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Das Athenäum.

Der Buchstab' ist der echte Zauberstab.

Friedr. Schlegel.

 

In dem lieblichen Thale der Schwarza hatte sich im Sommer 1799 der junge Norweger Steffens, Studirender der Naturwissenschaft, der Philosophie, der Literatur und alles Neuen und Schönen, gelagert und las Fichte's Wissenschaftslehre und das Schlegel'sche Athenäum. Daß Fichte und Goethe die Brennpunkte der neuen Zeit seien, hatte er im Athenäum gelesen; Goethe war der Genius seiner Jugend gewesen, Fichte aber ihm bis dahin unbekannt geblieben. Nun vertiefte er sich in die Kunst des abstrakten Denkens, was ihm auch nach einiger Bemühung so wohl gelang, daß er sich im Bannkreise des sich selbst setzenden Ich ziemlich heimisch fühlte. Aber seltsam war es ihm doch, wenn er aufblickte, das Gebirge, die Bäume, die Vögel und die Sonne in ihrem strahlenden unwiderleglichen Dasein zu sehen. Nichts erwähnt er von einem solchen Gegensatz der Natur zum Athenäum, wiewohl es durchaus ein Geschöpf des bewußten Geistes ist: das riß ihn hin und zwar, wie er sagt, durch den mächtigen Geist der Einheit des ganzen Daseins, der wie ein frischer Lebensstrom darin wehe und alle Wissenschaften in eine zusammenzufassen suche.

»Der Bildung Strahlen all' in Eins zu fassen,
Vom Kranken ganz zu scheiden das Gesunde,
Bestrebten wir uns treu im freien Bunde«

sagte Friedrich Schlegel in dem Gedichte, das er das Athenäum betitelte; zum Beweise, daß die Leidenschaft zur Einheit wie die Seele der ganzen Romantik so auch die des Athenäums war oder sein sollte.

Wer die vergilbten, altfränkischen Bände des Athenäums aus einer Bibliothek sich holt und von außen betrachtet, kann es sich kaum vorstellen, daß ein Jüngling, im kühlen, sommerlichen Walde sitzend, sich aus diesen Blättern einen Rausch der Begeisterung las; daß sie einmal so modern und aufsehenerregend waren wie jetzt etwa die »Jugend«, nein, viel mehr: eine Fahne der Revolution, von jungen, wagemuthigen, hoffenden Menschen unter Lachen und Jubel geschwungen. Das sollte mit einem Male eine Lücke reißen in die Mauern der Philisterburg! Und dann wollten sie hinterdrein stürmen und sich erobernd in die dämm'rige, dumpfe Höhle werfen. Wie Feuerbrände sollten die phantastischen Einfälle in die steifen, breitspurigen Gassen fliegen und zünden.

Wer das ausgeheckt hatte unter unzähligen andern Entwürfen, das war natürlich Friedrich, während er in Berlin nach langem Darben der ersten Jugend in Freundschaft und Liebe schwelgte. Von seinem faulen Freunde in Kopenhagen, für den die bequemste Stellung ein Studium war, erzählt Steffens, daß er der geistig Angeregteste unter ihnen Allen gewesen sei; aus seiner körperlichen Unbeweglichkeit heraus habe er stets die ganze Gesellschaft in Athem gehalten. Ebenso verhielt es sich mit Friedrich; damals aber namentlich war er durch und durch von Begeisterung beseelt, von einer gründlichen, nachdrücklichen, massenhaften Begeisterung. Mitten in seiner philosophisch-ästhetischen Abhandlung über das Studium der griechischen Poesie und in einem Aufsatz über Lessing steckend, erübrigte er Zeit, den Plan für die neue Zeitschrift zu entwerfen und einen Namen zu ersinnen für die herrliche Waffe, die sie schmieden wollten. Herkules sollte sie heißen, sei es wegen der Schlangen, die der Heros in der Wiege erwürgt oder weil er den Augiasstall gereinigt hatte, dann wieder schlug er Dioskuren vor oder Schlegeleum; denn der verbrüderte Geist von Wilhelm und Friedrich sollte das Ganze regieren. Aber großherzig entsagungsvoll, wie man ist, wenn es sich um die Verwirklichung einer Lieblingsidee handelt, gab er nach und ließ sich das Athenäum gefallen.

Nun aber galt es, den eigenen Enthusiasmus dem Bruder einzuflößen, der dem fremden Plane gegenüber gar nicht so rührig war, wie er sonst zu sein pflegte, auch vielleicht ein nicht unbegründetes Mißtrauen gegen Friedrich's Entwurfsfieber hatte. Etwas Neues und Gründliches über Lessing war Friedrich selbst im Begriff zu schreiben; ein entscheidendes Wort sollte über Goethe gesagt werden; Wieland hinzurichten sollte Wilhelm übernehmen. Aber vor allen Dingen eine Fülle von Ideen! Wir sind jetzt gewohnt, in jeder Tages-, Wochen- und Monatszeitung eine Fülle von Aphorismen zu finden, meistens Lückenbüßer, die einen allgemeinen, wohlbekannten Gedanken nett zugespitzt ausdrücken und so, vertraut und doch überraschend, bequem eingehen. Damals war das etwas Neues und Friedrich glaubte, die Anmaßung, die darin zu liegen schien, entschuldigen zu müssen. Ganze Werke zu schreiben, sagte er, sei freilich ungleich bescheidener, weil sie ja wohl bloß aus andern Werken zusammengesetzt sein könnten, und weil den Gedanken im schlimmsten Fall die Zuflucht bliebe, der Sache den Vorrang zu lassen und sich demüthig in den Winkel zu stellen. Aber Gedanken, einzelne Gedanken seien gezwungen, einen Werth für sich haben zu wollen und müßten Anspruch darauf machen, eigen und gedacht zu sein.

Eigen und gedacht waren seine Ideen wirklich, die »Feuerluft aus Friedrich Schlegel's Laboratorium«, wie Goethe einmal sagte; keine angeflogene, schillernde Einfälle, sondern hartschalige Nüsse, die man oft mühsam aufknacken und abschälen mußte, eh' man sie genießen konnte. Sie waren das Ergebniß langen, gründlichen, philosophischen Nachdenkens und ohne energisches Mitdenken des Lesers durchaus nicht zu verstehen. Darin liegt ihr Reiz. Man sieht, es hat sich da ein Denker, um sich den Vorrath seines Bewußtseins klar und übersichtlich zu machen, eine Reihe von Ausdrücken geschaffen, die man, durch gründliches Studium oder besser durch eine gewisse Verwandtschaft der Anschauung, in sich erleben muß, wenn man sie ganz würdigen will.

Es ist auffallend, wie das Fragment die für Friedrich geeignete Form zu sein scheint. Man kann sagen, die Fülle seiner Ideen sei zu schwer gewesen, oder seine Gestaltungskraft habe nicht ausgereicht, eine größere Masse zu formen. Denkfaul war er keineswegs; aber es war ihm bequem, sein bloßes Denken, roh, unverbunden, wieder zu geben, nebeneinander gestellte Steine, damit wer Lust habe, sich ein Haus daraus baue. Wegen dieses Hanges, sich fragmentarisch auszudrücken, liebte er den Vergleich mit Lessing; Lessing'sches Salz sollten seine Ideen sein gegen die geistige Fäulniß – Randglossen zum Texte des Zeitalters. Aber Lessing's Fragmente waren Splitter, die bei einer Riesenarbeit abfielen; Friedrich's Fragmente sind Schnitzeleien, auf die er sein höchstes Können verwendete. Das setzt freilich die Fragmente selbst nicht herab; als eigen gedachte Gedanken haben sie ihre Unsterblichkeit.

Von der umgebenden Welt ganz abgesondert und in sich selbst vollendet wie ein Igel sollten die Fragmente sein, sagte Friedrich und charakterisirte damit allerliebst seine berüchtigten Paradoxen. Man muß jedes als ein Reich für sich nehmen, voll Stacheln, aber inwendig schön ausgestattet, sauber und wohnlich. Wilhelm und Karoline gingen beim Frühstück die vielen Hunderte Friedrich'scher Ideen durch, die er ihnen zur Einsicht schickte, und hielten es für nöthig, wenn ihnen etwas gar zu paradox, stachelig oder schwerverdaulich schien, das Veto einzulegen, zu dem die beiden Gründer berechtigt waren. Er hat die Vetoscheu, sagten sie, als er bald darauf über Kranksein klagte. Bei aller Ehrlichkeit und Unerschrockenheit im Kampf hielt Wilhelm, als Professor in Jena, eine gewisse Vorsicht und Rücksicht doch für geboten; Karoline war ohnehin nie für das Extreme. Friedrich war empfindlich und entrüstet; wenn man eine Meinung habe, solle man sie unterdrücken, weil man nicht sicher sei, ob Goethe lächeln oder die Stirn runzeln werde? Indessen versprach er um des Gelingens Willen schließlich Alles: es sollte gewissenhaft vermieden werden, was »an Schiller grenzte«, nicht einmal über Agnes von Lilien, den Roman seiner Schwägerin, sollte ein Wort fallen. Dagegen mußte Karoline alle seine früheren Briefe durchlesen, um »sittliche Fragmente« zu suchen, woran es noch mangelte, ebenso ihre eigenen und die seines Bruders. Denn nichts lag Friedrich ferner, als etwa das Athenäum mit seinem Geist allein beherrschen zu wollen: es sollte eine große Symphonie verwandter Geister sein. Ob er selbst einsah, daß, wie Wilhelm und Karoline sagten, der Frédéric tout pur unverdaulich wäre, jedenfalls war er der erste, der auf esprit de Wilhelm, esprit de Karoline, esprit de Schleiermacher drang, damit jene Universalität entstehe, die er in jeder Erscheinung, auf jedem Gebiete suchte. Sein Freundschaftshunger hatte die Romantiker gesammelt; unermüdlich betonte er die Nothwendigkeit, daß die Gebildeten sich zusammenthun und eine unsichtbare Kirche bilden müßten, da der Einzelne nichts Großes ausrichten könne. Die Künstler, sagt er in den Fragmenten, sollen zusammentreten als Eidgenossen zum ewigen Bündniß; eine Hanse bilden wie die Kaufleute im Mittelalter. Ihm selber entwickelten sich die Gedanken vorzüglich im Gespräch und im Briefwechsel. Dessen war er sich bewußt; ohne die Freunde glaubte er nichts, mit ihnen Alles leisten zu können. Tieck, Novalis und Schleiermacher führte er seinem Bruder zu und warb sie zum Mitwirken am Athenäum an. Novalis sollte philosophische und chemische Beiträge geben, Karoline persönliche, Schleiermacher ethische, Wilhelm ästhetische. Und so ist denn das Athenäum wirklich ein Zusammenklang der verschiedensten Individuen geworden, die nur darin Eins waren, daß sie die Wahrheit suchten und an den Geist glaubten. Bald sehen uns die reinen, scharfen Augen Schleiermacher's daraus an, bald die zum Himmel schwärmenden des frommen Novalis. Von ihm sagte Friedrich, er dichte in Atomen. Seine Aussprüche schweben wie Leuchtkugeln auf in schönem Schwunge, eine sanfte Helligkeit über den dunkeln Himmel verbreitend und still ausathmend, ehe man sich ihrer deutlich bewußt geworden ist.

»Wir sind dem Aufwachen nahe, wenn wir träumen, daß wir träumen.«

»Der Tod ist eine Selbstbesiegung, die wie alle Selbstüberwindung, eine leichtere Existenz verschafft.«

Man ahnt einen unergründlichen Gehalt in den Worten und möchte ihn fassen; aber zugleich hauchen sie eine Musik aus, der man sich mit geschlossenen Augen hingeben möchte, ohne zu untersuchen.

Schärfer und bestimmter ist, was Schleiermacher giebt; fast Alles berührt das Psychologische, wie sein durchdringender Blick es zu Tage förderte. Man erfreut sich an der feinen Beobachtung, an der unbeugsamen Wahrheitsliebe, mit der er Folgerungen zieht und keinem Schlusse ausweicht; aber da ist keine zitternde Oberfläche, unter der unermeßliche Tiefe lockt, keine blaue Ferne, kein süßes Dunkel, das geheimnißvollen Urwald ankündigt. »Was oft Liebe genannt wird, ist nur eine eigene Art von Magnetismus. Es fängt an mit einem beschwerlich kitzelnden en rapport Setzen, besteht in einer Desorganisation und endigt mit einem ekelhaften Hellsehen und viel Ermattung. Gewöhnlich ist auch Einer dabei nüchtern.«

An ihrer zierlichen Geschliffenheit und der Weltlichkeit ihres Inhalts erkennt man Wilhelm's Zuthaten. Er bezieht sich niemals, wie die eigentlichen Romantiker zu thun pflegten, auf das Unendliche; sondern beschränkt sich auf ein bestimmtes Werk, irgend eine bestimmte Erscheinung, die er richtig und hübsch beleuchtet. Seine weltmännische Correktheit und Urbanität verhindert ihn, in Gesellschaft sich anders als allgemein verständlich und vermittelnd auszudrücken.

Friedrich's Geist ist im Athenäum der verbindende Goldgrund des farbigen Gemäldes. Jeden angedeuteten Gedanken verfolgt er bis in seine äußersten Folgen und sammelt alle zu Systemen oder wenigstens System-Projekten. Man erfährt hier die anregende Kraft, mit der er lebend so Viele an sich fesselte, und die vielleicht hauptsächlich darin besteht, daß sein gewaltiger Hang, sich über die Welt klar zu werden, uns wie ein langsam fließender, aber starker Strom ergreift und mitreißt; wie Schwärmereien sich epidemisch mitheilen, so entzündet seine philosophische Wuth seine Zuhörer zum Kreuzzuge nach dem heiligen Grabe des Welträthsels.

Ein majestätischer Idealismus ist die Weltanschauung, die das Athenäum proklamirt. An allem Aeußerlichen, das der Mehrzahl der Menschen wichtig dünkt und sie beschäftigt, wird mit großartiger Nachlässigkeit vorübergegangen, oder das innerliche Wesen wird daraus hervorgesucht und dadurch die Alltäglichkeit ihren Verehrern entfremdet und auf eine hohe Stufe gerückt. »Nicht in die politische Welt verschleudre du Glauben und Liebe, aber in die göttliche Welt der Wissenschaft und der Kunst opfere dein Innerstes in dem heiligen Feuerstrom einiger Bildung.«

Wissenschaft und Kunst werden von Friedrich einmal geradezu den Göttern und der Unsterblichkeit gleichgesetzt. Als der höchste Vorzug der Deutschen wird ihr Idealismus hingestellt. »Nicht Hermann und Wodan sind die Nationalgötter der Deutschen, sondern die Kunst und die Wissenschaft.« Was für ein hochschwellender vaterländischer Stolz liegt in diesem Bekenntniß; wie fern aber von eitler Ueberhebung; denn: »es giebt nur wenige Deutsche.« Aber der Charakter der großen deutschen Künstler aller Zeit sei rechtlich, treuherzig, gründlich, genau und tiefsinnig, dabei unschuldig und etwas ungeschickt; nur der Deutsche treibe die Kunst als eine Tugend und als Religion. Als die größten Vertreter deutscher Kunst und Wissenschaft zählt Friedrich auf: Kepler, Dürer, Luther, Jakob Böhme, Lessing, Winkelmann, Goethe und Fichte, alles Männer, die durch Geist und Charakter zugleich hervorragen. Auch wird absichtlich kein Unterschied gemacht zwischen Künstlern oder Denkern und großen Menschen; rauscht doch das Motto: Einheit und Ganzheit beständig dem marschirenden Heere voran wie eine Musik von Trompeten und Trommeln, ein heroisches Feldgeschrei.

»Universalität ist Wechselbethätigung aller Formen und Stoffe.« So wurde das Gemeinschaftliche in den verschiedenen Künsten gesucht, im Gegensatz zu Lessing, dessen sondernder Verstand ihre Grenzen feststellte. In der Dresdener Galerie hatten Wilhelm und Karoline Betrachtungen über die bildenden Künste angestellt, die sie zu einer Gabe für das Athenäum unter dem Titel »die Gemälde« anmuthig verarbeiteten. Da heißt es: »Und so sollte man die Künste einander wieder nähern und Uebergänge aus einer in die andere suchen. Bildsäulen beleben sich vielleicht zu Gemälden, Gemälde werden zu Gedichten, Gedichte zu Musik, und wer weiß? so eine herrliche Kirchenmusik stiege auch einmal wieder als ein Tempel in die Luft.« Und noch einmal in einem Fragment berührt Wilhelm denselben Gedanken:

»In den Werken der größten Dichter athmet nicht selten der Geist einer andern Kunst. Sollte das nicht auch bei Malern der Fall sein? Malt nicht Michelangelo in gewissem Sinne wie ein Bildhauer, Raphael wie ein Architekt, Corregio wie ein Musiker? Und gewiß würden sie darum nicht weniger Maler sein als Tizian, weil dieser bloß Maler war.«

Auch das kühne und schöne Bild von der Architektur als einer gefrorenen Musik, jetzt beinahe gemeinplätzig geworden, hat Wilhelm zuerst gebraucht.

Das Ineinanderüberschwanken von Musik und Poesie und Malerei wurde ein Lieblingsthema von Ludwig Tieck. »Wie?« sagt er in der Verkehrten Welt, »es wäre nicht erlaubt, in Tönen zu denken und in Worten und Gedanken zu musiziren? O wie schlecht wäre es dann mit uns Künstlern bestellt! Wie arme Sprache, wie ärmere Musik! Denkt ihr nicht so manche Gedanken so fein und geistig, daß diese sich in Verzweiflung in Musik hineinretten, um nur Ruhe endlich zu finden? Ach, ihr liebe Leute, das Meiste in der Welt grenzt weit mehr an einander, als ihr es meint.«

Daß er im Zerbino die Flöten sagen läßt: »Unser Geist ist himmelblau, führt dich in die blaue Ferne« hat man in nachromantischer Zeit lächerlich gemacht, während man jetzt anfängt, die Verwandtschaft zwischen den verschiedenen Sinnesempfindungen wissenschaftlich zu untersuchen.

Wie nun in allen Künsten ein einziges Grundprinzip geahnt wird, so sollen auch alle Wissenschaften auf eine Wissenschaft zurückgeführt, ja schließlich Kunst und Wissenschaft Eins werden.

»Alle Kunst soll Wissenschaft und alle Wissenschaft soll Kunst werden; Poesie und Philosophie sollen vereinigt sein.«

Und eben diese Poesie, die auf ihrem höchsten Gipfel Eins mit der Wissenschaft ist, ist die romantische, die Universalpoesie, die werdende, die Poesie der Poesie. Die dunkeln Vorstellungen, die die meisten Menschen von der romantischen Poesie haben, als stehe sie in einem unversöhnlichen Gegensatze zu der sogenannten klassischen, als sei sie die überschwengliche, phantastische, verworrene, sind weit ab von der großartigen Idee, die den romantischen Aesthetikern vorschwebte: jedes unpoetische Element soll aus der Dichtung ausgeschieden werden, Alles aber, was der Sinn ausnehmen, der Geist erkennen, das Gemüth ahnen kann, soll die allumfassende in sich begreifen. Alles soll poetisirt werden. Nichts ist zu gering oder zu groß für die Poesie; denn auch die kleinste Erscheinung verhüllt ein Unendliches.

Es scheint dem, der sich in das Athenäum vertieft, als gäbe es auf der Welt nichts als Kunst und Wissenschaft, und als ob insofern der Vorwurf gerechtfertigt wäre, alles dies habe nur für gelehrte Künstler und künstlerische Gelehrte, also für einen sehr kleinen Kreis von Menschen, Bedeutung. Und allerdings gehörten ja die Wenigen, die hier zu Worte kamen, einer Hanse an, fühlten sich stolz als Mitglieder einer unsichtbaren Kirche. Mit kühler und klarer Verachtung reden sie von der großen Gegenpartei mit ihrem Wahlspruch: vernünftig, aber dumm.

»Es giebt rechtliche und angenehme Leute, die den Menschen und das Leben so betrachten, als ob von der besten Schafzucht oder vom Kaufen oder Verkaufen der Güter die Rede wäre. Es sind die Oekonomen der Moral und eigentlich behält wohl alle Moral ohne Philosophie einen gewissen illiberalen und ökonomischen Anstrich … Es giebt ökonomische Schwärmer und Pantheisten, die nichts achten als die Nothdurft und sich über nichts freuen, als über ihre Nützlichkeit. Wo sie hinkommen, wird Alles platt und handwerksmäßig, selbst die Religion, die Alten und die Poesie, die auf ihrer Drechselbank nichts edler ist als Flachshecheln.«

Von der sogenannten guten Gesellschaft wird gesagt, sie sei eine Mosaik von geschliffenen Karrikaturen. Oder: »Die meisten Menschen sind, wie Leibnitzens mögliche Welten, nur gleichberechtigte Prätendenten der Existenz. Es giebt wenige Existenten.« Und kann man einen exklusiveren Standpunkt haben als den, daß selbst in den äußerlichen Gebräuchen der Lebensart die Künstler sich von den andern Menschen unterscheiden sollten? Dies ist die aristokratische Seite des Athenäums. Auf die Klage des Publikums, die deutschen Autoren schrieben nur für einen kleinen Kreis, ja oft nur für sich selbst unter einander, erwiderten sie trotzig, das sei gut so, »dadurch wird die deutsche Literatur immer mehr Geist und Charakter bekommen.« Die Künstler sind, sagen sie, unter den Menschen, was die Menschen unter den andern Bildungen der Erde. Sie sind Brahminen, eine höhere Kaste; aber – und nun kommt ein Zusatz, der den ganzen Ausspruch wieder demokratisirt – sie sind nicht durch Geburt, sondern durch freie Selbsteinweihung geadelt. Unermüdlich wird betont, daß es eines Jeden Beruf und Pflicht ist, Mensch, Künstler, Gott zu werden. So haben wir hier dieselbe Mischung von Popularität und Aristokratismus wie im Christenthum: Viele sind berufen, aber wenige sind auserwählt.

Durch das, was die Romantiker unter dem Begriff »Künstler« sich dachten, wird die Würde, die auf einen kleinen Kreis beschränkt schien, auf die ganze Menschheit erweitert: »Künstler ist ein Jeder, dem es Ziel und Mitte des Daseins ist, seinen Sinn zu bilden.« Nur auf den Entschluß kommt es an, »sich auf ewig von allem Gemeinen abzusondern.« Aber noch auf andre Weise wird die Möglichkeit dargethan, daß ein Jeder sich erfolgreich dem höchsten Ziele zuwenden könne. »Genie ist der natürliche Zustand des Menschen.« Wer anders als der überschwenglich kühne Geist Hardenberg's wagte so zu denken und so sich zu äußern? Das größte Kunstwerk, so philosophirt der Schüler Fichte's, erschafft die unbewußte Phantasie des Menschen, indem sie aus eigner Kraft die Welt sich aufbaut; der Liebende, der die Geliebte vergöttert und ein anbetungswürdiges Bild sieht, das nicht ist; der Wilde, der die Sprache schafft als ein bildsames, nach ewigen Gesetzen wandelbares Symbol für die erscheinende Welt und beweglichen Körper für die Gedanken, sie sind Alle Künstler von Gottes Gnaden, und es handelt sich für den Menschen nur darum, sich auf das Genie, das in ihm ist, zu besinnen, es in seine Gewalt zu bekommen.

»Jeder ungebildete Mensch ist die Karrikatur von sich selbst.« Daraus folgt, daß sich bilden heißt: sein eigenes Ideal werden. Alles was in diesem Gedanken liegt und sich daraus folgern läßt, faßt Friedrich in den Worten zusammen: »Jeder gute Mensch wird immer mehr und mehr Gott. Gott werden, Mensch sein, sich bilden sind Ausdrücke, die einerlei bedeuten.« Diese Vergötterung des Ich ist himmelweit entfernt von der unfruchtbaren Eitelkeit derjenigen, denen ihr eigenes Selbst der Pflock ist, woran sie mit kurzem Strick festgebunden sind und um den sie sich unaufhörlich drehen. Denn unter dem Gottwerden ist verstanden Erweiterung der eigenen Persönlichkeit zur Aufnahme von unendlich vielen. »Kein Mensch ist schlechthin Mensch, sondern kann und soll wirklich und in Wahrheit auch die ganze Menschheit sein.« Wenn wir nun noch Gott einen Abyssus von Individualität genannt finden, den einzigen unendlich Vollen, so sehen wir ein Religionsprojekt, das Friedrich's Gepräge trägt, dem Fichte's Geist als Stern im Osten geleuchtet hat.

Wie der goldne, Alles durchdringende Aether umhüllt die Idee der Religion die ganze Gedankenwelt, die hier ausgebreitet liegt. Einer Landschaft gleicht sie, in deren Hintergrunde ein ungeheurer, Alles überragender Berg mit schimmerndem Gipfel lagert, den man von jedem Platze aus sehen kann und dessen unvertilgbaren Umriß man noch ahnt, wenn ihn silberne Dünste oder graues Regenwetter verschleiern.

»Nur durch Religion wird aus Logik Philosophie, nur daher kommt Alles, was diese mehr ist als Wissenschaft. Und statt einer ewig vollen, unendlichen Poesie werden wir ohne sie nur Romane haben oder die Spielerei, die man jetzt die schöne Kunst nennt.«

»Die Religion ist nicht bloß ein Theil der Bildung, ein Glied der Menschheit, sondern das Centrum aller Uebrigen, überall das Erste und Höchste, das schlechthin Urspüngliche.«

Was der Grundgedanke von Schleiermacher's Reden über die Religion war, daß nämlich Religion nichts andres sei als Beziehung des Endlichen auf das Unendliche, Gefühl des Universums, das findet sich hier im Keime, in blitzartigen, straff zusammengefaßten Aussprüchen, die auf den Verständnißvollen stärker wirken als Schleiermacher's etwas verwässertes Reden, was freilich bestimmt war, von Vielen eingenommen und begriffen zu werden und seinen Zweck auch erfüllte. Aber inniger als dort fühlt man hier, wie eine aufkeimende Religion schon den Himmel des Zeitalters färbt als verheißungsvolle Morgenröthe. Hundertfach wird mit dem »Zauberstab des Buchstabens« an das Geheimniß der verkündigten Sonne gerührt, das Räthsel der Räthsel durch vermittelnde Gleichnisse dem Sinn nahe gebracht, wie wenn man den Glanz des feurigen Gestirns, der dem menschlichen Auge unerträglich ist, dämpft und verwandelt, indem man es durch farbige Gläser betrachtet.

Eine tröstliche Gewißheit hat der Strebende: »Dein Ziel ist Kunst und Wissenschaft, dein Leben Liebe und Bildung. Du bist ohne es zu wissen auf dem Wege zur Religion. Erkenne es, und du bist sicher, dein Ziel zu erreichen.« Von diesem Standpunkte aus ist es begreiflich, daß Bildung als das höchste Gut und das allein Nützliche gepriesen wird.

Diesen Begriff von Religion, die »den Geist des sittlichen Menschen überall umfließen soll wie sein Element«, müssen wir gegenwärtig haben, um die Aussprüche über Moral zu verstehen, die Allem, was man bisher darunter begriffen hatte, entgegengesetzt waren. Zum Beispiel: »Man hat nur so viel Moral als man Philosophie oder Poesie hat.« Oder: »Die erste Regung der Sittlichkeit ist Opposition gegen die positive Gesetzlichkeit und conventionelle Rechtlichkeit – eine grenzenlose Reizbarkeit des Gemüthes.«

Es ist derselbe Kampf, den der Apostel Paulus gegen das Gesetz kämpfte im Namen der Liebe, welche er des Gesetzes Erfüllung nannte. Allerdings, sagte er, muß, wer das Gesetz umwirft, vom Geiste regiert sein, oder, wie es die Romantiker ausdrücken, er muß im Unsichtbaren leben, sein Leben muß Liebe und Bildung sein; jedenfalls kann man insofern den Romantikern wie jedem Idealisten und jedem Christen den Vorwurf machen, daß sie eine Herrschaft angriffen und zu erschüttern suchten, um dafür eines Reiches Bürger zu werden, das für den Menschen ewig ein Kommendes ist, wie wir ja auch beten: dein Reich komme.

Im Athenäum liegt der Keim zu Allem, was die Romantik bringen sollte. Der Begriff der Ironie, der ein so wichtiger Grundsatz der romantischen Aesthetik war, ist vielfach zu bestimmen versucht. Die ganze Naturphilosophie liegt angedeutet in den Worten: »Willst du in's Innere der Physik dringen, so lasse dich einweihen in die Mysterien der Poesie.« Auch die Entdeckung der orientalischen Poesie mit ihrem gewaltigen Einfluß bereitet sich vor: »Im Orient müssen wir das höchste Romantische suchen.« »Welch eine Quelle an Poesie könnte uns aus Indien fließen.«

Staunenswerth ist für die Leser unsrer Zeit, wie unveraltet diese Blätter sind. Unzähligen Gedanken begegnen wir, die sich in unsern Tagen, ihrer Neuheit und Vereinzelung bewußt, kaum so frei und muthig hervorwagen, wie sie dort ausgesprochen sind. Man kann sich nicht radikaler über die Emanzipation der Frauen aussprechen, als es Schleiermacher, ein Prediger, in seinem Katechismus der Vernunft für edle Frauen that, wo z. B. folgende Gebote gegeben sind:

»Du sollst von den Heiligthümern der Liebe auch nicht das Kleinste mißbrauchen: denn die wird ihr zartes Gefühl verlieren, die ihre Gunst entweiht und sich hingiebt für Geschenke und Gaben, oder um nur in Ruhe und Frieden Mutter zu werden«

»Du sollst nicht falsch Zeugniß ablegen für die Männer; du sollst ihre Barbarei nicht beschönigen mit Worten und Werken.«

Eine noch deutlichere, schlagendere Sprache führt das Glaubensbekenntniß:

1. Ich glaube an die unendliche Menschheit, die da war, ehe sie die Hülle der Männlichkeit und der Weiblichkeit annahm.

2. Ich glaube, daß ich nicht lebe, um zu gehorchen oder um mich zu zerstreuen, sondern um zu sein und zu werden; und ich glaube an die Macht des Willens und der Bildung, mich dem Unendlichen wieder zu nähern, mich aus den Fesseln der Mißbildung zu erlösen und mich von den Schranken des Geschlechts unabhängig zu machen.

Mit ebenso schneidender Rücksichtslosigkeit fällt Friedrich das Urtheil über die Ehe:

»Fast alle Ehen sind nur Conkubinate, Ehen an der linken Hand, oder vielmehr provisorische Versuche und entfernte Annäherungen zu einer wirklichen Ehe, deren eigentliches Wesen, nicht nach den Paradoxen dieses oder jenes Systems, sondern nach allen geistlichen und weltlichen Rechten, darin besteht, daß mehrere Personen nur eine werden sollen. Wenn aber der Staat gar die mißglückten Eheversuche mit Gewalt zusammenhalten will, so hindert er dadurch die Möglichkeit der Ehe selbst, die durch neue, vielleicht glücklichere Versuche befördert werden könnte.«

Als noch viel moderner berührt uns aber die Bemerkung, die eine mehr nützliche als erfreuliche Wahrheit genannt wird, daß sogar die beste Ehe, ja die Mütterlichkeit selbst, welches beides doch gewöhnlich als das einzige Ziel der Frau betrachtet zu werden pflegt, nur allzu leicht die Frau herabziehen könne, sodaß sie, mit den Bedürfnissen der Erde verstrickt, ihres göttlichen Ursprungs und Ebenbilds nicht mehr eingedenk bleibe. Woraus freilich keineswegs der Schluß gezogen wird, daß die Frau sich der Liebe, Ehe und Mutterschaft entziehen solle.

Von der modernen Lehre vom Uebermenschen findet sich ein Vorklang in den Worten: »Es ist der Menschheit eigen, daß sie sich über die Menschheit erheben muß.« Ja, sogar die beinah tollkühn erscheinende Behauptung, die in neuester Zeit aufgetaucht ist, nicht die Kunst richte sich nach der Natur, sondern umgekehrt, wird in einigen flüchtigen Worten berührt, wo es heißt, daß der menschliche Geist der umgebenden Welt seine Gesetze vorschreibe und sie nach sich schaffe und modle.

Auf Richard Wagner und die jetzige Programm- und Gedanken-Musik scheint folgendes Fragment prophetisch hinzuweisen:

»Es pflegt Manchem seltsam und lächerlich aufzufallen, wenn die Musiker von den Gedanken in ihren Compositionen reden; und oft mag es auch so geschehen, daß man wahrnimmt, sie haben mehr Gedanken in der Musik als über dieselbe. Wer aber Sinn für die wunderbaren Affinitäten aller Künste und Wissenschaften hat, wird die Sache wenigstens nicht aus dem platten Gesichtspunkt der sogenannten Natürlichkeit betrachten, nach welcher die Musik nur die Sprache der Empfindung sein soll, und eine gewisse Tendenz aller reinen Instrumentalmusik zur Philosophie an sich nicht unmöglich finden. Muß die reine Instrumentalmusik sich nicht selbst einen Text erschaffen? und wird das Thema in ihr nicht so entwickelt, bestätigt, variirt und contrastirt, wie der Gegenstand der Meditation in einer philosophischen Ideenreihe?«

Was für ein idealistisches Zeitalter, in welchem eine Zeitschrift Leser fand, die keinen, aber auch gar keinen bloßen Unterhaltungsreiz bot; die mehr studirt als gelesen sein wollte. Lange freilich konnte das Athenäum sich nicht halten. Es erschien in den Jahren 1798 – 1800. Im bewußten Gegensatze zur großen Menge war es auf den Kampfplatz getreten; es war deshalb nicht zu verwundern, daß »das platte Volk von Hamburg bis nach Schwaben« einen Schrei der Entrüstung aus dem verwundeten Herzen erschallen ließ. Aber auch die Theilnahme der Gebildeten war geringer, als man erwartet hatte. Man klagte über die Unverständlichkeit namentlich von Friedrich's Fragmenten, was nicht unverzeihlich ist, wenn man z. B. liest: »Karrikatur ist eine passive Verbindung des Naiven und Grotesken. Der Dichter kann sie ebensowohl tragisch als komisch gebrauchen.« Oder: »Urbanität ist der Witz der harmonischen Universalität, und diese ist das Eins und Alles der historischen Philosophie und Plato's höchste Musik. Die Humaniora sind die Gymnastik dieser Kunst und Wissenschaft.«

Man muß gestehen, daß die Bequemlichkeit des durchschnittlich Gebildeten sich in der Regel von einem solchen Ideen-Igel zurückziehen wird, an dem sein Geist sich so ritzen kann, bis er sich ihm offenbart hat. Eine Art von Geheimsprache – ein gewisser Mystizismus des Ausdrucks, wie Friedrich sagt – bildet sich leicht aus, wenn mehrere Menschen sich oft über dieselben Gegenstände ihres gemeinsamen Interesses unterreden; und aus Unterhaltungen Befreundeter ist ja im Grunde das Athenäum entstanden.

In einer wundervollen kleinen Selbstvertheidigung, wo Laune und Ernst sich reizvoll mischen, beantwortete Friedrich die Vorwürfe und Klagen über seine Unverständlichkeit. An seinen Bruder schrieb er, ob es nicht gut sein würde, künftig mit jedem Heft ein Stück Honigkuchen gratis auszutheilen. Er war umsomehr entrüstet, als er sich ehrlich und leidenschaftlich bestrebte, populär zu sein, ja sogar das Wort Popularität häufig mit Wohlgefallen im Munde führte, er der in der Unkunde seines kindlichen Fürsichlebens der beschäftigten Welt seine weltferne Persönlichkeit, den »Frédéric tout pur« so ohne Weiteres zumuthete!

Wie dem auch sei, an der Unverständlichkeit ging das Athenäum zu Grunde. Der schmetternde Jubelton, den die Herolde der kommenden goldnen Zeit in die Welt geblasen hatten, verklang im Gewühl, das sie nicht achteten. Denn das ist das Schönste an diesem Buche und das Künstlerische: die Stimmung, die die einzelnen Theile kraftvoll zusammenfaßt, eine freudige Stimmung von Menschen, die wissen, daß sie das Rechte wollen und glauben, daß das Rechte siegen muß, weil fortschreitende Entwickelung das Gesetz der Welt ist. Die blitzenden Augen auf die Zukunft gerichtet, auf die Spitze des Berges, übersahen die Anstürmenden, was im Wege hinderte und drohte. »Im 19. Jahrhundert wird jeder die Fragmente mit viel Behagen und Vergnügen in der Verdauungsstunde genießen können und auch zu den härtesten, unverdaulichsten keinen Nußknacker bedürfen«, sagt Friedrich, wo er sein Herz ausschüttet über die Unverständlichkeit, die man ihm vorgeworfen hat. »Die neue Zeit kündigt sich an als eine schnellfüßige, fohlenbeflügelte; die Morgenröthe hat Siebenmeilenstiefel angezogen. Lange hat es gewetterleuchtet am Horizont der Poesie, in eine mächtige Wolke war alle Gewitterkraft des Himmels zusammengedrängt, jetzt donnerte sie mächtig, jetzt schien sie sich zu verziehen und blitzte nur aus der Ferne, um bald desto schrecklicher wiederzukehren: bald aber wird nicht mehr von einem einzelnen Gewitter die Rede sein, sondern es wird der ganze Himmel in einer Flamme brennen, und dann werden euch alle eure kleinen Blitzableiter nichts mehr helfen. Dann nimmt das 19. Jahrhundert in der That seinen Anfang, und dann wird auch jenes kleine Räthsel der Unverständlichkeit des Athenäums gelöst sein.«

Das Jahrhundert, an welches diese Appellation gerichtet wurde, ist bald vorüber und überliefert sie einem neuen Richter; denn es hat sich im Laufe seines Wachsthums von denen, die seine Geburtshelfer und Taufpathen waren, undankbar und verkennend abgewandt und ist ihnen die Entscheidung schuldig geblieben.

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