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Kapitel XV

Die Reise und ihr Ende

Und der nächste Tag, es ist wieder schönes und warmes Wetter, geht ganz ruhig wie immer hin. Maud hat sich schon etwas eingelebt und vorne im Salon zwischen zwei Sesseln, die sie mit einem Bucharalappen, der auf der Bergère lag, verband, sich eine Puppenstube improvisiert. Und da hockt sie nun und hält mit Lisbeth und der andern, die aber in ihrer Gunst gesunken ist, lange erziehliche Zwiegespräche, in denen sie das, was die Puppen ihr soufflieren, gleichfalls übernimmt. Ihre Puppenkinder haben es nicht gut bei ihr. Sie bekommen wenig zu essen, viel Prügel, werden noch mehr herumgestukst und in die Ecke gestellt. Was Maud gar nicht kennt.

Fränze sieht schon etwas weniger verheult aus. Und sie ist eigentlich wie immer. Geradeaus, robust und dabei doch lustig im Kern. Sie will mal hier auf die Universität gehen wegen des Inskribierens und vielleicht sich auch gleich nach einem Zimmer umsehen, denn auf die Dauer kann sie doch nicht hier wohnen. Nebenbei sagt sie sich, daß sie auch gleich mal zu Onkel Dju gehen will – damit er doch mal ihre Blutgruppe feststellen kann, falls man es brauchen sollte, denn es kann ja unversehens (sie hat sich über die Sache schon länger informiert) mal wieder ein Aderbruch kommen – nicht wahr – von einer Bewegung, daß sie sich im Bett ungeschickt umdreht, von einer Brotkruste, die sie schluckt. Sie braucht sich gar nicht in den Finger zu schneiden dazu, oder eben von selbst. Es kann auch innerlich sein.

Und Fritz Eisner hat auch zu tun.

Und Ruth hat sich für die nächste Zeit Tagesprogramme gemacht, die eigentlich Wochenprogramme sind (auch ohne die Wohnungsamtsbesuche) und nebenher hat sie noch einen Vortrag in einer Loge übernommen.

Ja, eigentlich gehen die beiden Tage ganz harmonisch hin. Vor allem, da jeder bemüht ist, so heiter wie nur möglich zu sein. Des Abends geht man sogar zu Dreien etwas spazieren, den Kurfürstendamm herunter, landet in einem Café ohne Musik – so etwas ist nicht leicht zu finden.

Auf Fritz Eisner kommen von manchen Tischen Leute zu oder rufen ihn an, wenn er vorbei geht. Er war ja doch mal bekannt wie ein bunter Hund hier. Und alle sagen genau das Gleiche: »Ach, Sie sind auch mal wieder da?« Nur daß manche noch' ›Meister‹ hinzusetzen. »Wohnen Sie jetzt ganz wieder hier in Berlin? Oder haben Sie da unten noch Ihr Haus? – Das ist Ihre Älteste? Wollen Sie mich nicht auch Ihrer entzückenden Frau vorstellen?«

›Gern‹, denkt Fritz Eisner, ›wenn ich nur wüßte, wie Sie hießen??‹

»Was sagen Sie doch zu Herrn Gumpert? War das nicht ein Freund von Ihnen? Na, was sich jetzt so die Leute aus unserem Kreis das Leben nehmen, ist gar nicht zu sagen. In den letzten vierzehn Tagen – ich will nicht lügen – in drei Wochen vier Bekannte von mir. Ein Mann und drei Frauen. Und die Leute waren mal alle wohlhabende Menschen. Zwei waren direkt reich noch bis vor einem Jahr. Wie das noch werden soll??«

Eigentlich sagen das alle. Aber sie können doch nicht alle, denkt Fritz Eisner, die gleichen vier Menschen gekannt haben. Zwei werden sich immer decken, aber zwei werden doch neu immer bei jedem hinzukommen.

Ja – und morgen kommt ein heißer Tag. Zwischen zehn und elf muß man ins Krematorium. Um halb eins geht der Zug vom Stettiner Bahnhof. Wenigstens gut, daß man sich gleich dunkel anziehen muß. Da brauch ich mich dann nicht nachher umzuziehen. Beerdigungen sind darin praktisch. Und außerdem ist solche Vorlesung auch ein trauriger Anlaß. Da kommt man also von da hinten am schnellsten mit der Stadtbahn in die Friedrichstraße. Und dann nimmt man ein Auto oder einen Autobus.

Und weiter. Um acht fängt es da an. Um spätestens dreiviertelzehn mache ich Schluß. Und um halbelf fahre ich wieder. Dann bin ich um eins in Berlin oder sogar noch früher und nach halbzwei zu Hause. Vielleicht kriege ich sogar noch eine Stadtbahn. Erstens bin ich beunruhigt. Na ja, man kann ja telefonieren. Aber ich bin doch beruhigter, wenn ich erst wieder da bin. Und zweitens liege ich lieber bei uns im Bett, als alleine in einem Hotelzimmer. Darin bin ich komisch.

Aber die Mappe mit den Büchern. Und das Manuskript. Denn etwas Ungedrucktes muß man den Leuten schon vorsetzen. Ein Kapitel aus einem ungedruckten Roman, bei dem man in wenigen, aber eleganten Sätzen den Inhalt bis zu diesem Punkt erzählt, zieht immer. Die Leute sind dann stolz, daß sie sozusagen die ungeborenen Kinder vorher sich ansehen dürfen und fühlen sich als Komplizen des »Dichters«. Also wie ich das Wort hasse!!

Ja, was macht man mit der Mappe? Ach, da ist sicher gegenüber ein Restaurant oder eine Konditorei. Sowas gibt's da bestimmt. Denn ein Auto eine ganze Stunde warten lassen, das wäre selbst für Doktor Groß, wenn der sich je ein Taxi nehmen würde, zu teuer.

Ja, und dann ist eben morgen. Und ein hübscher frischer Tag mit einem windgesäuberten Himmel und weißen Wolken da hinten zwischen den Gasometern. Es wird eigentlich viel gebaut hier draußen. Und die Laubenstädte und die Lagerplätze und die Fußballfelder werden allgemach expropriiert. Die Gärten sind noch kaum angelegt um die Villen. Und die riesigen Häuserblöcke der neuen Siedlung, ›das komfortable Massengrab‹, sind erst im Entstehen und sehen mit ihren hohen Mauern, die von zahllosen Löchern durchbrochen sind, noch wie angeschnittene Wespennester aus, was sie, wenn auch in übertragenem Sinne, ja auch werden sollen.

Ruth ist natürlich mitgegangen und Fränze auch. Denn sie hat den Onkel Paul, trotzdem sie ihn seit bald zehn Jahren nicht mehr gesehen hatte, sehr gern gehabt. Geradeüber ist richtig die Konditorei, die da sein muß. Und sie ist recht hübsch. So ein wenig wie man die Pavillons in Holland baut. Mit breiten Glasscheiben und einer Holzterrasse. Und da kann man sich einen Augenblick noch hineinsetzen. Denn einfach so die Mappe abgeben und nichts verzehren, geht ja doch nicht.

Wenn man durch die Scheiben sieht, man darf natürlich die Nase nicht gerade an das Glas pressen, kann man von hier aus alles sehen, ohne gesehen zu werden. Es hat sich also doch herumgesprochen, wann Paul Gumpert verbrannt wird. Und vielleicht hat es auch M'chen gegen den Willen von Paul Leuten mitgeteilt.

Verargen kann man's ihr nicht. Die Menschen, die da jetzt kommen, an die Paul gedacht hatte, denn er hatte noch aufgeschrieben, wem es gesagt werden sollte, halten ja alle nicht zu ihr. Und da möchte sie ja doch auch Leute von ihrer Partei und ihrer; Familie in dieser Stunde um sich haben. Eigentlich war nämlich M'chen doch auf die andere, die ihr ihren Mann weggenommen hatte, auch jetzt noch neidisch. Denn Frauen sind darin anders als Männer. Bei Männern hört der Haß auf, wenn der Gegner tot zu ihren Füßen liegt. Bei Frauen auch dann nicht.

Also Joli hatte ihn ihr ja gar nicht weggenommen. Denn wegnehmen kann man ja doch nur jemandem etwas, das ihm gehört. Und M'chen hatte ihn auch gar nicht verloren durch diese Person, die sich da in ihre herrliche Ehe – und sie erzählte gern, daß es die beste Ehe der Welt gewesen war – gedrängt hatte. Also im Innersten war M'chen doch neidisch dabei auf diese Person. Denn das hätte sie eigentlich mit ihrem Paul tun müssen. Und sie war fest überzeugt, daß sie es sicherlich getan hätte, wenn sie es gewußt hätte und er sie dazu aufgefordert hätte. Und daran waren eben nur die beiden Voraussetzungen falsch. Daß nämlich Paul Gumpert das nie getan hätte. Und daß sie nie daran gedacht hätte, es mit ihm zu tun. Kam gar nicht in Frage, wie der Berliner sagt.

Fritz Eisner will nicht zu früh herübergehen. Immerhin ist es für ihn schwierig, im rechten Moment hier wieder rauszukommen. Denn es wird doch etwas merkwürdig aussehen, wenn sie hier zu dreien aus dem Caféchen kommen würden, so daß man glauben könnte, daß sie sich hier erst einmal für das Kommende gestärkt hätten.

»Nein«, sagt Fritz Eisner, »jetzt wollen wir mal das Auto da erst vorbei lassen. Dann kommt keiner mehr. Und dann gehen wir nacheinander in kleinen Pausen hier heraus und treffen uns erst zufällig an der Pforte da hinten wieder. Und zwar gehen wir gleich. Sonst laufen wir sicher Bekannten in die Arme.« Es standen nämlich schon eine ganze Menge Autos da drüben, aber sie waren alle schon von der anderen Seite angerollt gekommen. »Du, Fränze, lies mir doch mal die Nummer an dem Auto, das da eben vorbeifährt, laut vor, ich glaube nämlich, ich habe Halluzinationen.«

»I A«, sagt Fränze, »17 189«.

»Kennst du die Nummer noch, Nuckelino?«

Ruth, die tief ernst ist, denn das Schicksal von Joli geht ihr sehr nah, ›sie hatte so etwas Schwesterhaftes mit ihr gehabt, diese herrliche Person da‹, Ruth lacht auf, lacht laut auf. »Wie sagten sie immer in München?: Da legst di nieder! Also was du für vornehme Bekannte hast!«

Und dann stiehlt sich einer nach dem andern hier heraus, und sie treffen sich ganz zufällig da drüben und tun sehr erstaunt, als ob jeder aus einer andern Richtung gekommen wäre.

Rosenemil jedoch ist eben langsam zu Fuß. Und bis er so aus dem Wagen herausgekrabbelt ist und ihn abgeschlossen hat, dauerte eine Weile. Fritz Eisner kann ihm nicht entgehen.

»Ach Gott, wie haben Sie's denn herausgebracht, wann unser armer Freund hier eingeäschert wird?«

»Na«, sagt Rosenemil, – er hat nebenbei einen pompösen Zylinder auf, sicher Londoner Herkunft, der hat einen Schwung wie die hier ihn gar nicht herauskriegen. – Und solch einen Gehpelz wünscht sich eigentlich Fritz Eisner vergeblich seit Jahren. Zu Pelz und goldener Uhr wird er's nie bringen. Dieser Menschensorte gehört er nicht an. Und sein armseliger uralter Marley gibt ihm nicht, wie Rosenemils Stock mit dem breiten quer stehenden Silbergriff, beinahe das Aussehen eines älteren aber kriegsbeschädigten Majors. Also da kommt er, Fritz Eisner, eben nicht mit.

»Na, ick hab in Weißensee angefragt. Da habn se nischt jewußt. Und denn hab ick mir janz einfach jesagt, wenn er och een jüdischer Herr war, der läßt sich verbrennen, denn er war een fortschrittlicher Mensch, und da hab ick hier anjefragt, un da hab ick es schon jehabt, nicht wahr? Der Mann is zu mir immer sehr anständig gewesen. Wie ick das nötig jehabt habe und er nich. Warum, hab ick mir jesagt, soll ich ihm dann nich die letzte Ehre erweisen. Wenn er von meine Beerdigung jewußt hätte, war er och jekommen. Des schickt sich.« – ›Ich glaube nicht, denkt Fritz Eisner. Das ist nun auch wieder übertrieben.‹ »Aber gewiß«, sagt er.

»Wie ick das jelesen habe, am Montag, in de Montagszeitungen, hab ick mir gleich gedacht, wegen des ›Schlemmerlokal des Westens‹, des kann doch nur Herr Gumpert jewesen sein ... Da hats also jeknallt? Hat er denn – Rosenemil macht eine runde Handbewegung und schiebt die mächtige Flosse in die Tasche seines Pelzes mit eben der runden Bewegung – hat er denn Kassenkonfekt jemacht? Nee ...?! Na dann wars doch ieberflüssig!«

»Was war denn mit Ihnen da am Sonntag?« fragt Fritz Eisner etwas verschämt

»Ach, des war jarnischt. Ick hatte noch jleich an Jacobsohn telefoniert, und wie se des Morgens rin kommen, sagen se doch, ick könnt jehen. Des wär en Irrtum jewesen, und außerdem läge bei mir doch kein Fluchtverdacht vor. Na, da hab ick keinen kleinen Krach jeschlagen. Der janze Alex hat jewackelt. Da kennen Se mir!! ›Bezahlen wir Sie dazu, hab ick jesagt, daß Se ehrliche un anständige Leute molestieren ... Een Ogenblick, det Been tut mir weh.«

Rosenemil legt die Hand schwer auf Fritz Eisners Schulter. ›Selbst wenn bei mir jetzt Fluchtverdacht vorläge‹, denkt Fritz Eisner, ›ich könnte gar nicht‹, und dabei sieht er wehmütig Ruth und Fränze nach, die schon in den Warteraum hinübergegangen sind.

»Des M'chen«, flüstert Rosenemil, »des war doch eene wunderschöne Dame. Fast wie Ihre Frau so schön. Des is ja jräßlich! – Aba ick jlobe, wir müssen ringehen. Da ziehen se schon nach de Kuppelhalle rüber. Eigentlich jeh ick jarnich jern auf Beerdigungen. Aba eh ick de andern auf meene bemühe, da jeh ick schon lieba uf die von de andern. Wenn ick Sie nich mehr sehe nachher, allens Jute. Heute Abend jehts nebenbei los. Nach Monte – oder morgen.«

Rosenemil drängt sich zwischen die Leute, die vom Warteraum hinüber in die Halle gehen. Aber Fritz Eisner bleibt zurück, weil er auf Ruth und Fränze wartet, und weil er außerdem nicht gern hier Arm in Arm mit Rosenemil auftauchen möchte. Es könnte doch jemand von den Anwesenden den Herrn kennen. Und Fritz Eisner läßt so grüßend und stumm nickend, denn es sind manche Bekannte von ehedem darunter, die Paare an sich vorüberziehen.

Eine Bestattung ist kein guter Ort, um Bekannte wiederzusehen. Aber selbst wenn Fritz Eisner das abzieht, Gott sind diese Menschen alle alt, grau und trübe geworden. Das waren doch mal alles ganz frische und elastische Menschen. Noch vor 1914. Und heute schleichen sie mürrisch und versorgt und verquält, grau auch in den Gesichtern, blaß in der Haltung an ihm vorbei. Und jedes Gesicht sagt, nicht ›der arme Kerl, dem wir da das Geleit geben, sondern nur: wer wird der nächste sein? Vielleicht ich! Wir sind ja alle hier nur noch Menschen, die auf den Tod warten.‹ Leute unter vierzig scheinen nicht zugelassen zu sein. Ruth und Fränze sind sicher bei weitem die jüngsten. Wo ist der Nachwuchs? Die andern, die kommen. Wahrlich, es sieht aus, als ob die Toten ihre Toten begraben.

Nie ist Fritz Eisner der dicke Trennungsstrich, der jetzt plötzlich zwischen den Generationen gezogen worden ist, so klar geworden. Eigentlich haben sie gar nichts mehr miteinander gemein. Er hatte wunder gedacht, was dieser Paul Gumpert war. Also bedeutete er schon drei Tage nach seinem Tod gar nichts mehr. Ein freundlicher alter Herr von vor dem Krieg, der mal eine Eins gewesen war. Aber jetzt nicht mal mehr eine Null war, eher schon ein Minus. Ein Schicksal nur wie Hunderte auch. Etwas, nach dem man sich einen Augenblick umsieht, um dann weiterzugehen.

Fränze und Ruth kommen fast zuletzt.

»Du scheinst ja vornehme Bekannte zu haben, alter Vater«, sagt Fränze, mit dem Finger drohend. »Daß mir keine Klagen einlaufen. Von der Seite, Karl, hab ich dich noch nicht gekannt.«

›Sie hat jetzt eben mal wieder Don Carlos gelesen‹, denkt Fritz Eisner.

Der Raum ist nicht schlecht. Eigentlich auch nicht sehr dunkel. Aber solche Krematorien haben doch alle die gleiche düstere Feierlichkeit.

Ein kleines schwarzes und verheultes, verbocktes, tief verhangenes Etwas, ein unglückliches Kind von über fünfzig Jahren, hockt vorn neben dem Blumenfeld, unter dem der Sarg zwischen Lorbeersträuchern verborgen ist. M'chen. Sie irrt sich. Sie ist gar nicht traurig über den Tod ihres Mannes. Sie ist nur tief beleidigt darüber. Und das sieht beinah so aus, als ob sie traurig ist. Und während sie still vor sich hinschluchzt, läßt sie ihre verweinten Augen doch reihauf, reihab laufen und teilt die Leute da in zwei Lager: ihre Freunde und ihre Feinde. Sie irrt wiederum: Sie hat keine Feinde. Und sie irrt noch einmal, denn sie hat auch eigentlich keine Freunde, sondern nur Leute, die bei ihr verkehren. Und verkehrt haben.

Musik geht einem wie Wasser über den Körper. Es gleitet und rinnt. Man weiß nicht, wo die eine Welle anfängt und die andere aufhört. Fritz Eisner starrt auf die scharfen Kanten der Lorbeerblätter. ›Das ist ja wohl überhaupt Kirschlorbeer‹, sagt es in ihm plötzlich. Zu dumm, in diesem Augenblick so etwas festzustellen.

»Mit dem Geschäft war auch in den letzten Jahren nichts mehr los« –, meint jemand neben Fritz Eisner, denn Musik ist langweilig.

»Na, Gottseidank«, sagt sein Nachbar, »es müssen doch auch mal die andern rankommen«.

»Die Amerikaner sollen aber große Gebote gemacht haben«, sagt der erste wieder. Denn Musik ist langweilig, und sie ist zudem noch schwer, denn es ist der Trauermarsch von Beethoven. Herrlich, aber sie sollten ihn nicht so sehr schleppen.

»Bilder hätt' er verkaufen sollen, nicht Textilien.«

»Er war eben kein Kaufmann«, sagt der andere leise.

Aber Fritz Eisner sitzt so dicht neben ihm, daß er's eben hören muß.

›Kann man nicht dem Kerl sofort hier in die Schnauze schlagen‹, denkt Fritz Eisner, ›oder ich werde Rosenemil darum ersuchen. Der versteht so etwas besser als ich. Der hat die Technik dafür los.‹

Und dann steht Doktor Spanier neben dem Sarg im Namen der Freunde. Es ist ganz gut, aber es ist doch etwas dürftig, was er sagt. Er ist wohl durch M'chen behindert. Weil er auf den Kern seines Lebens nicht hier eingehen kann. Auf das, um das sich Paul Gumperts ganze letzten Jahre kristallisierten. ›Er hätte den Brief vorlesen sollen‹, denkt Fritz Eisner. ›Das wäre besser gewesen.‹

Und ein alter Prokurist weint für die Firma, aber durch seine Rede klingt es unhörbar, doch gräßlich deutlich: was wird nun aus mir? Ich bin vierundzwanzig Jahre bei Gumpert & Mühsam. Ich bin heute achtundfünfzig. Was ich mir gespart habe, hat mir die Inflation gefressen. Ich bin achtundfünfzig Jahre. Ich hätte eine Pension vom nächsten Jahr an bekommen. Was soll ich noch machen? Was wird aus mir?

Und dann kommt »O Isis und Osiris lenke ...« das hat Paul Gumpert sich gewünscht, weil er es liebt«. Und gleich danach hört man solch ganz leises Knarren. Es ist nicht angenehm, aber nicht so schlimm, wie das Schliefen der Gurte über den Holzsarg hin, wenn sie wieder heraufgezogen werden ... und der Sarg und die Blumen sinken in den Boden hinein.

Einen Augenblick gähnt der Rachen da weit und nach neuer Speise hungrig, und dann schließt auch er sich wieder. Und an der Stelle, wo noch vor einer Minute das letzte Menschliche eines armen gehetzten Selbstmörders war, ist das, was er ersehnte: das Nichts.

Aber die Scharniere haben sich noch kaum wieder geschlossen und ein paar abgefallene Blumenblätter an ihrem Rand in Verwirrung gebracht, da erhebt sich auch schon dieses kleine verheulte und schwarz verhangene Etwas, dieses nicht mal gutartige Kind von über fünfzig Jahren. Wartet kaum ab, daß die ersten ihr die Hand drücken, und geht, hastig wie eine Spitzmaus huschend, aus dem Raum als die allererste, und ihre Gefolgschaft tut weniger hastig, aber doch beschleunigt, das, was eben eine Gefolgschaft tut, sie folgt ihr. Es ist, als ob M'chen auch jetzt noch fürchtet, mit dieser Person zusammenzutreffen. Denn jetzt hat sie keinen Grund mehr, Rücksicht auf ihren Mann zu nehmen, und sie bei sich in ihrem Hause sogar, manchmal zu empfangen.

Und dann gehen auch die anderen langsam und wie betäubt einen Augenblick in das Licht hinaus vor die Tür. Die Sonne scheint. Die hastigen Wolken ziehen. Von den sich entlaubenden Bäumen stäuben Blätter, Chrysanthemen blühen bronzefarben in Beeten. Autos fahren draußen vor. Und ein Bollewagen klingelt weiter drüben. Wie selbstbewußt das Leben ist und doch so gar keine Notiz davon nimmt, daß es hier und immer hier enden muß. Auch wenn das »hier« gerade anderswo ist. Es endet doch hier, hier.

Und dann ist man wieder im Raum. Ruth neben Fritz Eisner schluchzt still vor sich hin. Der Sarg ist mit roten Rosen überschüttet. Das hat Paul so bestimmt. Jetzt sind die Älteren in der Minderheit. Jetzt sind junge Gesichter da. Hagere junge Schauspieler, etwas abgehungert, mit auswattierten Schultern. Und Schauspielerinnen, die sich das erstemal nicht geschminkt haben. Denn sie werden weinen und das zerstört die Schminke. Einige mit abrasierten nachgezogenen Augenbrauen. Das kommt jetzt auf. Und mit Haaren in dem letzten Flachsblond oder Braunrot, wie man es eben trägt.

Ein Quartett singt hinter den Lorbeeren: Nun zu guter Letzt, geben wir dir jetzt auf die Wanderung das Geleite ...

Ein junger Kollege spricht, für einen Schauspieler erstaunlich ungeziert. Er sagt, er hätte gestern am Abendhimmel einen köstlichen Stern gesehen. Den Schönsten und leuchtendsten. Aber er wäre nicht weit über dem Horizont hochgekommen und er wäre bald wieder untergegangen. Nur wenige Stunden wäre er am Himmel gewesen, und zum Zenith wäre sein Weg noch sehr weit gewesen. Aber es wäre der leuchtendste Stern am Himmel gewesen. Und da hätte er an seine arme tote Kollegin hier denken müssen. Und dann spricht er von Romeo und Julia. Es paßt zwar nicht ganz, vielleicht wäre Antonius und Kleopatra richtiger gewesen für Paul Gumpert und Joli. Aber es ist gut gemeint, denkt Fritz Eisner.

Und dann tritt Doktor Spanier vor und sagt Worte, von denen die meisten hier nicht einmal ahnen, welcher Sprache sie angehören und deren Sinn Doktor Spanier sicher auch nicht kennt. Die ihm aber von früh an im Gedächtnis geblieben sind. Und wie er da steht mit seinen fast weißen flatternden Haaren auf dem Schädel mit der braunen Haut und den großen dunklen flackernden Augen, da ist er genau so uralt wie diese Worte selbst, die älter als das Alte Testament sind. Da haben seine Augen, wenn je, den unergründlichen Blick des alten Ephraim Bonus, Arzt und Kabbalist und Jude, der sein Vorfahre gewesen sein soll und den Rembrandt railierte, an der Treppe stehend. ›Wejisch Kadal, wejisch Kadasch‹, das Kaddisch, das Totengebet. Und dann sinkt der Sarg langsam und feierlich dem Paul Gumperts nach. Und diese Viertelstunde da, die sie jetzt getrennt waren – das war vielleicht die längste Zeit, die sie in den letzten Tagen ihres Lebens getrennt waren. ›Und jetzt wird sie die gleiche Flamme in ihr feuriges Liebesbett aufnehmen‹, denkt Fritz Eisner. Ein paar rote Rosen, die vom Sarg heruntergefallen sind, wie er sich senkte, liegen noch da, wie die letzten Zeugen ihrer Liebe im Erdenleben.

»Hör mal, Fritz«, sagt Lu, »ich seh euch doch Donnerstag, das heißt morgen abend«.

»Wirklich, Lu?«

»Warum nicht, Fritz? Abendbrot essen müßt ihr doch, und ob ihr das nun bei euch oder bei mir tut, ist gleich. Der Chauffeur von Dju kann euch um elf dann heimbringen. Was machst du heut noch?«

»Ich muß nach Stettin, eine Vorlesung halten.«

»Fränze hat mir viel Freude gemacht.«

»Hast du sie denn schon gesprochen?«

Lu wird leicht verlegen. »Na ja, sie muß doch ihre alte Tante Lu begrüßen, nicht wahr? Also Fränze hat mir viel Freude gemacht. Sie ist doch trotz all der Ehedilemnen in eurem Haus prachtvoll geworden, und sie weiß, was sie will. So hätten wir sein sollen. Wir hätten uns manches erspart.«

»Wollten wir denn das? Und tut es dir etwa leid, Lu?«

»Eigentlich nicht«, sagt Lu und lächelt Fritz Eisner dabei an, »aber manches doch. Nicht was man getan, sondern was man versäumt hat Nicht wahr, mein Sohn? Aber nun mach, daß du wegkommst. Sonst kriegen die Stettiner nichts zu hören heute abend. Du gehst wohl als Austauschprofessor für die Stettiner Sänger hin? Erinnerst du dich noch an sie? Ruth und Fränze bringen wir nach Hause oder wo sie hin wollen. Aber mach jetzt schon, daß du wegkommst.«

*

Fritz Eisner springt gerade noch in den Zug hinein. Der Schaffner klappt die Tür hinter ihm mit einem Knau zu und ruft ›Abfahren!‹

›Es ist ganz gleich‹, denkt Fritz Eisner, während er den Gang entlang tappt, ›wann Züge gehen. Das liegt im Menschen. Es gibt solche, die zu jedem Zug zu früh kommen. Und es gibt solche, die zur rechten Zeit kommen. Solche, die im letzten Augenblick kommen. Und solche, die immer nur mit dem nächsten Zug fahren, weil sie zu jedem Zug zu spät kommen. Ich bin Gruppe 3 a. Ich verfehle nie einen Zug, aber ich komme selten, bevor der Schaffner nicht schon zum erstenmal ruft: Einsteigen!‹ Und Fritz Eisner wirft sich irgendwo und recht außer Atem auf einen Platz. Sehr voll ist der Zug nicht, aber gut besetzt Es scheinen gar keine Berliner mit dem Zug zu fahren, sondern nur Eberswalder, Pasewalker und Pommern. Und solche, die da so herum wohnen.

›Ich muß mir noch heraussuchen‹, denkt Fritz Eisner, ›was zum Vorlesen geeignet ist. Kleinere Sachen, die in sich geschlossen sind – sind hierbei zu bevorzugen. Nehmen wir das da. Das sind fünfundzwanzig Minuten. Und die beiden Humoresken je zehn Minuten, fünfundvierzig Minuten. Pause. Zwanzig Minuten. Fünfundsechzig Minuten. Den Abschiedsbrief aus dem ungedruckten Roman zehn Minuten. Wieder die kleine berlinische Humoreske, sieben Minuten, das sind zweiundachtzig Minuten. Das ist reichlich.‹

Aber Fritz Eisner weiß genau, daß so etwas; nur Theorie ist. Und daß er zum Schluß die Sachen, die er sich zusammengestellt hat, vielleicht gar nicht liest, sondern ganz andere, deren Wirkung er erprobt hat, wenn er so als Wanderprediger auf Tour ging. Man kann auch immer ruhig wieder die gleichen wählen, denkt er. Denn es ist nicht anzunehmen, daß die aus Frankfurt am Main es in Königsberg nochmal hören werden. Und endlich kann man ja doch stets nur die Hälfte von dem lesen, was man lesen wollte. Aber wenn man merkt, daß die Dinge, die man liest, nicht einschlagen, so ist man plötzlich oft ganz aufgeschmissen. Ich hab mir ja nur ein paar alte Skizzen und Romankapitel auf Grammophonwalzen ziehen lassen, und die leiere ich dann ab, wenn irgendein literarischer Verein oder eine Loge um eine Vorlesung aus eigenen Werken (möglichst unbekannte) ersucht.

Eigentlich hab ich nichts dagegen. Aber heute hätt ich doch lieber im letzten Augenblick abgesagt. Man sieht bei sowas eine fremde Stadt, man wird zu einem Mittag eingeladen. Und muß bei einem Abendessen dabei sein. Man nennt das nachher gemütliche Zusammenkunft. Ein gebildeter Junge oder älterer Mann muß einen herumführen und alles zeigen, was es dort in der Stadt zu sehen gibt. Er tut das, bis man Wasserblasen an den Füßen kriegt. Und dann kommt der Abend. Und jemand führt einen mit einer gewählten Ansprache ein. Er beginnt: ›Ich brauche Ihnen, meine Damen und Herren (die ersten sind in der Mehrzahl, denn sie haben weniger Stammtische und sind überhaupt bildungsbeflissener. Das Mittelalter fällt bei ihnen aus. Ganz junge und ganz alte gibt's da nur. Die Alten kommen, weil sie sich langweilen. Und die Jungen, weil sie den Mann sehen möchten, für dessen Buch sie ›schwärmen‹). Also ich brauch Ihnen gewiß nicht zu sagen, wer Fritz Eisner ist. Das hat er selbst schon seit vielen Jahren übernommen.‹ Aber dann, anstatt nun still zu sein, tut er es doch immer wieder in längerer Form.

Und ich sitze dabei und denke, warum sehen denn die Leute nur alle zu mir hin? Und dann erteilt der Vorsitzende, der sich nebenbei entschuldigt und sagt, daß er nur der Vizevorsitzende sei, weil der Vorsitzende auf einer unaufschiebbaren Amtsreise von Perleberg entfernt ist, aber es tief bedauert, gibt, also der Vizevorsitzende Fritz Eisner, das heißt mir, das Wort.

Und man steht oben auf dem Podium im unbekannten Saal und sieht, daß da hinten, wo es zum Restaurant geht, eine schlechte Kopie von Mackarts Abundanzia hängt. Und daß außerdem das Licht viel zu hell ist und blendet. Man weiß nicht, spricht man zu laut oder zu leise. Und man nimmt irgendeinen Herrn da unten aufs Korn, um zu sehen, wie er reagiert. Also er reagiert gar nicht. Er hat einen blonden Vollbart, der Herr, ist weder warm noch kalt, laulichwarmkühl, und sieht erst auf seine Nägel herunter und dann auf seine Stiefelspitzen. Wie lange hast du eigentlich schon gelesen, frage ich mich nach der dritten Geschichte. Laß lieber die Geschichte mit dem erotischen Einschlag aus. Das paßt hier nicht hin. Ich will nach meiner Armbanduhr sehen, wie lange ich noch zu lesen habe, aber der Ärmel ist so weit herübergefallen, und er läßt sich absolut nicht unauffällig hochschieben. Also ich lese und lese. Und jedesmal, wenn ich denke, die da unten sind eingeschlafen, beginnen sie zum Schluß aus höflicher Begeisterung doch zu klatschen. Ich lese weiter und schwitze und frage mich, wozu machst du dich denn hier eigentlich zum Affen? Und lese dabei immerzu und versuche einen Trommelwirbel über die Herzen und Gemüter der da unten hinprasseln zu lassen. Aber sie bleiben ganz und gar unbewegt, die Herzen und Gemüter. Und plötzlich sehe ich, daß sich da hinten jemand herausschleicht. Und dann noch einer. Und daran erkenne ich dann immer, daß ich Schluß machen muß.

Und nun kommt das Allerschrecklichste. Während ich mir die Stirn wische und Kätchen Schulze und Anna Maier mir schon Schreibblocks hinhalten, auf die ich meinen Namen schreiben soll, geht der Vorsitzende, der eigentlich der Vizevorsitzende ist, nochmals auf das Katheder. Und nun legt er erst richtig los. Lobt einen mitten ins Gesicht hinein, bis einem ganz blau und grün vor den Augen wird. Und gibt aus dem Stegreif psychologische Analysen des Gelesenen. Und dann kommt der Herr mit dem gelben Bart, der die ganze Zeit unbeweglich auf seine Stiefelspitzen gestarrt hat, denn die Sache interessiert ihn ja nur amtlich, zieht einen zur Seite und bedeutet einem, daß er der Kassenwart des Vereins ist. Und überreicht einem ein geschlossenes Kuvert und bittet um eine Quittung (nur der Ordnung wegen). Und erdankt und ich danke – und das war ja wohl der eigentliche Zweck der Übung.

Und während Fritz Eisner all das vor sich hinspintisiert und deutlich vor sich sieht ... ›so war das immer schon‹ ... und zum sechstenmal versucht, eine der Skizzen wenigstens zum Teil zu lesen (wer hat denn nur den Quatsch geschrieben?), ist draußen das Land. Sind Seen da. Brennen die letzten Kartoffelfeuer und lassen ihren so beißenden und so angenehmen Qualm bis in das Abteil hineinwehen. Sind wieder Seen da. Große und kleine. Solche, die im Wald liegen. Und solche, die in Feldern liegen wie runde Bullaugen an einer kahlen Schiffswand. Die Futterrüben werden gehackt. Die Zuckerkampagne beginnt. Und die Arbeiter in Reihen, die Frauen mit den blauen Schürzen dazwischen, lehnen sich einen Augenblick auf die Hackenstiele und sehen dem Zug nach. Die Felder sind kahl. Gepflügt wird noch kaum wieder. Die von der Ernte ausgelaugte Erde ist noch nicht umgebrochen. Dörfer sieht man wenig. Fast nur weite unbesiedelte Flächen.

Da unten hat man jetzt sicher noch dem Herbst die Türen verrammelt. Da ist noch alles grün. Kaum ein welkes Blatt. Und hier oben macht man schon dem Winter bald die Türen auf. (Was mag Ruth eigentlich jetzt machen? Vielleicht, sowas kann doch vorkommen, kann sich der Doktor Spanier doch geirrt haben.) Kinder stehen hier und da auf den Feldern und in den Straßen kleiner Ortschaften. Und grüßen und jubeln und winken dem Zug zu.

Fritz Eisner steht längst draußen auf dem Gang und starrt in die Landschaft, die keine ist. Nur wenn es durch rote Buchenwälder und an Seen vorübergeht, wacht er auf aus seinem sich ineinander webenden Gedankenmustern und Erinnerungsbildern.

Ach, jetzt wird es aber schon heller. Die Luft wird dünner. Das Land wird noch flacher und weiter. Der Fluß hat regenbogenfarbene Nebel und man spürt an einem sprühigen Wind, daß das Meer nicht mehr weit sein kann. Alle Farben werden greller und heller. Und am Himmel sind schon gegen das Meer hin jene grünlichen Tiefen, in denen weiße Herbstwolken rund und breit wie geschwellte Segel hängen.

Ja, und dann ist Stettin da. Und zugleich ein Mann auf dem Bahnhof, der Fritz Eisner nach irgendeinem alten Bild erkennt und anspricht. Und sagt, man hätte schon gefürchtet, er käme gar nicht. Er wäre schon zu drei Zügen hier gewesen. Aber nun wäre er ja Gottseidank da. Und ob er, Fritz Eisner, erst in ein Hotel gehen wolle, um sich ein Zimmer zu nehmen, oder ob er ihm ein wenig die Stadt zeigen dürfe.

»Nein«, sagt Fritz Eisner, »ich will mir kein Zimmer nehmen, denn ich komme soeben von der Einäscherung eines meiner besten und ältesten Freunde. Und außerdem ist meine junge Frau krank, und ich muß sofort wieder zurückfahren, sowie die Vorlesung beendet ist. Aber die Stadt sehe ich sehr gern. Denn wenn man so eine ganze Weile Eisenbahn gefahren ist, freut man sich ja, sich die Beine etwas vertreten zu können. Ich stell mir Stettin wundervoll vor.« »Hören Sie, Herr Eisner«, sagt der andere, »dat tut uns aber leed. Sie sollten abends unser gefeierter Gast nachher sein. Aber ich versteh schon, daß einem an so einem Tag nicht der Kopf danach steht. Ich hab auch vorige Woche meine Tochter begraben. Aber viel zu sehen gibt's hier nicht. Stettin ist 'ne schöne Stadt, 'ne grüne Stadt und sie hat einen Hafen. Doch dat steht in allen Reisebüchern Stettins, eine Stadt ohne Sehenswürdigkeiten. Da will ich Sie zuerst mal auf die Hakenterrasse führen, Herr Dichter. Und denn aufs Bollwerk. Und denn an den Hafen.«

Ja, und so vollzieht sich dann alles ganz programmmäßig.

Es riecht nach Teer und Heringen am Hafen. Das muß es an jedem Hafen. Ein paar Dockarbeiter schwanken schwer heim. Und ein Kapitän mit einer Kapitänsmütze und einer Schifferfräse unter dem Kinn geht auf das Heuerbüro zu. Das muß er in jedem Hafen. Hier müßte man Stettiner Bier trinken, denkt Fritz Eisner. Denn Stettiner Bier war vor hundert Jahren das Bier Berlins. Stettiner und Grüneberger. Es sind Schiffsmaklerfirmen da mit altmodischen Kontoren und altmodischen Namen auf altmodischen schwarzen Holzschildern. Wie in jedem Hafen. Dazu ist ein Platz mit einem großen Schloß da, und einer mit einem großen modernen Brunnen. Etwas sehr wilhelminisch. Die Qualität hält mit der Quantität nicht Schritt. Aber das gehört dazu. Es gibt eine ganz gemütliche Weinstube und es gibt ein gemütliches aber modernisiertes Café.

Das ist das Programm, wo man hingeführt werden muß, und wo man sagen muß: ›also so etwas haben wir in Berlin nicht!‹

Und die Sonne, die alte Sonne geht im Hafen in blauen Nebeln goldig und rot unter. Dekoriert die stille Fläche weithin mit den Farben der Hyazinthenfelder in Haarlem. Der Hafen könnte auch weniger verödet sein. Und es sind ein paar nette alte Tore da aus frühen Tagen, da man noch vom Tor aus nach dem Feind spähen mußte. Heute braucht man das nicht mehr. Da genügt schon der Nachbar.

Alles verläuft programmäßig. Der Vizepräsident entschuldigt sich, daß er nur der Vizepräsident ist, weil der Präsident leider heute abend amtlich verhindert ist, und er sagt, er brauche Fritz Eisner nicht bekanntzumachen, denn, wenn ihn auch die wenigsten im Saal von Angesicht zu Angesicht kennen, so wären sie doch mit seinem »Werk« um so vertrauter. Er wolle gewiß keine Würdigung des »Dichters« geben, das überlasse er Berufeneren. Aber gleich danach wird er wortbrüchig und legt los. Und dann bittet er Fritz Eisner – dazu ist der ja hergekommen – das Wort zu ergreifen. Und der wankt – das ist ein dummer Moment – zum Podium vor. Tut ganz nonchalant, als er das Podium schon zur Deckung hat. Der Präsident, der eigentlich der Vizepräsident ist, fragt ihn wie den Delinquenten, ob er noch etwas wünsche. Ein Glas Wasser, Tee oder Kaffee. Und ob die Beleuchtung auch genüge.

Und richtig! Da hinten ist die Kopie eines Bildes aus dem Berliner Zeughaus. Etwas verkleinert gottlob, auf dem der Große Kurfürst mit schnaubendem Schlitten (ach nein, schnaubenden Rossen vor einem Schlitten) über das Haff den fliehenden Schweden verfolgt. Und Fritz Eisner plagt der Gedanke: Ist das das Stettiner Haff oder das Kurische? Er wird es nie ergründen, sagt er sich. Und dann flüstert ihm der Vizepräsident noch zu: »Bitte, Herr Doktor, lesen Sie möglichst heitere Sachen.« (.Also danach steht mir gerade der Kopf, denkt Fritz Eisner.) »Ernstes haben die Leute genug.«

Und unten sitzt wieder der Mann mit dem gelben Bart, den sich Fritz Eisner aufs Korn nimmt. Ganz programmäßig.

Und Fritz Eisner liest ganz programmäßig die kleine Novelle mit dem erotischen Einschlag. Und sieht, daß das nichts ist für Stettin. Es bleibt kühl in dem Saal.

Er versucht es mit einer stimmungsvollen, farbigen, leicht philosophierenden Skizze. Es wird eisig.

Also in Gottes Namen, schreit es in Fritz Eisner, nimm so irgendeine kleine berlinische Humoreske mit Dialektfärbung!

Und plötzlich werden die Gesichter da vor ihm doppelt so breit. Und es geht ein Schmunzeln durch die Reihen. Denn dieses Volkstum hat ja doch mit dem Berliner etwas Verwandtes. Und deshalb nimmt es sofort jede Pointe auf. Und hier und da und an einzelnen Ecken beginnt man zu lachen. Erst geniert man sich noch etwas. Aber bald dröhnt der ganze Saal, so daß Fritz Eisner kaum weiter lesen kann. Nur der Herr mit dem gelben Vollbart verzieht keine Miene.

Und Fritz Eisner steht oben auf dem Katheder, und er muß eines nach dem andern von diesen alten Dingen herausziehen, und je trauriger er innerlich wird und je jämmerlicher ihm wird, denn er hat plötzlich ein tief quälendes Angstgefühl bekommen: Irgend etwas passiert jetzt. Jetzt in diesem Augenblick geschieht etwas ganz Entsetzliches ... desto besser scheint es ihm selbst, daß er liest. Er streichelt jedes Wort, ehe er es fortgibt. Er kitzelt behutsam jede auch nur mögliche Pointe heraus. Er läßt jeden Menschen in seinem eigenen Ton sprechen. Und je lustiger die Dinge werden, desto ruhiger liest er sie.

Also die Leute da unten wiehern vor Lachen. Und er ist einfach vor Angst wie in Schluchzen gebadet. Immer noch wollen sie mehr hören, wollen sie Zugaben.

Nein, nun kann er nicht mehr, sagt Fritz Eisner, und wischt sich die Stirn und die Augen, aus denen ihm aus einem unerklärlichen Angstgefühl einfach das Wasser stürzt.

Und alles verläuft programmatisch. Der Präsident, der einfach nur der Vizepräsident ist, geht mit hastigem Schritt, da Fritz Eisner noch kaum seine Bücher wieder in die Ledermappe geschoben hat, auf das Podium, dankt ihm und hält ihm eine Rede. Von der Gottseidank Fritz Eisner – er ist wie ein begossener Pudel – nur die eine Hälfte versteht, weil die andere zum größten Teil in Platt gehalten ist. Aber sie weckt eine unbändige Heiterkeit gerade dort, wo Fritz Eisner ihr nicht folgen kann. Und dann stehen schon Hedwig Quand und Ruth Silbermann da und strecken ihm kleine Taschenblocks hin und sind dabei rot über und über. Nicht nur Hedwig Quand, sondern auch Ruth Silbermann. Beide sind in der Prima. Die eine ist weißblond. Und die andere ist schwarzschwarz. Reizende Kinder sind sie beide.

Und wirklich, der Mann mit dem gelben Bart ist der Kassenwart. Und er bittet einen Augenblick um eine geschäftliche Regelung. Und verlangt eine Quittung nur »der Ordnung wegen«.

Fritz Eisner aber bittet, daß man ihn zur Bahn bringt. Er dürfe den Zug nicht versäumen. Seine Frau sei nicht wohl, und außerdem hätte er heute einen alten Freund bestattet.

»Also dann danken wir Ihnen desto mehr, daß Sie gekommen sind«, sagt der Präsident, der nur der Vizepräsident ist. »Schade, wir wollten noch im ›König von Preußen‹ ein steifes Grögchen trinken. Den kann man heut schon brauchen. Den kriegen sie im ›Blutgericht‹ in Königsberg auch nicht besser.«

Ja, und dann ist der Lärm hinter ihm, und Fritz Eisner ist der erste, der wieder draußen ist. Es weht nebenbei ein verdammt scharfer Wind von Osten her durch die Straßen. Man muß den Mantel fest um sich ziehen ... Ach Gott, Joli hatte so eine reizende Art, den Fehmantel zu halten.

Ja, und dann steht Fritz Eisner wieder auf dem Gang des D-Zuges. Hat eine Scheibe heruntergelassen, und der Wind, der hereintreibt, saust ihm durch die Haare. Ohne daß er ihm auch nur die Stirn und den Kopf kühlen kann.

Was ist denn mit mir los? Warum zieht es mir denn so mörderisch in den Handgelenken? Warum schnürt es sich mir so von unten her nach dem Hals und dem Kinn herauf, als ob mich jemand von innen erdrosselt? Das ist doch heller Unsinn! Es wird gar nichts sein. Sie wissen ja nicht genau, daß ich komme. Hoffentlich schläft wenigstens Fränze bei Ruth, daß sie einen Menschen um sich hat, wenn ...

Aber wie komme ich denn nur darauf? Der Doktor Spanier hat doch gesagt, es wird mal zu Ende gehen ... Entsetzlich genug! Das von einem so jungen, so klugen und schönen Menschen zu wissen! Aber es wäre ja noch viel schlimmer, wenn sie zum Beispiel Tuberkulose hätte, und nun, da es unheilbar geworden ist, langsam dahinsiecht. Verlieren werd ich sie mal. Das weiß ich. Aber das Jahr kann einem doch noch geschenkt sein. Oder wenigstens sechs Monate! Sie hat sich so auf Berlin und alles da wieder gefreut!

Ach Gott sei Dank, Eberswalde!

›Eberswalder Spriitzkuchen, frische Spriiiieeetzkuchen!‹ ruft eine Knabenstimme.

›Ich sollte noch welche mitbringen. Ich hätte denen doch überhaupt was mitbringen sollen. Das habe ich sonst immer getan. Und wenn's ein Biedermeierpüppchen aus buntem Porzellan war. Und für die Kinder eine Tafel Schokolade. Habe ich doch heute ganz vergessen.‹

Aber ehe der Junge noch in seine Gegend kommt, beginnt der Zug mit Fritz Eisner in seinem Bauch schon wieder durch die Nacht zu rennen. Und dann schiebt sich der Zug langsam in den Stettiner Bahnhof ein mit seinem Gewühl östlicher Menschen. Diese Leute sieht man zum Beispiel auf dem Anhalter nie. Hier trennen sich die Himmelsrichtungen.

Fritz Eisner nimmt drei Stufen auf einmal und ist der Erste unten, als Erster in einem Auto, das, vorfährt. Er soll nur auf kürzestem Weg fahren. Er bekommt auch ein anständiges Trinkgeld.

Jetzt ist es so etwas nach eins. Die Straßen sind noch nicht leer. Stettin war um halb elf schon wie ausgestorben. Nur der Wind lief da ganz allein noch über das Bollwerk.

Wie groß Berlin ist. Und wie dunkel stellenweise. Wenn man so hinten über die Invalidenstraße fährt und mit vielen langen Lichtbalken sich von der Alsenbrücke her die Laternen im Humboldthafen spiegeln und einem zublinzeln.

›Ich lasse mich ja nur so schnell fahren, um zu wissen, daß es nichts ist. Daß mir meine Überreizung einen Streich spielt. Daß die Nerven eben mal versagt haben. Es war auch etwas viel diese Woche. Und es ist ein wenig zu viel da vorgegangen für einen einzelnen Menschen. Nicht wahr?‹

Der Tiergarten (oder ist er es gar nicht) ist doch sehr schlecht erleuchtet. Es riecht nach Nässe und welkem Laub. Passanten sieht man kaum noch. Aber die Bänke sind alle besetzt. ›Kinder geht nach Hause, es ist doch zu kalt, noch hier zu sitzen. Ja, aber haben die denn ein Zuhause?‹

Aber am Zoo sind plötzlich noch ganze Mauern von Menschen. Und aus den Cafés kommen sie noch. Und die Autos rollen wie am laufenden Band aus der Stadt her.

»Fahren Sie hier herum und dann durch die Lietzenburger. Da kommen Sie besser durch, Chauffeur!«

›Ach, ich will ja nur wissen, daß es nichts ist. Ich freu mich schon wie ein Schneekönig auf mein Bett. Und ich freu mich, wenn erst Nuckelino ›Määh‹ macht. Halb verschlafen sich zu mir umdreht und mich anlächelt: ›Na, alter Jorry, biste doch wieder da? Ich dachte schon, du kommst überhaupt nicht mehr wieder zu mir zurück. Bei dir soll man sagen! Komm rein, ich hab dir schon gut vorgewärmt. Man kann heute schon ein warmes Bett vertragen.‹

»Um Himmelswillen! Da ist doch oben alles hell vorn. Ob die noch auf mich warten. Und das Haus ist ja auch nicht abgeschlossen. Käte steht an der Tür.«

»Was ist los, Käte?«

»Ach Gott«, sagt die, »ach Gott, der Doktor Spanier ist da und noch ein Herr. Das gnädige Fräulein, die gnädige Frau hat schon dreimal gebrochen. Erst dachten wir, es wären die Pralinés, die sie gegessen hat, weil die doch solche Himbeerfüllung hatten. Aber es soll Blut sein. Der Doktor Spanier und noch ein Professor sind eben bei ihr drin.«

Fränze kommt. Sie hat ganz rote Augen.

»Du, Papa«, sagt sie sehr ruhig, und plötzlich fällt sie in einen Sessel und schluchzt. Aber sie hat sich schnell wieder in der Gewalt.

»Du, Pap, Ruth wird die Nacht nicht mehr überleben. Es geht bald zu Ende. Sie ist zwar noch bei Bewußtsein. Sie hat auch keine Schmerzen. Aber sie ist nur noch sehr schwach. Es muß ein riesiger Aderbruch in der Speiseröhre sein, und da läuft der Magen immer wieder voll Blut.«

›Also doch Sophakusvarizen! Das hat schon vor fünf Jahren das Gummischweinchen als Ende prophezeit‹, denkt Fritz Eisner.

»Sie hat nur ein paar Bewegungen gemacht. Nur dreimal auf dem Teppich. Weil sie sagte, die Milz finge ihr wieder an wehzutun, und das hätte ihr damals gut getan. Ich habe noch gesagt: ›laß doch das, Ruth!‹ ›Ach‹, hat sie gemeint, ›der Arzt hat mir alles erlaubt.‹ Aber du hast es doch Papa versprochen, hab ich gesagt.«

»Das kannst du mir alles nachher erzählen. Ich muß rein!«

»Nein, Papa, du kannst nicht rein. Die beiden Ärzte haben auch abgeschlossen. Also Ruth steht auf und lacht noch: Ach was ... aber du hast eigentlich recht, Fränze, ›sein Versprechen muß man halten, bis an seinen seligen Tod‹, hat sie gemeint. Weißt du, wir haben doch immer so einen Vers gesungen, wenn wir am ersten April Wadenstrümpfe anziehen wollten, wie du es uns Versprochen hattest. Und es dann nicht erlauben wolltest, weil es zu kalt war. Da kam das drin vor. Ja, und dann haben wir uns ins Bett gelegt. Es war so gegen zehn. Und haben noch bis halbzwölf sehr nett geplaudert. Denn wir meinten ja, du kämst doch nicht. Die hätten dich da behalten. Und sie war ganz munter. Und von hundert Dingen haben wir gesprochen. Und ich habe noch gedacht, was ist das eigentlich für eine verrückte Welt. Sie ist doch so'n netter Mensch. Warum sind wir beide nur so lange so schlecht miteinander ausgekommen? Und das hab ich ihr auch gesagt. ›Na, das können wir ja noch nachholen‹, hat sie gemeint. ›Aber nicht mehr lange, Fränze. Denn in dem Bett hier bin ich geboren. Und in dem werd ich auch bald mal sterben. Ich weiß das ganz genau.‹ – ›Unsinn‹, hab ich noch gesagt, ›in fünfzig Jahren schläft man überhaupt in Hängematten, weil das gesünder ist.‹ Aber da war sie auch schon eingeschlafen. Na, und dann hab ich mich auch ganz ruhig auf die andre Seite gedreht.

Und so um viertel nach zwölf weckt mich Ruth. Ihr wäre von den Pralinées, die du ihr gekauft hast, sie hätte soviel davon gegessen, noch übel, ganz übel, aber sie möchte nicht aufstehen. Ich möchte ihr doch mal irgendein Becken reichen. Und da würgt sie sechs, acht, zehn rote Klöße raus. Und da wußte ich doch leider, was die Glocke geschlagen hat. Und ich sagte, warte, Ruth, ich bring das raus. Und hab sofort Onkel Dju angerufen. Wir hatten ein Stichwort verabredet, denn er wußte ja doch, daß er bald mal kommen muß.«

»Welches Wort«, meint Fritz Eisner, »du mußt es mir sagen, Fränze«.

›Wenn es noch wenigstens in einer Sprache gewesen wäre, die der Olle nicht kann‹, denkt Fränze. »Incipit«, sagt sie und beginnt wieder zu schluchzen. »Und in zwölf Minuten war er da mit einem ganz großen Chirurgen. Und jetzt sind sie eben seit bald 'ner Stunde bei Ruth drin. Ruth hat nebenbei, bis sie kamen, ganz ruhig und friedlich weiter geschlafen. Aber die beiden anderen Blutstürze waren furchtbar. Ich hab gesehen, wie sie die Schüsseln herausbrachten. Ich habe nie geglaubt, daß ein Mensch solche Mengen in sich hat. Geh nicht rein. Ich war ein paarmal inzwischen drin. Jetzt schläft sie wieder ganz ruhig.«

»Liebe Fränze, ein Mensch hat da zu sein, wo er hingehört. Vielleicht will sie mich sehen. Ich klopf nur ganz leise.«

Doktor Spanier schiebt seinen grauen Kopf langsam durch die Türspalte. Man sagt immer, Leute sind versteinert. Selbst solche Phrase kann zur Wahrheit werden. Und tritt dann in den Salon, und ein kleiner etwas bäuerisch aussehender Herr folgt ihm auf den Zehenspitzen.

›Richtig, das ist einer der größten Operateure Berlins‹, denkt Fritz Eisner. ›Wir waren mal früher in Gesellschaft zusammen. Der ist über zehn Jahre aus München fort. Aber er spricht noch ein unverfälschtes Bayrisch. Richtig, das ist er. Der wird schon noch irgend etwas finden. Ist ein genialer und wagehalsiger Chirurg. Aber er hat Glück. Viel Glück immer.

»Na, Herr Kolläge«, sagt der, »da mach i fein nix mehr. Was wolln wir die arme junge Frau noch lang sekkieren? Man kann ja auch net ran. Es muß an ganz gewaltiger Ritz in den Krampfadern, sein, die sich in der Speiseröhre gebildet haben müssen. Und wenn man rankönnt, glauben Sie, daß das was nützen täte, Herr Kollege? Das sind ja doch bloß Symptome. Dann reißt es morgen an andern Stellen. Ich mach da nichts mehr, Herr Kollege. Sie wärd' mir ja doch unter den Händen bleiben.«

»Und eine Transfusion?« wirft Fritz Eisner ein.

»Die wird rausrinnen wie durch ein Sieb. Der Riß muß zu groß sein. Geben wir der jungen Frau noch was, ums Herz zu halten, und dann vielleicht noch was, daß sie schlafen kann. Möglich, daß wir sie über die Nacht fort bringen. Und morgen früh sieht's anders aus. Ist ja noch ein arg junges Ding. Aber das Herz gefallt mir nicht, trotz der Kochsalzspritzen.«

»Jorry«, kommt es von drinnen, nicht viel leiser eigentlich als sonst. »Jorry, bis du da?«

»Ja, mein Liebling, was ist? Du bist nicht ganz wohl, höre ich eben.«

»Ach, das geht schon wieder vorbei, mein Alter«, meint Ruth mit ihrem süßen armen Kinderlächeln in dem entbluteten Gesicht. »Das wird schon wieder. Hast du auch Marley nicht verloren? Das möcht ich nicht erleben. Haben sie sehr geklatscht?«

Ruth sitzt aufrecht im Bett. Sie hat sich wohl hochgesetzt, wie die Ärzte herausgingen. Hat ihren ochsenblutfarbenen Kimono sich übergetan, nur so über die Schultern gehängt, wie Joli ihren Pelzmantel immer trug. Sie ist sehr blaß, aber dadurch treten die großen Augen wie zwei schwarze Flammen hervor. Und die Haare, die Fritz Eisner so liebt, daß sie sie sich nicht abgeschnitten hatte, wie das jetzt die große Mode war, hängen ihr in zwei schweren Zöpfen vorn über die Schulter. Schwer und voll. Sie ist eigentlich gar nicht zum Nachteil verändert. Sie ist eigentlich schöner denn je.

Und Fritz Eisner lächelt sie an, und sie lächelt ihn an. Beide lügen in diesem Lächeln. Jeder von ihnen weiß es, und jeder hofft, daß der andere ihm glauben wird.

»Wenn ich wieder auf bin, will ich nie mehr turnen«, sagt Ruth.

»Aber du siehst doch gut aus, mein Liebchen. Das wird schon wieder«, meint Fritz Eisner. Und sitzt bei ihr auf dem Bettrand und streichelt sie.

»Ja«, sagt sie leise, »komm, gib mir einen Kuß. Ich kann immer noch sehr schön sein, wenn ich will.«

Aber plötzlich lehnt sich Ruth zurück und beginnt zu fantasieren.

»Ich weiß gar nicht mehr, wie deine Frau aussieht ...«, flüstert sie. »Joli soll mir ihren Fehmantel geben. Ich will nur wissen, wie er mich kleidet ... Hast du die Notizen schon geordnet? ... Du wolltest mir doch die Glückel von Hameln dazu noch raussuchen ... Bestell die Billets zu Sonntag ... Heute sind wir bei Lu und Dju. Das freut mich.«

Aber dann beginnt sie den Kopf, den schönen Kopf, wie einen Uhrenpendel immer hin und her zuschlagen, so daß sich das zarte Näschen und die Spitze der Backe am Bettuch reiben und schnell aufreiben. Nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein, hundertmal nur nein, nein, nein! Und dann, aber das ist nur noch für Fritz Eisner zu verstehen, ganz leise: »Du, gib Käte eine Mark für's Kino.«

Und gleich darauf schießt ihr, ehe man ihr noch ein Becken unterhalten kann, wieder ein breiter Blutstrom aus dem Mund, während der Körper würgt und zuckt, und die beiden Ärzte springen zu mit den bereit gehaltenen Spritzen.

»So«, sagt der große Chirurg ganz freundlich, »nun wolln wir mal schauen, ob wir das Herz noch halten können. Ich spür aber fast nichts mehr von einem Puls. Aber jedenfalls wird sie ruhig schlafen, die arme junge Frau. Ich könnt hier nix machen. Was hätt' ich denn tun sollen, Herr Kollege?«

*

Ja, und dann wird es langsam hell. Franze und Fritz Eisner sitzen neben dem Bett, in dem Ruth seit vier Stunden schon ohne zu atmen weiter schlummert. Fritz Eisner hat noch keine Träne geweint. Doktor Spanier schläft vorn auf der Chaiselongue etwas. Und Maud, Kinder haben doch einen gesegneten Schlaf, ist noch nicht einmal aufgewacht.

Fritz Eisner hat bisher weder gesprochen noch eine Träne vergossen. Es ist nur sehr still in ihm. In keiner Kirche kann es so still sein.

In solchen Zimmern ist die Luft doch immer wie gefroren. Wie grau solch ein Morgen hochkommt. Aber es wird wohl wieder ein leidlich guter Tag sein. Alle Dinge sind noch da in der Welt. Nur du da nicht. Ich sehe die Dinge. Aber ich blicke durch sie hindurch, als ob sie nur angefärbtes Kristall wären. Meine Seele ist ganz unbeteiligt. Es geht mich nichts mehr an. All meine Beziehungen sind blaß geworden. Nicht der rote Wein da vor dem Fenster. Nicht die paar Linden da mit den gelben Wipfeln. Nicht die Straßenbahn, die schellt. Ich habe einmal in einem Wald vor einem Fuchsbau ein junges Häschen liegen sehen. Steif und der Kopf war abgebissen vom Fuchs. Seitdem habe ich das Wort ›Natur‹ im tiefsten begriffen.

Käte kommt verweint herein und trägt ein paar Dinge wieder heraus und kommt wieder. Plötzlich liegt sie vor Fritz Eisner und küßt seine Hand. »Herr Eisner«, sagt sie, »darf ich bei dem Kind von Fräulein Ruth bleiben? Ich habe ja sonst nichts.«

»Gewiß, Käte, ich wollte Ihnen das schon sagen.« Dann geht Käte wieder.

Das Telefon klingelt. Man sollte es abstellen. Fränze geht still heraus.

»Du, Papa«, ruft sie, »Hänse möchte dich sprechen!«

»Tag, Hänschen, mein Kind, was machst du? Ja, sie ist gegen vier ganz still herübergeschlummert. Und von zwei an hat Ruth eigentlich nur noch ganz ruhig geschlafen. Es war weit über die Hälfte ihres Bluts, was sie verloren hatte.«

»Du sollst nicht traurig sein, Papa«, kommt es von bald siebenhundert Kilometer her, aus der Muschel des Telefons.

»Du meinst, ich soll nicht unglücklich sein. Es ist sehr lieb von dir. Aber sag dem Neckar draußen, daß er nicht fließen soll.«

»Nein, du sollst wirklich nicht unglücklich sein«, kommt es wieder von siebenhundert Kilometern her, »denn du hast das große Glück gehabt, in einem Alter, wo das andere nicht mehr haben, mit einem jungen wunderschönen und sehr klugen Menschen – weißt du, was die Leute hier immer sagen? Sie ist die klügste Frau gewesen, die ihnen je begegnet ist,– über sieben Jahre zusammen zu leben. Und dafür sollst du dankbar sein.«

»Das ist sehr lieb von dir, mein Kind. Es ist sicher auch richtig. Aber es ist sehr schwer, danach zu handeln. Doch wir sehen uns ja spätestens in vier, fünf Tagen wieder. Nein, komm nicht her. Wozu? Ruth wird hier verbrannt, und dann wird die Asche auf dem Bergfriedhof beigesetzt. Weißt du, da oben unter dem Kirschbaum. Man kann von da aus bis zum Dom von Speyer sehen, die Stelle hat sie so geliebt ... Wenn du Bekannte von uns siehst, so sag es ihnen. Also auf Wiedersehen, mein Kind!«

»Wo ist denn Maud?« fragt Fritz Eisner, »steht das Kind denn nicht auf?«

»Maud«, sagt Fränze erstaunt, »die hat sich doch Tante Lu schon ganz früh geholt. Sie war doch hier im Zimmer. Sie hat doch mit dir gesprochen. Hast du denn das nicht gemerkt?«

»Wirklich nicht«, sagt Fritz Eisner, »ich habe sie nicht gesehen«. Und er setzt sich wieder ans Bett, Fränze gegenüber. Ruth schläft da schön und unentstellt. Nur die Lider über den geschlossenen Augen sind fast schwarz.

»Weißt du«, beginnt Fritz Eisner sehr tonlos und sehr leise, »du bist ja ein erwachsener Mensch, der schon sein Leben in eigene Hände genommen hat. Und wenn ich hier etwas sagen werde, was vielleicht sonst ein Vater nicht gerade zu seiner Tochter sagt, dann mußt du's mir nicht übernehmen. Weißt du, wie ich heut Nacht Ruths Hände küßte, die trotz meiner Küsse langsam kalt wurden, da mußte ich daran denken, daß ich einmal – das ist jetzt über sieben Jahre her – ihre kalten Hände geküßt habe, die dann warm, ja mehr als warm wurden. Das war nach der ersten Nacht, da wir zusammen waren. In irgendeinem kleinen Gasthaus im Wald an einem See. Und als ich des Morgens vor ihr kniete. Ich weiß noch, es war kaum hell. Russische Gefangene wuschen ihre Eßnäpfe im Teichwasser. Und dann sind wir weiter gegangen. Der See war wie ein weißer Schild draußen. Und der Sand hatte eine nasse Kruste, die bei jedem Schritt durchbrach. Wir waren ganz hell und wie durchleuchtet. Wie der See da draußen. Und doch war jene seltsame verliebte Fremdheit über uns, die zwei Menschen stets haben, die sich eben das erste Mal verbunden haben und nun erst fühlen, daß sie vielleicht eine ganze Kette von Ereignissen dem Heute werden nachschleifen müssen. Weißt du, was ich die ganze Nacht gesagt hatte: warum kann man so etwas nicht immer haben?«

»Du hast es ja gehabt, Papa«, sagt Fränze und lächelt.

»Ich war der erste Mann, mit dem sie zusammen war. Mit Blut hat unsere Liebe begonnen. Durch Blut ist sie gewatet all die Jahre. Die Geburt von Maud hat ein blutendes Nachspiel von bald dreiviertel Jahren gehabt. Was hat sie gelitten jeden Monat. Und in einem Meer von Blut ist unsere Liebe versunken. Wahrlich, wenn das Wort wahr ist: sie hat für mich ihr Blut gegeben.«

»Unsinn, geliebter alter Vater«, sagt Fränze, »vielleicht würde sie ohne dich und das Kind heute längst nicht mehr leben. Ich hab's ja gewußt. Es hat ihr keiner der Ärzte mehr als zwei Jahre noch gegeben. Und vielleicht hat sie gerade das gehalten, daß sie noch bei dir bleiben wollte.«

»Wie hatte Ruth sich auf mich eingelebt. Jedes Wort, jede Geste, jedes Zitat, das ich liebte und anwandte, mir abgelauscht. Und wie war ich glücklich, wenn ich sie auf eine Nummer ihres Programms bringen konnte. Hast du eigentlich mal begriffen, Fränze, daß die Verse, die wir lieben, und die Bücher, die wir lieben, immer unser Schicksal sind? Und wenn sie es nicht sind, so werden sie es. Wenn ich mir jetzt das so durch den Kopf gehen lasse, was Ruth liebte, so war es eigentlich immer nur das, was mit ihrem Schicksal zusammenhing. Nein, ich will nicht weggehen, Fränze. Ich wär glücklich, wenn ich's könnte. Aber wer Kinder hat, die nicht flügge sind, soll das lieber nicht tun. Aber kannst du dir vorstellen, was für ›Morgen‹ kommen werden? Wenn ich aufwache und wie alle Jahre sage: Nuckelinchen, was tut dir heute weh? Und dann ist sie nicht da. Eigentlich war sie ja doch immer krank. Die Monate, da sie nicht klagte, selbst die Wochen waren zu zählen. Und wenn sie sich nur gestoßen hatte und einen blauen Fleck, groß wie eine Hand, am Schenkel bekommen hatte. Die Krankheit stand nie still. Schritt von Symptom zu Symptom, die man stets vergeblich zu bekämpfen versuchte. Es ging ihr mal besser, und es ging ihr mal schlechter in all den Jahren. Gut, wie es einem jungen Menschen zwischen zwanzig und dreißig zu gehen hat, gut ging es ihr nie. Aber wir hatten uns damit abgefunden und nahmen keine Rücksicht mehr darauf. Und dachten, das würde nun in alle Ewigkeit noch so weiter gehen. Wir haben uns sehr geliebt. Und wir haben uns auch manchmal sehr gequält. Das will ich ruhig sagen. Vielleicht weil wir uns quälen mußten, und weil das Leben uns noch mehr und noch tiefer gequält hat. Aber wir haben nicht gehungert und wir waren nicht angebunden an eine Stelle. Und liefen nicht stumpfsinnig im Trott und im Kreis. Wir sind viel herumgekommen in den Jahren. Und das war wohl das Schönste. Wir haben die Nächte und die Sterne in Sizilien Arm in Arm umschlungen in den breiten Betten verträumt. Und die Schreie der Boulevards sind in Paris bis zu uns heraufgedrungen, wenn wir uns in den Armen lagen. Aber im Ganzen haben wir doch armselig gelebt. Wir waren nur noch Söhne und Töchter von denen von einst. Auf den Trümmern des alten Reichtums und der alten in sich gefestigten Bürgerlichkeit, führten nur noch ein Leben, das uns nicht mehr zustand. Und so sind wir hin und her gependelt zwischen Bürgertum und Proletariat. Ihr aber, die ihr nur Enkel seid, werdet wenigstens das Eine vor uns voraushaben, daß ihr von diesem Bürgertum nichts mehr wißt. Und so wird euch manches erspart werden, an dem wir uns zerrieben haben.«

»Ich verstehe das nicht ganz .,. Papa ...«, meint Fränze sehr leise. »Aber ich ahne es ungefähr, was du damit sagen willst.«

»Weißt du, Fränze, ich dachte nie, bis zu meinem siebenundvierzigsten Jahr, daß einem in seinem Leben soviel Glück begegnen könnte, wie Ruth für mich in ihren Händen trug. Und ich dachte nie, daß es in dieser armseligen Welt möglich wäre, daß man von soviel Glück sich trennen müsse, sogar noch eher, als sich meine Arme von ihm lösten. Wirklich, ich schwör dir, Fränze, kein Schatten dieses Gedankens war mir ernstlich bis zu dieser Minute gekommen, und ein guter Gott hat mich bis zu dieser Minute davor bewahrt, diesen Gedanken ganz zu erfassen. Ich bitte darum, daß er noch eine Weile mit mir Mitleid haben soll.

Und was wird nun sein, liebe Fränze? Morgen vielleicht schon, vielleicht übermorgen, werden wir da stehen, wo wir gestern bei Paul Gumpert und Ruths wundervoller seelischer Zwillingsschwester, der Joli, standen. Sie hat es selbst gewünscht. Und ich könnte es mir auch nicht anders vorstellen. Denn Feuer gehört zum Feuer. Und Ruth war ganz Feuer. In ihrer Entflammbarkeit für menschliche Ziele. In der Schärfe ihres Verstandes. In dem schnellen Erfassen. Und in der unerhörten Sicherheit und Wortgewandtheit ihrer Rede. Und, Gott, du bist ja kein Kind mehr, Fränze, in ihren Umarmungen.

Ja, und was wird nun sein? Wir werden sie verbrennen. Wir werden Bilder von ihr an unsere Freunde schicken. Wir werden das Kind in ihrem Sinn erziehen und du wirst mir dabei helfen, Fränze, und doch, bei alledem, gewiß, sie war, das sagt jeder, sie war eine der schönsten und klügsten Frauen, die mir je begegnet ist. Ich kenne keine, ich wenigstens nicht, die ihr ebenbürtig gewesen wäre. Sie war vielleicht auch, wie die arme Joli, nur ein strahlender Stern am Horizont, der nie zum Zenith emporsteigen sollte. All das war sie. Und wie lange wird es dauern, Fränze, dann wird sie eben nur noch ein Märchen sein: es war einmal eine schöne junge kluge Frau.«

Fränze entgegnet nichts.

Draußen fängt man an, Teppiche zu klopfen. Erbarmungslos hört man es durch alle Vorhänge und die geschlossenen Doppelfenster.

›Wie roh das Leben zuschlägt!‹ denkt Fritz Eisner.

Auch Fränze denkt vielleicht das Gleiche, will etwas sagen, schweigt dann aber doch.

Aber Fritz Eisner fühlt, daß es sie zwingt, etwas zu sagen, auch wenn es ihr nicht allzu angebracht erscheint, es grade jetzt zu tun. Wie lange sie sich nun schon so gegenübersitzen, ahnt Fritz Eisner kaum, aber er empfindet, daß die ganze Zeit das unausgesprochene Wort zwischen ihnen schwebt.

»Du, weißt du«, meint Fränze endlich sehr klanglos, »erinnerst du dich?« Und auch jetzt verläßt sie nicht ganz der Ton einer leisen Ironie. »Denkst du noch daran, heißgeliebter, alter Vater, daß ich einmal bemerkte ... so beiläufig hinwarf ..., daß Ruth ja eigentlich ... ›eigentlich‹, sagte ich!! ... doch ... ›doch‹, sagte ich!! ... zu uns gehörte?! Zu uns gehörte ... Ja? Es war nicht ganz das, was ich damals meinte. Sie gehörte eben doch halb nur zu uns und halb noch zu dir. Verstehst du?! Genau so, wie Joli halb ins Heute und halb ins Gestern und zu Onkel Paul gehörte. Die beiden kamen ja noch aus einer andern Lebenssicherheit, die wir schon nicht mehr gekannt haben und nie mehr kennen werden ... innerlich und äußerlich nicht! Niemand mehr von uns heute! Seltsam, daß ein paar Jahre, und grade diese paar Jahre, soviel bedeuten können. Ich verstehe auch, daß ihr sie noch mehr liebtet als uns, weil ihr euch und uns zugleich darin wiederfandet. Das sind alles so ungreifbare Dinge, die lassen sich nur schwer in Worten umschreiben. Verstehst du mich eigentlich, Papa? Oder tut dir mein Reden weh?«

Fritz Eisner fährt hoch. »Ach ja, gewiß, nur zu gut versteh ich dich«, sagt er und nickt mechanisch. »Sprich ruhig weiter, Fränze!«

»Ja, aber ich denke dabei ja gar nicht etwa an euch und noch weniger an uns vielleicht ... Übergangsformen bleiben nicht. Übergangsformen verwehen ... nur an Ruth denke ich dabei. Die arme, schöne, junge Frau! Weißt du, Papa, es ist meist wenig dankbar in diesem Dasein, Brücke zu sein ... und nun gar erst zwischen einer Zeit, die es noch nicht gibt, und einer Zeit, die stirbt!«

 

Ende


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