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III.

Zwei Tage Unwetter, dann Sonne, Licht, Wärme. Wir drei ausgehungert wie die Wölfe ...

Coy fing sechs Lachse mit einer schnell hergestellten Harpune, briet sie in der Asche, und Allan aß allein ein armlanges Fischlein, das in einem Speisesaal für sechs gereicht hätte. Mittags war die Sonne gekommen, und nachmittags schon kamen die Robben wieder. Da durfte Allan denn mit der Pistole sein erstes Wild erlegen. Acht große Tiere und zwei Junge schleppten wir zur Bootswerft.

Coy sang und schnitt Riemen. Abends hatten wir das Bootsgerippe bereits bespannt. Und nachts arbeiteten wir beim Scheine zweier Feuer und bei feierlichem Mondlicht weiter. Nur unser »Kind« war zu Bett geschickt worden, unser Kind, das jetzt ganz Coys Liebling geworden.

Eine köstliche milde Nacht ...

Coy und ich redeten über mancherlei. Auch über Allan. Wir erörterten die Frage, weshalb man ihn geraubt und hier so brutal dem sicheren Tode – ohne uns wäre der Junge umgekommen – überantwortet hatte. Eine Frage, die keine Lösung fand. Und von dieser Frage zweigten zahllose andere ab ... Wir gaben das nutzlose Reden auf und sprachen von Dingen, die wir besser kannten: Von der Familie Turido und ihrem Anhang, von den drei Kameraden, von Joachim besonders.

Coy meinte, die Turidos würden sich wohl ganz sicher fühlen in ihrer Westbucht von Santa Ines.

»Sie tot sein, Mistre, so glauben ... Ich tot sein, so glauben ... Werden merken, wie Kugeln schmecken!!«

Und sein bepflastertes Gesicht, das ich von neuem verbunden hatte, ward rachgierige Fratze.

Wir brachten jetzt Dollen aus Astgabeln an. Erstaunlich war, daß Coy so sehr darauf hielt, alles auch recht sauber und schön herzustellen. Dieses Fellboot war in der Tat ein Kunstwerk – sein Kunstwerk, und fraglos für die Kanäle auch seetüchtig.

»Was hat dir Chubur denn noch über die Turidos erzählt?« fragte ich, als Coy gerade eine der Holzdollen mit den geschmeidigen frischen Robbenriemen festknotete.

Er zauderte mit der Antwort. Ein merkwürdig prüfender Blick traf mich, ein Blick, als ob er mich nochmals gründlich einschätzen wollte.

»Viele Männer bei Haus an Bucht«, sagte er dann. »Chubur meinen mindestens zwanzig ... Große Menge Feinde, Mistre Abelsen ... für uns!«

Da verstand ich seinen Blick. Er hatte wohl gefürchtet, ich könnte die Absicht, die drei Kameraden zu befreien, wieder aufgeben, wenn ich hörte, gegen welche Übermacht wir zu Felde ziehen wollten.

»Schafskopf!« sagte ich grob.

Er lachte. Auch er hatte mich verstanden.

Dann erklärte er mir mit der naiven Logik des Naturkindes:

»Große Geheimnis dort, Mistre ... Werden sein Piraten, Mistre ... Viel Schiffe hier verschwinden um Kap Horn. Piraten versenken Schiffe, töten alle Besatzung ... Niemand erfahren was.«

»Hm – und die zehn Rohrstücke aus Stahl mit Betoneinlage?! – Piraten?! Nein, mein lieber Coy ...!«

Er grunzte irgend etwas. Er blieb bei seinen Piraten. Diese Vermutung entsprach so ganz den Legenden seines Volkes, die früher selbst hier in den Inseln geseeräubert hatten.

Um fünf Uhr morgens war das Boot fertig. Es hatte eine Länge von etwa fünf Meter, eine Breite von fast zwei und sehr hohe Bordwände. Trotzdem wog es keinen Zentner. Wir trugen es spielend leicht im ersten Morgengrauen die Terrassen hinab und probierten, ob es leckte. Einige Fellnähte waren nicht ganz dicht.

Coy kochte Harz aus den wenigen Krüppelkiefern. Und gerade, als er die Nähte verschmierte, hörten wir irgendwo einen Schuß – fraglos in einem der Seitentäler der Bucht. Wir beide starrten uns an. Dann meinte Coy:

»Mistre, rasch einschiffen ... Weg von hier ... Schnell! Nicht gut sein hier ... Kann chilenischer Kreuzer wieder ganz nahe sein ... Rasch!!«

Ich weckte Allan. Unser Hab und Gut war bald im Boote verstaut. Dann gings der Einfahrt zu. Coy und ich, vier feine Blattriemen, – oh, das Fellboot schoß nur so dahin! Allan saß am Steuer. Es war Ebbezeit, und die Riffe lagen frei. Wir konnten so leicht nirgends aufrennen.

Der gewundene Buchteneingang erforderte größere Vorsicht. Ich setzte mich ans Steuer. Allan kauerte vor mir. Sein leicht gebräuntes Gesicht strahlte. Sein größter Wunsch war nun erfüllt: wir waren unterwegs.

Die letzte scharfe Biegung. Links ein Vorgebirge ...

Und auf einem Felsen, dem letzten, ein Mann in der prallen Sonne, mit den Beinen schlenkernd, in den Händen einen dicken Ast, daran einen dünnen Riemen: eine Angel!

Der Mann war in einen plumpen Fellanzug gekleidet, Robbenfell, Haar nach außen ... Aber unter der Fellmütze in Form eines Südwesters ein so unverkennbares Profil, daß ich sofort hinüberrief:

»Hallo, Näsler!! Mensch, was treiben Sie hier?!«

Coy hatte sich umgedreht, und Allan war aufgesprungen.

Unser Boot wurde von der Strömung bis dicht unterhalb des steil abfallenden Felsens mitgenommen.

Ja – es war Joachim Näsler!

Und seine Antwort war auch:

»Ich angle, Abelsen ... Und außerdem wartete ich hier auf Sie ...«

Coy hielt den einen Riemen hoch, und Näsler griff danach. Unser Boot stand.

»Sie warten auf uns?« fragte ich ungläubig.

»Natürlich. Dachten Sie, ich wollte hier allein zurückbleiben?? Die verflossenen vier Tage Einsamkeit genügten meinem zuweilen erwachenden Bedürfnis nach Einsiedlertum durchaus ...«

»Also ... hatte man Sie gar nicht entführt?«

Sein Monokel glitzerte Ironie ...

»Ich lasse mich nicht so leicht entführen, lieber Abelsen – Wenn Sie jetzt so freundlich sein wollen, Ihr Boot dorthin zu dirigieren, daß ich einsteigen kann ...«

»Haben Sie vor zwanzig Minuten einen Schuß abgefeuert?«

»Ja ... mir fehlte noch ein Robbenfell für meinen Südwester ... – Machen Sie doch kein so verdutztes Gesicht, Abelsen ...! Ich bin tatsächlich die ganzen vier Tage hier auf der Insel gewesen und zwar an der Nordseite in einer Höhle und an einer kleinen, malerischen, bewaldeten Bucht. Dort habe ich mir diesen Anzug genäht, denn mein Flanellkostüm war doch dem hiesigen Klima nicht recht anjemessen ... Na, anjemessen is der Neue auch man sehr mäßig ... Sitz mangelhaft, Schnitt vormärzliche Mode, Pfuscherarbeit ... Nähte mit Lederriemen geheftet ... Coy, mein Sohn, Du verstehst dich auf die Kunst besser. – So, nun haltet bitte mal den Kahn fest ... Danke. Und ade kleine Insel ... Ich weine dir keine Träne nach ...! Du hast mir viel Ärger gebracht.«

Coy stieß ab, und unser Boot verschwand im nächsten Kanal.

Daß ich mich bei diesen knappen Angaben Näslers nicht beruhigen konnte, war den ganzen Umständen nach eigentlich selbstverständlich. Ich will nicht gerade sagen, daß ich ihm nicht glaubte, – daß er aber mancherlei verschwieg, war kaum anzuzweifeln. Vier Tage Einsiedlerleben – – nur aus einer Seelenstimmung heraus?? Und uns so plötzlich verlassen??

Nein, beim besten Willen, das war ziemlich unglaubwürdig.

Zunächst hatten wir jedoch anderes zu tun, als diese Dinge zu erörtern. Und zwar war es wieder Joachim, der uns viel zu denken gab. Kaum hatte er auf der einen Ruderbank Platz genommen und die Riemen ergriffen, als er auch schon unseren kleinen Allan, der ihn bisher neugierig angestarrt hatte – (was dem Bürschchen doch wahrlich nicht zu verargen war) – grob anschaute:

»Bin ich ein Clown, Junge?? Was beglotzt du mich derart unverschämt! – Wo haben Sie den kleinen Bengel aufgegabelt, Abelsen?«

Allan wurde blutrot und wandte den Kopf zur Seite.

Ich aber schlug zum ersten Male Näsler gegenüber einen sehr scharfen Ton an:

»Ich möchte Sie doch dringend bitten, den Knaben anständiger zu behandeln!! Wüßten Sie, was der Ärmste hinter sich hat, so ...«

»Interessiert mich absolut nicht, lieber Abelsen. Kinder sind mir stets ein Jreuel jewesen, stets ... Vielleicht deshalb, weil ich selbst mal so 'ne infame Rübe war und weil dann später meine Beziehungen zum Vormundschaftsjericht meerschtendeels in Alimentensachen bestanden ... – Nee, Abelsen, lieber zehn Hunde als een Kind! So 'n Hund ist treu ... Kinder?? Na – Ihr wütendes Jesicht mag sich wieder jlätten. Ick höre schon auf ... Und im übrigen und besonderen haben wir auch wirklich Besseres vor als derartige Fragen durchzukauen ... Steuern Sie dort hinein, Abelsen ... Weshalb? Weil ich Ihnen und Coy etwas auf dieser Nachbarinsel unseres Robinsoneilandes zeigen will ... Ja rinn in die Bucht ...!! So, Sie werden schon die Augen aufreißen, mein Lieber ... Dort rechts können wir anlegen ... Los, Coy!! Noch zwei Schläge ... Stopp – – Riemen ein!«

Es gab Augenblicke, in denen dieser Joachim Näsler, von dem ich bisher doch im Grunde gar nichts wußte, geradezu unsympathisch wirkte. Unter der beabsichtigten Tünche seiner hundeschnäuzigen Schnoddrigkeit kam dann eben, so schien's, der wahre Wesenskern winzig ans Tageslicht: Hochmut, anmaßender Kommandoton, Selbstbewußtsein ohne rechten Grund und Ansichten über Leben und Dinge, die ebenso sehr verblüfften wie abstießen oder nach bewußter Effekthascherei schmeckten.

Augenblicke, gleichsam Entgleisungen ...

Wer Näsler dieses »Stopp, Riemen ein!!« rufen hörte, hätte unbedingt geschworen: Geübte Kommandostimme, leicht schnarrend, trotzdem hart wie Stahl: Offizier von ehedem!

Unser Boot wurde vorsichtig an die niedere Felsbarriere gezogen und mit zwei dicken Lederriemen gut befestigt. Wir stiegen aus. Ich half Allan an Land. Er war noch ganz verschüchtert.

»Der Junge bleibt hier am Ufer!« befahl Näsler in demselben Ton.

»Er kommt mit«, erklärte ich, und mein Blick, der sich mit dem Joachims kreuzte, war genau so unbeugsam wie der seine.

»Er bleibt!! Das, was Sie sehen werden, ist nichts für Kinder!« erklärte er weniger scharf. »Und wenn Sie fürchten sollten, daß dem Bürschchen hier allein etwas zustoßen könnte, so werde ich bei ihm bleiben. Erklettern Sie mit Coy jene östliche Anhöhe, deren flache Kuppe gelb von Dornblüten leuchtet. Der Berg da liegt nur etwa hundert Meter von unserer Robinsoninsel entfernt, die wir soeben verlassen haben. Meine lange Coltpistole schießt aber in meiner Hand noch auf größere Entfernung absolut sicher, selbst wenn lediglich das Aufflammen von Blitzen das nötige Licht spendet ...«

Diese Andeutungen verwirrten mich. War's möglich, daß Joachim während des kurzen Gewitters, das wir drei in der Felshöhle nur am tobenden Donner gespürt hatten, irgend jemand erschossen haben sollte – von Insel zu Insel??

Aber gleichzeitig regte sich in mir auch ein gewisses Mißtrauen. Sollten wir Näsler hier mit dem Knaben bei unserem kostbaren Boote allein lassen?! Konnte er nicht vielleicht dunkle Pläne hinter seiner hohen, eckigen, trotzigen Stirn wälzen?

Sekunden nur, denn Gedanken sind schnell wie die Lichtstrahlen – und ich hatte einen Entschluß gefaßt.

»Gut, bleiben Sie ... – Vorwärts, Coy!«

Wir nahmen unsere Waffen und Allan stand abseits und schaute uns enttäuscht nach. Nein, er sollte nichts zu fürchten haben.

Als wir in eine Schlucht einbogen, die uns den Blicken der Zurückbleibenden entzog, sagte ich zu Coy, dem Treuen:

»Coy, du wirst dich hier verbergen und Näsler beobachten!«

Seine Antwort überraschte mich.

»Mistre, ich das tun auch von selber ... Mistre Näsler mir nicht gefallen ... Geben mir bitte Repetierbüchse, Mistre Abelsen. Meine Flinte gut für Robben, sonst nichts taugen ...«

Er bekam die Sniders-Büchse, und ich schleppte seine schwere doppelläufige Flinte bergan.

Diese Insel hier war im Gegensatz zu dem östlich gelegenen nahen Eiland ein wahres Chaos von Felsmassen, Abgründen, steilen Zacken und schroffen Wänden. Ich brauchte fast eine halbe Stunde, bis ich jene Höhe erreichte – einen Berg, der nur aus Felsschutt zu bestehen schien. Auch die Kuppe, deren Geröll überall mit dicken Schichten von Vogeldünger durchsetzt war, bot mit ihren zahllosen üppigen Dornbüschen dem Vordringen schier unüberwindliche Hindernisse.

Mit dem Flintenkolben bahnte ich mir notdürftig einen Weg durch die stachligen Massen, gelangte auch schließlich an den Ostrand, der senkrecht wie eine Mauer in den Kanal abfiel. Mir war heiß geworden. Aber die reichliche Schweißabsonderung tat mir wohl. Ich schaute mich um. Von dem Boote, von Allan und Näsler war nichts zu sehen. Ein scharfer Höhenrücken versperrte die Aussicht dorthin.

Nichts zu sehen von irgendeinem Toten hier – nichts. Möwenschwärme schossen über mir hinweg, kreischten, beschenkten mich mit Unrat, wütend darüber, daß ich ihre Nistplätze störte. In flachen Nestern lagen zwischen dem Gestrüpp die verschiedenartig gefärbten und gesprenkelten Eier der graziösen Vögel, deren Familie so außerordentlich vielgestaltig ist.

Ich schritt am Rande dahin, erst nach Süden, dann nach Norden. Und die nördlichste Ecke der Kuppe glich einer Turmruine. Es fehlte nur der Efeu. Dornen waren genug da, die diese scheinbaren Mauerreste gelb gefärbt hatten.

Hier fand ich etwas: ein kleines braunes Leinenzelt, sehr geschickt in die Felsmassen eingebaut, aber leer. In dem Zelt eine Menge komfortabler Einrichtungsgegenstände: zwei Schlafmatratzen, ein Spirituskocher, Aluminiumgeschirr, Konserven und anderes.

Zwei Bewohner also ...

Wo waren sie??

Ich drang weiter vor.

Ein dichter Busch dann, am Rande der Steilwand, halb überhängend. Dahinter auf dem Bauche liegend zwei Tote. Ein Mulatte und ein Europäer. Beide jung, etwa dreißig, beide mit Kopfschüssen, neben sich tadellose Karabiner. Die fahlen Leichengesichter lagen im Steinschutt, und die in das Geröll gekrampften Hände bewiesen das blitzartige Ende.

Der Weiße war bartlos und trug einen derben Sportanzug. Ich drehte ihn um. Die Kugel Joachims war ihm über der Stirn durch die Mütze in den Kopf gedrungen. Durch den halb offenen Mund blinkten Goldplomben. Das linke Ohr war von den Möwen bereits weggefressen worden, und auch die Hände zeigten die Spuren von Schnabelhieben.

Ich untersuchte seine Taschen. Er hatte etwa 300 Dollar bei sich, und seine Papiere lauteten auf den Namen eines Advokaten Gerald Mangrove aus New Orleans, U. S. A.

Dieser Name klärte die Dinge etwas.

Etwas ...

Also ein Mangrove ...

Vielleicht der Entführer Allans.

Der Mulatte hatte nichts bei sich, was über seine Person Aufschluß geben konnte.

Aber neben den Toten sah ich fünf Patronenhülsen liegen. Das war wichtig. Ich reimte mir die Vorgänge etwa so zusammen. Damals während des Gewitters mußte Näsler drüben auf der anderen Insel von diesen beiden beschossen worden sein. Er hatte ebenfalls gefeuert und ... getroffen, nur mit der langen Coltpistole. Welch' ein Schütze mußte er sein!

Aber weshalb dieses Feuergefecht?? Weshalb hatte dieser Advokat hier sein Zelt aufgeschlagen und dann morden wollen??

Nun, Joachim würde ja alles erklären.

Ich steckte die Papiere zu mir und machte mich auf den Rückweg.

Als ich bei Coy in der Schlucht anlangte, saß er auf einem Stein und starrte vor sich hin.

»Mistre«, meinte er kopfschüttelnd, nachdem ich ihm kurz meinen Fund auf der Kuppe geschildert hatte, »hier noch viel Wunderbareres ... Mistre Näsler gute Kamerad. Gar nicht daran denken Boot zu stehlen. Nein, mit kleinen Freund sich setzen hinter Geröllwand. Ich kriechen hin, Mistre. Und – was sehen? Nicht werden glauben, Mistre Abelsen!! Sehen, wie Mistre Näsler kleinen Allan sitzen lassen auf Schoß und Kopf streicheln und ihn anlachen und reden und scherzen und Allan auch so vergnügt sein ... – Coy nicht verstehen das. Mistre Näsler nur so tun, als ob Kinderfeind. Alles Lüge ... Lieben Kinder. Hartes Herz nach außen, innen weich wie faulender Robbenspeck ...«

Allerdings, auf alles andere war ich vorbereitet gewesen, nicht hierauf.

»Und was tun die beiden jetzt, Coy?«

»Jetzt angeln, Mistre ... Neugierig sein, was Mistre Näsler sagen werden, über neue Freundschaft mit Allan ... sehr neugierig ...«

»Ich auch, lieber Coy ... Und noch neugieriger, was er über die Schießerei mit den beiden oben angeben wird. – Ein merkwürdiger Mensch ...«

Und dies Letzte war mehr für mich selbst gesprochen.

Als wir uns den Anglern näherten, rief der Junge freudestrahlend:

»Oh – zwei Lachse schon ...!! Und der Onkel Joachim –, den habe ich mindestens so lieb wie euch!«

Näsler schmunzelte.

»Die kleine Range hat mich wahrhaftig bekehrt, Abelsen ... Ich scheine die besten Anlagen zur Jouvernantentante zu haben ... Komisch, det wir uns selber immer am wenigsten kennen ... – Na – und droben auf der Kuppe?«

»Darüber reden wir später ... – Allan, mein Junge, hast du einen Onkel namens Gerald Mangrove?«

»Ja, Mister Abelsen ... Advokat in New Orleans ist er, aber kein richtiger Onkel. Nur ein Vetter von Mammi von der anderen Mangrove-Linie. Großvater nennt sie immer die armen Mangroves. Denn Großvater ist sehr reich. – Wie kommen Sie auf Onkel Gerald, den ich übrigens gar nicht leiden mag, Mister Abelsen?«

»Nun, ich kenne ihn flüchtig ... – Näsler, kommen Sie mal abseits ...«

Er erhob sich, und wir und Coy standen zehn Schritt von Allan entfernt und flüsterten nun miteinander. Allan war viel zu erpicht auf die Fische, als daß er sich um uns gekümmert hätte.

»Stimmte jenau wie Sie sagen«, nickte Joachim mir zu und putzte sein Monokel. »Die beiden Halunken schossen auf mich, als ich drüben während des Gewitters Möweneier suchte. Nun – ick pflege mir zu revanchieren. Meine Pillen saßen besser ...«

Seine Pomadigkeit ärgerte mich.

»Näsler, der eine, der Advokat, hat doch sicherlich den Knaben verschleppt ...!«

»Wird wohl so sind, Abelsen ...!«

»Donner noch eins – reden Sie doch vernünftig! Das alles kann Ihnen doch unmöglich so vollkommen schnuppe sein!!«

»Reden? Was ist da zu reden? Raten könnten wir nur. Raten, weshalb die beiden sich hier häuslich eingerichtet hatten ... Weiß ich nicht. Ist mir im Grunde auch egal. Der Junge lebt, und der Rest wird später schon geklärt werden.«

Er hatte nicht ganz unrecht.

»Wir müssen die Toten doch begraben«, schlug ich vor.

»Selbstredend ... Coy mag das tun und mag auch das Zelt und alles andere mitbringen.«

Coy war sofort bereit. Er hatte es auf einen der Karabiner abgesehen, und sicherlich würde er ja auch im Zelte droben Sprit finden.

Als er nach einer Stunde schwerbepackt am Buchtrand wieder erschien, schwankte er verdächtig und seine Augen schimmerten feucht, und sein Mund war ein Fuselblasebalg. Er war dreiviertel betrunken. Ich schwieg dazu.

Nur Näsler meinte:

»Mein lieber Sohn Coy, du bist besoffen ... Daß du dir beim Abstieg nicht den Hals gebrochen hast, ist wirklich ein Wunder Gottes. Aber Besoffene und Kinder haben ja ihren besonderen Schutzengel, du brauner Bengel!!«

Das war die Episode auf dem Nachbareiland.

Nur ein Zwischenspiel – nur ... die Hauptakte folgten später.

Wir täuten das Boot los und fuhren davon.

Wege abseits vom Alltag ...

Heute sonnige Wasserwege ...

Coy schlief im Boot seinen Rausch aus. Neben ihm lagen seine Flinte und einer der erbeuteten Karabiner. Ich ruderte als Schlagmann, hinter mir Joachim. Am Steuer saß Allan und pfiff einen Marsch ...


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