Karl Henckell
Im Weitergehn
Karl Henckell

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Letzter Abschied

Gesprochen bei der Feuerbestattung des Dichters Wilhelm Holzamer
in Jena am 2. September 1907

        Die Flamme glüht. Im sonnenheißen Bade
Versinkt der Leib. Vom grausamen Gestade,
Das Tod und Leben trennt, schon winken wir
Dir letzten Gruß. – Du fliehst, wir bleiben hier.

Wär's nur ein Traum! Kann's einer von uns fassen?
Nein, nein! Du hast uns viel zu früh verlassen.
Warst für die Asche, die im Wind zerstiebt,
Zu jung, zu schaffensfrisch, zu sehr geliebt.

Dein Herz war echt und deine Seele lauter.
So wardst du bald dem schweren Leid vertrauter
Als jedem leichten Glück auf diesem Stern –
Die Welt will glatte Schale, harten Kern.

Du Sohn des Rheins von perlendem Geblüte,
In dem der Geist so lebenspendend sprühte,
Du schönheitkundig kunstgeübter Mann,
Zu fein und kühn für enger Sphäre Bann:

Du gingst den Weg, den du für wahr erfunden,
Auf Brust und Rücken brannten dir die Wunden,
Verleumdung schlug ihr gieriges Gebiß
Dir tief ins Fleisch – und falsches Band zerriß.

Doch eines seltnen Lichtes reine Welle
Glitt über dich mit wundersamer Helle,
Dein Scheitel ward gekrönt von seligem Licht,
In Liebe blühte Leben und Gedicht.

Zu freiem Ausblick, früchtefrohen Hängen
Begann dein Fuß zu steigen – von Gesängen
Und von Geschichten quoll's, als atme jetzt
Der Künstler auf, den jahrlang Kampf gehetzt.

Wie mutig schrieb die kräftige Feder wieder
Bücher des Lebens und des Schicksals Lieder!
Der Reife Werk von unbeirrter Art
Wuchs mählich: Liebe Segen offenbart.

Da ist der schonungslose Tod gekommen,
Hat jäh die Feder aus der Hand genommen,
Der liebsten Frau, den Kindern Heil und Haupt,
Den edlen Dichter seinem Volk geraubt.

Und trostlos starren wir in grause Tiefe . . .
Uns ist, wie wenn ein ferner Rufer riefe:
»Leb wohl, du Eine, die mein Stern gewesen,
Lebt, Teure, wohl! – Ich bin zum Licht genesen.«


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