auf das Riff geraten – ein blöder Zufall ...

Die Jacht hatte in die Bucht einlaufen wollen, der Kapitän hatte dem Riff ausweichen wollen, aber eine sehr schräge, scharfe Strömung trieb das Luxusfahrzeug mit erheblicher Kraft gegen die Felsen, brach eine Seite des Vierecks ein, fegte den Deckel hinweg.

Zufall.

Die Jacht war die »Sonora«, Heimathafen New Orleans, Besitzerin Frau Ellinor Gräfin zu ...burg geborene Mangrove.

Nun, zunächst saß die »Sonora« fest.

Wir wurden an Deck gehißt.

Unser Motorboot war längst abgetrieben, nachdem die Kette gerissen war.

An Deck stand Ellinor Gräfin zu ...burg, und so, wie sie jetzt Achim anblickte, hätte dieser Achim nach diesen Minuten im Massensarge ein Mensch von der Bockbeinigkeit eines kompletten Esels sein müssen, wenn er nicht – er liebte sie ja immer noch – getan hätte, was auch ich an seiner Stelle getan haben würde. Er ging auf sie zu, pudelnaß, triefend ... Streckte ihr die Hand hin. Was er sagte, weiß ich nicht.

Was Ellinor tat, sah ich.

Sie legte ihm die Arme um den Hals, weinte, küßte ihn.

Dann sah ich nichts mehr, denn ich hatte mich umgedreht.

Der Kapitän trat näher.

»Choster«, nannte er seinen Namen. »Sie sind Mister Abelsen, schätze ich?«

»Schätzen richtig ...«

»Wo kamen Sie her, Sie und Mr. ...burg?«

»Aus dem Wasser, schätze ich ...«

»Hm – komisch ... Wir hatten Sie beide gar nicht bemerkt ... – Verfluchte Geschichte übrigens. Die ›Sonora‹ sitzt fest.«

»Scheint so ...«

»Was ist da für ein eisernes Ding unten am Bug ...?«

»Ein alter Schiffskessel von einem Wrack«, log ich, denn von dem Golde sollte niemand etwas erfahren.

Achim und Frau Ellinor kamen heran.

»Olaf, einen Augenblick ... – Hier meine Frau – hier mein Freund Olaf K. Abelsen, Ellinor ...« Und leiser, als ich schon der Gräfin Hände gedrückt hatte – – »Olaf, das Gold muß verschwiegen werden ...«

»Natürlich ... Ein alter Schiffskessel – schon alles in Ordnung, Achim ...«

»Gut so ...«


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