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Tausend und eine Nacht. Band V
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Der Floh und die Maus.

»Man erzählt, daß eine Maus in dem Hause eines reichen Kaufmanns lebte. Als nun einmal ein Floh bei Nacht ins Bett jenes Kaufmanns einkehrte und einen weichen Leib sah, trank er, da er durstig war, von dessen Blut. Der Kaufmann erwachte jedoch, da ihn der Flohstich geschmerzt hatte, aus dem Schlaf, richtete sich empor und rief einige seiner Diener, welche schnell herbeikamen, die Ärmel über die Hand zurückstreiften und nach dem Floh suchten. Als nun der Floh merkte, daß man ihn fangen wollte, sprang er fort und hüpfte in das Loch der Maus, das ihm gerade in den Weg kam. Als ihn die Maus erblickte, fragte sie ihn: »Was hat dich bewogen in mein Loch zu kommen, wo du weder nach Wesen und Art mir gleich bist, noch auch vor Grobheit und Mißhandlung sicher bist?« Der Floh antwortete ihr: »Ich floh in deine Wohnung, um mein Leben zu retten, und komme schutzflehend zu dir; ich begehre weder nach deinem Hause, noch soll dich etwas Böses von mir treffen, das dich zum Verlassen deiner Wohnung bewegen könnte. Ich hoffe dir deine Güte aufs beste zu lohnen, so daß du den Ausgang meiner Worte preisen sollst.«

Als die Maus die Worte des Flohs vernahm,

Hundertundeinundfünfzigste Nacht.

sagte sie: »Wenn es sich so verhält, wie du es gesagt hast, so bleib' hier in Sicherheit und ohne Furcht; nur, was dir Freude macht, sollst du finden, und, was mir widerfährt, soll dir auch widerfahren; ich schenke dir meine Liebe. Laß dich das Blut des Kaufmanns, das dir entgangen ist, nicht gereuen, bekümmere dich nicht um den Lebensunterhalt, den du an ihm hattest, und sei mit der Speise zufrieden, die sich dir darbietet, da dies gefahrloser für dich ist. Hörte ich doch, o Floh, einen Prediger folgende Verse sprechen:

Ich zog die Straße der Genügsamkeit und Einsamkeit,
Und verbrachte meine Zeit, wie es sich gerade traf.
Ich begnügte mich mit einem Stück Brot und einem Trunk Wasser,
Mit grobem Salz und einem zerschlissenen Kleid.
Wollte Gott mein Leben leichter machen, so wär' es gut,
Doch bin ich zufrieden mit dem, was er mir gab.«

Als der Floh die Worte der Maus vernommen hatte, sagte er: »Meine Schwester, ich habe deine Ermahnung vernommen; ich unterwerfe mich dir und habe nicht die Kraft dir zu widersprechen, bis das Leben in dieser schönen Weise verflossen ist;« und die Maus entgegnete ihm: »Aufrichtige Absicht genügt zu reiner Freundschaft.« Hierauf schlossen sie den Freundschaftsbund ab, und der Floh lebte von nun an des Nachts im Bette des Kaufmanns, ohne mehr, als er gerade zum Leben bedurfte, zu nehmen, am Tage aber lebte er bei der Maus in ihrer Wohnung. Da traf es sich, daß der Kaufmann eines Nachts viel Geld in seine Wohnung brachte und dasselbe um und um kehrte. Als die Maus den Klang des Geldes hörte, steckte sie den Kopf zum Loch heraus und betrachtete das Gold, bis der Kaufmann es unter das Kissen legte und schlafen ging. Dann sagte die Maus zum Floh: »Siehst du nicht die günstige Gelegenheit und das große Glück? Weißt du ein Mittel, das uns zu jenem Golde verhilft?« Der Floh antwortete ihr: »Nur dem gelingt sein Unternehmen, welcher der Sache gewachsen ist. Ist er zu schwach dazu, so fällt er in das Unheil, vor dem er sich gerade hüten sollte, und erreicht sein Vorhaben nicht, selbst wenn er so stark wie jener Sperling wäre, welcher das Korn aufpicken wollte und dabei ins Netz fiel und vom Vogelsteller gefangen wurde. Du hast weder die Kraft dazu die Goldstücke zu nehmen, noch sie aus dem Hause zu schaffen, und ich bin nicht einmal imstande einen einzigen jener Dinare aufzuheben. Was kümmern dich daher die Dinare?« Da entgegnete ihm die Maus: »Siehe, ich habe in meinem Loch diese siebzig Ausgänge hier gemacht, um herauskommen zu können, wenn ich heraus will, und habe außerdem einen festen Platz für die Vorräte angelegt. Würdest du ihn durch irgend ein Mittel bewegen können das Haus zu verlassen, so zweifelte ich nicht am Gelingen, vorausgesetzt daß mir das Schicksal beisteht.« Der Floh antwortete ihr nun: »Ich verpflichte mich dir ihn aus dem Hause zu bringen.« Alsdann sprang der Floh aufs Bett des Kaufmanns, stach ihn so stark, wie es dem Kaufmann bisher noch nicht vorgekommen war, und brachte sich dann wieder vor dem Kaufmann in Sicherheit. Der Kaufmann aber legte sich, nachdem er erwacht war und vergebens nach dem Floh gesucht hatte, auf die andere Seite. Da stach ihn der Floh noch stärker als das erste Mal, so daß der Kaufmann mißmutig sein Lager verließ und sich auf eine Steinbank an seiner Hausthür schlafen legte, wo er bis zum Morgen, ohne zu erwachen, schlief, während sich die Maus inzwischen daran machte das Gold fortzuschaffen, bis nichts mehr übrig geblieben war. Am andern Morgen lenkte sich dann der Verdacht des Kaufmanns auf die Leute, und er hegte allerlei Vermutungen.«

Hierauf sagte der Fuchs zum Raben: »Wisse, o einsichtsvoller, verständiger und erfahrener Rabe, ich erzähle dir dieses nur deshalb, daß du den Lohn für deine Gefälligkeit, die du mir erweisen sollst, erhältst, wie ihn die Maus für ihre Gefälligkeit, die sie dem Floh erwies, erhielt. Bedenk' demnach, wie er es ihr aufs beste lohnte und aufs schönste vergalt.«

Der Rabe entgegnete jedoch dem Fuchs: »Wenn einer gefällig sein will, ist er gefällig oder auch nicht, man soll aber nicht gegen jemand gefällig sein, der Freundschaft für den Preis der Trennung von seinen Lieben verlangt. Wenn ich gegen dich gefällig bin, wiewohl du mein Feind bist, so werde ich es mit meinem Leben bezahlen müssen, denn du, o Fuchs, bist voll Falsch und Trug; wessen Natur aber aus Falsch und Trug besteht, der hält keinen Pakt, und, wer keinen Pakt hält, der ist ohne Treu und Glauben. Hab' ich doch erst vor kurzem gehört, daß du deinen Kameraden, den Wolf, verraten und ihn durch List und Verrat ins Verderben gestürzt hast, obwohl er doch zu deiner Gattung gehörte, und er seit langer Zeit dein Freund war. Hast du ihn nicht am Leben gelassen, wie soll ich denn deinen Worten glauben schenken? Wie würdest du erst, wo du so gegen deinen Freund gehandelt hast, der von deiner Gattung war, gegen deinen Feind verfahren, der nicht zu deiner Gattung gehört? Du bist mit mir in derselben Lage wie der Sakerfalk mit den Raubvögeln.« Da fragte der Fuchs: »Wie ist die Geschichte vom Sakerfalken und den Raubvögeln?« Und der Rabe erzählte:

 


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